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kommunalständischen Darlehnskassen; zu den landschaftlichen Kreditinstituten gehören die Hannoversche Landeskreditanstalt, die Landeskreditkasse zu Kassel, [* 2] die Nassauische Landesbank in Wiesbaden, [* 3] das Königliche [* 4] Kreditinstitut für Schlesien [* 5] in Breslau [* 6] und 19 Gegenseitigkeits-Grundkreditinstitute. Das Münzwesen [* 7] ist durch Gesetz vom für Preußen [* 8] und das Deutsche Reich [* 9] geordnet; die Goldwährung ist eingeführt, und als Münzeinheit gilt die Mark zu 100 Pfennig (3 Mk. = 1 Thlr.). Das Maß- und Gewichtssystem, zuerst für Preußen und Norddeutschland durch Gesetz vom geregelt, dann auch im Deutschen Reich eingeführt, ist das metrische;
Längenmaß: das Meter;
Flächenmaß: der Hektar = 100 Ar zu 100 qm (55,0629 qkm = 1 geogr. QM.);
als Körpermaße gelten die Würfel der Längenmaße, die Grundlage bildet das Kubikmeter;
Grundeinheit des Hohlmaßes: das Liter, des Gewichts: das Kilogramm (s. Gramm).
Das Versicherungswesen hat in Preußen einen großen Umfang erreicht. Die Zahl der auf den Todesfall versicherten Personen belief sich Ende 1884 auf 497,636. Die Versicherungssumme betrug 1532 Mill. Mk. oder 3078 Mk. auf eine Person. Bei den privaten Unfallversicherungsgesellschaften waren Ende 1885 in Preußen 256,025 Personen versichert, das versicherte Kapital betrug 823 Mill. Mk.; bei den Rentenversicherungsgesellschaften belief sich die Zahl der Policen auf 73,927, das Einlagekapital auf 45,9 Mill. Mk. Die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten wiesen am Jahresschluß 1885 eine Versicherungssumme von im ganzen 16,089 Mill. Mk. auf.
Die Ausgabe für Brandschäden betrug 22,9 Mill. Mk., der Überschuß 35 Mill. Mk. Die Versicherungssumme der privaten Feuerversicherungsverbände belief sich 1884 auf 4705,7 Mill. Mk.; die Beiträge der Versicherten betrugen 7,6 Mill. Mk., die Schädenzahlungen 6,3 Mill. Mk. Die preußischen Aktiengesellschaften für Feuerversicherung wiesen 1885 ein eingezahltes Aktienkapital von 24,7 Mill. Mk., eine Prämieneinnahme von 61,4 Mill. Mk. auf und zahlten 38,4 Mill. Mk. Brandentschädigungen aus.
Die preußischen Aktiengesellschaften für Rückversicherung von Feuerschäden besaßen ein eingezahltes Aktienkapital von 8 Mill. Mk., nahmen 9,6 Mill. Mk. Prämien ein und zahlten 5,5 Mill. Mk. Brandentschädigungen aus. Im J. 1885 kamen in Preußen 17,952 Schadenbrände vor, wovon 8423 Gemeinden und 21,159 Besitzungen betroffen wurden, der Gesamtwert des Schadens betrug 64,3 Mill. Mk. Der Versicherung gegen Hagelschaden dienen 22 Gegenseitigkeitsgesellschaften mit 121,159 Policen im J. 1883 und einer Versicherungssumme von 793 Mill. Mk.; dazu kommen fünf inländische Aktiengesellschaften mit einem Grundkapital von 21,7 Mill. Mk., 117,882 Policen und 696 Mill. Mk. Versicherungssumme; außerdem sind noch drei auswärtige Hagelversicherungsgesellschaften in Preußen zugelassen.
Der Viehversicherung dienen teils auf Gegenseitigkeit gegründete Gesellschaften, teils von Einzelnen betriebene Viehversicherungsanstalten mit einem Versicherungsbestand in Höhe von ca. 60 Mill. Mk. und einer Prämieneinnahme von ca. 2 Mill. Mk.; dazu kommt noch eine große Zahl lokaler Versicherungsvereine, die über 1 Mill. Stück Vieh für ca. 150 Mill. Mk. versichert haben. Hervorgehoben sei noch der große Umfang, den die Transportversicherung und Glasversicherung in Preußen gewonnen haben, denen gleichfalls eine größere Zahl von Gegenseitigkeits- und Aktiengesellschaften dienen.
Die Zahl der Sparkassen belief sich 1886 auf 1335, die der Sparkassenbücher auf 4,467,078; die Einzahlungen mit gutgeschriebenen Zinsen betrugen 719,9 Mill. Mk., die Rückzahlungen 524,4 Mill. Mk. Hilfskassen der Beamten und Arbeiter der preußischen Eisenbahnen waren 1885/86: 263, der Vermögensstand am Ende dieses Betriebsjahrs 70,7 Mill. Mk., die Zahl der beitragspflichtigen Mitglieder 323,887. Ende 1885 waren 81 Knappschaftsvereine mit 180,902 ständigen und 153,651 unständigen Mitgliedern vorhanden.
Die Zahl der auf Grund des Reichsgesetzes vom in Preußen bestehenden Krankenkassen belief sich Ende 1885 auf 8227 mit 2,262,613 Mitgliedern, davon 1411 Gemeinde-, 2751 Orts-, 3110 Betriebs-, 49 Bau-, 111 Innungskrankenkassen, ferner 745 eingeschrieben und 50 landesrechtliche Hilfskassen;
die Gesamteinnahmen betrugen 1885: 37 Mill. Mk. Der öffentlichen Armenpflege dienten 929,411 Orts- und 50 Landarmenverbände;
erstere unterstützen 929,411, letztere 23,881 Personen;
erstere gaben 49,3 Mill. Mk., letztere 5,6 Mill. Mk. aus.
Die Zahl der Waisenanstalten betrug 396 mit 18,827 Kindern, davon 12,344 Waisenkinder. An Arbeiterkolonien und Naturalverpflegungsstationen waren Ende 1886: 11 vorhanden mit 1717 anschlagsmäßigen Plätzen;
seit Eröffnung derselben sind im ganzen 14,918 Kolonisten aufgenommen worden.
Staatsverfassung und Verwaltung.
Das Königreich Preußen ist eine konstitutionelle Monarchie, deren Staatsgrundgesetz in der Verfassungsurkunde vom niedergelegt ist, die indessen durch spätere Gesetze sowie durch die deutsche Reichsverfassung vom in Einzelheiten mehrfache Änderungen erfahren hat. Staatsoberhaupt ist der König, gegenwärtig Wilhelm II., geb. (deutscher Kaiser) und König seit Die Krone ist (mit der deutschen Kaiserwürde) erblich im Mannesstamm des königlich preußischen Hauses Hohenzollern [* 10] nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge.
Der König wird mit Vollendung des 18. Lebensjahrs volljährig. Der erstgeborne Sohn des Kaisers und Königs heißt »Kronprinz des Deutschen Reichs und Kronprinz von Preußen« und bekleidet als Kronprinz von Preußen zugleich die Würde des Statthalters von Pommern. [* 11] Falls dagegen der Bruder des Königs oder ein andrer Prinz des Hauses vermutlicher Thronerbe ist, führt er nur den Titel »Prinz von Preußen«. Ist der König minderjährig oder dauernd an der Regierung verhindert, so hat der der Krone zunächst stehende volljährige Agnat oder in Ermangelung eines solchen das Staatsministerium den Landtag zur Beschlußnahme über die Regentschaft zu berufen.
Nach dem Antritt der Regierung legt der König den Eid auf die Verfassung ab. Der König, welcher unverletzlich und unverantwortlich ist, aber für alle Regierungsakte der Gegenzeichnung der Minister bedarf, welche damit die Verantwortlichkeit übernehmen, ist im Grunde der Repräsentant der gesamten Staatsgewalt; ihm allein steht die Exekutive (vollziehende Gewalt) zu. Mit dem Landtag gemeinsam übt er die gesetzgebende Gewalt aus; aber erst durch die Bekanntmachung der Gesetze (Promulgation) durch den König treten dieselben in Wirksamkeit, und die zu deren Ausführung nötigen Verordnungen erfolgen seinerseits. Eine nähere gesetzliche Regelung der im Art. 61 der Verfassungsurkunde behandelten Ministerverantwortlichkeit ist bisher nicht erfolgt. Keiner Gegenzeichnung bedürfen diejenigen Akte, welche der König als oberster Kriegsherr (Armeebefehle) oder als ¶
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Träger [* 13] des landesherrlichen Kirchenregiments vollzieht. Er übt das Recht der Begnadigung und Strafmilderung und kann Orden [* 14] und andre Auszeichnungen verleihen. Wichtige Hoheitsrechte sind mit Gründung des Reichs auf den Bundesrat und den deutschen Kaiser übergegangen (s. Deutschland, [* 15] S. 836 f.). Der König ernennt und entläßt die Minister, er beruft den Landtag ein, schließt dessen Sitzungen und hat das Recht, denselben zu vertagen sowie das Abgeordnetenhaus aufzulösen. Der König genießt nebst den Mitgliedern des königlichen Hauses und des fürstlich hohenzollerischen Hauses besondern strafrechtlichen Schutz, Steuer- und Portofreiheit etc. Soweit die Erledigung der Regierungsgeschäfte nicht durch Vermittelung der Ministerien erfolgt, bedient sich der König des Geheimen Zivil- und des Militärkabinetts.
Den Staatsangehörigen räumt die Verfassungsurkunde unter anderm folgende Rechte ein: Gleichheit vor dem Gesetz (Standesvorrechte stehen nur den Mitgliedern des königlichen und des fürstlich hohenzollerischen Hauses und dem ehemals reichsunmittelbaren Adel zu), Gewährleistung der persönlichen Freiheit, Unverletzlichkeit des Eigentums, der Wohnung, des Briefgeheimnisses (mit Ausnahme des Ergreifens auf frischer That), Unstatthaftigkeit der Ausnahmegerichte und des bürgerlichen Todes; Freiheit der Auswanderung, des Glaubens, der Wissenschaft, der freien Meinungsäußerung, der Presse [* 16] etc. (in den Grenzen [* 17] des Strafgesetzbuchs), das Recht zu friedlichen, unbewaffneten Versammlungen in geschlossenen Räumen und der Vereinigung in nicht straffälligen Gesellschaften. Ebenso haben die allgemeine Wehrpflicht, Schulpflicht etc. verfassungsmäßige Anerkennung gefunden.
Als verfassungsmäßige Vertretung der Staatsbürger zur Mitwirkung und Beteiligung an der gesetzgebenden Gewalt besteht der Landtag. Derselbe ist aus zwei Kammern zusammengesetzt, von denen zufolge des Gesetzes vom die erste Herrenhaus, die zweite Haus der Abgeordneten genannt wird. Beide sind gleichberechtigt, die Beratungen erfolgen gesondert und nur bei der Beschlußnahme über Einsetzung einer Regentschaft gemeinsam. Beide Häuser können schriftliche Petitionen entgegennehmen und den Ministern überweisen, von diesen über eingegangene Beschwerden Auskünfte verlangen (Interpellationsrecht), selbständig Gesetzanträge einbringen und Adressen an den König richten.
Das vornehmste Recht aber (insbesondere des Abgeordnetenhauses) besteht in der Einnahmen- und Ausgabenbewilligung, in der Kontrolle der Staatsschuldenverwaltung. Das Herrenhaus besteht nach dem Gesetz vom und spätern königlichen Erlassen gegenwärtig aus im ganzen 310 Mitgliedern, bez. Stimmen, von denen 41 ruhen. Die Kategorien der Mitglieder und Stimmen sind folgende: I. Die Prinzen des königlichen Hauses, sobald dieselben nach erlangter Großjährigkeit vom König in das Herrenhaus berufen werden; II. Mitglieder mit erblicher Berechtigung (im ganzen 98, davon 28 Stimmen ruhend):
1) Haupt des fürstlichen Hauses Hohenzollern, 2) Häupter der vormals reichsständischen Häuser in den königlich preußischen Landen, zur Zeit 22, davon 6 ruhend, 3) Fürsten, Grafen und Herren, zur Zeit 75, davon 22 ruhend, 4) durch besondere königliche Verordnung; III. auf Lebenszeit berufene Mitglieder (46): 1) die Inhaber der vier großen Landesämter in Preußen, 2) aus besonderm allerhöchsten Vertrauen berufen, zur Zeit 42; IV. infolge von Präsentation berufene Mitglieder (im ganzen 165, davon aus den Landesuniversitäten 9 und als Vertreter von Städten 44). Das Haus der Abgeordneten besteht lediglich aus den von den Staatsbürgern gewählten Repräsentanten, deren Anzahl auf 433 festgesetzt ist. Die Wahlen erfolgen auf Grund der Verordnung vom welche auch gesetzlich auf die hohenzollerischen Fürstentümer und die neuen Provinzen ausgedehnt ward.
Die Wahl der Abgeordneten ist eine mittelbare und geschieht mittels Wahl der Wahlmänner (Urwahlen) und mittels Wahl der Abgeordneten durch die Wahlmänner. Auf je 250 Seelen wird ein Wahlmann gewählt. Die Urwähler zerfallen nach Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Steuern in drei Abteilungen und zwar in der Art, daß auf jede Abteilung ein Dritteil der Gesamtsumme der Steuerbeträge aller Urwähler fällt (Höchstbesteuerte, Minderbesteuerte, am niedrigsten oder gar nicht Besteuerte).
Das Mandat der Abgeordneten erstreckt sich auf die Dauer der Legislaturperiode, die durch Gesetz vom auf fünf Jahre festgesetzt ist. Zum Abgeordneten ist jeder Preuße wählbar, der das 30. Lebensjahr vollendet hat, im Vollbesitz der bürgerlichen Rechte und bereits seit einem Jahr preußischer Staatsangehöriger gewesen ist, während die Wähler aus allen wenigstens 24 Jahre alten Preußen bestehen, die seit sechs Monaten in der Gemeinde wohnen und keine Armenunterstützung empfangen.
Die Kammern werden durch den König, so oft es die Umstände erheischen, berufen, sollen aber in jedem Etatsjahr (1. April bis 31. März) wenigstens einmal und zwar spätestens Mitte Januar zur Beratung des Staatshaushaltsgesetzes zusammentreten. Erfolgt eine Auflösung des Abgeordnetenhauses, so müssen innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen nach derselben die neugewählten Kammern versammelt werden. Beide Häuser werden gleichzeitig berufen, eröffnet, vertagt und geschlossen. Die Vertagung des Landtags darf aber ohne Zustimmung desselben nicht über 30 Tage dauern und sich nicht während einer und derselben Session wiederholen. Jedes Haus regelt seinen Geschäftsgang und seine Disziplin durch eine Geschäftsordnung und wählt seinen Präsidenten, seine Vizepräsidenten und Schriftführer für die Dauer der Sitzungsperiode. Niemand kann Mitglied beider Häuser sein. Die Sitzungen sind öffentlich. Das Herrenhaus ist bei Anwesenheit von 60, das Abgeordnetenhaus bei Anwesenheit der Mehrzahl seiner Mitglieder beschlußfähig. Die Mitglieder beider Häuser sind Vertreter des ganzen Volkes und an Instruktionen nicht gebunden. Sie können für ihre im Haus ausgesprochenen Meinungen nur innerhalb des Hauses zur Rechenschaft gezogen werden. Kein Mitglied des Landtags kann ohne Genehmigung des betreffenden Hauses während der Sitzungsperiode zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der That oder im Lauf des nächstfolgenden Tags ergriffen wird. Die Minister oder deren Stellvertreter haben Zutritt in beide Häuser und müssen jederzeit auf ihr Verlangen gehört werden, sind aber nur dann stimmberechtigt, wenn sie Mitglieder des betreffenden Hauses sind. Die Beschlüsse werden in beiden Häusern nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt, welche auch für Verfassungsänderungen genügt; nur müssen bei solchen zwei Abstimmungen stattfinden, zwischen denen ein Zeitraum von wenigstens 21 Tagen liegen muß. Zu jedem Gesetz ist die Übereinstimmung des Königs und der beiden Häuser des Landtags erforderlich. ¶