mehr
Die Staatsschuld belief sich Ende März 1886 auf 4033,9 Mill. Mk., 1887 auf 4184,6 Mill. Mk., wovon 3875,1, bez. 3952,6 Mill. Mk., also fast der gesamte Betrag, auf die Staatseisenbahnkapitalschuld entfallen. Das sogen. Eisenbahngarantiegesetz vom welches die Verwendung der Überschüsse der Verwaltung der Eisenbahnangelegenheiten regelt, stellte die allgemeine Staatsschuld für auf 1,498,858,100 Mk. fest und nahm diese gesamte Summe als Staatseisenbahn-Kapitalschuld an. Dieselbe erhöht sich nun durch Erwerb und Bau neuer Bahnen etc. um die »außerordentlich« für Eisenbahnzwecke verausgabten Beträge und erfährt anderseits eine Tilgung oder Abschreibung mittels der jährlichen Nettoüberschüsse der Eisenbahnverwaltung.
Während die planmäßige Tilgung der ältern Eisenbahnschulden mit jährlich etwa 4 Mill. Mk. vorgenommen wird, belief sich der gesamte Nettoüberschuß, d. h. nach Abzug der Zinsen für die Eisenbahnschuld, nach dem Etat für 1882/83 auf 15,1 Mill. Mk., nach der Veranschlagung für 1888/89 dagegen auf 76,1 Mill. Mk. Als Zinsbetrag für die Gesamtsumme der Staatsschulden nimmt der Etat 1888/89: 176,1 Mill. Mk. (darunter 168,1 Mill. Mk. für die Eisenbahnschuld) an und für Tilgung 21,7 Mill. Mk.
B. Kommunalfinanzen. Der Gesamtbetrag der Gemeinde- und besondern Korporationsabgaben betrug (von den Gutsbezirken abgesehen) nach der letzten Aufnahme für 1883/84: 208,8 Mill. Mk., d. h. 8,3 Mk. pro Kopf der Bevölkerung [* 2] (in Berlin [* 3] 22,1 Mk., im Regierungsbezirk Schleswig [* 4] 15,0, Köln [* 5] 13,1, Düsseldorf [* 6] 12,8; dagegen in den Regierungsbezirken Liegnitz [* 7] 4,2, Köslin [* 8] 4,4, Merseburg [* 9] 4,8 und Oppeln [* 10] 4,9 Mk.). In den Städten ist die Quote pro Kopf bedeutend höher als in den Landgemeinden (im Staatsdurchschnitt 12,4 gegen 5,8 Mk.), und zwar in allen Regierungsbezirken ausgenommen Schleswig.
Die Gemeindeabgaben allein machten 171,7 Mill. Mk. aus, wovon 115,4 Mill. Mk. auf die Zuschläge zu den direkten Staatssteuern entfielen. Als besondere Korporationsabgaben kamen auf: 13,8 Mill. Mk. Schulsteuern, 9,2 Mill. Mk. Kirchensteuern und 14,0 Mill. Mk. Kreis- und Provinzialsteuern. Obiger Gesamtbetrag der Kommunalabgaben ist gleichbedeutend mit 160 Proz. der direkten Staatssteuern (im Regierungsbezirk Arnsberg [* 11] 283, in Merseburg 83 Proz.). In etwa 480 Stadtgemeinden übersteigen die Zuschläge zu den direkten Staatssteuern 200 Proz. der letztern.
Die durchschnittliche Belastung auf den Kopf der Bevölkerung mit direkten Staatssteuern, Gemeinde- und besondern Korporationsabgaben beträgt
in den Städten | Landgemeinden | |
---|---|---|
an direkten Staatssteuern | 7.9 Mk. | 3.5 Mk. |
an Gemeindeabgaben | 11.5 Mk. | 4.0 Mk. |
an besondern Korporationsabgaben | 0.9 Mk. | 1.8 Mk. |
überhaupt | 20.3 Mk. | 9.4 Mk. |
13.5 Mk. |
Die Einnahmen und Ausgaben der Provinzialverbände insbesondere belaufen sich im »Soll« für 1887/88 (ohne die Spezialverwaltungen) auf 52½ Mill. Mk. Der Hauptteil der Einnahmen (67 Proz.) fließt aus staatlichen Dotationen und nicht voll 20 Proz. aus besondern Umlagen.
Armee und Flotte sind an das Reich übergegangen (s. Deutschland, [* 12] S. 843 ff.). Das Kontingent der königlich preußischen Armee umfaßt jetzt auf Grund verschiedener Verträge (Militärkonventionen) sämtliche Bundesstaaten mit Ausnahme von Sachsen, [* 13] Württemberg [* 14] und Bayern. [* 15] Eine bedeutsame Stärkung der Wehrkraft des Landes und Reichs und wichtige Änderungen in der Wehrpflicht sind durch das Gesetz vom herbeigeführt.
Wappen, Farben, Orden.
Das Staatswappen (s. Tafel »Wappen«) [* 16] ist ein dreifaches: Das kleine ist mit der Königskrone bedeckt und enthält in Silber einen schwarzen, goldbewehrten, gekrönten Adler [* 17] mit roter Zunge, goldenen Kleestengeln auf den Flügeln und dem Namenszug des Königs auf der Brust, mit dem Zepter in der Rechten und dem Reichsapfel in der Linken. Das mittlere Wappen hat vier Mittelschilde (Wappen von Preußen, [* 18] Brandenburg, [* 19] Nürnberg [* 20] und Hohenzollern) und zehn Felder (Embleme der Provinzen); es ist ebenfalls mit der Königskrone bedeckt und wird von zwei wilden, mit Herkuleskeulen bewaffneten Männern gehalten und von Kette und Kreuz [* 21] des Schwarzen Adlerordens umgeben.
Das große Wappen enthält ebenfalls die erwähnten 4 Mittelschilde und 48 Felder mit den Zeichen der Provinzen, Landesteile und beanspruchten Länder. Es ist von einem gekrönten Helm bedeckt, vom Schwarzen und Roten Adlerorden umgeben, wird von zwei wilden, Fahnen tragenden Männern gestützt und steht auf einem blauen, goldeingefaßten Postament mit dem Wahlspruch: »Gott mit uns!« Das Ganze ist von einem purpurnen, mit Adlern und Königskronen bestickten Wappenzelt umgeben, dessen Gipfel die Königskrone und das Reichspanier decken.
Die Landesfarben sind Schwarz und Weiß. Die königliche Residenz ist Berlin, zweite Residenz Potsdam. [* 22] Königliche [* 23] Schlösser sind zu Königsberg, [* 24] Breslau, [* 25] Hannover, [* 26] Kassel, [* 27] Wiesbaden; [* 28]
königliche Lustschlössern Monbijou, Bellevue, Charlottenburg, [* 29] Sanssouci, Friedrichskron, Charlottenhof, das Marmorpalais u. a. -
Ritterorden (s. Tafel »Orden«) [* 30] sind neun: der Orden vom Schwarzen Adler, gestiftet der höchste preußische Orden;
der Orden pour le mérite, gestiftet 1740, erweitert mit einer gestifteten Friedensklasse für Wissenschaft und Künste;
der Rote Adlerorden, 1705 in Baireuth [* 31] gestiftet, durch Bestätigungsurkunde zum zweiten Ritterorden des königlichen Hauses erhoben, 1810, 1811, 1830, 1832, 1848, 1864 und 1865 erweitert;
der königliche Kronenorden, gestiftet
die königliche Hausorden von Hohenzollern, in die Reihe der königlich preußischen Orden übergegangen, neue Statuten vom
die Ballei Brandenburg des ritterliche Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem, [* 32] errichtet reorganisiert
der Luisenorden, gestiftet erneuert erweitert
der Orden des Eisernen Kreuzes, gestiftet erneuert
das Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen, errichtet Ehrenzeichen sind: das allgemeine Ehrenzeichen, die Rettungsmedaille am Band [* 33] und verschiedene Militärehrenzeichen und Kriegsdenkmünzen.
Oberhaupt aller Orden, mit Ausnahme der für Damen bestimmten, deren Vorsteherin die Königin ist, und aller Ehrenzeichen ist der König.
Geographisch-statistische Litteratur.
Für die meisten Gebiete des preußischen Staats- und Wirtschaftslebens kommen hauptsächlich die Veröffentlichungen des königlichen Statistischen Büreaus in Frage, insbesondere: »Statistisches Handbuch für den preußischen Staat« (Bd. 1, Berl. 1888) und dessen Vorgänger: »Jahrbuch für die amtliche Statistik des preußischen Staats« (5 Bde., 1861-83),
die »Preußische Statistik«, amtliches Quellenwerk (das., seit ¶
mehr
1859, bis jetzt 101 Hefte). »Gemeinde-Lexikon auf Grund der Volkszählung vom 1. Dez. 1885« (das. 1887 und 1888, in einzelnen Provinzialheften mit Registerband) und die »Zeitschrift des königlich preußischen Statistischen Büreaus« (seit 1861). Aus der übrigen Litteratur vgl. Schubert, Handbuch der allgemeinen Staatskunde des preußischen Staats (Königsb. 1846-48, 2 Bde.);
Töppen, Historisch-komparative Geographie von Preußen (Gotha [* 35] 1858);
Dieterici, Handbuch der Statistik des preußischen Staats (Berl. 1858-61);
Ungewitter, Die preußische Monarchie (das. 1859);
Keller, Der preußische Staat (Minden [* 36] 1864-66);
Neumann, Geographie des preußischen Staats (Ebersw. 1869; 2. Bearbeitung u. d. T.: »Das Deutsche [* 37] Reich«, Berl. 1872-1874, 2 Bde.);
Derselbe, Geographisches Lexikon des Deutschen Reichs (Leipz. 1883);
Kraatz, Topographisch-statistisches Handbuch des preußischen Staats (3. Aufl., Berl. 1880);
Müller-Köpen, Die Höhenbestimmungen der königlich preußischen Landesaufnahme (einzelne Provinzhefte, das. 1880 ff.);
das amtliche preußische, jetzt »Deutsche Handelsarchiv« (das., Monatshefte);
Herrfurth u. v. Tzschoppe, Beiträge zur Finanzstatistik der Gemeinden in Preußen 1883-84 (das. 1884);
v. Rönne, Das Staatsrecht der preußischen Monarchie (4. Aufl., Leipz. 1881-84, 4 Bde.);
H. Schulze, Das preußische Staatsrecht (2. Aufl., das. 1888, 2 Bde.; eine kürzere Darstellung in Marquardsens »Handbuch des öffentlichen Rechts«, Freiburg [* 38] 1884);
Graf Hue de Grais, Handbuch der Verfassung und Verwaltung in Preußen und im Deutschen Reich (6. Aufl., Berl. 1888);
Bornhak, Preußische Staatsrecht (Freiburg 1888 ff., 2 Bde.);
Wiese, Das höhere Schulwesen in Preußen (Berl. 1864-74, 3 Bde.).;
Schneider u. v. Bremen, [* 39] Das Volksschulwesen im preußischen Staat (das. 1886 ff.);
Petersilie, Die öffentlichen Volksschulen in Preußen und ihre Kosten (das. 1882);
Hinschius, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche in Preußen (das. 1874);
Derselbe, Die preußischen Kirchengesetze 1873-87 (das. 1874-87, 4 Bde.);
Meitzen, Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse des preußischen Staats (das. 1868 bis 1873, 4 Bde.);
»Die Ergebnisse der Grund- und Gebäudesteuerveranlagung«, für jeden Regierungsbezirk (das. 1866-70, 25 Bde.).
Von Karten des preußischen Staats kommen zunächst die vom Generalstab herausgegebenen Kartenwerke, besonders die »Topograph. Karte des preuß. Staats«, jetzt »Karte des Deutschen Reichs«, 1:100,000 (Ausführliches darüber s. Landesaufnahme), und die betreffenden Blätter aus Reymanns (1:200,000, vom preuß. Generalstab fortgeführt) und Liebenows (1:300,000) Spezialkarte von Mitteleuropa in Betracht. Andre Karten (abgesehen von den größern Karten des Deutschen Reichs, wie von Ravenstein, 12 Blätter, 1:850,000, neue Ausg., Leipz. 1884; Berghaus, 25 Blätter, 1:740,000, Gotha 1876) sind: von Engelhardt (Berl. 1843, 23 Blätter; Generalkarte, das. 1866);
Handtke (2. Aufl., Glog. 1853, 36 Blätter);
der »Atlas [* 40] des preußischen Staats« in 26 Karten (3. Aufl., Erfurt [* 41] 1859);
»Karte vom preußischen Staat, mit besonderer Berücksichtigung der Kommunikationen«, 12 Blätter, 1:600,000 (6. Aufl., Berl. 1876);
die vom Generalpostamt herausgegebene »Post- und Eisenbahnkarte des Deutschen Reichs« (das. 1887, 20 Blätter);
»Übersichtskarte von den Waldungen Preußens« [* 42] (amtlich, das. 1887, 8 Blätter);
Böckh, Sprachkarte vom preuß. Staat (das. 1864, 2 Blätter).
Vgl. auch unsre Karten bei den Spezialartikeln über die einzelnen Provinzen.
Geschichte des preußischen Staats.
(Hierzu die »Karte zur Geschichte Preußens«, mit Textblatt.)
Der Name Preußen ging von dem Herzogtum Preußen, dem jetzigen Ostpreußen [* 43] (s. d., Geschichte), als dasselbe zum Königreich erhoben wurde, auf den gesamten Staat der bisherigen Kurfürsten von Brandenburg über, der erst 1806 bei der Auflösung des Deutschen Reichs von dem Lehnsverhältnis zum Kaiser befreit wurde. Streng genommen dürfte man von einem unabhängigen Königreich Preußen daher erst seit 1806 reden. Thatsächlich jedoch beginnt die politische Bedeutung des Kurfürstentums Brandenburg (s. d., Geschichte) und damit die Geschichte des Staats mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms des Großen Kurfürsten (1640), welche zusammenfällt mit dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs und der Auflösung des Deutschen Reichs in einzelne unabhängige Territorien.
Nächst Österreich [* 44] war der Besitz der brandenburgischen Hohenzollern in Deutschland an Flächeninhalt der größte. Er umfaßte außer Brandenburg Ostpreußen, Kleve, Mark und Ravensberg, wozu im Westfälischen Frieden noch Hinterpommern mit Kammin, Magdeburg, [* 45] Halberstadt [* 46] und Minden kamen (im ganzen 110,000 qkm mit 1 ½ Mill. Einw.), und war über ganz Norddeutschland verteilt. Gab dies den Antrieb, immer mehr nach Machterweiterung zu streben, so hatte es auch den Nachteil, daß die Sicherung der Grenzen [* 47] gegen äußere Gefahren sowie die Bildung eines einheitlichen Staatswesens durch die Zersplitterung, die weiten Entfernungen, die verschiedenartigen widerstrebenden Interessen der einzelnen Landesteile sehr erschwert wurden.
Überdies waren die größten Territorien im Vergleich zu andern deutschen Ländern wenig bevölkert. Wenn es dennoch gelang, aus diesem Konglomerat von Ländern einen einheitlichen, vorzüglich organisierten und auch zu verhältnismäßiger materieller Blüte [* 48] sich entwickelten Staat zu schaffen und ihn trotz der ausgesprochenen Mißgunst aller Nachbarn und der offenen Angriffe neidischer Feinde nicht nur zu erhalten, sondern ihn auch zu vergrößern und so wehrhaft zu machen, daß er auf eignen Füßen zu stehen vermochte, so war dies dem klaren, staatsmännischen Blick, der unermüdlichen Thätigkeit und der konsequenten Politik der hohenzollerischen Regenten zu danken.
Zugleich bildete sich unter der Leitung der Hohenzollern nicht nur bei Offizieren und Beamten, sondern auch bei der Bevölkerung ein Staatsbewußtsein und ein Patriotismus heraus, welche seit den Greueln des Dreißigjährigen Kriegs im übrigen Deutschland fehlten, aber, wie schon früh deutsche Patrioten erkannten, Preußen gerade befähigten, an die Spitze Deutschlands [* 49] zu treten. Darin liegt die höhere Bedeutung der Geschichte Preußens, daß sie darlegt, wie durch die Entwickelung dieses von den Hohenzollern geschaffenen u. geleiteten Staatswesens die politische Wiedergeburt des deutschen Volkes und die Wiederherstellung seiner Einheit und Macht nicht ohne Rückschläge und Verirrungen, doch im ganzen stetig fortschreitend erfolgt ist.
Die Regierung des Großen Kurfürsten 1640-88.
Als der Kurfürst Friedrich Wilhelm nach dem Tod seines schwachen Vaters Georg Wilhelm die Regierung seiner Erblande antrat, befanden sich diese in der kläglichsten Verfassung. Die westlichen Lande waren ganz in fremdem Besitz, die Mark teils von den Schweden, [* 50] teils von ganz unzuverlässigen eignen Truppen besetzt und auf das furchtbarste verwüstet, Preußens Besitz nicht gesichert, weil die von engherzigem Luthertum und Partikularismus ¶