mehr
Die Zahl der Dampfkessel [* 2] und Dampfmaschinen [* 3] in Preußen [* 4] hat sich neuerdings außerordentlich vermehrt; es stieg von 1874 bis 1887 die Zahl der feststehenden Dampfkessel von 32,411 auf 44,207, diejenige der feststehenden Dampfmaschinen von 29,895 auf 41,736, die der beweglichen Dampfkessel (ohne Lokomotiven) und Lokomobilen [* 5] von 5536 auf 10,891, die der Schiffsdampfkessel von 702 auf 1408 und die der Schiffsdampfmaschinen von 623 auf 1172. Die Kessel und Maschinen der Armeeverwaltung und Kriegsmarine sind hierin nicht mit enthalten.
Handel und Verkehr.
Der Handel Preußens [* 6] ist ein wesentlicher Bestandteil von dem des Zollvereins (s. d.) und daher nicht von diesem zu scheiden. Er wird gefördert durch die 410 km lange Nordsee-, die 1244 km lange Ostseeküste, die schiffbaren Flüsse [* 7] und Ströme und das ansehnliche Netz der Eisenbahnen und Kunststraßen. Die wichtigsten Plätze für den Binnenhandel sind: Berlin, [* 8] Kottbus, Frankfurt [* 9] a. O. und Landsberg [* 10] a. d. Warthe in Brandenburg; [* 11]
Stettin, [* 12] Stralsund [* 13] und Stolp [* 14] in Pommern; [* 15]
Königsberg, [* 16] Memel, [* 17] Tilsit [* 18] und Insterburg [* 19] in Ostpreußen; [* 20]
Danzig, [* 21] Elbing [* 22] und Thorn [* 23] in Westpreußen;
Posen [* 24] und Bromberg [* 25] in Posen;
Breslau, [* 26] Schweidnitz, [* 27] Brieg, [* 28] Ratibor, [* 29] Görlitz [* 30] und Hirschberg [* 31] in Schlesien; [* 32]
Magdeburg, [* 33] Halberstadt, [* 34] Halle, [* 35] Nordhausen [* 36] und Erfurt [* 37] in Sachsen; [* 38]
Altona, [* 39] Kiel [* 40] und Flensburg [* 41] in Schleswig-Holstein; [* 42]
Hannover, [* 43] Osnabrück, [* 44] Hildesheim, [* 45] Lüneburg [* 46] und Harburg [* 47] in Hannover;
Münster, [* 48] Minden, [* 49] Bielefeld, [* 50] Paderborn, [* 51] Dortmund, [* 52] Bochum [* 53] und Hagen [* 54] in Westfalen; [* 55]
Kassel, [* 56] Hanau [* 57] und Frankfurt a. M. in Hessen-Nassau; [* 58]
Köln, [* 59] Elberfeld, [* 60] Barmen, Düsseldorf, [* 61] Essen, [* 62] Duisburg, [* 63] Krefeld, [* 64] Aachen, [* 65] Koblenz [* 66] und Saarbrücken [* 67] in der Rheinprovinz. [* 68]
In ca. 2670 Orten finden Jahrmärkte und Messen statt. Unter denen für eine bestimmte Gattung von Waren sind vor allen die Wollmärkte hervorzuheben, von welchen die bedeutendsten die zu Berlin, Breslau, Königsberg i. Pr., Posen, Stettin, Landsberg a. d. Warthe, Stralsund, Hildesheim, Paderborn, Kassel und Hannover sind. Außerdem sind zu erwähnen die Flachs- und Leinwandmärkte in einigen Orten Schlesiens. Messen, welche mehr dem auswärtigen Handel dienen, werden zu Frankfurt a. O. und Frankfurt a. M. abgehalten; ihre Bedeutung nimmt jedoch ab. Die wichtigern Plätze für den auswärtigen Handel sind außer den beiden genannten Meßstädten: Berlin, Breslau, Posen, Königsberg, Danzig, Stettin, Magdeburg, Altona, Hannover, Köln, Barmen, Elberfeld und Krefeld. Über die Handelskammern in Preußen s. Deutschland, [* 69] S. 835. Auf Grund der Befugnis, welche das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz den Landesregierungen erteilt, am Sitz der Landgerichte selbst oder auch außerhalb derselben Kammern für Handelssachen zu bilden, bestanden in Preußen Anfang 1888 in 28 Orten 38 derartige Kammern, von denen Berlin 8, Breslau, Köln und Frankfurt a. M. je 2 aufwiesen.
Der Schiffahrtsverkehr der preußischen Häfen von 1886 ergibt sich aus folgenden Zahlen. Es waren angekommen 35,396 Schiffe [* 70] zu 4,049,366 Ton. mit Ladung und 8054 Schiffe zu 551,530 T. in Ballast oder leer; unter erstern befanden sich 13,977, unter letztern 936 Dampfschiffe. Es liefen aus 32,950 Schiffe zu 3,233,984 T. mit Ladung und 10,036 Schiffe zu 1,336,713 T. in Ballast oder leer; unter erstern 12,979, unter letztern 1901 Dampfschiffe. In 14 Häfen verkehrten 1886 mehr als 1000 Schiffe ein- und auslaufend, nämlich in Memel, Königsberg i. Pr., Neufahrwasser (Danzig), Swinemünde, Stettin, Stralsund, Heiligenhafen, Neumühlen bei Kiel, Kiel, Flensburg, Sonderburg, Altona, Geestemünde, Wilhelmshaven. [* 71]
An der Spitze stehen in dieser Beziehung Stettin mit 3378 eingelaufenen und 3276 ausgelaufenen Schiffen und Kiel mit 3500 eingelaufenen und 3462 ausgelaufenen Schiffen. Während die Zahl aller preußischen Segelschiffe von 3133 mit 464,477 Registertons im J. 1877 auf 2195 mit 300,350 Reg.-T. im J. 1886 sank, stieg die Zahl der Dampfschiffe von 138 mit 31,573 Reg.-T. auf 323 mit 112,067 Reg.-T. Zur Unterhaltung der Seehäfen, Seeufer, Binnenhäfen und Gewässer wurden aus Mitteln des Staats im Etatsjahr 1886/87: 10,475,547 Mk. angewendet. Preußen hat 209 schiffbare Flüsse und Kanäle (s. oben) mit einer Länge von zusammen 10,000 km. Der Bestand der preußischen Fluß-, Kanal-, Haff- und Küstenschiffe stellte sich Ende 1882 auf 512 Dampfschiffe und 12,608 Segelschiffe;
die Tragfähigkeit dieser Schiffe betrug 1,198,005 T., von 387 Schiffen war sie nicht bekannt.
Unter den Verkehrsmitteln zu Lande nehmen die Eisenbahnen die erste Stelle ein. Die Länge sämtlicher preußischer Eisenbahnen belief sich im Betriebsjahr 1886/87 auf 22,555,8 km mit normaler und 206,4 km mit schmaler Spurweite; von erstern waren 20,463,4 km Staatsbahnen, [* 72] 181,2 km Privatbahnen unter Staatsverwaltung, 1911,2 km Privatbahnen unter eigner Verwaltung. Der erste auf Lokomotivbetrieb eingerichtet Schienenweg wurde in einer Länge von 34,7 km im J. 1838 eröffnet. Näheres über die Organisation der preuß. Eisenbahnverwaltungen s. Artikel »Eisenbahn«, S. 442. Die Länge sämtlicher Chausseen belief sich Anfang 1887 auf 65,254 km, davon waren 31,413,1 km Provinz- und Bezirks-, 26,379 km Kreis-, 4456,1 Gemeinde- und 3005,8 km Privat-, Forst-, Bergwerks- und andre Chausseen. Post und Telegraphie sind Angelegenheiten des Deutschen Reichs (s. Deutschland, S. 835).
An der Spitze des gesamten Geld- und Kreditwesens in Preußen steht die Reichsbank (s. d.), welche 1886 in den wichtigern Orten des Landes 44 Reichsbankstellen mit einem Geschäftsumsatz von 53,423 Mill. Mk. besaß. Außer ihr gab es in Preußen Anfang 1888 noch 6 Notenbanken, nämlich die Städtische Bank zu Breslau (3 Mill. Mk. Grundkapital), die Magdeburger Privatbank (3 Mill.), Danziger Privat-Aktienbank (3 Mill.), Provinzial-Aktienbank des Großherzogtums Posen (3 Mill.), Hannoversche Bank (12 Mill.), Frankfurter Bank (17 Mill.). Die Zahl derjenigen Bankinstitute, welche Aktiengesellschaften, bez. Kommanditgesellschaften auf Aktien sind, aber das Recht zur Notenausgabe nicht besitzen, ist sehr bedeutend; unter ihnen befinden sich 12 Hypothekenbanken und 3 Maklerbanken.
Andre Banken von größerer Wichtigkeit sind: der Berliner [* 73] Kassenverein, die Berliner Handelsgesellschaft, die Bank für Handel und Industrie in Darmstadt [* 74] und Berlin, die Deutsche [* 75] Bank, die Diskonto-Kommanditgesellschaft, die Breslauer Diskontobank, der Schlesische Bankverein in Breslau, die Aachener Diskontogesellschaft, Bank für Rheinland und Westfalen in Köln; auch ist hierher die Königliche [* 76] Seehandlung zu rechnen. Dem Grundkredit dienen die Grundkreditinstitute der öffentlich-rechtlichen juristischen Personen und die landschaftlichen Kreditinstitute. Zu erstern gehören die 7 Rentenbanken zur Beförderung der Ablösungen der Reallasten, Landeskultur-Rentenbanken für die Provinzen Posen, Schlesien und Schleswig-Holstein, die Provinzialhilfskassen, die Meliorationsfonds und die landschaftlichen, bez. ¶
mehr
kommunalständischen Darlehnskassen; zu den landschaftlichen Kreditinstituten gehören die Hannoversche Landeskreditanstalt, die Landeskreditkasse zu Kassel, die Nassauische Landesbank in Wiesbaden, [* 78] das Königliche Kreditinstitut für Schlesien in Breslau und 19 Gegenseitigkeits-Grundkreditinstitute. Das Münzwesen [* 79] ist durch Gesetz vom für Preußen und das Deutsche Reich geordnet; die Goldwährung ist eingeführt, und als Münzeinheit gilt die Mark zu 100 Pfennig (3 Mk. = 1 Thlr.). Das Maß- und Gewichtssystem, zuerst für Preußen und Norddeutschland durch Gesetz vom geregelt, dann auch im Deutschen Reich eingeführt, ist das metrische;
Längenmaß: das Meter;
Flächenmaß: der Hektar = 100 Ar zu 100 qm (55,0629 qkm = 1 geogr. QM.);
als Körpermaße gelten die Würfel der Längenmaße, die Grundlage bildet das Kubikmeter;
Grundeinheit des Hohlmaßes: das Liter, des Gewichts: das Kilogramm (s. Gramm).
Das Versicherungswesen hat in Preußen einen großen Umfang erreicht. Die Zahl der auf den Todesfall versicherten Personen belief sich Ende 1884 auf 497,636. Die Versicherungssumme betrug 1532 Mill. Mk. oder 3078 Mk. auf eine Person. Bei den privaten Unfallversicherungsgesellschaften waren Ende 1885 in Preußen 256,025 Personen versichert, das versicherte Kapital betrug 823 Mill. Mk.; bei den Rentenversicherungsgesellschaften belief sich die Zahl der Policen auf 73,927, das Einlagekapital auf 45,9 Mill. Mk. Die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten wiesen am Jahresschluß 1885 eine Versicherungssumme von im ganzen 16,089 Mill. Mk. auf.
Die Ausgabe für Brandschäden betrug 22,9 Mill. Mk., der Überschuß 35 Mill. Mk. Die Versicherungssumme der privaten Feuerversicherungsverbände belief sich 1884 auf 4705,7 Mill. Mk.; die Beiträge der Versicherten betrugen 7,6 Mill. Mk., die Schädenzahlungen 6,3 Mill. Mk. Die preußischen Aktiengesellschaften für Feuerversicherung wiesen 1885 ein eingezahltes Aktienkapital von 24,7 Mill. Mk., eine Prämieneinnahme von 61,4 Mill. Mk. auf und zahlten 38,4 Mill. Mk. Brandentschädigungen aus.
Die preußischen Aktiengesellschaften für Rückversicherung von Feuerschäden besaßen ein eingezahltes Aktienkapital von 8 Mill. Mk., nahmen 9,6 Mill. Mk. Prämien ein und zahlten 5,5 Mill. Mk. Brandentschädigungen aus. Im J. 1885 kamen in Preußen 17,952 Schadenbrände vor, wovon 8423 Gemeinden und 21,159 Besitzungen betroffen wurden, der Gesamtwert des Schadens betrug 64,3 Mill. Mk. Der Versicherung gegen Hagelschaden dienen 22 Gegenseitigkeitsgesellschaften mit 121,159 Policen im J. 1883 und einer Versicherungssumme von 793 Mill. Mk.; dazu kommen fünf inländische Aktiengesellschaften mit einem Grundkapital von 21,7 Mill. Mk., 117,882 Policen und 696 Mill. Mk. Versicherungssumme; außerdem sind noch drei auswärtige Hagelversicherungsgesellschaften in Preußen zugelassen.
Der Viehversicherung dienen teils auf Gegenseitigkeit gegründete Gesellschaften, teils von Einzelnen betriebene Viehversicherungsanstalten mit einem Versicherungsbestand in Höhe von ca. 60 Mill. Mk. und einer Prämieneinnahme von ca. 2 Mill. Mk.; dazu kommt noch eine große Zahl lokaler Versicherungsvereine, die über 1 Mill. Stück Vieh für ca. 150 Mill. Mk. versichert haben. Hervorgehoben sei noch der große Umfang, den die Transportversicherung und Glasversicherung in Preußen gewonnen haben, denen gleichfalls eine größere Zahl von Gegenseitigkeits- und Aktiengesellschaften dienen.
Die Zahl der Sparkassen belief sich 1886 auf 1335, die der Sparkassenbücher auf 4,467,078; die Einzahlungen mit gutgeschriebenen Zinsen betrugen 719,9 Mill. Mk., die Rückzahlungen 524,4 Mill. Mk. Hilfskassen der Beamten und Arbeiter der preußischen Eisenbahnen waren 1885/86: 263, der Vermögensstand am Ende dieses Betriebsjahrs 70,7 Mill. Mk., die Zahl der beitragspflichtigen Mitglieder 323,887. Ende 1885 waren 81 Knappschaftsvereine mit 180,902 ständigen und 153,651 unständigen Mitgliedern vorhanden.
Die Zahl der auf Grund des Reichsgesetzes vom in Preußen bestehenden Krankenkassen belief sich Ende 1885 auf 8227 mit 2,262,613 Mitgliedern, davon 1411 Gemeinde-, 2751 Orts-, 3110 Betriebs-, 49 Bau-, 111 Innungskrankenkassen, ferner 745 eingeschrieben und 50 landesrechtliche Hilfskassen;
die Gesamteinnahmen betrugen 1885: 37 Mill. Mk. Der öffentlichen Armenpflege dienten 929,411 Orts- und 50 Landarmenverbände;
erstere unterstützen 929,411, letztere 23,881 Personen;
erstere gaben 49,3 Mill. Mk., letztere 5,6 Mill. Mk. aus.
Die Zahl der Waisenanstalten betrug 396 mit 18,827 Kindern, davon 12,344 Waisenkinder. An Arbeiterkolonien und Naturalverpflegungsstationen waren Ende 1886: 11 vorhanden mit 1717 anschlagsmäßigen Plätzen;
seit Eröffnung derselben sind im ganzen 14,918 Kolonisten aufgenommen worden.
Staatsverfassung und Verwaltung.
Das Königreich Preußen ist eine konstitutionelle Monarchie, deren Staatsgrundgesetz in der Verfassungsurkunde vom niedergelegt ist, die indessen durch spätere Gesetze sowie durch die deutsche Reichsverfassung vom in Einzelheiten mehrfache Änderungen erfahren hat. Staatsoberhaupt ist der König, gegenwärtig Wilhelm II., geb. (deutscher Kaiser) und König seit Die Krone ist (mit der deutschen Kaiserwürde) erblich im Mannesstamm des königlich preußischen Hauses Hohenzollern [* 80] nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge.
Der König wird mit Vollendung des 18. Lebensjahrs volljährig. Der erstgeborne Sohn des Kaisers und Königs heißt »Kronprinz des Deutschen Reichs und Kronprinz von Preußen« und bekleidet als Kronprinz von Preußen zugleich die Würde des Statthalters von Pommern. Falls dagegen der Bruder des Königs oder ein andrer Prinz des Hauses vermutlicher Thronerbe ist, führt er nur den Titel »Prinz von Preußen«. Ist der König minderjährig oder dauernd an der Regierung verhindert, so hat der der Krone zunächst stehende volljährige Agnat oder in Ermangelung eines solchen das Staatsministerium den Landtag zur Beschlußnahme über die Regentschaft zu berufen.
Nach dem Antritt der Regierung legt der König den Eid auf die Verfassung ab. Der König, welcher unverletzlich und unverantwortlich ist, aber für alle Regierungsakte der Gegenzeichnung der Minister bedarf, welche damit die Verantwortlichkeit übernehmen, ist im Grunde der Repräsentant der gesamten Staatsgewalt; ihm allein steht die Exekutive (vollziehende Gewalt) zu. Mit dem Landtag gemeinsam übt er die gesetzgebende Gewalt aus; aber erst durch die Bekanntmachung der Gesetze (Promulgation) durch den König treten dieselben in Wirksamkeit, und die zu deren Ausführung nötigen Verordnungen erfolgen seinerseits. Eine nähere gesetzliche Regelung der im Art. 61 der Verfassungsurkunde behandelten Ministerverantwortlichkeit ist bisher nicht erfolgt. Keiner Gegenzeichnung bedürfen diejenigen Akte, welche der König als oberster Kriegsherr (Armeebefehle) oder als ¶