mehr
seltenen
Fälle der Pseudomorp
hosen selbst beschränken dürfen, da nur unter besonders günstigen Umständen sich der
Prozeß so langsam und man möchte sagen vorsichtig vollzogen haben kann, daß eine Wahrung der Form trotz der Umwandlung
möglich war. So dürften einem jeden durch Pseudomorp
hosen erhärteten Umwandlungsprozeß
Hunderte gleicher
Tendenz entsprechen, bei denen
die
Reaktionen zu stürmisch verliefen, als daß die Form hätte bestehen bleiben können.
Man pflegt die Pseudomorp
hosen in Umhüllungs-, Ausfüllungs- und Umwandlungspseudomorphosen einzuteilen. Eine dünne
Kruste verschiedenartigen
Materials hüllt die Kristallform einer
Substanz ein, so daß die Oberfläche der Kruste die dem
einhüllenden
Material selbst fremde Form der eingehüllten
Substanz wiedergibt (Umhüllungspseudomorp
hosen).
So bildet
Quarz in papierdünnen Krusten Umhüllungspseudomorp
hosen nach
Kalkspat.
[* 2] Verschwindet der
Kern einer solchen Krustenbildung,
so kann entweder die Innenseite der Umhüllungspseudomorp
hosen den
Abdruck der ehemaligen Kristallgestalt konservieren, oder
es tritt in den Hohlraum anderweitig Mineralsubstanz ein (oft dieselbe, aus welcher die
Hülle besteht, oder doch eine
Varietät
derselben), die nun einen
Abguß der ihr selbst fremden Form darstellt (Ausfüllungspseudomorp
hosen).
Umwandlungspseudomorp
hosen endlich entstehen durch teilweisen oder gänzlichen Austausch der
Bestandteile.
Liegen Pseudomorp
hosen der einen
Modifikation eines dimorphen
Körpers nach der andern vor (wie
Aragonit
[* 3] nach
Kalkspat,
Rutil
[* 4] nach
Anatas), so vollzog sich die
Umwandlung durch innere Umlagerung der
Atome ohne
Aufnahme oder
Abgabe von
Bestandteilen
(Paramorphosen).
Andre Pseudomorp
hosen entstehen lediglich durch Verlust von
Bestandteilen (Apomorphosen), so gediegen
Kupfer
[* 5] nach
Rotkupfererz (Cu2O ),
Silberglanz nach
Rotgüldigerz (Ag3SbS3 = Ag6Sb2S6 wurde durch Verlust von
Sb2S3 zu 3Ag2S ); wieder andre durch
Aufnahme von
Bestandteilen
(Epimorphosen), so
Gips
[* 6] nach
Anhydrit (zu CaSO2 treten 2H2O ),
Bleivitriol nach
Bleiglanz (PbSO4 aus
PbS); endlich solche durch Austausch von
Bestandteilen (partielle
Allomorphosen), so
Brauneisenerz nach
Eisenkies
[* 7] (H6Fe4O9=4FeS2-8S+6O+3H2O
^[H6Fe4O9=4FeS2-8S+6O+3H2O]),
Kaolin nach
Feldspat: (H4Al2Si2O9=K2Al2Si6O16-K2O-4SiO2+2H2O ^[H4Al2Si2O9=K2Al2Si6O16-K2O-4SiO2+2H2O]).
Der letztgenannten Abteilung sind auch diejenigen Pseudomorp
hosen zuzurechnen, bei denen der Zusammenhang zwischen
der ursprünglichen und der die Pseudomorphosen tragenden
Substanz nicht mehr nachweisbar ist (totale
Allomorphosen),
so
Quarz nach
Flußspat
[* 8] (CaFl2 wurde zu SiO2 ),
Pyrolusit nach
Kalkspat ( ^[MnO2] aus CaCO3
entstanden). Man ist jetzt geneigt, auch für diese totalen
Allomorphosen eine
Serie von Umwandlungsprozessen anzunehmen,
deren Zwischenglieder nicht erhalten sind, wodurch der Verlauf der einzelnen chemischen Vorgänge schwer
verständlich wird oder nur hypothetisch konstruierbar ist. So könnte man bei dem einen der beiden
Beispiele an einen manganhaltigen
Kalkspat denken, der unter Verlust von CaCO3 sich zu
Manganspat und aus diesem zu
Pyrolusit umwandelt. Früher
glaubte man einen mikrophysikalischen Weg, eine »Verdrängung« der alten
Substanz durch die neue,
Atom für
Atom, annehmen zu müssen und nannte diese Pseudomorphosen Verdrängungspseudomorphosen.
Unterstützt wird die Ansicht von der Entstehung der Pseudomorphosen vermittelst umwandelnder Prozesse einerseits durch die Beobachtung noch erhaltener Kerne in äußerlich schon umgewandelten Stücken (so bestehen häufig Würfel äußerlich aus Brauneisenstein, innerlich aus dem die Form bedingenden Eisenkies), anderseits durch die Möglichkeit der künstlichen Erzeugung von Pseudomorphosen. Für letztere ist eins der bekanntesten Beispiele und zwar das einer Paramorphose die Umwandlung der durch Schmelzen erhaltenen monoklinen Kristalle [* 9] des Schwefels in ein Aggregat von rhombischen Formen durch Befeuchten mit Schwefelkohlenstoff. Die oben erwähnten Pseudomorphosen von Silberglanz nach Rotgüldigerz lassen sich künstlich durch Einlegen von Kristallen der letztern Substanz in eine Lösung von Schwefelalkalien darstellen. Zahlreiche sonstige Methoden zur Gewinnung künstlicher Pseudomorphosen gaben Scheerer, Stein, Sorby, Knop u. a. an.
Aus der oben gegebenen Definition des Begriffs der Pseudomorphosen erhellt, daß in gewissem Sinn auch die Versteinerungen hierher zu zählen sind, insofern jetzt eine ursprünglich durch den tierischen oder pflanzlichen Lebensprozeß erzeugte Form von einer mineralischen aus der zuerst vorhandenen, meist durch völligen Austausch der Bestandteile entstandenen Substanz getragen wird.
Vgl. Breithaupt, Über die Echtheit der Kristalle (Freiberg [* 10] 1815);
Landgrebe, Über die Pseudomorphosen im Mineralreich (Kassel [* 11] 1841);
Blum, Die Pseudomorphosen des Mineralreichs (Stuttg. 1843, mit vier Nachträgen 1847-79; Hauptwerk und vollständigste Aufzählung der Pseudomorphosen);
Winkler, Die Pseudomorphosen des Mineralreichs (Münch. 1855);
Scheerers Artikel »Afterkristalle« in dem »Handwörterbuch der reinen und angewandten Chemie« (1857);
Delesse, Recherches sur les pseudomorphoses (Par. 1859);
Geinitz im »Neuen Jahrbuch für Mineralogie« 1877 und in Tschermaks »Mineralogischen und petrographischen Mitteilungen« 1879 (nach Geinitz ist die oben gegebene Einteilung der Umwandlungspseudomorphosen).
Endlich gibt Roth im 1. Band [* 12] seiner »Allgemeinen und chemischen Geologie« [* 13] (Berl. 1879) ein sehr vollständiges Verzeichnis der bekannten Pseudomorphosen.