(franz.), s. v. w. scheren, besonders den
Bart abnehmen, barbieren (s.
Barbier und
Bart);
im Militärwesen s. v. w. abtragen, dem
Boden gleich machen, nämlich Festungswerke,
Gebäude,
Bäume etc., um dem Feind jede
Deckung zu nehmen und das
Terrain für die eigne Feuerwirkung frei zu machen.
Stenka, d. h.
Stephan, russ. Rebellenführer, geboren zu Tscherkassk, wurde von den
Donischen Kosaken zu ihrem
Anführer bei einem
Aufstand 1667 gewählt. Zuerst unternahm
er an der
Spitze zahlreicher Flußpiraten verschiedene Raubzüge,
plünderte die
Fischereien und Handelskarawanen an der
Wolga, verwüstete 1668 in
Persien
[* 2] am
Ufer des
KaspischenMeers
mehrere
Städte, wurde von einem persischen
Geschwader geschlagen und wandte sich hierauf gegen Rußland. Er nahm
Zarizyn und
Astrachan; aufständische
Bauern, Sektierer und fremde Völkerstämme strömten ihm in dichten
Scharen zu. In seinem
Gefolge
befand sich ein
Kosak, welcher sich für den verstorbenen Sohn
Alexei des
ZarenAlexei Michailowitsch ausgab.
Er bedrohte die ganze Wolgagegend bis
Nishnij Nowgorod, wurde aber schließlich mehrmals geschlagen, gefangen und in
Moskau
[* 3] hingerichtet.
Rasmus
Christian, berühmter dän. Sprachforscher, geb. zu
Brändekilde bei
Odense
[* 4] auf der
InselFünen, widmete sich früh dem
Studium der isländischen
Sprache
[* 5] sowie
andrer verwandter, besonders germanischen
Sprachen. Die ersten
Früchte seiner
Studien waren eine Anleitung zur isländischen
oder altnordischen
Sprache (Kopenh. 1811) und die
Ausgabe von Björn Haldorsens isländischem
Wörterbuch (das. 1814). 1812 machte
er mit N.
Nyerup eine
Reise durch
Schweden
[* 6] und
Norwegen, 1813 nachIsland,
[* 7] wo er das epochemachende Werk »Undersögelse
om det gamle Nordiske eller Islandske Sprogs Oprindelse« (Kopenh. 1818) vollendete,
in
dem er durch eine eingehende und methodische Untersuchung der altnordischen
Sprache nach
Lautlehre und grammatischem
Bau den
bestimmten Nachweis ihrer nahen
Verwandtschaft mit den südgermanischen und ihrer entferntern
Verwandtschaft mit den
slawischen und lettischen
Sprachen sowie mit dem
Griechischen und
Lateinischen lieferte.
Nächst
Bopps und
Grimms ersten
Arbeiten hat dieses
Buch am meisten dazu beigetragen, der vergleichenden Sprachforschung
Bahn
zu brechen. Um auch die entferntern Verwandten der »thrakischen«
Sprachen aufzusuchen, trat er 1816 mit königlicher und andrer
Unterstützung eine
Reise nach
Indien an. Zunächst hielt er sich bis Ende
Februar 1818 in
Stockholm
[* 8] auf,
wo er die beiden
Eddas, seine angelsächsische
Grammatik und eine schwedische Bearbeitung der isländischen herausgab, ging
dann durch
Finnland nach
Petersburg,
[* 9] wo er ebenfalls ein Jahr blieb, und reiste im
Januar 1819 über
Moskau,
Astrachan undTiflis
durch
Persien nach
Indien, das er 1820 erreichte und in den beiden folgenden
Jahren durchreiste. Er verweilte namentlich in
Bombay
[* 10] unter den
Feueranbetern und auf
Ceylon,
[* 11] wo er die reichen
Schätze von altiranischen und buddhistischen
Handschriften erwarb,
die jetzt in den dänischen
Bibliotheken aufbewahrt werden.
Anfang Mai 1823 kam er mit reicher
Ausbeute nach
Kopenhagen
[* 12] zurück, wo er bald darauf zum außerordentlichen
Professor der Litteraturgeschichte ernannt wurde und 1831 die Professur der morgenländischen
Sprachen erhielt, aber bereits starb.
hat noch eine
Menge von Abhandlungen und
größern Werken herausgegeben, in denen er teils seine Forschungen über die
asiatischen
Sprachen niederlegte, teils
europäische Sprachen behandelte. Bahnbrechend wirkte seine Abhandlung über die Echtheit
der Zendsprache (deutsch von
v. d.
Hagen
[* 13] 1826), in der er die besonders in
England erhobenen
Zweifel an der
Authentizität der
durch
Anquetil bekannt gemachten Überreste der heiligen
Schriften der
Parsen oder
Feueranbeter siegreich widerlegte und die
nahe
Verwandtschaft der
Sprache des
Zendavesta mit dem
Sanskrit nachwies.
Hervorzuheben sind auch seine »Frisisk Sprogläre« (1825),
sein scharfsinnige
Versuch, eine wissenschaftliche
Orthographie
für das
Dänische zu begründen (»Dansk Retskrivningsläre«, 1826), und seine
verschiedenen Untersuchungen über die uralaltaischen und die kaukasischen
Sprachen. Seine sämtlichen hinterlassenen Sammlungen
und
Entwürfe wurden von seinem
Bruder den
KopenhagenerBibliotheken geschenkt und ein Teil derselben in
die von letzterm herausgegebene Sammlung seiner zum Teil ungedruckten Abhandlungen (1834-1838, 3 Bde.)
aufgenommen. Eine warm geschriebene
Biographie Rasks von seinem
Freund N. M.
Petersen findet sich in des letztern »Samlede Afhandlinger«
(1. Bd., Kopenh. 1870).
Vgl. auchRönning, Rasmus Kristian Rask (Jubiläumsschrift, Kopenh.
1887).
in der griechisch-orthodoxen
Kirche Rußlands
der gemeinsame
Name für alle Sektierer und
Dissidenten. Diese haben mit den Häretikern der allgemeinen christlichen
Dogmengeschichte
nichts zu thun. Man kann sie unterscheiden als Altgläubige einerseits, welche die nationalen Grundlagen des
moskowitischen
Reichs den tatarischen und byzantinischen Einflüssen, die sich im 17. Jahrh. geltend
machten, gegenüber aufrecht erhalten wollten, und als modern radikale
Reformer, welche nicht bloß das
Dogma, sondern mehr
noch die staatliche und soziale
Ordnung selbst anfochten.
Den ersten
Grund zur Trennung von der herrschenden
Kirche gab 1654 eineRevision der
Gesang- und
Gebetbücher
der russisch-griechischen
Kirche durch den
PatriarchenNikon zu
Moskau. Viele nahmen an dieser
Reform Anstoß und sagten sich 1666 als
Altgläubige
(Starowertzi) von der herrschenden russischen
Kirche los; in
Peter d. Gr. sahen
sie denAntichrist. Seitdem haben
sich die Abtrünnigen ins Unglaubliche vermehrt.
Keine andre
Kirche hat so zahlreiche
Sekten erzeugt wie
die russische; jede
Sekte spaltete sich bald, die neuen
Sekten teilten sich wieder.
Die
Ursache der unaufhörlichen Sektenbildung liegt in den politischen und sozialen
Schäden des russischen
Reichs. Die Raskolniken rekrutieren
sich daher meist aus den thatkräftigsten und opferwilligsten, vielfach allerdings auch aus den unbändigsten
und gewaltthätigsten
Elementen der
Bevölkerung.
[* 14] Zu den gefährlichste unter den
Sekten gehören: die seit etwa 1800 aufgetretenen
Morelschiki (»die sich selbst Aufopfernden«),
welche den
Selbstmord, indem sie einzeln oder in größerer Zahl den Feuertod
(Feuertaufe) durch Anzünden eines
Hauses erwählen, als eine Gott wohlgefällige
Handlung preisen;
welche die Kastration für ein religiöses
Gebot halten;
die Chlistowtschini (»die sich Geißelnden«),
die bei ihren
Gottesdiensten hintereinander herspringen und sich gegenseitig
so lange geißeln, bis sie
¶
mehr
umsinken oder in Krämpfe verfallen; ähnlich die Begonny oder Tänzer. Harmloser Art sind außer den sehr zahlreichen Starobradzen,
welche nur die von der griechischen Kirche geweihten Priester nicht anerkennen, und den Jedinowertzen (»Glaubensgenossen«),
welche sich mit der Staatskirche so gut wie ausgesöhnt haben und sich von derselben nur durch Äußerlichkeiten,
wie abweichende Aussprache des NamensJesus (dreisilbig), eine andre Form des Kreuzschlagens, durch Verbot des Tabakrauchens,
Kaffee- und Theetrinkens etc. unterscheiden, die jetzt in Russisch-Armenien angesiedelten Duchoborzen (s. d.) und Molokanen (Malakanen,
»Milchesser«),
die zwar auch das Priesteramt, die Sakramente etc. sowie die Heiligenanrufungen verwerfen, nur die Bibel
[* 16] anerkennen
und als Chiliasten bei Napoleons I. Anrücken den Anbruch des Tausendjährigen Reichs erwarteten, im übrigen
aber fleißige und ordentliche Leute sind. Ganze Gemeinden von Molokanen leben in durchgeführter Gütergemeinschaft. Ebenso
arbeitsam und auf ein thätiges Christentum gerichtet sind die für Gütergemeinschaft und allgemeines Priestertum begeisterten,
seit 1863 in Rußland eingedrungenen Stundisten und die von der Idee der Bruderschaft aller Menschen ausgehenden,
Handel und Geldverkehr, aber auch alle Fleischspeisen und geistigen Getränke verwerfenden geistlichen Brüder (Schaloputen).
die Schtschelniken, welche beim Gebet nach einer Spalte, durch die
das Licht
[* 17] einfällt, blicken, die Maslowzen etc. Die Zahl sämtlicher ist äußerst schwer zu bestimmen,
weil die meisten ihren Glauben verheimlichen. Offiziell wurden 1870 im europäischen Rußland 997,600 und im asiatischen Rußland
173,400 angegeben, dagegen wird von Kundigen die wirkliche Zahl derselben auf 12 Mill., also mehr als den zehnten Teil der
Bevölkerung des Reichs, veranschlagt. Die russische Regierung ging gegen Fanatiker, wie die Skopzen (s.
oben), vielfach selbst noch gegen die harmlosen Stundisten energisch, zeitweise sogar grausam vor.
Wohl sichern die russischen Staatsgrundgesetze auch den Raskolniken Glaubensfreiheit, aber im Widerspruch damit verbieten ihnen andre
Bestimmungen, Kirchen und Kapellen zu erbauen oder zu erneuern. Auch ist ihnen jede äußerliche Kundgebung
ihres Glaubens untersagt. Dazu wurden dem »Abtrünnigen« die Verwaltung seines Vermögens, das Recht, über die Erziehung seiner
Kinder zu verfügen, u. dgl. entzogen. Sind
auch diese Bestimmungen im praktischen Leben jetzt größtenteils nur toter Buchstabe, so haben doch nicht selten ganze Dörfer,
die nach der Methode der Dragonaden der orthodoxen Kirche zurückgebracht werden sollten, ihre ganze grausame
Strenge an sich erprobt, und dem Raskolniken, der nicht auf jegliche äußerliche Bethätigung seines Glaubens verzichten wollte,
blieb nichts übrig, als fortwährend das Gesetz zu übertreten und abzuwarten, ob er, je nach Laune der Beamten, nach Zeitverhältnissen
und Instruktionen, verurteilt ward oder unbeachtet blieb.
Unter Alexander II. hat die Gesetzgebung einen wichtigen Schritt nach vorwärts gethan: das unterm allerhöchst bestätigte
Reichsgutachten, betreffend »die Regeln über die Zivilstandsregister für Ehen, Geburten und Todesfälle der Raskolniken«, erkennt eine
von Sektierern geschlossene Ehe als gesetzlich an, wenn sie bei den hierzu verordneten Zivilstandsregistern
angemeldet wurde. Seitdem hat man auch eine Regelung ihrer anderweitigen Rechte und Pflichten, ihres Gottesdienstes etc. (wobei
man jedoch einen
strengen Unterschied zwischen den schädlichen und unschädlichen Sekten macht) ins Auge
[* 18] gefaßt.
Gleichwohl sind die Maßregeln der Regierung den Raskolniken gegenüber fortdauernd schwankend und unbestimmt geblieben, weil ihr die
unbeugsame sittliche Macht, gegen welche sie denKampf aufgenommen hatte, unbekannt blieb. Der Protest der Raskolniken gilt dem ganzen
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zerfall. Seit 1880 trat ein Bauer mit Namen Basil Soutaiew als Sektenstifter auf, eine
großartige Organisation der christlichen Liebesthätigkeit in sozialistischen Sinn anstrebend. An ihn schloß sich der
Schriftsteller GrafTolstoi an, während die rein religiöse Bewegung eines andern Mitglieds der hohen Gesellschaft, Pachkow,
weil sie des sozialistischen Prinzips entbehrte, keinen Erfolg hatte.
Vgl. Makarij, Geschichte des russischen Raskols (russ.,
Petersb. 1855);
Schtschagow, Der russische Raskolnik (Kasan
[* 19] 1859);