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Hof [* 2] ein Schauplatz schmählicher Ränke und nichtsnutziger Günstlingsherrschaft wurde, während man die alten Geheimräte des Großen Kurfürsten, welche in dessen Sinn die Regierung sparsam und umsichtig fortführen wollten, zurücksetzte oder, wie den verdienten Danckelmann, mit dem schnödesten Undank belohnte. Eine nicht unwichtige Erwerbung an neuem Ländergebiet machte zwar auch der erste König: er kaufte von Sachsen [* 3] die Erbvogtei über das Reichsstift Quedlinburg [* 4] und die Reichsstadt Nordhausen [* 5] sowie das Amt Petersberg und später die Grafschaft Tecklenburg, und aus der Erbschaft Wilhelms III. von Oranien fielen ihm 1702 Lingen, Mörs und Neuenburg [* 6] zu. Dagegen wurden 1709-11 Preußen [* 7] und Pommern [* 8] von einer furchtbaren Pest heimgesucht, welche ein Drittel der Bevölkerung [* 9] hinwegraffte. Obwohl das Volk den gutmütigen Fürsten, als er starb, betrauerte, war sein Tod doch die Befreiung aus einer Lage, in welcher der Staat hätte untergehen müssen.
Die Reorganisation des Staats unter Friedrich Wilhelm I. 1713-40.
Der Umschwung, den sein Sohn und Nachfolger, König Friedrich Wilhelm I. (1713-40), herbeiführte, war schroff und gewaltsam, aber für die Erhaltung des Staats notwendig und in seinen Folgen segensreich, wenn auch die Mitwelt fast nur die Härten des neuen Systems zu spüren bekam. Ohne feinere Bildung und rauh, wie der König war, lag ihm die Versuchung fern, die geringen Geldmittel des Staats für künstlerische u. wissenschaftliche Zwecke zu verwenden, welche über die unmittelbar Notwendigkeit hinausgingen; sein Mangel an Ehrgeiz sicherte ihn davor, die Kräfte desselben in zweifelhaften kriegerischen Unternehmungen zu vergeuden.
Der Utrechter Friede, welchem er nicht lange nach seiner Thronbesteigung beitrat befreite ihn von der Pflicht der weitern Teilnahme am spanischen Erbfolgekrieg und verschaffte ihm noch als Ersatz für Orange den Besitz von Obergeldern; nur der Zwang der Umstände veranlaßte ihn noch, am Nordischen Krieg teilzunehmen, indem er Vorpommern erst zur Sicherung desselben gegen Rußland besetzte, dann aber seine Ansprüche auf Entschädigung gegen den halsstarrigen Karl XII. von Schweden [* 10] verteidigen mußte, und nachdem er 1715 Stralsund [* 11] und Rügen erobert, behielt er 1720 im Frieden von Stockholm [* 12] gegen Zahlung von 2 Mill. Thlr. Vorpommern bis zur Peene mit den Odermündungen (5000 qkm). Seitdem nahm der König an keinem Krieg mehr teil; nur im polnischen Erbfolgekrieg (1733-35) schickte er ein Hilfskorps von 10,000 Mann an den Rhein zur kaiserlichen Armee. Je mehr Mühe und Opfer ihn die Reorganisation des Staats kostete, desto mehr schrak er davor zurück, den Bestand desselben durch Kriege zu gefährden.
Nachdem Friedrich Wilhelm mit einem Federstrich den ganzen Flittertand des prunksüchtigen Hofs seines Vaters abgeschafft, in seiner Familie strengste Einfachheit und Sparsamkeit zum Gesetz gemacht und sich selbst für den Kriegs- und Finanzminister Preußens [* 13] erklärt hatte, widmete er sich mit der rücksichtslosen Energie und der unermüdlichen Arbeitskraft, die ihm eigen waren, der Reorganisation des Staats. Er erkannte sehr richtig, daß eine selbständige Politik neben den übrigen weit mächtigern und mit natürlichen Hilfsmitteln weit reicher ausgestatteten europäischen Staaten für das emporstrebende Preußen nur möglich sei, wenn es eine starke, vortreffliche und aus den eignen Einkünften bezahlte, nicht von fremden Hilfsgeldern abhängige Armee habe.
Diese zu bilden, war daher vor allem seine Absicht. Den Sold, die Uniform, die Verpflegung, knapp, aber pünktlich, erhielten Soldaten und Offiziere fortan aus der königlichen Kasse, nicht, wie früher, vom Obersten, welcher das Regiment geworben. Die Rekruten wurden zur Hälfte aus den Landeskindern ausgehoben, zur Hälfte angeworben; zur Regelung der Aushebung führte der König 1733 das Kantonsystem ein, nach welchem das Land in Bezirke eingeteilt wurde, welche den einzelnen Regimentern zur Rekrutierung zugewiesen waren.
Hierdurch wurde eine beträchtliche Vermehrung des Heers möglich, welches 1720 bereits 50,000 Mann, 1740: 83,000 Mann, darunter 18,000 Mann Reiterei, zählte. Die Kriegszucht war furchtbar streng, der Dienst höchst mühsam; durch unermüdliches Drillen wurde es aber erreicht, daß die Ausbildung des preußischen Fußvolkes in allen Bewegungen, die im Gleichschritt stattfanden, und im Schießen, [* 14] das durch den eisernen Ladestock wesentlich erleichtert wurde, eine außerordentliche und damals unerhörte war.
Für die Opfer und Entbehrungen, welche der anstrengende Dienst bei kärglicher Bezahlung den Offizieren, namentlich den niedern Chargen, auferlegte, entschädigte er sie dadurch, daß er ihren Stand zum ersten im Staat machte, in den mit der Zeit nur der Adel Aufnahme fand, und dem er selbst und sämtliche Prinzen anzugehören sich zur Ehre rechneten. Der König flößte den preußischen Offizieren hierdurch Korpsgeist und lebhaftes Gefühl für ihre Standesehre ein, welche der Gesamtheit einen festen Halt gaben, den Einzelnen stützten und zur Bewahrung ritterliche Tugenden anfeuerten.
Obwohl bei der Heeresverwaltung, mit Ausnahme des »Leibregiments der langen Kerle«, für das der König große Summen verschwendete, die höchste Sparsamkeit beobachtet wurde, so erforderte sie doch immer größere Einkünfte, und diese zu beschaffen und zu vermehren, war des Königs zweite Sorge. Vor allem war für eine geregelte Finanzwirtschaft die Aufstellung und Einhaltung eines jährlichen Staatshaushalts notwendig, welche jedoch bei der bisherigen Verwaltungsorganisation, wonach die Regierungen der einzelnen Länder nur ihre Überschüsse von alljährlich wechselnder und daher unberechenbarer Höhe an die allgemeine Staatskasse ablieferten, nicht möglich war.
Der König setzte daher 1723 das »Generaloberfinanz-, Kriegs- und Domänendirektorium«, gewöhnlich das »Generaldirektorium« genannt, ein, welchem er selbst präsidierte, und dessen Instruktion er selbst ausarbeitete. Dieses mußte alle öffentlichen Einkünfte einnehmen und nach der berechneten Einnahme die Aufstellung sämtlicher Staatsausgaben so einrichten, daß stets ein Überschuß blieb. Nie duldete der König eine Abweichung von diesem Voranschlag.
Durch Vereinfachung der Abgaben suchte er die Kosten ihrer Erhebung zu vermindern und so zugleich die Lasten der Unterthanen zu erleichtern. Die Erträge der Accisen und Zölle wurden durch strenge Kontrolle erheblich gesteigert, ebenso die Domäneneinkünfte. Privilegien und Sonderrechte beachtete er nicht. Die jährlichen Einnahmen beliefen sich infolgedessen zuletzt auf 7½ Mill. Thlr., u. er hinterließ trotz der großen Kosten des Heers seinem Nachfolger einen baren Schatz von 9 Mill.
Durch zweckmäßige Maßregeln bemühte sich der König, den Wohlstand des Landes zu vermehren, um seine Steuerfähigkeit zu erhöhen. Am segensreichsten waren seine Bestrebungen für den Ackerbau. In der Bewirtschaftung der Domänen ging er mit gutem Beispiel voran, indem er Sümpfe entwässerte, neue Kulturen einführte, die alten höher entwickelte. Unermüdlich ¶
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drang er darauf, daß verödete Hofstellen wieder mit Bauern besetzt, Dörfer und Städte neu aufgebaut wurden. In Ostpreußen [* 16] wo 1721: 60,000 Hufen wüst lagen, beförderte er die Einwanderung fremder Kolonisten mit großen Opfern (die Ansiedelung der 18,000 Salzburger in Litauen 1732 kostete über 5 Mill. Thlr.) und hatte die Genugthuung, daß hier 12 Städte, 332 Dörfer und 49 Domänengüter teils wiederhergestellt, teils neu angelegt wurden. Weniger Erfolg hatte für Handel und Gewerbe sein Merkantilsystem; nur die Wollmanufaktur wurde durch seine Zwangsmaßregeln begründet.
Zwar war der König durchaus Selbstherrscher, kümmerte sich um das Geringste und behielt sich in allem die Entscheidung vor. Gleichwohl wußte er den Wert eines arbeitsamen, redlichen, pflichttreuen und unterrichteten Beamtentums wohl zu würdigen. Die damals allgemein übliche Anschauung, daß ein Amt eine berechtigte Gelegenheit sei, sich selbst zu bereichern, rottete er durch mitunter grausame Strafen aus und kannte bei der Ahndung der geringsten Pflichtversäumnis keine Person, keinen Rang; eifrige, unterrichtete Beamte wurden dagegen rasch befördert.
Wie auf eine gewissenhafte Verwaltung, so sah er auf eine rasche und gerechte Justiz. Auf diese Weise gelang es ihm, unter den schwierigsten Verhältnissen ein Staatswesen zu begründen, welches, von einem energischen und intelligenten Willen einheitlich geleitet, mittels einer gut organisierten Verwaltungsmaschine die Kräfte des Landes hob und zugleich durch die Aufstellung eines großen und tüchtigen Heers für die Machtentwickelung des Staats im höchsten Grad nutzbar machte. Das Beamtentum und das Heer waren die Säulen, [* 17] auf denen das schmucklose, rauhe, aber praktische und dauerhafte Gebäude des preußischen Staats ruhte.
Preußens Machtentwickelung unter Friedrich d. Gr.
Friedrich Wilhelm I. machte von den durch ihn geschaffenen Machtmitteln für die äußere Stellung Preußens keinen Gebrauch. Da er ohne Kenntnis der auswärtigen Verhältnisse und von Vorurteilen, namentlich einem ingrimmigen Haß gegen die Franzosen und einem lebhaften Gefühl seiner Lehnspflicht gegen den Kaiser, beherrscht war, bewegte sich unter dem Einfluß seiner von Österreich [* 18] bestochenen Umgebung seine äußere Politik durchaus im Kielwasser des Wiener Hofs, der das gutmütige Vertrauen des Königs mit rücksichtsloser Selbstsucht ausbeutete. Preußen vernichtete sich in den Verträgen von Wusterhausen und von Berlin [* 19] zur Garantie der Pragmatischen Sanktion und unterstützte im polnischen Erbfolgekrieg gegen sein Interesse den österreichischen Kandidaten August von Sachsen.
Österreich lohnte ihm damit, daß es die jülisch-bergische Erbschaft, die Preußen zukam und versprochen war, 1738 der Linie Pfalz-Sulzbach zusicherte. Jedoch hatte gerade dadurch König Friedrich II., der nach König Friedrich Wilhelms Tod den Thron [* 20] bestieg, vollkommen freie Hand erhalten, und er war der Herrscher, welcher das Schwert, das sein Vater geschliffen, zum Ruhm und zum Vorteil seines Staats zu schwingen vermochte. Daß die Grundsätze der innern Verwaltung seines Vorgängers für Preußen die richtigen und erfolgreichsten waren, hatte Friedrich eingesehen und behielt sie daher bei, indem er nur die Pflege der geistigen Interessen nicht versäumte, der religiösen Aufklärung und der Geistesfreiheit Bahn brach und die Prinzipien derselben auch dem Beamtentum einpflanzte.
Auch er betrachtete sich als den obersten Verwaltungsbeamten oder Diener des Staats, fühlte sich für alles verantwortlich und behielt sich in allem die Entscheidung vor. Aber er wollte Preußen auch zu einer den Nachbarstaaten ebenbürtigen Macht erheben, es zu einem wirklichen Königreich machen, was es mit 118,000 qkm und 2½ Mill. Einw. nicht sein konnte. Er war daher entschlossen, alle seine Rechte und Ansprüche auf Gebietsvergrößerung voll zu wahren und von den Zeitumständen den Nutzen für sich zu ziehen, den er erlangen konnte.
Berg wollte er sich keinesfalls entreißen lassen und traf alle Vorkehrungen, sich seinen Besitz zu sichern, als der Tod des letzten Habsburgers, Karls VI. seine Blicke auf Schlesien [* 21] lenkte, auf das sein Haus ein (freilich zweifelhaftes) altes Recht hatte. Um die Erbschaft der deutschen Habsburger mußte ein allgemeiner europäischer Krieg entbrennen; Friedrich beschloß, seine Militärmacht, die er auf 100,000 Mann erhöhte, zur teilweisen oder gänzlichen Erwerbung Schlesiens zu verwerten.
Nachdem seine Anerbietungen, gegen die Abtretung eines Teils von Schlesien die Thronfolge Maria Theresias zu verteidigen, schroff und höhnisch abgewiesen worden, sah er sich gezwungen, zum Schwert zu greifen. Der erste Schlesische Krieg (1740-42, s. Schlesische Kriege 1) zeigte der erstaunten Welt nicht bloß die Kriegstüchtigkeit der bisher oft verspotteten preußischen Armee, sondern verschaffte Preußen durch die Siege bei Mollwitz und Chotusitz in kurzer Zeit den Besitz von Schlesien und Glatz [* 22] (im Berliner [* 23] Frieden Aber bereits 1744 war er genötigt, um diese Erwerbung gegen die wieder erstarkende Macht Österreichs zu sichern, den zweiten Schlesischen Krieg (1744-45, s. Schlesische Kriege 2) zu beginnen, in welchem er anfangs in nicht geringe Bedrängnis geriet, aus der ihn aber der überaus glückliche Feldzug von 1745 mit den Siegen [* 24] zu Hohenfriedeberg [* 25] (4. Juni), Soor (30. Sept.) u. Kesselsdorf (15. Dez.) befreite. Im Frieden von Dresden [* 26] begnügte er sich mit der Behauptung von Schlesien.
Das kühne Auftreten und das Glück des Emporkömmlings, wofür die alten Mächte Friedrich hielten, erregten deren Neid und den Gedanken einer gemeinsamen Aktion, um ihn zu unterdrücken. Der König begann den Siebenjährigen Krieg (s. d.), um die gefürchtete europäische Koalition durch rasche Niederwerfung des Hauptfeindes Österreich im Keim zu ersticken; indem ihm dies aber weder 1756 noch Anfang 1757 gelang, bewirkte er gerade das Zustandekommen des großen, zu seiner Vernichtung gestifteten Bundes, gegen den er sich in langem verzweiflungsvollen Ringen nur eben behauptete. Preußen erhielt für die ungeheuern Opfer an Geld und Menschen, die er in diesem Kriege gebracht, im Hubertusburger Frieden nicht die geringste Entschädigung, der Gewinn langer Friedensarbeit war wieder zerstört, und nur der Gebietsstand des Staats und der Kriegsruhm waren geblieben.
Indessen hatten die Kriege Friedrichs II. in andrer Hinsicht hohe Bedeutung. Nicht bloß die Offiziere und Soldaten waren stolz darauf, an dem Ruhm dieser Kriege einigen Anteil zu haben, auch die übrigen Bewohner Preußens rühmten sich, Unterthanen eines Königs und Glieder [* 27] eines Volkes zu sein, die sich gegen fast ganz Europa [* 28] mit Erfolg verteidigt hatten. Ja, das ganze deutsche Volk nahm an diesem nationalen Aufschwung teil. Durch die Thaten seines Großen Königs und seines tapfern Heers wurde Preußen zu einer europäischen Großmacht erhoben.
Die Verschärfung des Gegensatzes zu Österreich beengte allerdings die Aktionsfreiheit beider ¶