abging. Diesen ins Platte und Triviale ausartenden Rationalismus pflegt man als Rationalismus vulgaris, d. h.
ordinären Rationalismus, zu bezeichnen. Über dem Eifer in seiner Verurteilung hat man vielfach vergessen, daß der Emanzipation der weltlichen
Kultur von der kirchlichen Führung, wie sie sich im Zeitalter des Rationalismus vollzog, auf protestantischem Boden Notwendigkeit
zukam, wie denn auch der Rationalismus den Kern der reformatorischen Frömmigkeit, das sittliche Ideal der Pflichtübung, bewahrt und nach
der Seite einer universelle Humanität erweitert hat.
Als die vorzüglichsten Vertreter des wissenschaftlichen Rationalismus sind die Dogmatiker Wegscheider (s. d.) und Bretschneider (s. d.),
der durch seine natürliche Wundererklärung epochemachende Exeget H. E. G. Paulus (s. d.) und der Kanzelredner
Röhr (s. d.) hervorzuheben. Schleiermacher hat in seiner »Glaubenslehre« den Gegensatz zwischen Rationalismus und Supernaturalismus vor
allem durch eine tiefere Erfassung des Begriffs der Religion überwunden.
Vgl. Stäudlin, Geschichte des Rationalismus (Götting. 1826);
G. Frank, Geschichte
der protestantischen Theologie, Bd. 3 (das. 1875).
In der Philosophie bezeichnet Rationalismus (seit Kant) diejenige Richtung, welche die sogen. »reine Vernunft« (ratio pura) mit Ausschluß
jeder, sei es innern, sei es äußern, Erfahrung als einzige Erkenntnisquelle gelten läßt und diese durch jene vollständig
ersetzen zu können glaubt. Gegen dieselbe ist Kants ebendeshalb als »Kritik der reinen Vernunft« bezeichnetes
Hauptwerk in der Weise gerichtet, daß zuerst der in der allgemeinen, dann in der besondern Metaphysik, und zwar in jedem der
drei Teile der letztern, Psychologie, Kosmologie und Theologie, der Kritik unterzogen wird.
Das Ergebnis derselben fällt dahin aus, daß die Schöpfer einer Metaphysik aus »reiner Vernunft«, dergleichen
nach ihm Christian v. Wolf (s. d.) und Crusius sind, als »Luftbaumeister« anzusehen seien; aber auch, daß
es mit jenen einer Psychologie, Kosmologie und Theologie »aus reiner Vernunft« nicht besser stehe. Nichtsdestoweniger ist der
Rationalismus nach Kant in dessen idealistischen Nachfolgern abermals und verstärkt hervorgetreten, hat aber in
dem vermessenen Versuch, die gegebene Natur- und Geschichtserfahrung durch rationale Konstruktion aus »Begriffen der reinen Vernunft«
überflüssig zu machen, sowohl in der Naturphilosophie (Schellings) als in der Philosophie der Geschichte (Hegels) zu demselben
Ergebnis innerlich hohler »Luftgebäude« oder versteckter Entlehnung aus
der äußerlich schroff abgewiesenen Erfahrung geführt.
Louis Gustave Fortuné, franz. Schriftsteller, geb. zu Straßburg, studierte in Paris
und trat um 1853 in die Redaktion des »Journal des Débats«, der er bis 1876 angehörte. Seine erste größere Leistung
auf litterarischem Gebiet war eine versifizierte Übersetzung des Dante (Par. 1854-57, 4 Bde.) im
Versmaß des Originals (Terzinen), die ihm einen akademischen Preis eintrug. Es folgten kritische und litterarische Versuche,
Poesien und ganz besonders Jugendschriften (letztere sowohl unter seinem Namen als unter dem Pseudonym Trim).
Hervorzuheben sind: »Henri Heine« (Par. 1855);
»Impressions littéraires« (1855);
»Au printemps de la vie«
(Poesien, 1857);
das Drama »Héro et Léandre« (1859);
»La comédie enfantine« (1860);
»Morts et vivants, nouvelles impressions
littéraires« (1860);
»Les figures jeunes« (Gedichte, 1865);
»Auteurs et livres« (1868);
»Les petits hommes« (1868);
»Les
petites femmes« (1871) u. a. Auch hat Ratisbonne im
Auftrag seines Freundes A. de Vigny dessen nachgelassene Werke: »Les destinées« (philosophische
Gedichte, Par. 1864) und »Le journal d'un poète«
(1867), herausgegeben.
Portage (spr. -pórtedsch), aufblühender Ort in der britisch-amerikan. Provinz Ontario, beim Austritt des Winnipegflusses
aus dem Wäldersee, mit Sägemühlen.
(Bertramus), Benediktiner von Korvei, gest. 868, nahm an allen dogmatischen Streitigkeiten seines Jahrhunderts
hervorragenden und sehr ehrenvollen Anteil;
so richtete er seine Schrift »De corpore et sanguine Domini«
(gedruckt Oxf. 1859) gegen die Brotverwandlungstheorie seines Abtes Paschasius Radbertus (s. d.) und schrieb während des Streits
der Lateiner mit den Griechen das Buch »Contra Graecorum opposita«. Im Prädestinationsstreit stellte er sich auf die Seite
Gottschalks (s. d.).
die umschreibende Darstellung eines nicht genannten Gegenstandes, den der Leser oder Hörer
selbst auffinden (»raten«) soll. Die Hauptaufgabe eines guten Rätsels
besteht darin, daß die ganze Beschreibung, wenn auch ihre einzelnen Teile mehrdeutig sind, doch treffend den Gegenstand bezeichne;
es ist um so vollkommener, je schärfer bei aller absichtlichen Dunkelheit die Bezeichnungen sind, und
je mehr dabei dem Nachdenken überlassen wird. Man unterscheidet: Buchstabenrätsel, wenn einer oder zwei Buchstaben am Anfang
des Wortes verändert werden, während der übrige Teil des Wortes unverändert bleibt (Maus, Haus, Schmaus);
Logogriphen, wenn
durch Versetzung der Buchstaben andere Wörter gebildet werden (Bernhardus, Bruder Hans);
Arithmogriphen oder
Zahlenrätsel;
Palindrome, wenn das betreffende Wort vor- und rückwärts gelesen einen Sinn geben muß;
Homonymen, wenn ein
und dasselbe Wort in verschiedener Bedeutung genommen werden soll;
Scharaden oder Silbenrätsel, wenn erst die einzelnen Silben
und dann das Ganze eines mehrsilbigen Wortes bezeichnet werden;
Worträtsel, bei denen gleich das ganze
Wort zusammengenommen wird.
Nebenzweige des Rätsels sind: das Bilderrätsel oder der Rebus (s. d.), der sogen. Rösselsprung
(s. d.), endlich das Schachrätsel. Das hat seinen Ursprung im Orient, wo es im Altertum nicht selten als Ausdruck höherer
Erkenntnis diente, die sich gern in Dunkelheit hüllte. Schon bei den Hebräern spielte es im Volksleben
bei ernsten und heiterm Anlässen eine bedeutende Rolle. Dem Joram muß es dazu dienen, das Königtum Abimelechs zu verhöhnen;
Simson würzt damit sein Hochzeitsmahl; die Königin von Saba geht mit Salomo an dessen Hof einen Rätselkampf ein. Bei den Griechen
schloß sich das in den frühsten Zeiten an die Orakelsprüche an und war daher meist in Hexametern abgefaßt.
Besonders kam es zur Zeit der Sieben Weisen, die es zu didaktischen Zwecken verwendeten, in Aufnahme, und namentlich soll Kleobulos
eine große Anzahl von Rätseln in
mehr
Versen geschrieben haben. Fast alle bei uns jetzt üblichen Formen des Rätsels finden sich schon im hellenischen Altertum, und
selbst die Epiker, die dramatischen Dichter und Lyriker mischten gern rätselartige Aussprache in ihre Dichtungen ein. Bekannt
ist das von Ödipus gelöste Rätsel der Sphinx (vgl. Ohlert, Rätsel und Gesellschaftsspiele der alten
Griechen, Berl. 1886). Die Römer fanden weniger Geschmack an dergleichen Denkübungen. Besonders häufig war dagegen der Gebrauch
der Rätsel bei den germanischen Völkern.
Schon die Eddalieder sind voll solcher Fragen, womit man seine gegenseitige Kenntnisse prüfte. Aus dem spätern deutschen
Altertum sind besonders zwei Gedichte von Rätselform zu erwähnen: das sogen.
»Tragemundeslied« und der »Wartburgkrieg«, außerdem zahlreiche im Volksmund und in Volksbüchern erhaltene Überreste von
Rätseln. Eine weitere Ausbildung hat das Rätsel im 18. und 19. Jahrh. erhalten, wo man ihm durch die
poetische Form größern Reiz zu geben suchte.
Durch poetischen Gehalt und Formenschönheit ragen Schillers bekannte in der »Turandot« hervor; mehr
durch Humor oder durch Witz und Scharfsinn ausgezeichnet sind die Rätsel von Hebel und Schleiermacher, ferner von Mises, Thiersch, Hauff,
Schmidlin, Brentano u. a. Die erste deutsche Rätselsammlung wurde 1505 in Straßburg gedruckt (neu hrsg. von Butsch, das.
1875). Eine Sammlung alter Volksrätsel enthält auch Simrocks »Deutsches Rätselbuch« (3. Aufl., Frankf.
1874). Von den zahlreichen neuern Sammlungen empfehlen sich durch Reichhaltigkeit Ohnesorges Rätselalmanach »Sphinx« (Berl.
1833-35, 6 Bde.) und Hoffmanns »Großer deutscher Rätselschatz« (Stuttg. 1874, 2 Bde.).
Vgl. Friedreich, Geschichte des Rätsels (Dresd. 1860).