abging.
Diesen ins
Platte und
Triviale ausartenden Rationalismus pflegt man als Rationalismus vulgaris, d. h.
ordinären Rationalismus, zu bezeichnen. Über dem
Eifer in seiner
Verurteilung hat man vielfach vergessen, daß der
Emanzipation der weltlichen
Kultur von der kirchlichen
Führung, wie sie sich im
Zeitalter des Rationalismus vollzog, auf protestantischem
BodenNotwendigkeit
zukam, wie denn auch der Rationalismus den
Kern der reformatorischen
Frömmigkeit, das sittliche
Ideal der Pflichtübung, bewahrt und nach
der Seite einer universelle
Humanität erweitert hat.
G.
Frank, Geschichte
der protestantischen
Theologie, Bd. 3 (das. 1875).
In der
Philosophie bezeichnet Rationalismus (seit
Kant) diejenige
Richtung, welche die sogen. »reine
Vernunft« (ratio pura) mit Ausschluß
jeder, sei es innern, sei es äußern,
Erfahrung als einzige Erkenntnisquelle gelten läßt und diese durch jene vollständig
ersetzen zu können glaubt. Gegen dieselbe ist
Kants ebendeshalb als
»Kritik der reinen
Vernunft« bezeichnetes
Hauptwerk in der
Weise gerichtet, daß zuerst der in der allgemeinen, dann in der besondern
Metaphysik, und zwar in jedem der
drei Teile der letztern,
Psychologie,
Kosmologie und
Theologie, der
Kritik unterzogen wird.
Das Ergebnis derselben fällt dahin aus, daß die Schöpfer einer
Metaphysik aus »reiner
Vernunft«, dergleichen
nach ihm
Christian v.
Wolf (s. d.) und
Crusius sind, als »Luftbaumeister« anzusehen seien; aber auch, daß
es mit jenen einer
Psychologie,
Kosmologie und
Theologie »aus reiner
Vernunft« nicht besser stehe. Nichtsdestoweniger ist der
Rationalismus nach
Kant in dessen idealistischen Nachfolgern abermals und verstärkt hervorgetreten, hat aber in
dem vermessenen
Versuch, die gegebene
Natur- und Geschichtserfahrung durch rationale
Konstruktion aus
»Begriffen der reinen
Vernunft«
überflüssig zu machen, sowohl in der
Naturphilosophie
(Schellings) als in der
Philosophie der Geschichte
(Hegels) zu demselben
Ergebnis innerlich hohler »Luftgebäude« oder versteckter Entlehnung aus
der äußerlich schroff abgewiesenen
Erfahrung geführt.
LouisGustaveFortuné, franz. Schriftsteller, geb. zu
Straßburg,
[* 5] studierte in
Paris
[* 6] und trat um 1853 in die Redaktion des
»Journal des Débats«, der er bis 1876 angehörte. Seine erste größere Leistung
auf litterarischem Gebiet war eine versifizierte Übersetzung des
Dante (Par. 1854-57, 4 Bde.) im
Versmaß des
Originals
(Terzinen), die ihm einen akademischen
Preis eintrug. Es folgten kritische und litterarische
Versuche,
Poesien und ganz besonders
Jugendschriften (letztere sowohl unter seinem
Namen als unter dem
PseudonymTrim).
»Les
petites femmes« (1871) u. a. Auch hat Ratisbonne im
Auftrag seines
Freundes A. de
Vigny dessen nachgelassene Werke: »Les destinées« (philosophische
Gedichte, Par. 1864) und »Le
[* 7] journal d'un poète«
(1867), herausgegeben.
(Bertramus),
Benediktiner von
Korvei, gest. 868, nahm an allen dogmatischen Streitigkeiten seines
Jahrhunderts
hervorragenden und sehr ehrenvollen
Anteil;
so richtete er seine
Schrift
»De corpore et sanguine Domini«
(gedruckt Oxf. 1859) gegen die Brotverwandlungstheorie seines
AbtesPaschasius Radbertus (s. d.) und schrieb während des Streits
der
Lateiner mit den Griechen das
Buch
»Contra Graecorum opposita«. Im Prädestinationsstreit stellte er sich auf die Seite
Gottschalks (s. d.).
die umschreibende
Darstellung eines nicht genannten Gegenstandes,
den derLeser oder
Hörer
selbst auffinden (»raten«) soll. Die Hauptaufgabe eines guten Rätsels
besteht darin, daß die ganze
Beschreibung, wenn auch ihre einzelnen Teile mehrdeutig sind, doch treffend den Gegenstand bezeichne;
es ist um so vollkommener, je schärfer bei aller absichtlichen Dunkelheit die Bezeichnungen sind, und
je mehr dabei dem Nachdenken überlassen wird. Man unterscheidet: Buchstabenrätsel, wenn einer oder zwei
Buchstaben am Anfang
des
Wortes verändert werden, während der übrige Teil des
Wortes unverändert bleibt
(Maus,
Haus, Schmaus);
Worträtsel, bei denen gleich das ganze
Wort zusammengenommen wird.
Nebenzweige des Rätsels sind: das Bilderrätsel oder der
Rebus (s. d.), der sogen.
Rösselsprung
(s. d.), endlich das Schachrätsel. Das hat seinen Ursprung im
Orient, wo es im
Altertum nicht selten als
Ausdruck höherer
Erkenntnis diente, die sich gern in Dunkelheit hüllte.
Schon bei den
Hebräern spielte es im Volksleben
bei ernsten und heiterm Anlässen eine bedeutende
Rolle. Dem
Joram muß es dazu dienen, das
KönigtumAbimelechs zu verhöhnen;
Simson würzt damit sein Hochzeitsmahl; die
Königin von
Saba geht mit
Salomo an dessen
Hof
[* 15] einen Rätselkampf ein. Bei den Griechen
schloß sich das in den frühsten
Zeiten an die Orakelsprüche an und war daher meist in
Hexametern abgefaßt.
Besonders kam es zur Zeit der
Sieben Weisen, die es zu didaktischen
Zwecken verwendeten, in
Aufnahme, und namentlich soll
Kleobulos
eine große Anzahl von Rätseln in
¶
mehr
Versen geschrieben haben. Fast alle bei uns jetzt üblichen Formen des Rätsels finden sich schon im hellenischen Altertum, und
selbst die Epiker, die dramatischen Dichter und Lyriker mischten gern rätselartige Aussprache in ihre Dichtungen ein. Bekannt
ist das von Ödipus gelöste Rätsel der Sphinx
[* 17] (vgl. Ohlert, Rätsel und Gesellschaftsspiele der alten
Griechen, Berl. 1886). Die Römer
[* 18] fanden weniger Geschmack an dergleichen Denkübungen. Besonders häufig war dagegen der Gebrauch
der Rätsel bei den germanischen Völkern.
Schon die Eddalieder sind voll solcher Fragen, womit man seine gegenseitige Kenntnisse prüfte. Aus dem spätern deutschen
Altertum sind besonders zwei Gedichte von Rätselform zu erwähnen: das sogen.
»Tragemundeslied« und der »Wartburgkrieg«, außerdem zahlreiche im Volksmund und in Volksbüchern erhaltene Überreste von
Rätseln. Eine weitere Ausbildung hat das Rätsel im 18. und 19. Jahrh. erhalten, wo man ihm durch die
poetische Form größern Reiz zu geben suchte.
Durch poetischen Gehalt und Formenschönheit ragen Schillers bekannte in der »Turandot« hervor; mehr
durch Humor oder durch Witz und Scharfsinn ausgezeichnet sind die Rätsel von Hebel
[* 19] und Schleiermacher, ferner von Mises, Thiersch, Hauff,
Schmidlin, Brentano u. a. Die erste deutsche Rätselsammlung wurde 1505 in Straßburg gedruckt (neu hrsg. von Butsch, das.
1875). Eine Sammlung alter Volksrätsel enthält auch Simrocks »Deutsches Rätselbuch« (3. Aufl., Frankf.
1874). Von den zahlreichen neuern Sammlungen empfehlen sich durch Reichhaltigkeit Ohnesorges Rätselalmanach »Sphinx« (Berl.
1833-35, 6 Bde.) und Hoffmanns »Großer deutscher Rätselschatz« (Stuttg. 1874, 2 Bde.).