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heraus. Maschinenfabriken gibt es gegenwärtig in allen Provinzen. Der Bau von Lokomotiven ward zuerst in Berlin (Borsig) in großem Umfang betrieben; gegenwärtig sind größere Lokomotivfabriken auch in Königsberg, Elbing, Stettin, Hannover und Kassel. In den meisten dieser Orte sowie noch in Görlitz, Breslau, Greifswald, Düsseldorf, Hagen, Köln, Deutz und Frankfurt a. M. sind auch Anstalten zum Bau von Eisenbahnwagen, bez. Teilen derselben, vorhanden.
Die Fabrikation von Nähmaschinen ist in Berlin von höchster Bedeutung, sie kommt aber auch an andern Orten vor; Hamm in Westfalen produziert Dampfhämmer, Grevenbroich in der Rheinprovinz Prägmaschinen, Aachen und Berlin Feuerspritzen, Berlin, Magdeburg, Hannover Federmanometer, Berlin Gaszähler und Wassermesser. Der Bau von Luxuswagen hält die Konkurrenz mit Frankreich immer mehr aus. Für den Schiffbau sind Kiel, Flensburg, Stettin, Danzig, Elbing, Königsberg, Memel etc. wichtige Plätze; der Bedarf an Schiffen wird aber auf den heimischen Werften noch nicht gedeckt.
Wissenschaftliche Instrumente werden in Berlin, Kassel, Aachen, Bonn, Wetzlar, Bielefeld, Frankfurt a. M., Göttingen, Halle, Rathenow, Muskau, Breslau und Brieg angefertigt; von größter Wichtigkeit ist das Telegraphenbaugeschäft von Siemens u. Halske in Berlin. Für Uhren besteht eine größere Fabrik zu Freiburg i. Schl. Für die Fabrikation von musikalischen Instrumenten (Flügeln, Pianinos) ist Berlin der wichtigste Platz im Staat; außerdem kommen noch namentlich Zeitz, Breslau und Kassel in Betracht. Auch Blasinstrumente werden mehrfach produziert, dagegen werden die Streichinstrumente größtenteils von außerhalb eingeführt.
Industrie in Stein, Erde, Glas, Chemikalien.
Die Fabrikation von gebrannten Steinen, Bauornamenten und Drainierröhren befindet sich im Fortschreiten;
die Ziegeleien und Thonröhrenfabriken waren 1882 durch 10,653 Betriebe mit 94,345 Personen, die Töpfereien und Fabriken feiner Thonwaren durch 6251 Betriebe mit 21,972 Personen vertreten;
zahlreiche Ziegeleien sind namentlich in Brandenburg, woselbst auch die Ringöfen die weiteste Verbreitung gefunden haben;
große Kalkbrennereien zu Rüdersdorf bei Berlin, Gogolin in Oberschlesien, Lüneburg etc.;
Gipsmühlen und Zementfabriken in den verschiedensten Teilen, Portlandzementfabriken bei Stettin, in Schlesien etc. Bekannt sind: die Fliesen und Mosaikarbeiten von Mettlach an der Saar, die Thonpfeifen und Krüge des Westerwaldes (Koblenzer Waren), die Thonpfeifen von Uslar in Hannover, die Tiegel von Großalmerode bei Kassel, die weißen Kacheln von Velten im Havelland, die Töpferwaren von Bunzlau.
Die Porzellanfabrikation mit 351 Betrieben und 7587 Personen ist am bedeutendsten in Schlesien, dann folgen die Rheinprovinz und Brandenburg; die königliche Porzellanfabrik zu Berlin steht mit ihren vorzüglichen Leistungen als Versuchs- und Musteranstalt allen voran. Die Glasindustrie beschäftigte 1882 in 730 Betrieben 17,480 Personen, dazu kommen noch 36 Glasbläsereien vor der Lampe mit 84 und 19 Spiegelglas- und Spiegelfabriken mit 2898 Personen. Sie blüht besonders in der Rheinprovinz, Schlesien, Westfalen und Brandenburg; Tafelglas wird vorzüglich in der Rheinprovinz, Westfalen und Schlesien, Flaschenglas überall, weißes Hohlglas in der Rheinprovinz und der Lausitz, Spiegel werden in der Rheinprovinz, Schlesien und Hannover, Kunstgläser im Riesengebirge, Lampenglocken zu Baruth in Brandenburg verfertigt.
Schwefelsäure wird besonders in der Rheinprovinz und Schlesien erzeugt;
die Bereitung von Soda und Chlor ist bedeutend;
für die Kaliindustrie ist Staßfurt (nebst Aschersleben und dem angrenzenden Leopoldshall in Anhalt) ein Ort von höchster Wichtigkeit;
durch dieselbe ist erst die Fabrikation von Kalidungmitteln geschaffen worden.
Was die Fabrikation von Farben betrifft, so ist dieselbe in der Darstellung von Farben aus einheimischen Pflanzen sehr gering, bedeutender aus fremden, eingeführten Farbhölzern (in der Provinz Hannover). Unter den metallischen Farben nimmt an Größe der Produktion die Bleiweiß- und Zinkweißdarstellung einen hervorragenden Platz ein. Von hoher Bedeutung ist die Fabrikation von Ultramarin, Anilin und Alizarin in größern Anstalten in der Rheinprovinz und Hessen-Nassau.
Mineralöle und Paraffin werden ganz besonders in den Braunkohlengebieten der Kreise Weißenfels und Aschersleben in der Provinz Sachsen gewonnen; Rüböl wird überall erzeugt, obgleich die Produktion desselben seit dem Aufkommen des amerikanischen und neuerdings russischen Petroleums erheblich abgenommen hat. Zündwaren liefern die Provinzen Schlesien, Sachsen und Hannover; für wohlriechendes Wasser ist Köln der Hauptproduktionsplatz; die Zahl der Gasanstalten betrug im J. 1885: 742.
Papier-, Leder-, Holz-, Textilindustrie etc.
Die Papierfabrikation ist am bedeutendsten in den Regierungsbezirken Aachen (in den Kreisen Düren und Jülich), Arnsberg (zu beiden Seiten der untern Lenne) und Liegnitz. In den übrigen Teilen des Staats sind die Papierfabriken weniger zahlreich, nicht selten aber von ansehnlicher Größe; die meisten der ehemaligen kleinen Papiermühlen sind eingegangen, dagegen hat sich die Fabrikation von Holzstoff als Surrogat zur Papierfabrikation in den waldreichen Gegenden ansehnlich entwickelt.
Papiertapeten werden in Berlin und der Rheinprovinz, Dachpappen in den Regierungsbezirken Potsdam und Liegnitz, Spielkarten in Stralsund, Papierwäsche in Berlin, Geschäftsbücher in Hannover, Briefumschläge in Elberfeld, geschmackvolle Buchbinderwaren in Berlin, Striegau, Frankfurt a. M. etc. angefertigt. Die polygraphischen Gewerbe (Buchdruck, Buchhandel, Kartographie, Photographie) sind mehr oder weniger in den größern Städten vertreten und haben für den preußischen Staat in Berlin ihren Hauptsitz; für die Kartographie besteht eine größere Anstalt zu Glogau i. Schl. Die Fabrikation von Leder und Lederwaren ist am bedeutendsten in der Rheinprovinz (Malmedy), Westfalen (Siegen) und Hessen-Nassau (Eschwege), die Schuhmacherei in Berlin und einigen Städten der Provinzen Sachsen und Brandenburg (Kalau), die Anfertigung von Sattler-, Riemer- und Täschnerwaren in Berlin, Breslau, Aachen, Düsseldorf etc., von Ledergalanteriewaren in Berlin, Hanau etc. Für die Fabrikation von Gummi- und Guttaperchawaren bestehen große Anstalten in Berlin, Harburg und Hannover. Größere Dampf-Sägewerke findet man in den Gegenden, wo der Holzhandel eine Konzentration gewonnen hat, so bei Memel, am Finowkanal etc. Tischlerwaren und Möbel liefern in größerm Umfang die großen Städte, namentlich Berlin. Schnitzwaren aus Holz werden im Riesengebirge, Drechslerwaren in Berlin etc. und aus Bernstein in Danzig gefertigt.
Die Textilindustrie ist von größter Wichtigkeit und hat namentlich durch die neue Wirtschaftspolitik seit 1880 einen außerordentlichen Aufschwung genommen. Die Schafwollindustrie ist am bedeutendsten
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in der Rheinprovinz, woselbst die Tuch- und Buckskinfabrikation auf der linken Rheinseite in den Städten Aachen, Burtscheid, Eupen, Düren etc., auf der rechten in Lennep, Werden etc. in Flor steht. Dieselbe Fabrikation findet sich in den Provinzen Brandenburg und Schlesien, dort mehr im S. (Luckenwalde, Guben, Forst, Kottbus etc.), hier mehr im W. (Görlitz, Sagan, Grünberg), sodann noch in Sachsen (Burg) und Schleswig-Holstein (Neumünster). Von der einst in Norddeutschland weitverbreiteten Tuchmacherei sind nur noch Reste übriggeblieben.
Glatte Woll- und Strumpfwaren werden in Preußen weniger erzeugt als in andern deutschen Staaten; dagegen werden Teppiche in Berlin, Schmiedeberg i. Schl. (türkische Teppiche) etc. produziert. Die Baumwollindustrie, in Preußen nicht so wichtig wie in Sachsen und Elsaß-Lothringen, weist große Spinnereien, mit Webereien verbunden, in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln der Rheinprovinz, in Schlesien, Hannover, Sachsen, Westfalen und Hohenzollern auf. Die Fabrikation von Baumwollwaren beschäftigt große Anstalten in den Städten Barmen, Elberfeld, München-Gladbach, Rheydt und Neuß im Regierungsbezirk Düsseldorf; außerdem ist sie sehr verbreitet in den Kreisen Reichenbach, Glatz, Waldenburg, Schweidnitz, Landeshut und Lauban in Schlesien, Nordhausen, Mühlhausen, Worbis und Heiligenstadt in Sachsen, Steinfurt, Borken, Koesfeld und Ahaus in Westfalen.
Die Flachsspinnerei und Leinwandfabrikation haben ihre Mittelpunkte in den schlesischen Gebirgskreisen Lauban, Hirschberg, Bolkenhain, Landeshut und Waldenburg sowie in den westfälischen Kreisen Bielefeld, Herford und Warendorf; sodann ist dieser Industriezweig nicht unerheblich in Teilen von Hannover (bei Osnabrück und Hildesheim, wenn auch hier meist Hausindustrie und im Rückgang begriffen), in den Kreisen Worbis, Sorau etc. In den Provinzen Ost- und Westpreußen, Pommern, Posen und Brandenburg wird von der Landbevölkerung Leinwand als Nebenbeschäftigung erzeugt, jedoch längst nicht mehr in dem Maß wie früher.
Die Darstellung von fertiger Wäsche ist in Bielefeld und in Berlin in steigender Entwickelung begriffen. Die Erzeugung von Jutefabrikaten erfreut sich ebenfalls eines großen Aufschwunges und hat ihren Sitz in Berlin (Stralau), Schlesien und am Rhein. Die Fabrikation von Seiden- und halbseidenen Waren hat ihren Hauptsitz in der Rheinprovinz, woselbst Krefeld der Mittelpunkt dieser Industrie ist, außerdem aber auch noch die Städte Elberfeld, Barmen, Rheydt, Viersen (Samt) u. a. in dieser Hinsicht hervortreten.
Nennenswert für diese Industrie sind ferner noch die Städte Bielefeld und Brandenburg. Hilfsanstalten für die Garn- und Zeugindustrie sind: die Färberei, entwickelt in größter Vollkommenheit in den Webdistrikten (Seidenfärberei in Krefeld, Türkischrotfärberei in Elberfeld und Barmen, Wollgarnfärberei in Berlin);
die Zeugdruckerei (Kattundruckerei in Berlin);
die Bleicherei im Anschluß an die Leinwandfabrikation;
die Appreturanstalten und Walkmühlen im Anschluß an die Tuchfabrikation.
Überall heimisch ist die Industrie in Nahrungsstoffen und Getränken. Getreidemühlen findet man überall, Windmühlen vorherrschend in den ebenen Teilen des Norddeutschen Flachlandes; die größern Wassermühlen, oft nach amerikanischem Muster eingerichtet, und die Dampfmühlen produzieren weit über den Bedarf der nächsten Umgegend hinaus. Die Zahl der Rübenzuckerfabriken belief sich 1886/87 auf 313, von denen die meisten auf die Provinzen Sachsen (124), Schlesien (58), Hannover (44), Westpreußen (19), Posen (16) kamen. Es gibt ferner Zuckerraffinerien in der Rheinprovinz, zu Magdeburg etc., Fleischpökeleien zu Danzig, Stärkefabriken mehrfach auf dem platten Land, Schokoladen-, Zichorien- und Senffabriken ganz besonders im Regierungsbezirk Magdeburg, Butter- und Käsefabriken in den Gebieten der Fettweiden am Unterrhein, in den Marschen der Nordsee etc. 1886/87 waren 6945 Bierbrauereien, welche 18,739,204 hl Bier (zumeist untergäriges) erzeugten, und 7116 Spiritusbrennereien, welche 38,2 Mill. Mk. Branntweinsteuer zahlten, im Betrieb.
Schaumweinfabriken sind in der Umgegend von Koblenz, im Rheingau, zu Frankfurt a. M., Naumburg (Prov. Sachsen), Grünberg etc., Essigfabriken in allen Provinzen. Die Industrie in Tabak und Zigarren ist in einigen Gegenden von großer Bedeutung, so in Berlin und Schwedt in der Provinz Brandenburg, in den Regierungsbezirken Minden (Vlotho, Bünde), Düsseldorf (Duisburg), Magdeburg (Magdeburg, Halberstadt), Merseburg, Breslau, Koblenz, Erfurt, Aachen, sodann in den Provinzen Hannover (Osnabrück, Hannover, Umgegend von Bremen) und Hessen-Nassau (Frankfurt a. M., Hanau, Kassel).
Durch die Berufszählung vom wurden im preußischen Staat ermittelt: 1,955,253 Gewerbebetriebe und zwar 1,650,806 Hauptbetriebe und 304,447 Nebenbetriebe. Diese Zahlen umfassen alle Arten gewerblicher Thätigkeit mit Ausschluß der Land- und Forstwirtschaft und der Zucht landwirtschaftlicher Nutztiere, des ärztlichen und geburtshilflichen Gewerbes, desjenigen der Krankenpflege und der Heilanstalten, des Musik- und Theatergewerbes sowie der Schaustellungen aller Art, des Hausiergewerbes, der Gewerbe im Gebiet des Unterrichts- und Erziehungswesens sowie des Eisenbahnbetriebes.
Übersicht der Gewerbebetriebe in Preußen 1882.
Gewerbegruppen und Klassen | Betriebe 1 | Personen 2 |
---|---|---|
Kunst- und Handelsgärtnerei | 11323 | 26771 |
Tierzucht und Fischerei | 19960 | 21148 |
Bergbau, Hütten, Salz- und Torfgewinnung | 6182 | 359540 |
Industrie der Steine und Erden | 25981 | 201855 |
Metallverarbeitung | 102864 | 280454 |
Verfertigung von Maschinen, Geräten etc. | 48408 | 195935 |
Chemische Industrie | 4985 | 39167 |
Leuchtstoffe, Fette und Harze | 4825 | 26148 |
Textilindustrie | 183105 | 428074 |
Papier- und Lederindustrie | 34537 | 116033 |
Holz- und Schnitzstoffe | 142580 | 248374 |
Nahrungs- und Genußmittel | 153736 | 429050 |
Fabrikation vegetabil. Nahrungsmittel | 84087 | 231533 |
Fabrikation animal. Nahrungsmittel | 45161 | 77354 |
Bekleidung und Reinigung | 552338 | 734477 |
Verfertigung von Kleidung und Putz | 330976 | 426874 |
Schuhmacherei | 148391 | 227202 |
Baugewerbe | 82043 | 288280 |
Maurerei | 16373 | 85785 |
Zimmerei | 11948 | 46462 |
Buch- und Kunstdruck | 5468 | 35628 |
Kunstbildnerei | 4198 | 7278 |
Handelsgewerbe | 349556 | 491852 |
Waren- und Produktenhandel | 303727 | 420882 |
Geld- und Kredithandel | 2506 | 12380 |
Spedition und Kommission | 3116 | 12622 |
Buchhandel | 5282 | 11414 |
Handelsvermittelung | 19096 | 18183 |
Versicherung | 18026 | 6682 |
Verkehrsgewerbe | 58656 | 101532 |
Beherbergungs- und Schankgewerbe | 146482 | 171257 |
Zusammen | 1995253 | 4209535 |
1 Haupt- und Nebenbetriebe zusammen. - 2) Personen der Hauptbetriebe im Jahresdurchschnitt.
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Die Zahl der Dampfkessel und Dampfmaschinen in Preußen hat sich neuerdings außerordentlich vermehrt; es stieg von 1874 bis 1887 die Zahl der feststehenden Dampfkessel von 32,411 auf 44,207, diejenige der feststehenden Dampfmaschinen von 29,895 auf 41,736, die der beweglichen Dampfkessel (ohne Lokomotiven) und Lokomobilen von 5536 auf 10,891, die der Schiffsdampfkessel von 702 auf 1408 und die der Schiffsdampfmaschinen von 623 auf 1172. Die Kessel und Maschinen der Armeeverwaltung und Kriegsmarine sind hierin nicht mit enthalten.
Handel und Verkehr.
Der Handel Preußens ist ein wesentlicher Bestandteil von dem des Zollvereins (s. d.) und daher nicht von diesem zu scheiden. Er wird gefördert durch die 410 km lange Nordsee-, die 1244 km lange Ostseeküste, die schiffbaren Flüsse und Ströme und das ansehnliche Netz der Eisenbahnen und Kunststraßen. Die wichtigsten Plätze für den Binnenhandel sind: Berlin, Kottbus, Frankfurt a. O. und Landsberg a. d. Warthe in Brandenburg;
Stettin, Stralsund und Stolp in Pommern;
Königsberg, Memel, Tilsit und Insterburg in Ostpreußen;
Danzig, Elbing und Thorn in Westpreußen;
Posen und Bromberg in Posen;
Breslau, Schweidnitz, Brieg, Ratibor, Görlitz und Hirschberg in Schlesien;
Magdeburg, Halberstadt, Halle, Nordhausen und Erfurt in Sachsen;
Altona, Kiel und Flensburg in Schleswig-Holstein;
Hannover, Osnabrück, Hildesheim, Lüneburg und Harburg in Hannover;
Münster, Minden, Bielefeld, Paderborn, Dortmund, Bochum und Hagen in Westfalen;
Kassel, Hanau und Frankfurt a. M. in Hessen-Nassau;
Köln, Elberfeld, Barmen, Düsseldorf, Essen, Duisburg, Krefeld, Aachen, Koblenz und Saarbrücken in der Rheinprovinz.
In ca. 2670 Orten finden Jahrmärkte und Messen statt. Unter denen für eine bestimmte Gattung von Waren sind vor allen die Wollmärkte hervorzuheben, von welchen die bedeutendsten die zu Berlin, Breslau, Königsberg i. Pr., Posen, Stettin, Landsberg a. d. Warthe, Stralsund, Hildesheim, Paderborn, Kassel und Hannover sind. Außerdem sind zu erwähnen die Flachs- und Leinwandmärkte in einigen Orten Schlesiens. Messen, welche mehr dem auswärtigen Handel dienen, werden zu Frankfurt a. O. und Frankfurt a. M. abgehalten; ihre Bedeutung nimmt jedoch ab. Die wichtigern Plätze für den auswärtigen Handel sind außer den beiden genannten Meßstädten: Berlin, Breslau, Posen, Königsberg, Danzig, Stettin, Magdeburg, Altona, Hannover, Köln, Barmen, Elberfeld und Krefeld. Über die Handelskammern in Preußen s. Deutschland, S. 835. Auf Grund der Befugnis, welche das deutsche Gerichtsverfassungsgesetz den Landesregierungen erteilt, am Sitz der Landgerichte selbst oder auch außerhalb derselben Kammern für Handelssachen zu bilden, bestanden in Preußen Anfang 1888 in 28 Orten 38 derartige Kammern, von denen Berlin 8, Breslau, Köln und Frankfurt a. M. je 2 aufwiesen.
Der Schiffahrtsverkehr der preußischen Häfen von 1886 ergibt sich aus folgenden Zahlen. Es waren angekommen 35,396 Schiffe zu 4,049,366 Ton. mit Ladung und 8054 Schiffe zu 551,530 T. in Ballast oder leer; unter erstern befanden sich 13,977, unter letztern 936 Dampfschiffe. Es liefen aus 32,950 Schiffe zu 3,233,984 T. mit Ladung und 10,036 Schiffe zu 1,336,713 T. in Ballast oder leer; unter erstern 12,979, unter letztern 1901 Dampfschiffe. In 14 Häfen verkehrten 1886 mehr als 1000 Schiffe ein- und auslaufend, nämlich in Memel, Königsberg i. Pr., Neufahrwasser (Danzig), Swinemünde, Stettin, Stralsund, Heiligenhafen, Neumühlen bei Kiel, Kiel, Flensburg, Sonderburg, Altona, Geestemünde, Wilhelmshaven.
An der Spitze stehen in dieser Beziehung Stettin mit 3378 eingelaufenen und 3276 ausgelaufenen Schiffen und Kiel mit 3500 eingelaufenen und 3462 ausgelaufenen Schiffen. Während die Zahl aller preußischen Segelschiffe von 3133 mit 464,477 Registertons im J. 1877 auf 2195 mit 300,350 Reg.-T. im J. 1886 sank, stieg die Zahl der Dampfschiffe von 138 mit 31,573 Reg.-T. auf 323 mit 112,067 Reg.-T. Zur Unterhaltung der Seehäfen, Seeufer, Binnenhäfen und Gewässer wurden aus Mitteln des Staats im Etatsjahr 1886/87: 10,475,547 Mk. angewendet. Preußen hat 209 schiffbare Flüsse und Kanäle (s. oben) mit einer Länge von zusammen 10,000 km. Der Bestand der preußischen Fluß-, Kanal-, Haff- und Küstenschiffe stellte sich Ende 1882 auf 512 Dampfschiffe und 12,608 Segelschiffe;
die Tragfähigkeit dieser Schiffe betrug 1,198,005 T., von 387 Schiffen war sie nicht bekannt.
Unter den Verkehrsmitteln zu Lande nehmen die Eisenbahnen die erste Stelle ein. Die Länge sämtlicher preußischer Eisenbahnen belief sich im Betriebsjahr 1886/87 auf 22,555,8 km mit normaler und 206,4 km mit schmaler Spurweite; von erstern waren 20,463,4 km Staatsbahnen, 181,2 km Privatbahnen unter Staatsverwaltung, 1911,2 km Privatbahnen unter eigner Verwaltung. Der erste auf Lokomotivbetrieb eingerichtet Schienenweg wurde in einer Länge von 34,7 km im J. 1838 eröffnet. Näheres über die Organisation der preuß. Eisenbahnverwaltungen s. Artikel »Eisenbahn«, S. 442. Die Länge sämtlicher Chausseen belief sich Anfang 1887 auf 65,254 km, davon waren 31,413,1 km Provinz- und Bezirks-, 26,379 km Kreis-, 4456,1 Gemeinde- und 3005,8 km Privat-, Forst-, Bergwerks- und andre Chausseen. Post und Telegraphie sind Angelegenheiten des Deutschen Reichs (s. Deutschland, S. 835).
An der Spitze des gesamten Geld- und Kreditwesens in Preußen steht die Reichsbank (s. d.), welche 1886 in den wichtigern Orten des Landes 44 Reichsbankstellen mit einem Geschäftsumsatz von 53,423 Mill. Mk. besaß. Außer ihr gab es in Preußen Anfang 1888 noch 6 Notenbanken, nämlich die Städtische Bank zu Breslau (3 Mill. Mk. Grundkapital), die Magdeburger Privatbank (3 Mill.), Danziger Privat-Aktienbank (3 Mill.), Provinzial-Aktienbank des Großherzogtums Posen (3 Mill.), Hannoversche Bank (12 Mill.), Frankfurter Bank (17 Mill.). Die Zahl derjenigen Bankinstitute, welche Aktiengesellschaften, bez. Kommanditgesellschaften auf Aktien sind, aber das Recht zur Notenausgabe nicht besitzen, ist sehr bedeutend; unter ihnen befinden sich 12 Hypothekenbanken und 3 Maklerbanken.
Andre Banken von größerer Wichtigkeit sind: der Berliner Kassenverein, die Berliner Handelsgesellschaft, die Bank für Handel und Industrie in Darmstadt und Berlin, die Deutsche Bank, die Diskonto-Kommanditgesellschaft, die Breslauer Diskontobank, der Schlesische Bankverein in Breslau, die Aachener Diskontogesellschaft, Bank für Rheinland und Westfalen in Köln; auch ist hierher die Königliche Seehandlung zu rechnen. Dem Grundkredit dienen die Grundkreditinstitute der öffentlich-rechtlichen juristischen Personen und die landschaftlichen Kreditinstitute. Zu erstern gehören die 7 Rentenbanken zur Beförderung der Ablösungen der Reallasten, Landeskultur-Rentenbanken für die Provinzen Posen, Schlesien und Schleswig-Holstein, die Provinzialhilfskassen, die Meliorationsfonds und die landschaftlichen, bez.
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kommunalständischen Darlehnskassen; zu den landschaftlichen Kreditinstituten gehören die Hannoversche Landeskreditanstalt, die Landeskreditkasse zu Kassel, die Nassauische Landesbank in Wiesbaden, das Königliche Kreditinstitut für Schlesien in Breslau und 19 Gegenseitigkeits-Grundkreditinstitute. Das Münzwesen ist durch Gesetz vom für Preußen und das Deutsche Reich geordnet; die Goldwährung ist eingeführt, und als Münzeinheit gilt die Mark zu 100 Pfennig (3 Mk. = 1 Thlr.). Das Maß- und Gewichtssystem, zuerst für Preußen und Norddeutschland durch Gesetz vom geregelt, dann auch im Deutschen Reich eingeführt, ist das metrische;
Längenmaß: das Meter;
Flächenmaß: der Hektar = 100 Ar zu 100 qm (55,0629 qkm = 1 geogr. QM.);
als Körpermaße gelten die Würfel der Längenmaße, die Grundlage bildet das Kubikmeter;
Grundeinheit des Hohlmaßes: das Liter, des Gewichts: das Kilogramm (s. Gramm).
Das Versicherungswesen hat in Preußen einen großen Umfang erreicht. Die Zahl der auf den Todesfall versicherten Personen belief sich Ende 1884 auf 497,636. Die Versicherungssumme betrug 1532 Mill. Mk. oder 3078 Mk. auf eine Person. Bei den privaten Unfallversicherungsgesellschaften waren Ende 1885 in Preußen 256,025 Personen versichert, das versicherte Kapital betrug 823 Mill. Mk.; bei den Rentenversicherungsgesellschaften belief sich die Zahl der Policen auf 73,927, das Einlagekapital auf 45,9 Mill. Mk. Die öffentlichen Feuerversicherungsanstalten wiesen am Jahresschluß 1885 eine Versicherungssumme von im ganzen 16,089 Mill. Mk. auf.
Die Ausgabe für Brandschäden betrug 22,9 Mill. Mk., der Überschuß 35 Mill. Mk. Die Versicherungssumme der privaten Feuerversicherungsverbände belief sich 1884 auf 4705,7 Mill. Mk.; die Beiträge der Versicherten betrugen 7,6 Mill. Mk., die Schädenzahlungen 6,3 Mill. Mk. Die preußischen Aktiengesellschaften für Feuerversicherung wiesen 1885 ein eingezahltes Aktienkapital von 24,7 Mill. Mk., eine Prämieneinnahme von 61,4 Mill. Mk. auf und zahlten 38,4 Mill. Mk. Brandentschädigungen aus.
Die preußischen Aktiengesellschaften für Rückversicherung von Feuerschäden besaßen ein eingezahltes Aktienkapital von 8 Mill. Mk., nahmen 9,6 Mill. Mk. Prämien ein und zahlten 5,5 Mill. Mk. Brandentschädigungen aus. Im J. 1885 kamen in Preußen 17,952 Schadenbrände vor, wovon 8423 Gemeinden und 21,159 Besitzungen betroffen wurden, der Gesamtwert des Schadens betrug 64,3 Mill. Mk. Der Versicherung gegen Hagelschaden dienen 22 Gegenseitigkeitsgesellschaften mit 121,159 Policen im J. 1883 und einer Versicherungssumme von 793 Mill. Mk.; dazu kommen fünf inländische Aktiengesellschaften mit einem Grundkapital von 21,7 Mill. Mk., 117,882 Policen und 696 Mill. Mk. Versicherungssumme; außerdem sind noch drei auswärtige Hagelversicherungsgesellschaften in Preußen zugelassen.
Der Viehversicherung dienen teils auf Gegenseitigkeit gegründete Gesellschaften, teils von Einzelnen betriebene Viehversicherungsanstalten mit einem Versicherungsbestand in Höhe von ca. 60 Mill. Mk. und einer Prämieneinnahme von ca. 2 Mill. Mk.; dazu kommt noch eine große Zahl lokaler Versicherungsvereine, die über 1 Mill. Stück Vieh für ca. 150 Mill. Mk. versichert haben. Hervorgehoben sei noch der große Umfang, den die Transportversicherung und Glasversicherung in Preußen gewonnen haben, denen gleichfalls eine größere Zahl von Gegenseitigkeits- und Aktiengesellschaften dienen.
Die Zahl der Sparkassen belief sich 1886 auf 1335, die der Sparkassenbücher auf 4,467,078; die Einzahlungen mit gutgeschriebenen Zinsen betrugen 719,9 Mill. Mk., die Rückzahlungen 524,4 Mill. Mk. Hilfskassen der Beamten und Arbeiter der preußischen Eisenbahnen waren 1885/86: 263, der Vermögensstand am Ende dieses Betriebsjahrs 70,7 Mill. Mk., die Zahl der beitragspflichtigen Mitglieder 323,887. Ende 1885 waren 81 Knappschaftsvereine mit 180,902 ständigen und 153,651 unständigen Mitgliedern vorhanden.
Die Zahl der auf Grund des Reichsgesetzes vom in Preußen bestehenden Krankenkassen belief sich Ende 1885 auf 8227 mit 2,262,613 Mitgliedern, davon 1411 Gemeinde-, 2751 Orts-, 3110 Betriebs-, 49 Bau-, 111 Innungskrankenkassen, ferner 745 eingeschrieben und 50 landesrechtliche Hilfskassen;
die Gesamteinnahmen betrugen 1885: 37 Mill. Mk. Der öffentlichen Armenpflege dienten 929,411 Orts- und 50 Landarmenverbände;
erstere unterstützen 929,411, letztere 23,881 Personen;
erstere gaben 49,3 Mill. Mk., letztere 5,6 Mill. Mk. aus.
Die Zahl der Waisenanstalten betrug 396 mit 18,827 Kindern, davon 12,344 Waisenkinder. An Arbeiterkolonien und Naturalverpflegungsstationen waren Ende 1886: 11 vorhanden mit 1717 anschlagsmäßigen Plätzen;
seit Eröffnung derselben sind im ganzen 14,918 Kolonisten aufgenommen worden.
Staatsverfassung und Verwaltung.
Das Königreich Preußen ist eine konstitutionelle Monarchie, deren Staatsgrundgesetz in der Verfassungsurkunde vom niedergelegt ist, die indessen durch spätere Gesetze sowie durch die deutsche Reichsverfassung vom in Einzelheiten mehrfache Änderungen erfahren hat. Staatsoberhaupt ist der König, gegenwärtig Wilhelm II., geb. (deutscher Kaiser) und König seit Die Krone ist (mit der deutschen Kaiserwürde) erblich im Mannesstamm des königlich preußischen Hauses Hohenzollern nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge.
Der König wird mit Vollendung des 18. Lebensjahrs volljährig. Der erstgeborne Sohn des Kaisers und Königs heißt »Kronprinz des Deutschen Reichs und Kronprinz von Preußen« und bekleidet als Kronprinz von Preußen zugleich die Würde des Statthalters von Pommern. Falls dagegen der Bruder des Königs oder ein andrer Prinz des Hauses vermutlicher Thronerbe ist, führt er nur den Titel »Prinz von Preußen«. Ist der König minderjährig oder dauernd an der Regierung verhindert, so hat der der Krone zunächst stehende volljährige Agnat oder in Ermangelung eines solchen das Staatsministerium den Landtag zur Beschlußnahme über die Regentschaft zu berufen.
Nach dem Antritt der Regierung legt der König den Eid auf die Verfassung ab. Der König, welcher unverletzlich und unverantwortlich ist, aber für alle Regierungsakte der Gegenzeichnung der Minister bedarf, welche damit die Verantwortlichkeit übernehmen, ist im Grunde der Repräsentant der gesamten Staatsgewalt; ihm allein steht die Exekutive (vollziehende Gewalt) zu. Mit dem Landtag gemeinsam übt er die gesetzgebende Gewalt aus; aber erst durch die Bekanntmachung der Gesetze (Promulgation) durch den König treten dieselben in Wirksamkeit, und die zu deren Ausführung nötigen Verordnungen erfolgen seinerseits. Eine nähere gesetzliche Regelung der im Art. 61 der Verfassungsurkunde behandelten Ministerverantwortlichkeit ist bisher nicht erfolgt. Keiner Gegenzeichnung bedürfen diejenigen Akte, welche der König als oberster Kriegsherr (Armeebefehle) oder als
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Träger des landesherrlichen Kirchenregiments vollzieht. Er übt das Recht der Begnadigung und Strafmilderung und kann Orden und andre Auszeichnungen verleihen. Wichtige Hoheitsrechte sind mit Gründung des Reichs auf den Bundesrat und den deutschen Kaiser übergegangen (s. Deutschland, S. 836 f.). Der König ernennt und entläßt die Minister, er beruft den Landtag ein, schließt dessen Sitzungen und hat das Recht, denselben zu vertagen sowie das Abgeordnetenhaus aufzulösen. Der König genießt nebst den Mitgliedern des königlichen Hauses und des fürstlich hohenzollerischen Hauses besondern strafrechtlichen Schutz, Steuer- und Portofreiheit etc. Soweit die Erledigung der Regierungsgeschäfte nicht durch Vermittelung der Ministerien erfolgt, bedient sich der König des Geheimen Zivil- und des Militärkabinetts.
Den Staatsangehörigen räumt die Verfassungsurkunde unter anderm folgende Rechte ein: Gleichheit vor dem Gesetz (Standesvorrechte stehen nur den Mitgliedern des königlichen und des fürstlich hohenzollerischen Hauses und dem ehemals reichsunmittelbaren Adel zu), Gewährleistung der persönlichen Freiheit, Unverletzlichkeit des Eigentums, der Wohnung, des Briefgeheimnisses (mit Ausnahme des Ergreifens auf frischer That), Unstatthaftigkeit der Ausnahmegerichte und des bürgerlichen Todes; Freiheit der Auswanderung, des Glaubens, der Wissenschaft, der freien Meinungsäußerung, der Presse etc. (in den Grenzen des Strafgesetzbuchs), das Recht zu friedlichen, unbewaffneten Versammlungen in geschlossenen Räumen und der Vereinigung in nicht straffälligen Gesellschaften. Ebenso haben die allgemeine Wehrpflicht, Schulpflicht etc. verfassungsmäßige Anerkennung gefunden.
Als verfassungsmäßige Vertretung der Staatsbürger zur Mitwirkung und Beteiligung an der gesetzgebenden Gewalt besteht der Landtag. Derselbe ist aus zwei Kammern zusammengesetzt, von denen zufolge des Gesetzes vom die erste Herrenhaus, die zweite Haus der Abgeordneten genannt wird. Beide sind gleichberechtigt, die Beratungen erfolgen gesondert und nur bei der Beschlußnahme über Einsetzung einer Regentschaft gemeinsam. Beide Häuser können schriftliche Petitionen entgegennehmen und den Ministern überweisen, von diesen über eingegangene Beschwerden Auskünfte verlangen (Interpellationsrecht), selbständig Gesetzanträge einbringen und Adressen an den König richten.
Das vornehmste Recht aber (insbesondere des Abgeordnetenhauses) besteht in der Einnahmen- und Ausgabenbewilligung, in der Kontrolle der Staatsschuldenverwaltung. Das Herrenhaus besteht nach dem Gesetz vom und spätern königlichen Erlassen gegenwärtig aus im ganzen 310 Mitgliedern, bez. Stimmen, von denen 41 ruhen. Die Kategorien der Mitglieder und Stimmen sind folgende: I. Die Prinzen des königlichen Hauses, sobald dieselben nach erlangter Großjährigkeit vom König in das Herrenhaus berufen werden; II. Mitglieder mit erblicher Berechtigung (im ganzen 98, davon 28 Stimmen ruhend):
1) Haupt des fürstlichen Hauses Hohenzollern, 2) Häupter der vormals reichsständischen Häuser in den königlich preußischen Landen, zur Zeit 22, davon 6 ruhend, 3) Fürsten, Grafen und Herren, zur Zeit 75, davon 22 ruhend, 4) durch besondere königliche Verordnung; III. auf Lebenszeit berufene Mitglieder (46): 1) die Inhaber der vier großen Landesämter in Preußen, 2) aus besonderm allerhöchsten Vertrauen berufen, zur Zeit 42; IV. infolge von Präsentation berufene Mitglieder (im ganzen 165, davon aus den Landesuniversitäten 9 und als Vertreter von Städten 44). Das Haus der Abgeordneten besteht lediglich aus den von den Staatsbürgern gewählten Repräsentanten, deren Anzahl auf 433 festgesetzt ist. Die Wahlen erfolgen auf Grund der Verordnung vom welche auch gesetzlich auf die hohenzollerischen Fürstentümer und die neuen Provinzen ausgedehnt ward.
Die Wahl der Abgeordneten ist eine mittelbare und geschieht mittels Wahl der Wahlmänner (Urwahlen) und mittels Wahl der Abgeordneten durch die Wahlmänner. Auf je 250 Seelen wird ein Wahlmann gewählt. Die Urwähler zerfallen nach Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Steuern in drei Abteilungen und zwar in der Art, daß auf jede Abteilung ein Dritteil der Gesamtsumme der Steuerbeträge aller Urwähler fällt (Höchstbesteuerte, Minderbesteuerte, am niedrigsten oder gar nicht Besteuerte).
Das Mandat der Abgeordneten erstreckt sich auf die Dauer der Legislaturperiode, die durch Gesetz vom auf fünf Jahre festgesetzt ist. Zum Abgeordneten ist jeder Preuße wählbar, der das 30. Lebensjahr vollendet hat, im Vollbesitz der bürgerlichen Rechte und bereits seit einem Jahr preußischer Staatsangehöriger gewesen ist, während die Wähler aus allen wenigstens 24 Jahre alten Preußen bestehen, die seit sechs Monaten in der Gemeinde wohnen und keine Armenunterstützung empfangen.
Die Kammern werden durch den König, so oft es die Umstände erheischen, berufen, sollen aber in jedem Etatsjahr (1. April bis 31. März) wenigstens einmal und zwar spätestens Mitte Januar zur Beratung des Staatshaushaltsgesetzes zusammentreten. Erfolgt eine Auflösung des Abgeordnetenhauses, so müssen innerhalb eines Zeitraums von 90 Tagen nach derselben die neugewählten Kammern versammelt werden. Beide Häuser werden gleichzeitig berufen, eröffnet, vertagt und geschlossen. Die Vertagung des Landtags darf aber ohne Zustimmung desselben nicht über 30 Tage dauern und sich nicht während einer und derselben Session wiederholen. Jedes Haus regelt seinen Geschäftsgang und seine Disziplin durch eine Geschäftsordnung und wählt seinen Präsidenten, seine Vizepräsidenten und Schriftführer für die Dauer der Sitzungsperiode. Niemand kann Mitglied beider Häuser sein. Die Sitzungen sind öffentlich. Das Herrenhaus ist bei Anwesenheit von 60, das Abgeordnetenhaus bei Anwesenheit der Mehrzahl seiner Mitglieder beschlußfähig. Die Mitglieder beider Häuser sind Vertreter des ganzen Volkes und an Instruktionen nicht gebunden. Sie können für ihre im Haus ausgesprochenen Meinungen nur innerhalb des Hauses zur Rechenschaft gezogen werden. Kein Mitglied des Landtags kann ohne Genehmigung des betreffenden Hauses während der Sitzungsperiode zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der That oder im Lauf des nächstfolgenden Tags ergriffen wird. Die Minister oder deren Stellvertreter haben Zutritt in beide Häuser und müssen jederzeit auf ihr Verlangen gehört werden, sind aber nur dann stimmberechtigt, wenn sie Mitglieder des betreffenden Hauses sind. Die Beschlüsse werden in beiden Häusern nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt, welche auch für Verfassungsänderungen genügt; nur müssen bei solchen zwei Abstimmungen stattfinden, zwischen denen ein Zeitraum von wenigstens 21 Tagen liegen muß. Zu jedem Gesetz ist die Übereinstimmung des Königs und der beiden Häuser des Landtags erforderlich.
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Staatsverwaltung.
Die Staatsbehörde gliedern sich in Zentral-, Provinzial- (darunter die Bezirks- und Kreis-) sowie Lokalbehörden. Die obersten Staatsbehörde sind: das Staatsministerium, die einzelnen Ministerien, der evangelische Oberkirchenrat, die Oberrechnungskammer. Das Staatsministerium besteht unter dem Vorsitz eines Präsidenten aus den Ministern der einzelnen Ressorts (zur Zeit neun) sowie sonst ernannten Staatsministern ohne Portefeuille (zur Zeit zwei) und dient insbesondere zur Wahrung der erforderlichen Einheit in der Staatsverwaltung.
Unmittelbar unter dem gesamten Staatsministerium stehen: das Zentraldirektorium der Vermessungen im preußischen Staate, der Disziplinarhof für nicht richterliche Beamte, das Oberverwaltungsgericht, der Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, die Prüfungskommission für höhere Verwaltungsbeamte, Ansiedelungskommission für Westpreußen und Posen (in Posen), das litterarische Büreau des Staatsministeriums, der deutsche »Reichs- und königlich preußische Staatsanzeiger«, die Redaktion der Gesetzsammlung; unter der obern Leitung des Präsidenten des Staatsministeriums die Generalordenskommission, die Staatsarchive und das Gesetzsammlungsamt.
Die einzelnen Ministerien sind: das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten (Auswärtiges Amt des Deutschen Reichs), das Finanzministerium (hiervon ressortieren die Generallotteriedirektion, die Münzanstalten, die Seehandlung, die Hauptverwaltung der Staatsschulden etc.), das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten (Kultusministerium, hiervon ressortieren die Akademie der Wissenschaften, die Kunstakademien, Museen, die königliche Bibliothek, die Sternwarte, der botanische Garten, das geodätische und das meteorologische Institut), das Ministerium für Handel und Gewerbe (unter ihm stehen die Eichungsbehörden, die Navigationsschulen, die gewerblichen und kunstgewerblichen Fachschulen, die Verwaltung der Porzellanmanufaktur sowie das Fortbildungsschulwesen), das Ministerium des Innern (unter ihm das Statistische Büreau, die Strafanstalten, das Polizeipräsidium zu Berlin), das Justizministerium, das Kriegsministerium (in finanzieller Beziehung Reichsbehörde), das Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten (Ressort: Landesökonomiekollegium, die landschaftlichen Kreditinstitute, die höhern landwirtschaftlichen Lehranstalten, die Haupt- und Landgestüte), das Ministerium der öffentlichen Arbeiten (mit vier Abteilungen: 1) Verwaltung für Berg-, Hütten- und Salinenwesen;
2) Verwaltung der Staatseisenbahnen;
3) des Bauwesens;
4) Führung der Staatsaufsicht über die Privateisenbahnen). Zum gemeinsamen Ressort der Minister der öffentlichen Arbeiten, für Handel und Gewerbe, für Landwirtschaft gehören der Landeseisenbahnrat und die Bezirkseisenbahnräte, ebenso der Volkswirtschaftsrat. Selbständige staatliche Oberbehörden sind noch: der evangelische Oberkirchenrat für die acht ältern Provinzen (s. S. 358 f.: »Kirchenverwaltung«) und die Oberrechnungskammer in Potsdam, welche unmittelbar dem König untersteht. Letztere übt die Kontrolle über den gesamten Staatshaushalt. Vom Staatsministerium getrennt besteht noch das Ministerium des königlichen Hauses, von welchem das Heroldsamt, das königliche Hausarchiv, die Hofkammer der königlichen Familiengüter und das königlich-prinzliche Familienfideikommiß ressortieren.
Landesverwaltung.
Das preußische Staatsgebiet ist in 14 Provinzen eingeteilt, welche (mit Berlin, Hohenzollern [Sigmaringen] und Schleswig-Holstein [Schleswig]) in 36 Regierungsbezirke zerfallen, die zusammen aus gegenwärtig 546 Kreisen zusammengesetzt sind. Die Vertretung der obersten Staatsbehörde und des Staatsinteresses im allgemeinen sowie die Geschäfte der allgemeinen Landesverwaltung ruhen in den Provinzen bei den Oberpräsidenten, in den Regierungsbezirken bei den Regierungspräsidenten (Regierungen), in den Kreisen bei den Landräten und in den Gemeinden bei den Bürgermeistern, bez. Ortsvorstehern.
Der Oberpräsident der Provinz Brandenburg ist zugleich Oberpräsident von Berlin und führt auch an Stelle des Regierungspräsidenten die Aufsicht des Staats über die städtische Verwaltung. Im übrigen tritt an die Stelle des Regierungspräsidenten der Polizeipräsident von Berlin. In den hohenzollerischen Landen tritt an die Stelle des Oberpräsidenten sowie des Provinzialrats in der Hauptsache der zuständige Minister. Behufs Mitwirkung an den Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung ist in jeder Provinz ein Provinzialrat gebildet, bestehend aus dem Oberpräsidenten (oder dessen Stellvertreter) als Vorsitzendem, aus einem vom Minister ernannten höhern Verwaltungsbeamten auf die Dauer seines Hauptamtes am Sitz des Oberpräsidenten und aus 5 (vom Provinzialausschuß aus den zum Provinziallandtag wählbaren Provinzialangehörigen) auf sechs Jahre gewählten Mitgliedern.
Der Bezirksausschuß besteht aus dem Regierungspräsidenten (in Berlin besonderer Präsident) als Vorsitzendem und aus 6 Mitgliedern. Zwei dieser Mitglieder werden vom König auf Lebenszeit ernannt, während die vier andern Mitglieder (sowie deren Stellvertreter) aus den Einwohnern des Regierungsbezirk durch den Provinzialausschuß gewählt werden. Mitglieder des Provinzialrats dürfen nicht dem Bezirksausschuß angehören. An der Spitze der Verwaltung des Kreises steht der Landrat.
Derselbe führt den Vorsitz im Kreisausschuß, dessen Zuständigkeit und Zusammensetzung durch das Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom und durch die Kreisordnungen geregelt ist. Der Stadtausschuß (in Stadtkreisen) besteht aus dem Bürgermeister oder dessen gesetzlichem Stellvertreter als Vorsitzendem und 4 Mitgliedern, welche vom Magistrat aus seiner Mitte für die Dauer ihres Hauptamtes gewählt werden. In Stadtkreisen, wo der Bürgermeister allein den Gemeindevorstand bildet, werden die sonst zu bestellenden Mitglieder von der Gemeindevertretung aus der Zahl der Gemeindebürger auf sechs Jahre gewählt.
Das Verfahren des Kreis- (Stadt-) Ausschusses und des Bezirksausschusses in Angelegenheiten der allgemeinen Landesverwaltung ist einerseits ein beschließendes, anderseits ein entscheidendes. Sie üben mit dem Oberverwaltungsgericht als oberster Instanz die Verwaltungsgerichtsbarkeit aus; dagegen ist der Provinzialrat kein Glied dieser Gerichtsbarkeit (s. oben). Beratende Organe der Staatsverwaltung sind zunächst der Staatsrat, welcher durch königliche Verordnung vom ins Leben gerufen und in den Jahren 1853 und 1884 reaktiviert wurde. Er besteht aus den volljährigen königlichen Prinzen, den Ministern, höhern Militärs, Beamten und aus besonderm königlichen Vertrauen berufenen Staatsdienern, zur Zeit aus 73 Mitgliedern. Der Volkswirtschaftsrat wurde eingerichtet, um Entwürfe von Gesetzen und
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Verordnungen wirtschaftlichen Inhalts zu begutachten (75 Mitglieder, Sitzungsperiode fünf Jahre). Durch Gesetz vom wurde der Landeseisenbahnrat und die Bezirkseisenbahnräte zur beirätlichen Mitwirkung der Eisenbahnverwaltung errichtet. Die Aufgabe, den Minister der landwirtschaftlichen Angelegenheiten in der Förderung der Land- und Forstwirtschaft zu unterstützen, hat das Landes-Ökonomiekollegium errichtet). Durch Ministerialverfügung vom sind endlich Gewerbekammern, in der Regel für jeden Regierungsbezirk eine, geschaffen worden. Eine ältere Institution sind die Handelskammern, welche jedoch teilweise durch Gesetz vom eine neue Organisation erhalten haben. Von sonstigen Behörden mit beratenden Befugnissen sind noch zu nennen: die Akademie der Wissenschaften und die des Bauwesens, die technische Deputation für Gewerbe und die statistische Zentralkommission.
Selbstverwaltung.
Die Selbstverwaltung beruht in Preußen auf der Grundlage des Immobiliarbesitzes sowie der Wahl seitens der Eingesessenen. Die Vertretungskörper (Gemeindeversammlungen [Gemeinderäte], Stadtverordnetenversammlungen, Kreistage, Provinziallandtage) beraten und beschließen über die kommunalen Angelegenheiten ihres Verbandes, während als ausführende Organe teils enger begrenzte Vertretungen (Magistrate, Kreisausschüsse, Provinzialausschüsse), teils gewählte, nur in Kreisen (auf Präsentation) ernannte Einzelbeamte (Gemeindevorsteher, Bürgermeister, Landräte, Landesdirektoren) fungieren.
Die Kommunalverbände niederer Ordnung bilden die Gemeinden (Stadtgemeinden, Landgemeinden, Gutsbezirke) nach Maßgabe der verschiedenen Gemeindeverfassungsgesetze. Bezüglich der Landgemeinden sind drei Gebiete zu unterscheiden:
1) die sieben östlichen Provinzen mit dem Landgemeindeverfassungsgesetz vom
2) die beiden westlichen Provinzen mit einer formell abgeschlossenen Gemeindegesetzgebung, aber zum Teil kümmerlichen Selbstverwaltung: westfälische Landgemeindeordnung vom und rheinische Gemeindeordnung vom und Gesetz vom
3) die neuen Provinzen nebst Hohenzollern, wo für Schleswig-Holstein die Landgemeindeverhältnisse durch die schleswig-holsteinische Verordnung vom (für Lauenburg durch Ges. vom nach dem Muster der östlichen Provinzen neu geregelt sind; für Hannover gilt das hannöversche Landgemeindegesetz vom welches eine freie und gedeihliche Selbstverwaltung gewährleistet; für Hessen-Nassau besteht (von Frankfurt a. M. abgesehen) eine für Stadt- und Landgemeinden gemeinsame Gesetzgebung: kurhessische Gemeindeordnung vom Ges. vom nassauisches Gemeindegesetz vom und Ges. vom großherzoglich hessische Gemeindeordnung vom mit den Gesetzen vom 8. Jan. und und landgräflich hessische Gesetze vom und Frankfurter Landgemeindeordnung vom für Hohenzollern gelten die Gemeindeordnung von Hohenzollern-Sigmaringen vom nebst Ges. vom und Landgemeindeordnung für Hohenzollern-Hechingen vom Die städtische Verfassung ist in den sieben östlichen Provinzen (ohne Neuvorpommern, wo im wesentlichen die ältern Verfassungen durch Ges. vom bestätigt sind) mit der Städteordnung vom zu den freiern Grundsätzen der Steinschen Periode zurückgekehrt.
Sie beruht auf voller Selbstverwaltung. Sie hat den Städteordnungen für Westfalen vom und für die Rheinprovinz vom zum Muster gedient. Ebenso hat die Städte- und Fleckenordnung für Schleswig-Holstein vom und das Gemeindeverfassungsgesetz für Frankfurt a. M. vom enge Anlehnung an erstere gefunden, während Hannover seine besondere revidierte Städteordnung vom und Hohenzollern-Hechingen die Städteordnung vom beibehalten hat. In Hessen-Nassau (ohne Frankfurt) dagegen sowie in Hohenzollern-Sigmaringen beziehen die Gemeindeordnungen die Stadtverfassungen mit ein. In Westfalen sind sodann zwischen orts- und kreisgemeindliche Organisation die Ämter, in Rheinland die Bürgermeistereien als kommunale Zwischenglieder eingeschoben.
Für den weitern kommunalen Aufbau (der Kreise und Provinzen) ist zunächst durch die Kreisordnung vom für die östlichen Provinzen der Grundstein gelegt, auf welchem die Provinzialordnung vom weiterbaut. Die Kreisordnung erfuhr mit dem Gesetz vom Abänderungen und eine Neuredaktion, die Provinzialordnung wurde durch das Zuständigkeitsgesetz vom abgeändert. In der Provinz Posen aber sind die genannten Gesetze noch nicht durchgeführt, vielmehr steht diese Provinz noch unter der veralteten kreisständischen Verwaltung (Kreisordnung vom Dagegen sind die übrigen Provinzen mittels besonderer, provinzielle Eigentümlichkeiten berücksichtigender Gesetze nach und nach in der Weise angeschlossen, daß die Kreis- und die Provinzialordnung gleichzeitig zur Einführung gelangten.
Kommunalverbände mittlerer Ordnung mit Korporationsrechten zur Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten bilden die Kreise (in Hohenzollern Oberämter). Die Vertretung des Verbandes und der Kreiseingesessenen erfolgt durch den aus Wahlen hervorgegangenen Kreistag (in Hohenzollern Amtsversammlung) unter dem Vorsitz des Landrats (Oberamtmanns). Als Organe der Kreiskommunalverwaltung wirken der vom Kreistag gewählte Kreisausschuß (in Hohenzollern Amtsausschuß, in Stadtkreisen Stadtausschuß) mit dem Landrat (Oberamtmann) als Vorsitzendem, welcher zugleich die Geschäfte des Verbandes führt.
Städte mit 25,000 und mehr Zivileinwohnern können einen eignen Stadtkreis bilden. Kommunalverbände höherer Ordnung bilden die Provinzen und in Hessen-Nassau außerdem noch die Regierungsbezirke Kassel und Wiesbaden auf Grund folgender Gesetze:
1) Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen: Provinzialordnung vom
3) Hessen-Nassau: Ges. vom (s. auch 8 und 9); 4) Westfalen: Ges. vom
6) Schleswig-Holstein: Ges. vom
7) hohenzollerische Lande: hohenzollerische Amts- und Landesordnung vom
8) Regierungsbezirk Kassel: Ges. vom
9) Regierungsbezirk Wiesbaden: Ges. vom Die Vertretung dieser Verbände und die Beschlußfassung über die Angelegenheiten derselben steht den Provinzial-, bei den unter 7) bis 9) genannten Verbänden den Kommunallandtagen zu, welche sich aus Abgeordneten der Kreise zusammensetzen und ihren Vorsitzenden wählen. Als
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Selbstverwaltungsbehörden zur Wahrnehmung der Geschäfte des Verbandes bestehen in den Provinzen unter 1), 2) und 4) bis 6) kollegiale Provinzial-, in den Verbänden unter 7), 8) und 9) kollegiale Landesausschüsse. Die laufenden Geschäfte werden von gewählten Landesdirektoren, in Hannover von einem aus drei Oberbeamten unter Vorsitz des Landesdirektors zusammengesetzten Landesdirektorium, in Hohenzollern von dem Vorsitzenden des Kommunallandtags und Landesausschusses wahrgenommen.
Für den Kommunalverband der Provinz Hessen-Nassau sind die Vorschriften über die Einsetzung eines Provinzialausschusses und eines Landesdirektors bisher nicht in Kraft getreten. Für die Provinz Posen besteht noch ein provinzialständischer Verband, vertreten durch einen Provinziallandtag, der durch Abgeordnete der drei Stände, bez. die Virilstimmen der vormals unmittelbaren Reichsstände gebildet wird. Die Geschäftsverwaltung des Verbandes geschieht durch die provinzialständische Verwaltungskommission mit dem Direktor derselben als Organ für die laufenden Geschäfte.
Rechtspflege.
Die Rechtspflege wird von unabhängigen gewöhnlichen Staatsgerichten ausgeübt, die im Namen des Königs Recht sprechen. Als besondere Gerichte bestehen nur: die Militärgerichte, die Disziplinargerichte für Richter, Beamte und Studierende, die Austrägalgerichte der Standesherren, die auf Staatsverträgen beruhenden Rheinschiffahrts- und Elbzollgerichte, die Gerichte in Ablösungs- etc. Sachen (Generalkommissionen und Oberlandeskulturgericht) und Gewerbegerichte in Rheinland.
Die Richter werden vom König auf Lebenszeit ernannt, sind unabhängig und unabsetzbar und können unfreiwillig nur durch Richterspruch ihres Amtes enthoben oder in den Ruhestand versetzt werden. Die oberste Justizverwaltungsbehörde in Preußen bildet das Justizministerium. Organe desselben sind die Vorstände der Gerichte und die Staatsanwaltschaften. Die äußere Organisation der Gerichtsbehörde ist auf Grund des Gerichtsverfassungsgesetzes vom und des preußischen Ausführungsgesetzes vom seit einheitlich gestaltet; das Recht selbst soll durch die Annahme eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs für das Deutsche Reich, das im Entwurf vorliegt, die lang ersehnte Gleichmäßigkeit erhalten.
Als oberster Gerichtshof für Preußen besteht das Reichsgericht in Leipzig. Für den Staat bestehen sodann 13 (mit Jena 14) Oberlandesgerichte:
1) zu Königsberg für Ostpreußen, mit den 8 Landgerichten zu Allenstein, Bartenstein, Braunsberg, Insterburg, Königsberg i. Pr., Lyck, Memel, Tilsit mit zusammen 71 Amtsgerichten;
2) zu Marienwerder für Westpreußen (mit Ausnahme des Kreises Deutsch-Krone), mit den 5 Landgerichten zu Danzig, Elbing, Graudenz, Konitz, Thorn mit zusammen 40 Amtsgerichten;
3) zu Berlin (mit der Bezeichnung Kammergericht) für Berlin und Brandenburg, mit den 9 Landgerichten zu Berlin (I u. II), Frankfurt a. O., Guben, Kottbus, Landsberg a. W., Potsdam, Prenzlau, Neuruppin mit zusammen 102 Amtsgerichten;
4) zu Stettin für Pommern, mit den 5 Landgerichten zu Greifswald, Köslin, Stargard, Stettin, Stolp mit zusammen 59 Amtsgerichten;
5) zu Posen für Posen und den westpreußischen Kreis Deutsch-Krone, mit den 7 Landgerichten zu Bromberg, Gnesen, Lissa, Meseritz, Ostrowo, Posen, Schneidemühl mit zusammen 58 Amtsgerichten;
6) zu Breslau für Schlesien, mit den 14 Landgerichten zu Beuthen, Breslau, Brieg, Glatz, Gleiwitz, Glogau, Görlitz, Hirschberg, Liegnitz, Neiße, Öls, Oppeln, Ratibor, Schweidnitz mit zusammen 128 Amtsgerichten;
7) zu Naumburg a. S. für die Provinz Sachsen (mit Ausnahme der Kreise Schleusingen und Ziegenrück), den hannöverschen Kreis Ilfeld sowie das Herzogtum Anhalt und das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen, mit den 8 Landgerichten zu Erfurt, Halberstadt, Halle a. S., Magdeburg, Naumburg a. S., Nordhausen, Stendal, Torgau mit zusammen 111 Amtsgerichten;
8) zu Kiel für Schleswig-Holstein, mit den 3 Landgerichten zu Altona, Flensburg, Kiel mit zusammen 70 Amtsgerichten;
9) zu Celle für Hannover (ohne Ilfeld), das Fürstentum Pyrmont, den Landgerichtsbezirk des Fürstentums Lippe (ohne Amt Lipperode und Stift Kappel) sowie den hessen-nassauischen Kreis Rinteln, mit den 8 Landgerichten zu Aurich, Göttingen, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Osnabrück, Stade, Verden mit zusammen 108 Amtsgerichten;
10) zu Hamm für Westfalen und die rheinländischen Kreise Duisburg, Essen (Stadt und Land), Mülheim a. d. R., Rees und Ruhrort, mit den 8 Landgerichten zu Arnsberg, Bielefeld, Dortmund, Duisburg, Essen, Hagen, Münster, Paderborn (hierzu gehörig das lippesche Amt Lipperode und Stift Kappel) mit zusammen 108 Amtsgerichten;
11) zu Kassel für den Regierungsbezirk Kassel (mit Ausnahme der Kreise Schmalkalden und Rinteln), den Kreis Biedenkopf vom Regierungsbezirk Wiesbaden und das Fürstentum Waldeck, mit den 3 Landgerichten zu Hanau, Kassel, Marburg mit zusammen 76 Amtsgerichten;
12) zu Frankfurt a. M. für den Regierungsbezirk Wiesbaden (ohne Biedenkopf), Hohenzollern und von Rheinland die Kreise Wetzlar, Neuwied, Altenkirchen, Teile vom Landkreis Koblenz, mit den 5 Landgerichten zu Frankfurt a. M., Hechingen, Limburg a. d. Lahn, Neuwied, Wiesbaden, mit zusammen 52 Amtsgerichten;
13) zu Köln für die Rheinprovinz (mit Ausnahme der zu Hamm und Frankfurt a. M. gehörigen Teile) und das oldenburgische Fürstentum Birkenfeld, mit den 9 Landgerichten zu Aachen, Bonn, Düsseldorf, Elberfeld, Kleve, Koblenz, Köln, Saarbrücken, Trier, mit zusammen 108 Amtsgerichten;
14) zu Jena (gemeinschaftliche thüringisches Oberlandesgericht) für die Kreise Schleusingen und Ziegenrück von der Provinz Sachsen und Schmalkalden vom Regierungsbezirk Kassel; Schleusingen und Schmalkalden gehören zum Landgericht Meiningen, Ziegenrück zu Rudolstadt.
Man unterscheidet zunächst Gefängnisse und Strafanstalten. In letztern werden die Zuchthaus- und längern Freiheitsstrafen vollstreckt. Sie gehören fast ausschließlich zum Ressort des Ministers des Innern und stehen mit unter der Aufsicht der Regierungspräsidenten. Im ganzen kommen 50 Straf- und Gefangenanstalten sowie die 117 rheinischen Kantongefängnisse hier in Betracht, während die Gerichts- und einzelne Strafgefängnisse, zusammen 989, zum Ressort der Justizverwaltung gehören. Daneben gibt es Polizeigefängnisse, Arbeitshäuser und Besserungsanstalten (letztere beiden Gattungen für Bettler, Trunkenbolde, Arbeitsscheue und jugendliche Verbrecher).
Kirchenverwaltung.
Die Verfassungsgemeinschaft der evangelischen Landeskirche in Preußen beschränkt sich lediglich auf die in der Person des Königs vorhandene gemeinsame Spitze des obersten Kirchenregiments. In den elf ältern Landesteilen Ostpreußen, Westpreußen, Stadtkreis Berlin, Brandenburg, Pommern, Posen,
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Schlesien, Sachsen, Westfalen, Rheinland und Hohenzollern bildet die Landeskirche ein Ganzes, in welchem die Kirchengewalt auf Grund des am ergänzten Gesetzes vom und der Verordnungen vom und von dem evangelischen Oberkirchenrat zu Berlin als Zentralbehörde und unter diesem durch je ein Provinzialkonsistorium ausgeübt wird. Den nachstehend verzeichneten Konsistorien steht meistens je ein Generalsuperintendent zur Seite (demjenigen in Berlin 3 und in Magdeburg 2): Provinzialkonsistorium zu Königsberg mit 35 Kirchenkreisen, Danzig (18), Berlin (für Berlin und Brandenburg, 77), Stettin (56), Posen (22), Breslau (55), Magdeburg (93), Münster (20) und Koblenz (für Rheinland u. Hohenzollern, 29). Die Kirchengemeinde- und Synodalverfassung regelt die äußere Ordnung sowie die Selbstverwaltung der Kirche und deren Organe.
Vertretungskörper bilden die Gemeinden, Kreise (Kirchen-), Provinzen und der alte Gesamtstaat mit der Vertretung im Gemeindekirchenrat, in der Kreis-, Provinzial- und Generalsynode (Erlasse vom und Die Generalsynode besteht aus 150 von der Provinzialsynode erwählten Mitgliedern, aus 6 Mitgliedern der evangelische theologischen Fakultät der Universitäten, aus den Generalsuperintendenten der betreffenden Provinzen und 30 vom König zu ernennenden Mitgliedern; die Provinzialsynode aus den von der Kreissynode zu erwählenden Abgeordneten, einem Mitglied der evangelisch-theologischen Fakultät der Provinzialuniversität und aus vom König zu ernennenden Mitgliedern; die Kreissynode aus dem Superintendenten der Synode, sämtlichen innerhalb des Kirchenkreises ein Pfarramt verwaltenden Geistlichen und der doppelten Anzahl gewählter Mitglieder.
Die Landeskirchen der seit 1866 mit der preußischen Monarchie vereinigten Gebiete sind gemäß königlicher Verordnung vom unter dem Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten als der für sie gemeinschaftlichen kirchlichen Zentralbehörde in ihrer bisherigen Selbständigkeit verblieben. Schleswig-Holsteins evangelisch-lutherische Kirche steht unter dem Konsistorium zu Kiel mit 2 Generalsuperintendenten, welches in 28 Kirchenkreise zerfällt; durch Erlaß vom wurde daselbst eine kirchliche Gemeindeordnung eingeführt; die evangelisch-lutherische Kirche der Provinz Hannover unter dem Landeskonsistorium zu Hannover mit 4 Generalsuperintendenten und den diesem unterstellten 3 Spezialkonsistorien zu Hannover mit 5 Generalsuperintendenten und 65 Kirchenkreisen, zu Stade mit 2 Generalsuperintendenten und 26 Kirchenkreisen und zu Aurich mit 2 Generalsuperintendenten und 18 (darunter 9 reformierten) Kirchenkreisen.
Ebenfalls unter dem Konsistorium zu Aurich steht die evangelisch-reformierte Kirche der Provinz Hannover. Die Verfassung der evangelisch-lutherischen Kirche in Hannover beruht auf dem Gesetz vom nach welchem es Kirchenvorstände für die einzelnen Gemeinden, Bezirkssynoden und eine Landessynode gibt. Im Regierungsbezirk Kassel besteht für die evangelische Kirche das Konsistorium zu Kassel mit 3 Generalsuperintendenten (je einem für die unierte, lutherische und reformierte Kirche) und 13 Kirchenkreisen; im Regierungsbezirk Wiesbaden (ohne Frankfurt a. M.) fungiert das Konsistorium zu Wiesbaden (ein Generalsuperintendent und 20 Kirchenkreise), während für und in Frankfurt a. M. ein evangelisch-lutherisches und ein reformiertes Konsistorium bestehen. - Das Militärkirchenwesen ist dem Kriegsminister, dem Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten und dem evangelischen Oberkirchenrat unterstellt und umfaßt auch die Militärgemeinden im Reichsland Elsaß-Lothringen.
An der Spitze der evangelischen Militärgeistlichen steht der evangelische Feldpropst der Armee, und die Militärgeistlichkeit eines jeden Armeekorps, bez. der kaiserlichen Marine ist einem Militäroberpfarrer unterstellt. In den 7597 Kirchspielen der evangelischen Landeskirche (einschließlich Lutheraner und Reformierte) gibt es 14,143 Kirchen und Kapellen mit 9155 Pfarrstellen. Durchschnittlich entfällt eine Kirche oder Kapelle auf 25 qkm und auf 1280 Einw.
Die Angelegenheiten der römisch-katholischen Kirche sind durch die päpstliche Bulle »De salute animarum« vom geordnet. Es bestehen in Preußen zwei Erzbistümer: Köln und Posen-Gnesen. Die Erzdiözese Gnesen ist mit dem Erzbistum Posen auf immer vereinigt, doch besitzt jedes dieser Bistümer ein eignes Metropolitankapitel; das Bistum Kulm ist Suffragan von Gnesen. Ferner bestehen zehn Bistümer: die vier exemten (d. h. unmittelbar dem päpstlichen Stuhl unterworfenen): Ermeland, Breslau (Fürstbistum), Osnabrück und Hildesheim und die Suffraganbistümer (von Köln): Trier, Münster, Paderborn, (von Gnesen), Kulm und (vom Erzbistum Freiburg im Breisgau) Fulda und Limburg.
Der Sprengel des Fürstbischofs von Breslau begreift auch einen Teil von Österreichisch-Schlesien, während anderseits der Fürsterzbischof von Prag, bez. sein Vertreter für den auf preußischem Gebiet gelegenen Teil des Fürsterzbistums, der Großdechant der Grafschaft Glatz zu Neurode, die geistliche Jurisdiktion über die Kreise Neurode, Glatz und Habelschwerdt ausübt, ferner der Kreis Leobschütz sowie der südliche und westliche Teil des Kreises Ratibor (Regierungsbezirk Oppeln) mit dem Sitz des fürstbischöflichen Kommissars zu Katscher dem Fürsterzbistum Olmütz zugehören und endlich Hohenzollern dem Erzbischof von Freiburg unterstellt ist.
Die sogen. Maigesetze der Jahre 1873 bis 1875 sind im letzten Jahrzehnt durch verschiedene Novellen in manchen Punkten gemildert, 1886 aber im wesentlichen beseitigt, so daß auch mit Ausnahme des Ordens der Gesellschaft Jesu (Jesuitenordens) alle Orden und Kongregationen wieder freien Zutritt im Deutschen Reich und in Preußen haben können. Die Mehrzahl der Klöster, Orden etc. ist denn auch inzwischen bereits wieder besetzt und in Thätigkeit getreten. Die Altkatholiken in Preußen und dem Deutschen Reich haben einen eignen Bischof ohne abgegrenzten Sprengel, während die 300 Katholiken auf der schleswigschen Insel Nordstrand dem jansenistischen Erzbischof in Utrecht unterstellt sind.
Die kirchlichen Verhältnisse der separatistischen Altlutheraner sind durch das Patent vom geordnet. Der geistliche Vorstand derselben ist das Oberkirchenkollegium der evangelisch-lutherischen Kirche in Breslau. Die Kultusangelegenheiten der Juden sind durch Gesetz vom bez. durch Landesgesetze der neuen Landesteile geordnet. Nur in den Provinzen Hannover und Hessen-Nassau besteht eine staatliche Organisation der jüdischen Religionsgemeinden. In der Provinz Hannover ist für jeden Regierungsbezirk ein Landrabbiner vorhanden. Die Provinz Hessen-Nassau ist in sieben Rabbinatsbezirke geteilt. Im J. 1887 gab es in Preußen 1262 Synagogen (Religionsgemeinden), davon 265 in Hessen-Nassau und 126 in Posen. Die Kirchenaufsichts- und Verwaltungssachen, welche im Staate dem Kultusminister zukommen, werden in den Provinzen von den
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Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten, bez. den Kirchen- und Schulabteilungen der Regierungen geführt.
Andre Verwaltungszweige.
Das Eichungswesen in Preußen (bez. im Reich) beruht auf der Maß- und Gewichtsordnung vom der Eichungsordnung vom sowie dem preußischen Gesetz vom Die Zuständigkeit der kaiserlichen Normaleichungskommission zu Berlin erstreckt sich auf das Deutsche Reich mit Ausschluß von Bayern. Das Eichungswesen gehört zum Ressort des Handelsministers. Als Landes- und Aufsichtsbehörden fungieren die dem Oberpräsidenten unterstellten 11 Eichungsinspektionen. Diese sowie die am Sitz derselben befindlichen Eichämter sind königliche, alle übrigen dagegen Kommunalanstalten. - Strombau und Eisenbahnbau gehören besondern Verwaltungsgebieten an, so daß die Wirksamkeit der Staatsbauverwaltung im engern Sinn sich im wesentlichen als Baupolizei kennzeichnet, wobei allerdings den Staatsbaubeamten auch die unmittelbare Leitung der vom Staat auszuführenden Bauten obliegt.
Zentralinstanz ist der Minister der öffentlichen Arbeiten, bez. die dritte Abteilung (für das Bauwesen) seines Geschäftskreises; die Provinzialbehörde bildet in Berlin einerseits das Polizeipräsidium, anderseits die Ministerialbaukommission für die fiskalischen Bauausführungen innerhalb der Stadt Berlin, im übrigen Staate die Regierungspräsidenten (Regierungen), denen Bauräte als technische Beamte beigegeben sind; die Lokalbehörden dagegen bilden die allgemeinen Polizeibehörden und neben diesen als technische Organe die Kreisbaubeamten (Kreisbauinspektoren).
Nach dem Übergang der Staatsstraßen auf die Provinzialverbände mittels Gesetzes vom beschränkt sich die Thätigkeit der königlichen Kreisbaubeamten vorzugsweise auf das Hoch- und Wasserbauwesen. Das Staatsgebiet ist zum Zweck dieser Verwaltung innerhalb der Regierungsbezirke in Baukreise zerlegt, die meistens mehrere landrätliche Kreise oder Teile derselben umfassen. Neben den Hochbaukreisen bestehen für bestimmte Flußgebiete, bez. größere Landbezirke (mit Ausnahme der großen Flüsse) Wasserbaukreise mit Wasserbaubeamten. Besondere Verwaltungen bilden die zum unmittelbaren Ressort der Oberpräsidenten gehörenden:
1) Rheinstrom-, 2) Elbstrom-, 3) Oderstrom-, 4) Weichselstrombauverwaltung. - Die Staatseisenbahnverwaltung im Ressort des Ministers der öffentlichen Arbeiten zerfällt in 11 Eisenbahndirektionen:
1) zu Altona mit 4 Betriebsämtern, 2) Berlin (11), 3) Breslau (9), 4) Bromberg (10), 5) Elberfeld (5), 6) Erfurt (6), 7) Frankfurt a. M. (4), 8) Hannover (7), 9) Köln, linksrheinische (6), 10) Köln, rechtsrheinische (8) und 11) Magdeburg (6). - Die Bergwerksverwaltung untersteht demselben Minister. Das Staatsgebiet ist in die 5 Oberbergamtsbezirke (s. oben, S. 349): Breslau, Halle a. S., Klausthal, Dortmund und Bonn eingeteilt, von den Oberbergämtern ressortieren die Berginspektionen, Hütten- und Salzämter ebenso die Bergreviere zur Beaufsichtigung des Privatbergbaues etc. -
Auseinandersetzungsbehörden zur Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse, der Gemeinheitsteilungen, Zusammenlegungen etc. sind die Generalkommissionen 1) zu Bromberg für Ostpreußen, Westpreußen und Posen;
2) zu Frankfurt a. O. für Berlin, Brandenburg und Pommern;
3) zu Breslau für Schlesien;
4) zu Merseburg für die Provinz Sachsen sowie für die Fürstentümer Schwarzburg-Sondershausen und -Rudolstadt, die Herzogtümer Anhalt und Sachsen-Meiningen;
5) zu Hannover für Hannover und Schleswig-Holstein;
6) zu Münster für Westfalen und die rheinischen Kreise Duisburg, Essen (Stadt und Land), Mülheim a. d. R., Ruhrort und Rees;
7) zu Kassel für Hessen-Nassau sowie die Fürstentümer Waldeck und Pyrmont und Schaumburg-Lippe;
8) zu Düsseldorf für das Geltungsgebiet des rheinischen Rechts, den Bezirk des vormaligen Justizsenats zu Ehrenbreitstein und für Hohenzollern. Als Organe der Generalkommissionen fungieren Spezialkommissare. - Die Verwaltung der direkten Steuern untersteht in der Zentralinstanz dem Finanzminister (zweite Abteilung des Ministeriums) und wird in den Provinzen von den Finanzabteilungen der Regierungen wahrgenommen. Die Veranlagung erfolgt (ausgenommen bei der Grundsteuer) durch die Kreis- und Gemeindebehörden.
Die Hebung geschieht mit Ausnahme der Einkommensteuer, welche direkt in die Kreiskassen einzuliefern ist, in den östlichen Provinzen seitens der Gemeinden durch Steuereinnehmer, in den westlichen und den neuen Provinzen dagegen durch königliche Steuerempfänger (Steuerkassen). Die Grund- und Gebäudesteuer (Gesetz vom macht noch eine besondere Organisation erforderlich: die Katasterverwaltung. Im allgemeinen ist für jeden Kreis ein Katasteramt mit einem Katasterkontrolleur eingerichtet, welcher zunächst unter den Regierungen und dem Finanzminister steht, bei denen je ein Katasterinspektor, bez. der Generalinspektor des Katasters angestellt ist. Die Verwaltung der indirekten Steuern und Zölle in Preußen, deren Erträge zum größten Teil an das Reich übergegangen sind, ist der dritten Abteilung des Finanzministeriums mit einem Generaldirektor der indirekten Steuern an der Spitze unterstellt; in den Provinzen besteht je eine Provinzialsteuerdirektion mit lokalen Verwaltungsorganen (Hauptzollämter, Nebenzollämter, Hauptsteuer- und Steuerämter).
Finanzen.
A. Staatsfinanzen. Die Finanzen des preußischen Staats befinden sich seit jeher in gutem Zustand. Die Bilanz der Einnahmen und Ausgaben stellt sich nach den Abrechnungen für 1875 bis 1886/87 sowie den Staatshaushaltsetats für 1887/88 und 1888/89 in Millionen Mark wie folgt:
1875 | 1877/78 | 1879/80 | 1881/82 | 1882/83 | 1883/84 | 1884/85 | 1885/86 | 1886/87 | 1887/88 | 1888/89 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Wirkliche Einnahmen | 971.6 | 935.2 | 905.9 | 1105.1 | 1213.8 | 1297.2 | 1349.6 | 1441.5 | 1473.9 | 1329.5 | 1410.7 |
Gesamte Ausgaben | 812.6 | 849.7 | 828.1 | 1011.2 | 1137.9 | 1220.7 | 1284.3 | 1376.4 | 1404.6 | 1316.7 | 1410.7 |
Bleibt ein Bestand: | 159.0 | 85.5 | 77.8 | 93.8 | 75.9 | 76.5 | 65.3 | 65.2 | 69.2 | - | - |
Die Einnahmen und deren Entwickelung im letzten Jahrzehnt lassen sich in folgender Weise veranschaulichen:
1) Aus den Einkünften aus eignem Besitz und dinglichen Rechten sind hervorzuheben die Pachtgelder der königlichen Domänen, Zinsen von Staatsaktivkapitalien, Einnahmen des vormaligen Staatsschatzes, Ablösungsgelder von Domänengefällen und Verkaufsgelder von Domänengrundstücken, Rente von der Reichsbank, Schuldverschreibungen, Privatrenten und Ablösungskapitalien: 1878/79: 43,883,000, 1886/87: 40,097,000, 1888/89 (Soll) 37,817,000 Mk. 2) Eine zweite Gruppe bilden die Einnahmen aus
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Staatsbetrieben: Forstverwaltung, Staatseisenbahnen, Bergwerke, Hütten, Salinen, Seehandlungsinstitut: 1878/79: 295,018,000, 1886/87: 852,301,000, 1888/89: 885,347,000 Mk. 3) In gewisser Beziehung gehören hierher die staatlichen Gestüte, die königliche Porzellanmanufaktur sowie die Arbeitsverluste etc. der Gefangenen in Strafanstalten und Gefängnissen: 1878/79: 5,694,000, 1886/87: 7,177,000, 1888/89: 6,980,000 Mk. 4) Die Bevölkerung am unmittelbarsten berührende Einnahmen fließen aus den Steuern: a) direkte Abgaben (Grundsteuer, Gebäudesteuer, klassifizierte Einkommensteuer, Klassensteuer, Gewerbesteuer, Eisenbahnabgabe), wozu auch die Erbschaftssteuer sowie die Bergwerksabgaben u. -Steuern zu zählen sind: 1878/79: 161,812,000, 1886/87: 161,704,000, 1888/89: 165,629,000 Mk.; b) indirekte Steuern oder Verbrauchsabgaben: Anteil an den Zöllen und der Tabakssteuer sowie an der Verbrauchsabgabe von Branntwein: 1886/87: 71,045,000, 1888/89: 149,899,000 Mk. 5) Gebühren, ferner Stempelabgaben u. dgl.: Vergütungen aus der Reichskasse für die Reichssteuererhebung, Anteil an den Reichsstempelabgaben, an der deutschen Wechselstempelsteuer, Stempelsteuer, Brücken-, Fähr-, Wäge- etc. Gelder, Kosten bei den Auseinandersetzungsbehörden, gerichtliche Kosten etc.: 1878/79: 101,339,000, 1886/87: 122,989,000, 1888/89: 131,369,000 Mk.
Staatsausgaben. Das für den Staatshaushalt in Betracht kommende Einkommen des Herrscherhauses beträgt insgesamt 12,219,296 Mk. Durch das Gesetz vom wurde statt der bisherigen »Handgelderreichung« dem Kronfideikommißfonds eine jährliche Rente von 7,719,296 Mk. auf die Einkünfte der Domänen und Forsten überwiesen. 1858 wurde diese Krondotation um 1,500,000 Mk. und 1868 um 3 Mill. Mk. erhöht. Die Kosten der königlichen Ministerien betrugen in Tausenden Mark: 1878/79: 5048, 1886/87: 5187, 1888/89: 5064. Die Oberpräsidien, Regierungen (einschließlich Finanzdirektion und Bezirkshauptkassen in Hannover), die landrätlichen Behörden und Ämter beanspruchten in Tausenden Mark: 1878/79: 19,118, 1886/87: 19,943, 1888/89: 19,882, wogegen die Justizverwaltung 1878/79: 75,546, 1886/87: 82,437, 1888/89: 85,527 Tausend Mk. kostete. Das gesamte Unterrichtswesen erforderte mit Einschluß der 3-4½ Mill. Mk. betragenden einmaligen außerordentlichen Ausgaben: 1878/79: 36,100, 1886/87: 43,697, 1888/89: 58,768 Tausend Mk.
Einen vergleichenden Überblick über die gegenwärtige Gestaltung der Staatseinnahmen und -Ausgaben gewährt die folgende Übersicht. In derselben weisen die ordentlichen Einnahmen eine Steigerung um 106¾ Mill. Mk. (besonders Einnahmen aus Reichsquellen +79 Mill., Eisenbahnverwaltung +34 Mill.), die ordentlichen Ausgaben eine Steigerung um 102 Mill. Mk. (besonders Matrikularbeiträge +55 Mill., Eisenbahnverwaltung +14¾ Mill., Kultus und Unterricht +13¾ Mill. Mk.) auf.
Bezeichnung der Einnahmen und Ausgaben | Einnahmen in Mark | Ausgaben in Mark | ||
---|---|---|---|---|
Ist 1886/87 | Soll 1888/89 | Ist 1886/87 | Soll 1888/89 | |
Ordentliche Einnahmen und Ausgaben. | ||||
Landwirtschaft, Domänen und Forsten | 82109673 | 81649924 | 39448019 | 39284690 |
Direkte Steuern | 152489415 | 156434300 | 10869798 | 11591900 |
Indirekte Steuern. | ||||
a) Vergütung für Erhebung der Reichssteuern | 25249735 | 39240370 | ↘ | |
b) Für Rechnung Preußens | 30775574 | 28359780 | ↘ | |
c) Lotterie | 6175633 | 8222700 | 25636771 | 31911700 |
d) Seehandlung, Münzverwaltung | 1493727 | 1896800 | ↗ | |
Berg-, Hütten- und Salinenwesen | 110998189 | 109618136 | 94323746 | 94666077 |
Eisenbahnverwaltung | 686209461 | 720255519 | 461210506 | 475988691 |
Dotationen. | ||||
a) Zuschuß zur Rente des Kronfideikommißfonds | - | - | 4500000 | 4500000 |
b) Ausgaben für die öffentliche Schuld | 206984 | 147940 | 211517758 | 205966800 |
c) Landtag | 6024 | 2222 | 1743991 | 1382360 |
Allgemeine Finanzverwaltung. | ||||
1) Einnahmen aus Reichsquellen. | ||||
a) Zölle und Tabakssteuer | 71045426 | 78949660 | - | - |
b) Reichsstempelabgaben | 11788343 | 11903190 | - | - |
c) Abgaben vom Branntwein | - | 70949350 | - | - |
2) Beiträge zu den Ausgaben des Reichs | - | - | 71971444 | 126809722 |
3) Hinterlegte Gelder und Zinsen, resp. Rückzahlungen davon | 28636199 | 23629187 | 25661570 | 24195999 |
4) Zu Provinzialfonds | - | - | 37559111 | 37559111 |
5) An die Kommunalverbände | - | - | 4002116 | 15000000 |
6) Aus Anleihen | 12398900 | - | - | - |
7) Sonstige | 16825253 | 15368536 | 3584082 | 3789825 |
Staatsverwaltung. | ||||
a) Finanzministerium | 2312097 | 1577181 | 46486366 | 48020734 |
b) Justizministerium | 50037399 | 48398000 | 83641960 | 86100300 |
c) Ministerium des Innern | 4679144 | 3931065 | 40828843 | 43565176 |
d) Kultus- und Unterrichtsministerium | 3067223 | 2556069 | 56455163 | 70184992 |
e) übrige Ministerien | 7520039 | 7395142 | 40373041 | 41206540 |
Zusammen: | 1304044438 | 1410728921 | 1269290280 | 1362123667 |
Bestand aus dem Vorjahr | 65158494 | - | - | - |
Einmalige und außerordentliche Ausgaben | - | - | 39662931 | 48605254 |
Außeretatmäßige extraordinäre Einnahmen und Ausgaben. | ||||
a) Für Eisenbahnzwecke | 63108534 | - | 62726655 | - |
b) Schwebende Schuld | 30000000 | - | 30000000 | - |
c) Für Verbesserung von Wasserstraßen etc. | 11581561 | - | 2469167 | - |
d) Für deutsche Ansiedelungen in Westpreußen und Posen | - | - | 9592197 | - |
Gesamtsumme: | 1473893027 | 1410728921 | 1404741230 | 1410728921 |
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Die Staatsschuld belief sich Ende März 1886 auf 4033,9 Mill. Mk., 1887 auf 4184,6 Mill. Mk., wovon 3875,1, bez. 3952,6 Mill. Mk., also fast der gesamte Betrag, auf die Staatseisenbahnkapitalschuld entfallen. Das sogen. Eisenbahngarantiegesetz vom welches die Verwendung der Überschüsse der Verwaltung der Eisenbahnangelegenheiten regelt, stellte die allgemeine Staatsschuld für auf 1,498,858,100 Mk. fest und nahm diese gesamte Summe als Staatseisenbahn-Kapitalschuld an. Dieselbe erhöht sich nun durch Erwerb und Bau neuer Bahnen etc. um die »außerordentlich« für Eisenbahnzwecke verausgabten Beträge und erfährt anderseits eine Tilgung oder Abschreibung mittels der jährlichen Nettoüberschüsse der Eisenbahnverwaltung.
Während die planmäßige Tilgung der ältern Eisenbahnschulden mit jährlich etwa 4 Mill. Mk. vorgenommen wird, belief sich der gesamte Nettoüberschuß, d. h. nach Abzug der Zinsen für die Eisenbahnschuld, nach dem Etat für 1882/83 auf 15,1 Mill. Mk., nach der Veranschlagung für 1888/89 dagegen auf 76,1 Mill. Mk. Als Zinsbetrag für die Gesamtsumme der Staatsschulden nimmt der Etat 1888/89: 176,1 Mill. Mk. (darunter 168,1 Mill. Mk. für die Eisenbahnschuld) an und für Tilgung 21,7 Mill. Mk.
B. Kommunalfinanzen. Der Gesamtbetrag der Gemeinde- und besondern Korporationsabgaben betrug (von den Gutsbezirken abgesehen) nach der letzten Aufnahme für 1883/84: 208,8 Mill. Mk., d. h. 8,3 Mk. pro Kopf der Bevölkerung (in Berlin 22,1 Mk., im Regierungsbezirk Schleswig 15,0, Köln 13,1, Düsseldorf 12,8; dagegen in den Regierungsbezirken Liegnitz 4,2, Köslin 4,4, Merseburg 4,8 und Oppeln 4,9 Mk.). In den Städten ist die Quote pro Kopf bedeutend höher als in den Landgemeinden (im Staatsdurchschnitt 12,4 gegen 5,8 Mk.), und zwar in allen Regierungsbezirken ausgenommen Schleswig.
Die Gemeindeabgaben allein machten 171,7 Mill. Mk. aus, wovon 115,4 Mill. Mk. auf die Zuschläge zu den direkten Staatssteuern entfielen. Als besondere Korporationsabgaben kamen auf: 13,8 Mill. Mk. Schulsteuern, 9,2 Mill. Mk. Kirchensteuern und 14,0 Mill. Mk. Kreis- und Provinzialsteuern. Obiger Gesamtbetrag der Kommunalabgaben ist gleichbedeutend mit 160 Proz. der direkten Staatssteuern (im Regierungsbezirk Arnsberg 283, in Merseburg 83 Proz.). In etwa 480 Stadtgemeinden übersteigen die Zuschläge zu den direkten Staatssteuern 200 Proz. der letztern.
Die durchschnittliche Belastung auf den Kopf der Bevölkerung mit direkten Staatssteuern, Gemeinde- und besondern Korporationsabgaben beträgt
in den Städten | Landgemeinden | |
---|---|---|
an direkten Staatssteuern | 7.9 Mk. | 3.5 Mk. |
an Gemeindeabgaben | 11.5 Mk. | 4.0 Mk. |
an besondern Korporationsabgaben | 0.9 Mk. | 1.8 Mk. |
überhaupt | 20.3 Mk. | 9.4 Mk. |
13.5 Mk. |
Die Einnahmen und Ausgaben der Provinzialverbände insbesondere belaufen sich im »Soll« für 1887/88 (ohne die Spezialverwaltungen) auf 52½ Mill. Mk. Der Hauptteil der Einnahmen (67 Proz.) fließt aus staatlichen Dotationen und nicht voll 20 Proz. aus besondern Umlagen.
Armee und Flotte sind an das Reich übergegangen (s. Deutschland, S. 843 ff.). Das Kontingent der königlich preußischen Armee umfaßt jetzt auf Grund verschiedener Verträge (Militärkonventionen) sämtliche Bundesstaaten mit Ausnahme von Sachsen, Württemberg und Bayern. Eine bedeutsame Stärkung der Wehrkraft des Landes und Reichs und wichtige Änderungen in der Wehrpflicht sind durch das Gesetz vom herbeigeführt.
Wappen, Farben, Orden.
Das Staatswappen (s. Tafel »Wappen«) ist ein dreifaches: Das kleine ist mit der Königskrone bedeckt und enthält in Silber einen schwarzen, goldbewehrten, gekrönten Adler mit roter Zunge, goldenen Kleestengeln auf den Flügeln und dem Namenszug des Königs auf der Brust, mit dem Zepter in der Rechten und dem Reichsapfel in der Linken. Das mittlere Wappen hat vier Mittelschilde (Wappen von Preußen, Brandenburg, Nürnberg und Hohenzollern) und zehn Felder (Embleme der Provinzen); es ist ebenfalls mit der Königskrone bedeckt und wird von zwei wilden, mit Herkuleskeulen bewaffneten Männern gehalten und von Kette und Kreuz des Schwarzen Adlerordens umgeben.
Das große Wappen enthält ebenfalls die erwähnten 4 Mittelschilde und 48 Felder mit den Zeichen der Provinzen, Landesteile und beanspruchten Länder. Es ist von einem gekrönten Helm bedeckt, vom Schwarzen und Roten Adlerorden umgeben, wird von zwei wilden, Fahnen tragenden Männern gestützt und steht auf einem blauen, goldeingefaßten Postament mit dem Wahlspruch: »Gott mit uns!« Das Ganze ist von einem purpurnen, mit Adlern und Königskronen bestickten Wappenzelt umgeben, dessen Gipfel die Königskrone und das Reichspanier decken.
Die Landesfarben sind Schwarz und Weiß. Die königliche Residenz ist Berlin, zweite Residenz Potsdam. Königliche Schlösser sind zu Königsberg, Breslau, Hannover, Kassel, Wiesbaden;
königliche Lustschlössern Monbijou, Bellevue, Charlottenburg, Sanssouci, Friedrichskron, Charlottenhof, das Marmorpalais u. a. -
Ritterorden (s. Tafel »Orden«) sind neun: der Orden vom Schwarzen Adler, gestiftet der höchste preußische Orden;
der Orden pour le mérite, gestiftet 1740, erweitert mit einer gestifteten Friedensklasse für Wissenschaft und Künste;
der Rote Adlerorden, 1705 in Baireuth gestiftet, durch Bestätigungsurkunde zum zweiten Ritterorden des königlichen Hauses erhoben, 1810, 1811, 1830, 1832, 1848, 1864 und 1865 erweitert;
der königliche Kronenorden, gestiftet
die königliche Hausorden von Hohenzollern, in die Reihe der königlich preußischen Orden übergegangen, neue Statuten vom
die Ballei Brandenburg des ritterliche Ordens St. Johannis vom Spital zu Jerusalem, errichtet reorganisiert
der Luisenorden, gestiftet erneuert erweitert
der Orden des Eisernen Kreuzes, gestiftet erneuert
das Verdienstkreuz für Frauen und Jungfrauen, errichtet Ehrenzeichen sind: das allgemeine Ehrenzeichen, die Rettungsmedaille am Band und verschiedene Militärehrenzeichen und Kriegsdenkmünzen.
Oberhaupt aller Orden, mit Ausnahme der für Damen bestimmten, deren Vorsteherin die Königin ist, und aller Ehrenzeichen ist der König.
Geographisch-statistische Litteratur.
Für die meisten Gebiete des preußischen Staats- und Wirtschaftslebens kommen hauptsächlich die Veröffentlichungen des königlichen Statistischen Büreaus in Frage, insbesondere: »Statistisches Handbuch für den preußischen Staat« (Bd. 1, Berl. 1888) und dessen Vorgänger: »Jahrbuch für die amtliche Statistik des preußischen Staats« (5 Bde., 1861-83),
die »Preußische Statistik«, amtliches Quellenwerk (das., seit
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1859, bis jetzt 101 Hefte). »Gemeinde-Lexikon auf Grund der Volkszählung vom 1. Dez. 1885« (das. 1887 und 1888, in einzelnen Provinzialheften mit Registerband) und die »Zeitschrift des königlich preußischen Statistischen Büreaus« (seit 1861). Aus der übrigen Litteratur vgl. Schubert, Handbuch der allgemeinen Staatskunde des preußischen Staats (Königsb. 1846-48, 2 Bde.);
Töppen, Historisch-komparative Geographie von Preußen (Gotha 1858);
Dieterici, Handbuch der Statistik des preußischen Staats (Berl. 1858-61);
Ungewitter, Die preußische Monarchie (das. 1859);
Keller, Der preußische Staat (Minden 1864-66);
Neumann, Geographie des preußischen Staats (Ebersw. 1869; 2. Bearbeitung u. d. T.: »Das Deutsche Reich«, Berl. 1872-1874, 2 Bde.);
Derselbe, Geographisches Lexikon des Deutschen Reichs (Leipz. 1883);
Kraatz, Topographisch-statistisches Handbuch des preußischen Staats (3. Aufl., Berl. 1880);
Müller-Köpen, Die Höhenbestimmungen der königlich preußischen Landesaufnahme (einzelne Provinzhefte, das. 1880 ff.);
das amtliche preußische, jetzt »Deutsche Handelsarchiv« (das., Monatshefte);
Herrfurth u. v. Tzschoppe, Beiträge zur Finanzstatistik der Gemeinden in Preußen 1883-84 (das. 1884);
v. Rönne, Das Staatsrecht der preußischen Monarchie (4. Aufl., Leipz. 1881-84, 4 Bde.);
H. Schulze, Das preußische Staatsrecht (2. Aufl., das. 1888, 2 Bde.; eine kürzere Darstellung in Marquardsens »Handbuch des öffentlichen Rechts«, Freiburg 1884);
Graf Hue de Grais, Handbuch der Verfassung und Verwaltung in Preußen und im Deutschen Reich (6. Aufl., Berl. 1888);
Bornhak, Preußische Staatsrecht (Freiburg 1888 ff., 2 Bde.);
Wiese, Das höhere Schulwesen in Preußen (Berl. 1864-74, 3 Bde.).;
Schneider u. v. Bremen, Das Volksschulwesen im preußischen Staat (das. 1886 ff.);
Petersilie, Die öffentlichen Volksschulen in Preußen und ihre Kosten (das. 1882);
Hinschius, Die Orden und Kongregationen der katholischen Kirche in Preußen (das. 1874);
Derselbe, Die preußischen Kirchengesetze 1873-87 (das. 1874-87, 4 Bde.);
Meitzen, Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse des preußischen Staats (das. 1868 bis 1873, 4 Bde.);
»Die Ergebnisse der Grund- und Gebäudesteuerveranlagung«, für jeden Regierungsbezirk (das. 1866-70, 25 Bde.).
Von Karten des preußischen Staats kommen zunächst die vom Generalstab herausgegebenen Kartenwerke, besonders die »Topograph. Karte des preuß. Staats«, jetzt »Karte des Deutschen Reichs«, 1:100,000 (Ausführliches darüber s. Landesaufnahme), und die betreffenden Blätter aus Reymanns (1:200,000, vom preuß. Generalstab fortgeführt) und Liebenows (1:300,000) Spezialkarte von Mitteleuropa in Betracht. Andre Karten (abgesehen von den größern Karten des Deutschen Reichs, wie von Ravenstein, 12 Blätter, 1:850,000, neue Ausg., Leipz. 1884; Berghaus, 25 Blätter, 1:740,000, Gotha 1876) sind: von Engelhardt (Berl. 1843, 23 Blätter; Generalkarte, das. 1866);
Handtke (2. Aufl., Glog. 1853, 36 Blätter);
der »Atlas des preußischen Staats« in 26 Karten (3. Aufl., Erfurt 1859);
»Karte vom preußischen Staat, mit besonderer Berücksichtigung der Kommunikationen«, 12 Blätter, 1:600,000 (6. Aufl., Berl. 1876);
die vom Generalpostamt herausgegebene »Post- und Eisenbahnkarte des Deutschen Reichs« (das. 1887, 20 Blätter);
»Übersichtskarte von den Waldungen Preußens« (amtlich, das. 1887, 8 Blätter);
Böckh, Sprachkarte vom preuß. Staat (das. 1864, 2 Blätter).
Vgl. auch unsre Karten bei den Spezialartikeln über die einzelnen Provinzen.
Geschichte des preußischen Staats.
(Hierzu die »Karte zur Geschichte Preußens«, mit Textblatt.)
Der Name Preußen ging von dem Herzogtum Preußen, dem jetzigen Ostpreußen (s. d., Geschichte), als dasselbe zum Königreich erhoben wurde, auf den gesamten Staat der bisherigen Kurfürsten von Brandenburg über, der erst 1806 bei der Auflösung des Deutschen Reichs von dem Lehnsverhältnis zum Kaiser befreit wurde. Streng genommen dürfte man von einem unabhängigen Königreich Preußen daher erst seit 1806 reden. Thatsächlich jedoch beginnt die politische Bedeutung des Kurfürstentums Brandenburg (s. d., Geschichte) und damit die Geschichte des Staats mit dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms des Großen Kurfürsten (1640), welche zusammenfällt mit dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs und der Auflösung des Deutschen Reichs in einzelne unabhängige Territorien.
Nächst Österreich war der Besitz der brandenburgischen Hohenzollern in Deutschland an Flächeninhalt der größte. Er umfaßte außer Brandenburg Ostpreußen, Kleve, Mark und Ravensberg, wozu im Westfälischen Frieden noch Hinterpommern mit Kammin, Magdeburg, Halberstadt und Minden kamen (im ganzen 110,000 qkm mit 1 ½ Mill. Einw.), und war über ganz Norddeutschland verteilt. Gab dies den Antrieb, immer mehr nach Machterweiterung zu streben, so hatte es auch den Nachteil, daß die Sicherung der Grenzen gegen äußere Gefahren sowie die Bildung eines einheitlichen Staatswesens durch die Zersplitterung, die weiten Entfernungen, die verschiedenartigen widerstrebenden Interessen der einzelnen Landesteile sehr erschwert wurden.
Überdies waren die größten Territorien im Vergleich zu andern deutschen Ländern wenig bevölkert. Wenn es dennoch gelang, aus diesem Konglomerat von Ländern einen einheitlichen, vorzüglich organisierten und auch zu verhältnismäßiger materieller Blüte sich entwickelten Staat zu schaffen und ihn trotz der ausgesprochenen Mißgunst aller Nachbarn und der offenen Angriffe neidischer Feinde nicht nur zu erhalten, sondern ihn auch zu vergrößern und so wehrhaft zu machen, daß er auf eignen Füßen zu stehen vermochte, so war dies dem klaren, staatsmännischen Blick, der unermüdlichen Thätigkeit und der konsequenten Politik der hohenzollerischen Regenten zu danken.
Zugleich bildete sich unter der Leitung der Hohenzollern nicht nur bei Offizieren und Beamten, sondern auch bei der Bevölkerung ein Staatsbewußtsein und ein Patriotismus heraus, welche seit den Greueln des Dreißigjährigen Kriegs im übrigen Deutschland fehlten, aber, wie schon früh deutsche Patrioten erkannten, Preußen gerade befähigten, an die Spitze Deutschlands zu treten. Darin liegt die höhere Bedeutung der Geschichte Preußens, daß sie darlegt, wie durch die Entwickelung dieses von den Hohenzollern geschaffenen u. geleiteten Staatswesens die politische Wiedergeburt des deutschen Volkes und die Wiederherstellung seiner Einheit und Macht nicht ohne Rückschläge und Verirrungen, doch im ganzen stetig fortschreitend erfolgt ist.
Die Regierung des Großen Kurfürsten 1640-88.
Als der Kurfürst Friedrich Wilhelm nach dem Tod seines schwachen Vaters Georg Wilhelm die Regierung seiner Erblande antrat, befanden sich diese in der kläglichsten Verfassung. Die westlichen Lande waren ganz in fremdem Besitz, die Mark teils von den Schweden, teils von ganz unzuverlässigen eignen Truppen besetzt und auf das furchtbarste verwüstet, Preußens Besitz nicht gesichert, weil die von engherzigem Luthertum und Partikularismus