erduldet. Die wahrscheinlich auf
PlatonischenIdeen beruhende
Allegorie findet sich zuerst bei
Meleagros
[* 2] (1. Jahrh.
v. Chr.) deutlich
ausgesprochen, wird aber von ihm als schon bekannt vorausgesetzt. Sie liegt zahlreichen Bildwerken zu
Grunde, die bald Psyche darstellen,
wie sie vom
Liebesgott gequält, gefesselt und gezüchtigt wird und darüber weint und klagt, bald, wie
sie sich an
Eros
[* 3] rächt und gegen ihn
Gewalt übt, oder endlich beide im
Kuß vereinigt, wie namentlich in der berühmten
Gruppe
des kapitolinischen
Museums zu
Rom.
[* 4]
Diese ältern
Vorstellungen hat dann
Apulejus (s. d.), wahrscheinlich nach einem griechischen Vorbild, in seinen
»Metamorphosen« zu einer anmutigen, märchenhaften
Erzählung verarbeitet und ausgeschmückt, deren
Inhalt
kurz folgender ist. Ein König hatte drei Töchter, von denen Psyche die jüngste und schönste.
Amor
(Eros) faßt gegen den
Willen
seiner
MutterVenus
(Aphrodite)
[* 5] eine heftige
Neigung zu ihr und läßt sie durch
Zephyr an einen abgeschiedenen
Ort entführen,
wo er jede
Nacht, von ihr ungesehen und unerkannt, bei ihr verweilt.
Aber von ihren
Schwestern, welche zu Besuch zu ihr kamen, verleitet, forscht sie, gegen sein Verbot, eines
Nachts nach seinem
Antlitz und wird deshalb von ihm verlassen. Nach langem Umherirren fällt
sie derVenus in die
Hände und wird von dieser zu
vier schweren
Arbeiten verurteilt. Als sie die aus der
Unterwelt geholte
Büchse mit Schönheitssalbe öffnet,
fällt sie in
Ohnmacht. Aus dieser befreit sie
Amor, auf dessen Bitten
Jupiter sie unsterblich und zur
Frau des
Amor macht.
Die Tochter beider hieß Voluptas
(»Wonne«). Unter den modernen künstlerischen Behandlungen der Geschichte der Psyche sind
der Bildercyklus von
Raffael (in der
Farnesina zu
Rom) und die plastischen
Gruppen von
Thorwaldsen und
Canova auszuzeichnen.
Vgl.
Krahner,
Eros und Psyche (2. Aufl., Wittenb. 1861);
Diese
Regionen sind die Verbindungsbahnen (Associationsfasern) in den Rindenschichten des Großhirns, welche beim
Menschen
am höchsten entwickelt sind und in absteigender Stufenleiter um so mehr zurücktreten, je mehr die
Intelligenz derTiere
auf
Kosten stark entwickelter
Sinnesorgane (Geruchssinn bei
Hunden,
Gesichtssinn bei
Raubvögeln etc.) zurückbleibt. Trotz dieser
Einschränkung auf ein anatomisch kleines Gebiet darf die Psychiatrie doch wegen der großen Mannigfaltigkeit der
Seelenkrankheiten ein selbständiges
Interesse beanspruchen.
Cs kommen dazu gewisse praktische Seiten, welche mit der Psychiatrie in
Verbindung stehen (das Irrenanstaltswesen,
das
Verhältnis zur gerichtlichen
Medizin etc.), und diese haben
der Psychiatrie in der
Medizin frühzeitig eine gewisse Selbständigkeit gegeben und ihr den
Charakter einer von der übrigen praktischen
Medizin etwas abseits liegenden Spezialwissenschaft verschafft.
Die Psychiatrie ist wohl der am meisten zurückstehende Spezialzweig der
Medizin und zwar aus doppeltemGrunde.
Der
Spiritualismus früherer
Zeitenging an die Betrachtung der
Geisteskrankheiten von einem psychologisierenden oder moralistischen
Standpunkt heran; daß eine solche Behandlung nach unsern jetzigen
Begriffen total unfruchtbar bleiben mußte, liegt auf der
Hand.
[* 10] Auf der andern Seite liegt diese zurückbleibende
Entwickelung in dem Gegenstand selbst, mit dem die Psychiatrie sich
beschäftigt.
Die Geschichte der
Medizin lehrt, daß die Fortschritte der
Pathologie in genauestem Zusammenhang stehen mit dem
Grad und dem
Fortschreiten der anatomisch-physiologischen
Erkenntnis der von
Krankheiten ergriffenen Körperteile.
Nun ist das
Gehirn, insbesondere
derjenige Teil desselben, welcher als Sitz der
Seele aufzufassen ist, noch heute der
Anatomie undPhysiologie
ein vollkommenes
Rätsel; das wirkliche Geschehen in der
Seele vermag noch heute keine
Hypothese zu erklären. Es leuchtet danach
ein, wie es mit unserm
Wissen in Bezug auf die
Pathologie der
Seele stehen muß. Zwar hat die physiologische und pathologisch-anatomische
Forschung gerade in der neuern Zeit auch für die Psychiatrie Ansehnliches geleistet, doch ist
zur Zeit das nosologische
System der Psychiatrie kaum mehr als eine
Reihe von verschiedenen Symptomenkomplexen (vgl.
Geisteskrankheiten).
Was die Psychiatrie im engern
Sinn des
Wortes, die
Seelenheilkunde, die Behandlung der
Geisteskrankheiten, anlangt, so tritt als Grundzug
der neuern Psychiatrie hervor die
Humanität in der Irrenbehandlung, im
Gegensatz zu jener alten Roheit, welche
die Geisteskranken bald mit
Hexenprozessen oder
Scheiterhaufen verfolgt, bald und noch in günstigern
Fällen mit Verbrechern
in die Kerker zusammengeworfen und dort die von der ärztlichen
Kunst wie von jeder menschlichen
Hilfe Verlassenen willkürlicher
Grausamkeit und Brutalität preisgegeben hatte.
Die immer mehr durchdringendeErkenntnis des
Irreseins als einer
Krankheit, hauptsächlich aber der eigentliche
Philanthropismus, der den Irren vom Standpunkt der allgemeinen
Menschenrechte auch ihre
Rechte gab, setzte es zunächst durch,
daß die
Gesellschaft in den Irren
Menschen erkannte, denen sie
Schutz undHilfe schuldig ist, daß sie immer mehr zum Gegenstand
ernstlicher
Fürsorge von seiten des
Staats und tieferer zum
Zweck der
Heilung angestellten Forschung der
Wissenschaft wurden.
Frei von moralistischen Absichten ebenso wie von empfindsamen Anwandlungen, ist die psychiatrische Behandlung
gegen das
Irresein als gegen eine
Krankheit gerichtet.
In Bezug auf das Heilverfahren sind zunächst zur Vorbeugung
Heiraten unter zu
Geisteskrankheiten angelegtenFamilien
jedenfalls zu vermeiden. Da ferner erfahrungsgemäß die Seelenkrankheiten nicht selten erblich sind, zum mindesten die
Anlage
zu denselben sich von den Eltern auf die
Kinder überträgt, so muß die Überwachung derselben, namentlich sobald sich in
gewissen Zeichen die
Anlage zu denselben kundgibt, frühzeitig auf das strengste gehandhabt werden. Jede Überanstrengung
des
Gehirns, angestrengte geistige und gemütliche Erregung ist zu vermeiden, dagegen soll ganz besonders die
Ausbildung und
Übung der körperlichen
Kräfte im
Auge
[* 11] behalten werden; es muß immer soviel wie möglich
¶
mehr
auf die einfachsten, geordnetsten äußern Verhältnisse, auf Fernhaltung leidenschaftlicher Erregungen, auf Gewöhnung an
Unterordnung unter objektiv gegebene Verhältnisse hingewirkt werden. Sind die Anzeichen einer wirklich ausgebrochenen Geisteskrankheit
vorhanden, so ist das erste Erfordernis die Abhaltung aller schädlichen Einflüsse, insbesondere Beseitigung derjenigen
Umstände, durch deren Zusammenwirken die Krankheit entstanden ist, daher vollständige Ruhe des Gehirns,
Abhaltung der meisten auch sonst gewohnten, noch mehr natürlich aller stärkern, stets schädlichen Reize.
Der Kranke sucht auch instinktiv diese Ruhe; er entzieht sich jedem lebhaftern psychischen Eindruck, jedem Lärm, jedem anstrengenden
Gespräch und sucht die Einsamkeit. Jeder Versuch, diesem unbewußten Streben durch Zureden und Ermahnungen,
durch Versetzen in lärmende, rauschende Zerstreuungen entgegenzuwirken, ist schädlich; der Kranke muß im Gegenteil in stille,
friedliche und zugleich wohlthuend ansprechende Außenverhältnisse gebracht werden; oft ist selbst die strengste Abschließung
von allem Verkehr, ja sogar die Fernhaltung aller Ton- und Lichteindrücke notwendig, das letztere besonders in frischen Erregungszuständen,
zuweilen auch im Beginn und auf der Höhe der Melancholie.
Eine tausendfältige Erfahrung hat gezeigt, daß diesen Anforderungen meist nur durch eine vollständige Umänderung aller
Außenverhältnisse, durch gänzliche Entfernung des Kranken von seinen gewohnten Umgebungen, durch die Versetzung zu völlig
andersartigen und neuen Eindrücken entsprochen werden kann. Nur selten genügt hierzu ein bloßer Wechsel
des Wohnortes, etwa ein Landaufenthalt in einfachen, ansprechenden Umgebungen. GrößereReisen, in den mäßigern Zuständen
von Hypochondrie oft von großem Nutzen, aber immer nur bei wenigen anwendbar, sind bei allem ausgebrochenen tiefern Irresein
durchaus unzulässig, weil sie gewöhnlich die Aufregung nur vermehren.
Dagegen ist die Versetzung in Verhältnisse, welche besonders für die Verpflegung solcher Kranken eingerichtet
sind, in eine gute Irrenanstalt, die in der großen Mehrzahl der Fälle am dringendsten angezeigte Maßregel. Sie dient vor
allem zum Schutz des Kranken, denn nirgends in den gewöhnlichen Lebensverhältnissen ist dieser vor Zudringlichkeit, vor
einer auch beim besten Willen meistens höchst unzweckmäßigen Einwirkung seiner Umgebungen geschützt;
nirgends findet er, wie hier, jene Schonung, welche aus einer klaren Einsicht in seinen Zustand hervorgeht.
Die meisten Genesenen segnen ihren Eintritt in die Anstalt, und die Vorteile dieser Versetzung sind nicht nur in der Psychiatrie zu
einem durch die ausgedehnteste Erfahrung bestätigten Grundsatz geworden, sie werden auch immer mehr von
Ärzten und selbst von Laien anerkannt. Wie günstig die Versetzung in die Irrenanstalt wirkt, zeigt sich in manchen Fällen darin,
daß schon der Eindruck des Eintritts genügt, um die Krankheit zu brechen, daß bei einzelnen bis dahin höchst schwierig zu
behandelnden Kranken von der Stunde ihrer Aufnahme an nicht nur vollständige Ruhe eintritt, sondern sogar
die entschiedenste Rekonvaleszenz beginnt, während bei der großen Mehrzahl zum mindesten sofort eine auffallende Erleichterung
eintritt.
Hier allein, im Irrenhaus, findet der Kranke, der nicht mehr in die Welt der Gesunden taugt, alles beisammen, was sein Leiden
[* 13] erfordert: einen mit der Behandlung solcher Zustände vertrauten Arzt, geübte Wärter, eine ganze Umgebung,
welche folgerichtig und den Umständen angemessen zu handeln weiß. Immerhin ist die Versetzung in eine
Irrenanstalt, welche
einerseits bei bestehender Geistesstörung nicht frühzeitig genug erfolgen kann, anderseits doch nicht ohne wichtige Folgen
für das spätere bürgerliche Leben des Kranken ist, stets ein wohl zu überlegender Schritt.
Die erste und dringendste Veranlassung gibt immer ein Zustand des Kranken, wo er sich selbst oder andern gefährlich werden
oder sonstige große Störungen verursachen kann, also der Ausbruch der Tobsucht oder dringende Zeichen ihrer Annäherung, ebenso
der Hang zum Selbstmord, dem in Privatverhältnissen nie sicher begegnet werden kann, ebenso eine nicht
bald zu überwindende Nahrungsverweigerung. In die Irrenanstalt gehören ferner alle Wahnsinnigen, gefährlichen Verrückten
und viele unruhige Blödsinnige.
Auch der beginnende stille Blödsinn, unter dem sich oft etwas andres versteckt, findet dort noch am ehesten eine richtige
Beurteilung und Behandlung; der sekundäre apathische und paralytische Blödsinn dagegen gestattet, wo
eine sorgfältige Verpflegung stattfinden kann, den Aufenthalt in Privatverhältnissen. Die Fälle von Schwermut sind in dieser
Beziehung schwierig zu beurteilen; erst bei in ihrer Stärke
[* 14] sich steigernden Anzeichen dürfte auch hier die Versetzung in
eine Irrenanstalt zu empfehlen sein. In vielen Fällen hängt im allgemeinen die Notwendigkeit der Überführung
in eine Irrenanstalt weniger von der Form und Art der Krankheit als von den Außenverhältnissen und dem Charakter des Kranken
ab.
Die direkte Behandlung der Geisteskranken in den Irrenanstalten ebenso wie außerhalb derselben ist eine somatische (körperliche)
und eine psychische (auf geistigem Weg wirkende). Die somatische Behandlung geschieht, da es besondere
Heilmittel gegen Geisteskrankheiten nicht gibt, nach allgemeinen medizinischen Regeln, welche nur in seltenen Fällen individuelle
Abänderungen zulassen; viele dieser Kranken genesen bei einer nur nicht positiv schädlichen Behandlungsweise ganz von selbst.
Das psychische Heilverfahren hat wesentlich zwei Ziele: es sollen die krankhaften Stimmungen, Gefühle und
Vorstellungen, welche jetzt die frühere gesunde Individualität zurückdrängen, gehoben und entfernt werden;
anderseits soll
wieder möglichst hingewirkt werden auf Wiederherstellung und Stärkung des alten Ich selbst. In ersterer Beziehung führt
ein direktes Bekämpfen der verkehrten geistigen Thätigkeit kaum je zu einem günstigen Ziel, ebensowenig nutzt das sogen.
Eingehen auf den Wahn des Kranken;
die einzig richtige Methode ist die psychische Ableitung. Es muß allem,
was mit dem Wahn des Kranken im Zusammenhang steht, ausgewichen und durch Arbeit und Zerstreuung gesunder Art der Geist desselben
anderweitig in Anspruch genommen werden.
Daher ist unter allen psychischen Mitteln eine zweckmäßige Beschäftigung
des Kranken, welche zugleich das alte Ich stärkt und kräftigt, das oberste und wichtigste. Hier muß sich die praktische
Menschenkenntnis des Arztes bewähren im Durchschauen einer Persönlichkeit, in dem verschiedenen Anfassen der Individualitäten
nach der Verschiedenheit der Charaktere, Neigungen, Gewohnheiten und Bildungsstufen, im Auffinden aller der Seiten, von denen
aus der Kranke empfänglich ist. Garten- und Feldarbeit, häusliche und handwerksmäßige, der künstlerischen
sich annähernde Beschäftigungsweisen sind je nach den Verhältnissen der Person anzuwenden, daneben angemessene geistige
Beschäftigung durch Zerstreuungen, zweckmäßige Unterhaltung und Lektüre, allenfalls methodischer Unterricht; unter Umständen
ist vernünftig gehandhabte
¶