in Berlin. Von seinen Werken sind hervorzuheben die Biographie Friedrichs d. Gr. (Berl. 1834, 4 Bde.;
dazu 5 Bde. Urkunden);
die populäre »Lebensgeschichte des großen Königs Friedrich von Preußen« (das. 1834);
»Friedrich d. Gr.
als Schriftsteller« (das. 1837, Ergänzungsheft 1838);
»Friedrich d. Gr. mit seinen Verwandten und Freunden« (das. 1838);
»Friedrichs
d. Gr. Jugend und Thronbesteigung, eine Jubelschrift« (das. 1840) u. a.
Seine Hauptthätigkeit richtete er fortan auf die Ausgabe der Werke Friedrichs d. Gr. (Berl. 1846-57, 30 Bde.).
der wichtigste Staat im Deutschen Reich, besteht seit 1866 im wesentlichen
aus einem zusammenhängenden Gebiet, das freilich eine Anzahl von kleinern Staaten (beide Mecklenburg, die Freien Städte, Oldenburg,
Braunschweig, Anhalt, Lippe, Schaumburg-Lippe, Waldeck, Oberhessen, Teile der thüringischen Staaten) umschließt, und grenzt gegen
N. an die Nordsee, Dänemark und die Ostsee, gegen O. an Rußland, Polen und Galizien, gegen S. an die österreichischen
Kronländer Schlesien, Mähren und Böhmen, ferner an das Königreich Sachsen, die thüringischen Staaten, Bayern, das Großherzogtum
Hessen, die bayrische Pfalz und Elsaß-Lothringen und gegen W. an Luxemburg, Belgien und die Niederlande.
Getrennt vom preußischen Staatsgebiet sind außer mehreren Enklaven innerhalb der von Preußen umschlossenen
Staaten die Kreise Schleusingen, Schmalkalden und Ziegenrück sowie die Exklaven Wandersleben in Thüringen und Hohenzollern in Süddeutschland.
Die äußersten Punkte des Staats, abgesehen von Hohenzollern, sind folgende: der nördlichste bei Nimmersatt, nördlich von
Memel, unter 55° 54' nördl. Br., der östlichste bei Schilleningken unweit Schirwindt an der Scheschuppe
unter 22° 53' östl. L. v. Gr., der südlichste bei
Hanweiler am Einfluß der Blies in die Saar unter 49° 7' nördl. Br. und der westlichste bei Isenbruch im Regierungsbezirk
Aachen (4 km von der Maas) unter 5° 52' östl. L. v. Gr. In Rücksicht
auf den Flächeninhalt nimmt Preußen die sechste Stelle unter den europäischen Staaten ein, indem es Rußland,
Schweden und Norwegen, Österreich-Ungarn, Frankreich und Spanien nachsteht.
Übersicht des Inhalts:
Seite
Bodengestaltung
338
Gewässer
340
Kanäle
341
Klima
341
Bevölkerung:
Volkszahl etc.
342
Auswanderung
342
Dichtigkeit
342
Geschlecht
343
Familienstand
343
Bewegung
343
Wohnplätze
343
Nationalität
343
Religionsbekenntnisse
344
Bildungsanstalten
344
Gesundheitspflege
345
Landwirtschaft, Wald:
Ackerbau
345
Garten- und Weinbau
347
Viehzucht
348
Fischerei
348
Waldkultur
348
Industrie
349
Bergbau
349
Berufszählung
352
Handel und Verkehr
353
Schiffahrt
353
Eisenbahnen
353
Banken u. Kreditinstitute
353
Münzen, Maße etc.
354
Versicherungsanstalten
354
Sparkassen
354
Staatswesen:
Staatsverfassung
354
Staatsverwaltung
356
Landesverwaltung
356
Selbstverwaltung
357
Rechtspflege
358
Gefängniswesen
358
Kirchenverwaltung
358
Andre Verwaltungszweige
360
Finanzen
360
Wappen, Farben, Orden
362
Geograph. Litteratur
362
Geschichte
363
Bodengestaltung.
Der
größere Teil des preußischen Staats gehört dem Norddeutschen Tiefland an. Von den Küstenprovinzen reicht nur Hannover
in das deutsche Bergland (Harz) hinein; die andern, Schleswig-Holstein, Pommern, West- und Ostpreußen sowie
die beiden Binnenprovinzen Brandenburg und Posen, liegen ganz innerhalb des Norddeutschen Tieflandes, während Schlesien und
Sachsen zum kleinern, Westfalen und die Rheinprovinz zum größern Teil und Hessen-Nassau ganz dem Bergland angehören.
Auf das Tiefland kommen vom Staatsgebiet etwa 268,000 qkm (4867 QM.),
auf das Bergland 80,300 qkm (fast 1459 QM.). Das Bergland geht zwischen Minden und Hannover mit dem Bückeberg und Deister am
weitesten gegen N. vor. Von hier tritt es gegen O. mit der Linie Quedlinburg-Görlitz-Tarnowitz nach S. zurück, während es
auf der Westseite der Weser zwischen dem Tiefland und den Tieflandsbusen an der obern Ems und Lippe und
bei Köln und Bonn halbinselartig vorgeht, einmal bis Osnabrück, das andre Mal bis zum Steinkohlengebirge an der Ruhr.
Das Bergland, soweit es innerhalb des preußischen Staats liegt, gehört, abgesehen von der Rauhen Alb in Hohenzollern, drei
Gebirgssystemen an: dem Niederrheinisch-Westfälischen Schiefergebirge im W.;
dem Hercynischen oder Sudetensystem,
das von SO. her in zwei ausgeprägten Reihen vom Altvatergebirge auf der Grenze von Österreichisch-Schlesien und Mähren und
vom Böhmerwald her sich weit nach NW. erstreckt und im Steinkohlengebirge bei Ibbenbüren sein äußerstes Ende erreicht, und
endlich dem Oberrheinischen Gebirgssystem, das hierher nur eine Buntsandsteinplatte mit zahlreichen Basalten
und andern vulkanischen Gesteinen zwischen die beiden andern Systeme bis zur Weser entsendet.
Das Rheinisch-Westfälische Schiefergebirge bildet in fast allen seinen Teilen ein Plateau ohne bedeutende Höhenzüge, das
aber von tiefen Flußthälern vielfach zerrissen ist. Die Grenzen desselben treten fast überall deutlich
hervor: im N. das Tiefland; im O. die erwähnte Buntsandsteinplatte von der Diemel bis zur Ohm, alsdann das Thal der Lahn bis
Gießen und die Wetterau; im S. zuerst die Oberrheinische Tiefebene bis Bingen und in Rheinbayern das Bruch von Landstuhl; im W.
zieht sich das System tief nach Belgien hinein.
Innerhalb des Schiefergebirges, das durch den Rheinlauf zwischen Bingen und Bonn in zwei ziemlich gleiche Flügel geteilt wird,
liegt an der Mündung der Mosel das Neuwieder Becken, in dem Alluvialbildungen zwischen Koblenzschichten und vulkanischen Massen
eingebettet sind; eine andre, aber viel kleinere Tiefebene befindet sich an der Mosel bei Trier auf der
Grenze des Hunsrücks und der Eifel. Die einzelnen Teile des Schiefergebirges sind:
1) der Hunsrück (s. d.) zwischen Rhein, Nahe, Saar und Mosel, eine 400-500 m hohe Platte, auf welcher sich einige Bergzüge befinden
(Hochwald 816 m); 2) die Eifel (s. d.) auf der Nordseite der Mosel, ein Hochland ohne Bergrücken, wenn man
von der Rauhen Schneifel (Schneeeifel) absieht, reich an vulkanischen Produkten in dem östlichen Teil, mit der fruchtbaren
Ebene des Maifeldes an der Nette, der Hohen Acht (760 m) und dem schönen Ahrthal;
3) das Hohe Venn (s. Venn) südlich von Aachen, mit großen Torfmooren, bei dem Signal Botrange 695 m hoch;
4) der Taunus (s. d.) zwischen Rhein, Main und Lahn und, wie die folgenden auf der Ostseite des Rheins, in
Maßstab 1:3400000.
Landes- u. Provinzhauptstädte sind doppelt, Regierungsbezirks-Hauptstädte einfach unterstrichen.
Eisenbahnen Hauptlinien Andere
Bahnen
Hohenzollern (zur Rheinprovinz gehörig.)
Im Maßstab der Hauptkarte.
Zum Artikel »Preußen«.
mehr
seinem westlichen Teil das Rheingaugebirge genannt (woselbst der Niederwald über Rüdesheim), in seinem östlichen mehr als
Gebirgsrücken ausgeprägt (Großer Feldberg 880 m), mit zahlreichen Mineralquellen und den schönsten Weinlagen des Deutschen
Reichs an seinem südlichen Fuß;
5) der Westerwald (s. d.), ein Plateau zwischen Rhein, Lahn und Sieg, mit dem Fuchskauten (657 m) und dem merkwürdigen
Siebengebirge (s. d.) als Vorposten des Berglandes bei Königswinter am Rhein;
6) das Sauerländische Gebirge an der Lenne und Ruhr, das den größten Teil des westfälischen Regierungsbezirks Arnsberg erfüllt,
mit vielen Verzweigungen: dem Quellgebiet der Sieg, Lahn und Eder, einer 600 bis 700 m hohen Platte, die
nach allen Seiten zwischen den Flüssen sich abdacht und vom Härdler (696 m) an sich in dem Rothaar- oder Rotlagergebirge (Emmelkopf 778 m)
bis zum Plateau von Winterberg an der Quelle der Lenne (Kahler Astenberg 842 m) und Ruhr fortsetzt.
Gegen O. vom Plateau von Winterberg dringt das Hainaische Gebirge (s. Haina, im Kellerwald 673 m) als Halbinsel
in die Buntsandsteinplatte des Hessenlandes hinein. Noch gehören hierher: das Homertgebirge (Homert 666 m) und der Balver
Wald (s. d.) zwischen Lenne und Ruhr, das Ebbegebirge (s. Ebbe, in der Nordhelle 633 m) auf der linken Seite der untern Lenne
und der Arnsberger Wald zwischen Ruhr und Möhne. Die Haar (380 m) bildet mit dem Ruhrkohlengebirge das nördlichste
Glied des Schiefergebirges und fällt allmählich gegen das nördliche Tiefland ab. Das Schiefergebirge besteht ganz
vorzugsweise aus den verschiedenen Abteilungen der Devonformation, aus dem Unterdevon (Koblenzschichten oder ältere rheinische Grauwacke)
auf dem Hunsrück; Taunus, Westerwald und der Eifel, dem Mitteldevon (Lenneschiefer) in geringer Ausdehnung
auf der Eifel, besonders aber im Sauerländischen Gebirge verbreitet, hier im N. und O. vom Oberdevon (Krammenzel) überlagert.
Die Ardennenschiefer des Hohen Venn bilden das älteste Gestein des Schiefergebirges und werden bereits zu den metamorphischen
Gesteinen gerechnet. Am Rande des Schiefergebirges treten hervor: die Steinkohlenformation in ihren verschiedenen
Abteilungen, mit der produktiven im S. bei Saarbrücken unter Rotliegendem, Porphyr und Melaphyr, im N. bei Aachen und an der
Ruhr, hier teilweise schon von den Diluvialschichten des Tieflandes bedeckt, ferner Zechstein im NO. an der Diemel, Buntsandstein
im SW. bei Trier (auch auf der Eifel) etc. An vulkanischen Produkten ist die Eifel reich, an Basalten die Eifel
und der Westerwald (in dem Tertiärbecken bei Westerburg), an Trachyten das Siebengebirge.
Von den Hauptgebirgen des Oberrheinischen Gebirgssystems (Vogesen, Schwarz-, Odenwald) gehört kein Glied hierher; auch die von
denselben eingeschlossene Oberrheinische Tiefebene erreicht nur mit dem nördlichsten Teil, von dem das
Thal der Wetterau ein Ausläufer ist, bei Frankfurt a. M. die Grenzen des Staats. Innerhalb desselben aber liegen auf der nördlichen
Buntsandsteinplatte schwache Ausläufer des Vogelsbergs und des Spessart, der größere Teil der Hohen Rhön (Wasserkuppe 950,
Milseburg 833 m), am Ursprung der Fulda, das Knüllgebirge (636 m), zwischen Fulda und Schwalm, der Meißner
(751 m), unweit der Werra, der Kaufunger Wald (Bilstein 640 m), zwischen Werra und Fulda vor ihrer Vereinigung, der Habichtswald
(595 m), westlich von Kassel, der Reinhardswald (469 m), zwischen Weser
und Diemel, der Solling (513 m), auf der östlichen
Seite der Weser und teilweise in Braunschweig, und endlich im W. der Weser die Egge (445 m) und das Plateau von Paderborn (Plänerkalk
der Kreideformation). Die Buntsandsteinplatte ist stark bewaldet und reich an Basalten, die aber im N. unter der Breite der
Diemelmündung verschwinden.
Das Hercynische oder Sudetensystem bildet zwei Reihen. Von den einzelnen Teilen der südlichen Reihe liegen
Böhmerwald und Fichtelgebirge ganz außerhalb des Staats welchem jedoch der Thüringer Wald mit einem Teil seiner Zentralregion
(Finsterberg 947 m) und seines nordwestlichen Rückens (Inselsberg 915 m) angehört. Ferner sind hierher zu rechnen der Ringgau
(Zechsteinformation) in Hessen-Nassau und als letztes Glied der Teutoburger Wald. Die nördliche Reihe enthält
in Schlesien auf der Grenze gegen Österreich die höchsten Gebirge des Staats.
Das kleine, aber mannigfach verzweigte Glatzer Gebirgssystem (s. Glatz), welches den Glatzer Kessel (ca. 320 m) einschließt,
enthält: auf der preußisch-österreichischen Grenze das Glatzer Schneegebirge (Großer Schneeberg 1422 m) auf
der Wasserscheide zwischen Oder, Elbe und Donau, das Reichensteiner Gebirge (bis 879 m), beide im O., sodann das Mensegebirge
(Hohe Mense 1085 m) im W., endlich innerhalb des preußischen Staatsgebiets das Habelschwerdter Gebirge (Heidelberg 942 m),
das Eulengebirge (Hohe Eule 1014 m) und das Neuroder Gebirge.
In der nordwestlichen Fortsetzung dieses Gebirgssystems erscheinen: das Sandsteingebirge der Heuscheuer
(920 m), das Niederschlesische Steinkohlengebirge, durch das Thal des obern Bober vom Riesengebirge geschieden, mit ansehnlichen
Porphyr- und Melaphyrrücken (954 m) auf der südlichen Seite des Waldenburger Steinkohlenbeckens, der Porphyrmasse des Hochwaldes
(840 m) innerhalb und einem Gebiet devonischer Grauwacke, in welchem der liebliche Fürstensteingrund,
nördlich dieses Beckens, sodann das Katzbachgebirge (Hohe Kullge 740 m) und unter den einzelnen Bergen der schlesischen Ebene
vor allen der Zobten (718 m). Das Riesengebirge, auf der Grenze von Schlesien und Böhmen, aus Granit und Glimmerschiefer bestehend,
enthält die höchsten Berge des Staats (Schneekoppe 1603, Hohes Rad 1509 m); seine westliche Fortsetzung
bildet das Isergebirge (Tafelfichte 1123 m), von dem in veränderter Richtung das Lausitzer und Erzgebirge außerhalb der Staatsgrenzen
zum Fichtelgebirge leiten, während in der ursprünglich nordwestlichen Richtung sich eine nicht hohe Granitplatte bis zur
Elbe bei Meißen hinzieht, zu welcher in Schlesien bei Görlitz die Basaltkuppe Landskrone (429 m) und das
Königshainer Gebirge (424 m) gehören.
Innerhalb der Gebirge Schlesiens sind unter den Thälern außer dem Glatzer Kessel das Landeshuter und Hirschberger Thal (300-400
m hoch), beide am Bober, nennenswert. Die nördliche Gebirgsreihe ist durch den weit nach S. vordringenden Tieflandsbusen
bei Halle, Leipzig, Zeitz und Altenburg gestört und erscheint erst wieder in dem Massengebirge des Harzes
(Brocken 1142 m). Aufs neue gestört, treten an ihre Stelle zu beiden Seiten der Leine in der Provinz Hannover und deren Nachbarschaft
kleinere Gebirge, z. B. die Sieben Berge, der Hils, Osterwald, Deister, Bückeberg etc., bis endlich mit dem
Wesergebirge (Süntel, Westfälische Pforte am Durchbruch der Weser, Wiehengebirge) die ursprüngliche Richtung
mehr
wiederhergestellt ist. Während aber in Schlesien Granit, Gneis und Glimmerschiefer vorherrschend sind und im Harz der Granit auch
noch an einigen Stellen zwischen der Silur- und Devonformation hervortritt, gehören die Gebirge an der Leine und Weser schon
verhältnismäßig jungen Formationen an, im O. der Weser vielfach dem kohlenreichen Wealden, im W. derselben
vorzugsweise dem Jura. Zwischen den beiden Gebirgsreihen dieses Gebirgssystems liegt außer dem Steinkohlengebirge von Ibbenbüren
(175 m), im äußersten Nordwesten, noch die Terrasse von Thüringen, vorzugsweise aus Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper
bestehend, auf welcher östlich von Göttingen der Göttinger Wald (440 m), auf dem Eichsfeld der Hainich (473
m) im Übergang zu den thüringischen Staaten, der Dün (517 m) und das Ohmgebirge (524 m), im Schwarzburgischen die Hainleite
und der Kyffhäuser mit älterm Gestein (Zechstein, Rotliegendem etc.), endlich zwischen Unstrut (Thüringische Pforte bei Sachsenburg)
und Saale die Finne. Das fruchtbare Thal zwischen der Terrasse von Thüringen und dem Harz, das von der Helme
durchströmt wird, ist die Goldene Aue. Nicht zu den genannten drei Systemen gehört das Oberschlesische Steinkohlengebirge
auf der Ostseite der Oder, das im Annaberg unweit der Oder 400 m ansteigt und als ein Ausläufer des Karpathensystems zu betrachten
ist.
Das Tiefland ist im W. von der Elbe einförmiger als im O. derselben. Am Gestade der Nordsee und längs
der Flüsse gibt es dort vortreffliche Marschländer; sodann treten gewöhnlich Moore auf, die mit Sandflächen abwechseln und
mit denselben als Geest zusammengefaßt werden. Von großem Umfang sind die Moore namentlich zu beiden Seiten der Ems bis Westfalen
hinauf, ferner zwischen Weser und Elbe im Regierungsbezirk Stade, an der Aller, zu beiden Seiten der Weser unterhalb der westfälischen
Grenze etc. Große Sandflächen bieten in Hannover die Lüneburger Heide (bis 171 m hoch) zwischen Aller und Ilmenau und der Hümling
auf der östlichen Seite der Ems im Kreis Meppen dar.
In dem Becken von Münster bildet die Senne weite unsichtbare Strecken, die teils sandig und wasserarm, teils versumpft sind.
Unter den Hügelgruppen dieses Beckens sind die Schöppinger Berge (158 m) und die Stromberger Hügel (190 m), diese auf der Platte
von Beckum, die bedeutendsten; jene bestehen aus Kalk-, diese aus Thonmergel. Durch das Tiefland der Rheinprovinz
zieht auf der westlichen Rheinseite ein geringer Landrücken, der im S., im Regierungsbezirk Köln, Ville genannt wird, bis 188 m
hoch und reich an Braunkohlen ist, im Regierungsbezirk Düsseldorf (Hochwald, Reichswald) Sandstriche enthält.
In der Provinz Sachsen bildet die Platte der Altmark (Hellberge bei Zichtau 134 m) die Fortsetzung der Lüneburger Heide.
Südlich von derselben tritt mehr und mehr anstehendes Gestein zu Tage, und in diesem Übergang zum Bergland gibt es eine Anzahl
von Höhen, unter denen besonders hervortreten: der Huy (305 m), der Fallstein (212 m), der Hoppelberg (305 m), der Regenstein
(298 m) im Sandstein der Kreideformation am Nordfuß des Harzes und das Steinkohlengebirge von Wettin an der Saale nördlich von
Halle, bei diesem der Petersberg (241 m). Im O. von der Elbe entwickeln sich im Tiefland zwei Landrücken.
Der südliche, der Märkisch-Schlesische (s. d.), zieht sich durch das südliche Brandenburg und das nördliche
Schlesien und trägt verschiedene Namen: Fläming (Hagelberg 201
m) im Regierungsbezirk Potsdam, Lausitzer Grenzwall (Rückenberg 234 m)
im Regierungsbezirk Frankfurt, Katzenberge (220 m) in Schlesien zwischen Bober und Oder, Trebnitzer Berge (311 m) zwischen Bartsch
und Weida und Oberschlesischer Jura (362 m) im N. von der Malapane; der letztere schließt sich in Polen
an die Ausläufer der Karpathen an. Der nördliche, der Norddeutsche Landrücken, durchstreicht die Provinzen Schleswig-Holstein,
Brandenburg, Pommern und Preußen und setzt sich in Rußland weiter fort. Er wird von der Oder und Weichsel durchbrochen, ist
im allgemeinen sehr breit und wasserreich und trägt die meisten sowie (außer den Haffen) auch die größten
Landseen in Preußen und Norddeutschland.
Seine bedeutendsten Höhen sind: in Schleswig-Holstein der Bungsberg (164 m), in Pommern der Steinberg (234 m) in der Südspitze
des Kreises Schlawe, in Westpreußen der Thurmberg (335 m) auf der Platte von Karthaus, endlich in Ostpreußen die Kernsdorfer Höhe
(313 m), südlich von Osterode, und der Seesker Berg (310 m), östlich von den großen Masurischen Seen auf der Ostpreußischen
Seenplatte. Zwischen beiden Landrücken herrscht eine große Abwechselung von Tief- und Hügelland, namentlich in Brandenburg;
da sind das Havelländische Luch, das Rhinluch, das Oderbruch, der Spreewald, sodann die Platte von Barnim
(160 m), die Rauenschen Berge (152 m) an der Spree etc., in Posen das Obrabruch.
Merkwürdig ist die breite und tiefe Thalsenkung längs der südlichen Seite des Norddeutschen Landrückens, in welcher von der
Weichsel bis zur Havel (Elbe) durch die Brahe, den Bromberger Kanal, die Netze, Warthe, Oder und den Finowkanal
eine schiffbare Wasserverbindung zwischen Weichsel und Elbe besteht. In dem Bereich der eigentlichen Küstenebene sind nennenswerte
Hügellandschaften: die Stubbenkammer auf Rügen (159 m), der Gollenberg bei Köslin (146 m), die Trunzer Berge bei Elbing (198
m), der Stablack mit den Höhen von Wildenhof (Schloßberg 216 m) im Kreis Preußisch-Eylau und der Galtgarben
(110 m) im Samland bei Königsberg. Hervorragende Landspitzen an der Ostsee sind Arkona auf Rügen (54 m), Rixhöft (53 m) und Brüsterort
(32 m) zu beiden Seiten der Danziger Bucht.
Gewässer.
Das deutsche Küstenland an der Ost- und Nordsee gehört überwiegend dem preußischen Staat an, da an die
Ostsee sonst nur Mecklenburg-Schwerin, Lübeck und das oldenburgische Fürstentum Lübeck; an die Nordsee nur hamburgisches und
bremisches Gebiet und Oldenburg heranreichen (näheres s. Deutschland, S. 805). Was die fließenden Gewässer anlangt, so hat
Preußen 119 schiff- und flößbare und 40 bis 50 nur flößbare Flüsse und 90 schiffbare Kanäle, von denen
einige sehr verzweigt, andre nur sehr kurz sind.
Unter den Flüssen sind 10, welche auf preußischem Gebiet mehr als 200 km weit mit Schiffen befahren werden können. Den preußischen
Staat durchfließen 6 Ströme (Memel, Weichsel, Oder, Elbe, Weser, Rhein) und 3 wichtige Küstenflüsse (Pregel, Eider, Ems);
außerdem durchströmt noch die Donau in ihrem obern, nicht schiffbaren Lauf Hohenzollern. Von den genannten Flüssen gehören
nur Pregel, Eider und Ems ausschließlich dem preußischen Staat an; Memel, Weichsel und Oder entspringen im Ausland, durchfließen
aber, sobald sie die deutsche Grenze überschritten haben, nur preußisches Gebiet. Auch die Elbe und der
Rhein entspringen außerhalb Deutschlands, berühren aber auch andre
mehr
deutsche Staaten und zwar die Elbe Sachsen, Anhalt, Mecklenburg und Hamburg, während der Rhein erst unterhalb Bingen in Preußen eintritt,
dann aber diesem Staat bis zu seinem Übertritt nach den Niederlanden angehört. Die Weser ist vorherrschend ein preußischer
Fluß, berührt aber auch braunschweigisches, bremisches und oldenburgisches Gebiet (näheres s.
Deutschland, S. 806, und die einzelnen Artikel). Zwischen Weichsel und Oder sind zahlreiche Küstenflüsse
(Rheda, Leba, Lupow, Stolpe, Wipper mit Grabow, Persante mit Radün, Rega) vorhanden, die alle auf dem Norddeutschen Landrücken
entspringen. Unter den Küstenflüssen zwischen Oder und Elbe sind, von der Eider abgesehen, die Recknitz, Trave und Schwentine
die bedeutendsten. Der Neckar berührt Hohenzollern, der Main (mit Kinzig und Nidda) die Südgrenze von Hessen-Nassau.
Zur Maas in den Niederlanden fließen die Roer und Niers, ebendaselbst zur Neuen Yssel die Berkel und zum Zuidersee die Vechte.
Unter den Kanälen sind der Bromberger Kanal (26,5 km) zwischen Brahe und Netze (Weichsel und Oder), der Finowkanal
(69,5 km) zwischen Oder und Havel und der Müllroser oder Friedrich Wilhelms-Kanal (24 km) zwischen Oder und Spree, beide zwischen
Oder- und Elbegebiet, sowie der Eiderkanal (32 km) zwischen Kieler Busen und Eider wegen ihrer Verbindungen am wichtigsten.
Sonst sind noch anzuführen: in Ostpreußen der König Wilhelms-Kanal (23 km) zur Verbindung der Ruß mit
der Stadt Memel, der Seckenburger Kanal (6) und der Große Friedrichsgraben (19) zwischen Gilge und Deime zur Umgehung des Kurischen
Haffs, die Masurische Wasserstraße (84) zwischen Angerburg und Johannisburg nebst Verzweigung zum Niedersee (41) und der Elbing-Oberländische
Kanal (115 km, mit den Seen 198 km) zwischen den Seen auf der Grenze von Ost- und Westpreußen; in Westpreußen
der Weichsel-Haffkanal (19) zwischen Danziger Weichsel und Tiege; in Brandenburg der Templiner Kanal (13,5), der Ruppiner Kanal (15),
der Große Hauptkanal im Havelländischen Luch (58 km, davon 15 schiffbar), der Sakrow-Paretzer Kanal (17) nördlich von
Potsdam, der Spandauer Kanal (9), der Landwehrkanal (9) südlich von Berlin, der Notte- (22) und der Storkowkanal (28);
in Schlesien
der Klodnitzkanal (45,5);
in Sachsen der Plauesche Kanal (57,5) zwischen Havel und Elbe;
in Schleswig-Holstein der Stecknitzkanal
(56) zwischen Elbe und Trave;
in Hannover neben vielen kleinern Kanälen in den Mooren und Marschländern
der Geeste- und Hadler Kanal (11,5 und 32 km) zwischen Geeste und Außen-Medem sowie der Oste-Hammekanal (16) zwischen Weser und
Ems, der Emskanal (26) an der Ems, der Ems-Vechtekanal (21) zwischen Ems und Vechte, der Südnordkanal (71) in den Mooren auf der
Westgrenze, der Treckfahrtskanal (23,5) zwischen Aurich und Emden, der Papenburger Stadtkanal (30) und die
Rhauderfehnkanäle (98,5 km).
Neuerdings sind umfangreiche Kanalbauten (Nordostseekanal, Oder-Spreekanal, Kanal von Dortmund
nach den Emshäfen) in Angriff genommen. An Landseen ist Preußen in einzelnen Teilen, z. B. auf dem
Norddeutschen Landrücken, außerordentlich reich; in andern, z. B. im W. von der Elbe, fehlen sie dagegen
fast gänzlich. Von besonderer Wichtigkeit sind die Seen aber nur in der Provinz Ostpreußen, wo eine Anzahl derselben auf der
Grenze von West- und Ostpreußen (Geserich-, Drewenz-, Drausensee) und im Masurenland des Regierungsbezirks Gumbinnen (Rosche-,
Spirding-, Löwentin-, Mauersee) durch schiffbare Kanäle, den Elbing-Oberländischen Kanal
dort, die Masurische Wasserstraße
hier, miteinander in Verbindung stehen.
Unter den übrigen Seen verdienen an dieser Stelle noch eine Erwähnung: der Goplosee an der obern Netze in Posen;
der Vilmsee
an der Küddow, der Drazigsee an der Drage, die Madüe an der Plöne, der Dammsche See bei Altdamm und der Kummerowsee an der Peene
in Pommern;
der Werbelliner, Paarsteiner, Ruppiner, Schwielow- (an der Havel), Schwielug- (an der Spree), Scharmützelsee und
die Ukerseen in Brandenburg;
der Süße und der Salzige See bei Eisleben in Sachsen;
der Selenter, Plöner, Ratzeburger und Schalsee
in Schleswig-Holstein;
das Steinhuder Meer in Hannover und der Laacher See in der Rheinprovinz.
Sümpfe, Moore
und Brücher in großer Ausdehnung gibt es vorzüglich in den vier Küstenprovinzen, mehr vereinzelt auch in den andern Provinzen:
in Ostpreußen in der Tilsiter Niederung am Kurischen Haff und zwischen Gilge und Deime (das Große Moosbruch);
in Pommern große
Moore an der Leba, zwischen der Persante bei Kolberg und der Dievenow bei Kammin, auf der Ostseite des Pommerschen
Haffs und an der Peene;
in Brandenburg im Havelländischen und Rhinluch, im Warthe- und Netzebruch sowie im Spreewald;
in Posen
an der Netze und Obra (Obrabruch);
in Sachsen das Fiener Bruch unweit des Plaueschen Kanals, das Halberstädter Bruch zwischen Bode
und Oker und der Drömling an der Aller und Ohre;
in Schleswig-Holstein auf der Geest zwischen Flensburg, Tondern und Husum, zwischen
Eider und Stör, so auch in Dithmarschen auf der Ostseite der Marschländer. In Hannover sind sie ganz besonders umfangreich,
so zwischen Elbe und Weser, wo bei Bremen blühende Moorkolonien sich gebildet haben, an der Aller, zu beiden
Seiten der Weser bei Nienburg, im Emsgebiet (das 1380 qkm große, fast noch ganz unkultivierte Bourtanger Moor auf der Grenze
gegen die Niederlande) und in Ostfriesland, woselbst durch die Anlegung zahlreicher Kanäle (Fehne genannt) viele blühende
Fehnkolonien entstanden sind;
in Westfalen gibt es Moore an der Bastau bei Minden und in den Sennegebieten
an der obern Ems und bei Koesfeld, in der Rheinprovinz auf dem Hohen Venn.
Durch ihre Lage sind noch bekannt: die Seefelder in der
Grafschaft Glatz, die Moore auf dem Isergebirge in Schlesien und das Brockenfeld auf dem Harz. Über Mineralquellen
s. unten, S. 345.
Klima.
Preußen hat das Klima des gemäßigten Europa, und zwar ist die Temperatur eine ziemlich gleichförmige, da die durch die verschiedene
geographische Lage bedingten Differenzen meist durch andre Verhältnisse ausgeglichen werden, namentlich dadurch, daß sich
im S. die bedeutendsten Bodenerhebungen vorfinden, im N. aber die Seeluft die Wärme und Kälte mäßigt.
Die bedeutendsten Differenzen finden sich zwischen den westlichen und östlichen Gegenden. Am Rhein, Main und in dem Tieflandsbecken
von Münster beträgt die mittlere Jahreswärme 9-10° C., über 9° außerdem noch zu Hannover, Altona und Berlin; sonst beläuft
sie sich auf 7-9° und sinkt nur in Ostpreußen und im Gebirge (Kirche Wang 870 m, Klausthal 590 m) unter
6° C. Die mittlere Temperatur des Winters beträgt unter -4° C. im östlichen Ostpreußen, zwischen -3 und -4° in Königsberg
und auf dem Norddeutschen Landrücken bis Konitz, zwischen -1 und -2° in Posen, Oberschlesien und auf
dem Oberharz, dagegen 1-2° im W. Die höchste mittlere Temperatur im Sommer (17-18° C.) haben die Rheingegenden, Torgau, das
mittlere
mehr
Brandenburg, Oberschlesien und Altona, die niedrigste (wenig über und unter 16°) die Küstenlandschaften an der Nord- und
Ostsee und der Norddeutsche Landrücken. Die mittlere Temperatur auf den nachbenannten meteorologischen Stationen Preußens war
nach dem 37jährigen Durchschnitt von 1848 bis 1885 in Graden Celsius folgende:
Memel
6.6
Tilsit
6.4
Klaußen
6.3
Königsberg
6.7
Konitz
6.6
Lauenburg i. P.
7.2
Köslin
7.1
Stettin
8.4
Putbus
7.6
Bromberg
7.7
Posen
8.0
Frankfurt a. O.
8.5
Breslau
8.0
Ratibor
8.0
Eichberg a. Bober
7.0
Kirche Wang
4.8
Görlitz
8.0
Berlin
9.1
Torgau
8.9
Erfurt
8.3
Kiel
8.1
Altona
9.1
Otterndorf
8.3
Lüneburg
8.4
Hannover
9.1
Klausthal
6.1
Heiligenstadt
8.0
Göttingen
8.5
Kassel
8.7
Gütersloh
9.0
Münster i. W.
9.3
Emden
8.4
Kleve
9.2
Köln
10.1
Aachen
10.1
Trier
9.7
Frankfurt a. M.
9.8
Der Unterschied zwischen den größten Wärme- und Kältegraden beträgt etwa 72° C., da die größte Wärme bis 36° über 0 steigt,
die größte Kalte aber etwa ebensoviel unter 0 fällt (1850 Bromberg und Posen -36,6 und 36,5° C.). Die Regenmenge beträgt
im jährlichen Durchschnitt 50-60 cm auf dem Norddeutschen Landrücken und in Posen, 70-90 an der Nordseeküste und noch mehr
auf den Gebirgen (im Riesengebirge bis 116, auf dem Oberharz bis 167 cm). Die Gewitter sind im SW. zahlreicher
als im NO. In den westlichen Landesteilen überwiegen Südwestwinde, in den östlichen West- und Nordwestwinde; nur an der Küste
Hinterpommerns und in Oberschlesien sind im Frühling und Sommer Nordwinde, im Moselthal im Frühling und Herbst Nordostwinde
vorherrschend.
Bevölkerung.
Über den Flächeninhalt und die Einwohnerzahl des Staats sowie der größern Verwaltungsbezirke der Provinzen,
deren es (inkl. Berlin und Hohenzollern) 14 gibt, unterrichtet die nachfolgende Aufstellung.
Provinzen
Areal QKilom.
QMeil.
Bevölkerung 1885
Einw. auf 1 qkm
Ostpreußen
36982
671.64
1959475
53
Westpreußen
25509
463.26
1408229
55
Berlin (Stadtkreis)
63.36
1.15
1315287
-
Brandenburg
39834
723.43
2342411
59
Pommern
30110
546.83
1505575
50
Posen
28958
525.90
1715618
59
Schlesien
40303
731.94
4112219
102
Sachsen
25250
458.57
2428367
96
Schleswig-Holstein
18841
342.16
1150306
61
Hannover
38481
698.85
2172702
56
Westfalen
20204
366.87
2204580
109
Hessen-Nassau
15686
284.89
1592454
101
Rheinland
26991
490.02
4344527
161
Hohenzollern
1142
20.74
66720
58
Zusammen:
348354
6326.25
28318470
81
Volkszahl, Zu- und Abnahme. Die Bevölkerung des preußischen Staats ist in stetigem Steigen begriffen. Während man 1816:
10,349,031, 1831: 13,038,960,
1840: 14,928,501, 1852: 16,935,420 Einw. zählte, betrug die Bevölkerung des Staats 1864: 19,255,139, 1867 (mit
Einschluß der neuerworbenen Provinzen u. des Herzogtums Lauenburg) 24,021,315, 1871: 24,639,706, 1875 (mit
Lauenburg) 25,742,404, 1880: 27,279,111 und 1885: 28,318,470 Seelen. Die Volksvermehrung bezifferte sich im jährlichen Durchschnitt
mehrjähriger Perioden im laufenden Jahrhundert auf ¾-1½ Proz. der mittern ^[richtig: mittlern] Bevölkerung; bei nur dreijährigen
Perioden treten schon bedeutendere Schwankungen auf.
Für den preußischen Staat im jetzigen Umfang betrug die Zunahme der Bevölkerung 1867-71: 129,598, 1871-75:
225,685, 1875-80: 307,341 und 1880-85: 207,872 Seelen. Als Hauptquelle der Volkszunahme tritt der Geburtenüberschuß auf;
für die Entwickelung der einzelnen Landesteile sind aber hauptsächlich die Erwerbsquellen derselben maßgebend; welche einmal
schon jenen Überschuß wesentlich beeinflussen, dann jedoch die Zu-, bez. Abzüge
veranlassen. Die Aufhebung der frühern, allen landwirtschaftlichen Fortschritt hemmenden Agrarverfassung (Flurzwang), die
Ablösung der vielerlei Grundlasten bewirkten in den betreffenden ländlichen Bezirken einen Aufschwung der Bevölkerungszunahme,
wie er in den östlichen Gebieten des Staats vom 2. bis 6. Jahrzehnt dieses Jahrhunderts und in den Provinzen Schleswig-Holstein
und besonders Sachsen bis zur Gegenwart sich geltend macht.
Eine noch stärkere Wirkung erzeugte die Aufschließung innerer Erdschätze, namentlich der Kohlen (Regierungsbezirke Oppeln,
Arnsberg und Düsseldorf). In der Periode 1880-85 zeigen 5 Bezirke eine Abnahme der Bevölkerung, nämlich die 3 pommerschen sowie
Lüneburg und Sigmaringen. Auf kleinern Gebieten ist auch in andern Provinzen ein Rückgang der Bevölkerung
erfolgt, nämlich in 201 Kreisen von insgesamt 544. Dagegen zeigen 31 Bezirke eine namhafte Bevölkerungszunahme.
Auswanderung. Da der Überschuß der Geburten in der Periode 1871-85: 4,894,000, die wirkliche Zunahme der Bevölkerung nur 3,750,000
Köpfe beträgt, so ergibt sich für diesen Zeitraum eine Mehrauswanderung von 1,144,000 Köpfen, wovon
922,000 nachweislich auf die überseeische Auswanderung entfallen. Nach dem deutsch-französischen Krieg wuchs die Zahl der
überseeischen Auswanderer in den Jahren 1871-73 auf 40,956, 80,242 und 67,752 an. Auf den Höhepunkt 1872 folgte die niedergehende
Periode 1874-79. Schon 1880 hob wieder die Steigerung an, welche für 1881 die bedeutende Ziffer von 145,679
Auswanderern ergab.
Auch 1882 und 1883 wurden noch über 100,000 ermittelt, und die Senkung ging nun bis 50,461 im J. 1886, um sich 1887 wieder
auf 63,036 Auswanderer zu heben. An der Auswanderung ist das weibliche Geschlecht im Verhältnis von 80 auf 100 Männer beteiligt.
Die stärkste Auswanderung erfolgte aus den Provinzen Pommern, Westpreußen, Posen, Schleswig-Holstein und
Hannover. Über die Berufsverhältnisse der Auswanderer s. Deutschland, S. 811. Als Reiseziel sind in erster Linie die Vereinigten Staaten
von Amerika zu nennen, wohin seit langen Jahren etwa 95 Proz. der Auswanderer übersiedeln (1878-87: 732,540 Personen). Daneben
kommen höchstens noch in Betracht Brasilien (11,257 Köpfe) und das übrige Südamerika sowie Australien
(5800 Köpfe).
Dichtigkeit. Außer der Hauptstadt Berlin weisen einerseits die mineralreichen Industriegegenden mit Kleingrundbesitz (Rheinland,
Regierungsbezirke Arnsberg, Wiesbaden und Oppeln) und einzelne waldreiche Gegenden mit Klein- und Hausindustrie (Teile des Regierungsbezirks
Breslau) eine starke Bewohnerzahl im Verhältnis zur Fläche auf, anderseits sind die unfruchtbaren Gebirgsgegenden
sowie die Heide- und Moorlandschaften nebst den Landesteilen mit ausgedehnten Brachländereien und geringen Weiden (Lüneburger Heide,
Teile der Regierungsbezirke Aurich und Schleswig, ferner Pommern, Posen und Westpreußen) schwach bevölkert. Eine mittlere Dichtigkeit
zeigen die fruchtbaren Landstriche ohne ausgedehnten Großgrundbesitz. Auf einer
mehr
zusammenhängenden Fläche der Regierungsbezirke Arnsberg und Düsseldorf im Ruhrkohlengebiet bis hinüber an die niederländische
Grenze wohnten 1885 auf 4017,9 qkm nicht weniger als 2,064,908 Menschen oder fast 514 auf 1 qkm. In dem montanindustriellen
Teil des Regierungsbezirks Oppeln tritt als hervorragend nur das kleine Gebiet der 3 Kreise Beuthen, Kattowitz
und Zabrze hervor, wo 683 Einw. auf 1 qkm entfallen (1880 erst 528). Die 3 hausindustriellen
Kreise des Regierungsbezirks Breslau: Waldenburg, Reichenbach und Schweidnitz, haben trotz der kargen natürlichen Ausstattung
(315, bez. 190 und 168) zusammen über 200 Bewohner auf 1 qkm.
Dagegen sind in den oben genannten dünn bevölkerten Landstrichen nur 35 bis herab zu 17 Einw.
auf 1 qkm anzutreffen.
Besonders zu nennen sind die lüneburgischen Kreise Soltau, Celle (Land) und Isenhagen mit 17-19, ferner Zeven und Rotenburg im
Bezirk Stade mit 21 und 24, Hümmling und Meppen im Bezirk Aurich mit 19 und 25, die schleswigschen Kreise Hadersleben,
Segeberg und Tondern mit 31-35 sowie das westpreußische und pommersche Gebiet der Tucheler Heide und der pommerschen Seenplatte:
Kreise Rummelsburg, Bublitz, Schlochau, Tuchel, Flatow, Deutsch-Krone, Dramburg etc., mit 30-32 Einw. auf 1 qkm.
Vgl. obige Tabelle für die Provinzen (S. 342) und die »Karte Bevölkerungsdichtigkeit« beim Artikel »Deutschland«.
Geschlecht. Obgleich in Preußen etwa 6 Proz. mehr Knaben als Mädchen geboren werden, überwiegt in der Bevölkerung
dennoch das weibliche Geschlecht. 1885 wurden durchschnittlich 103,8 Frauen gegen 100 Männer ermittelt; in den Regierungsbezirken
Breslau und Liegnitz erhebt sich das Verhältnis sogar auf 111,6 und 111,2. Über 108 gehen noch die
Ziffern für Königsberg und Gumbinnen, für Berlin, Posen, Oppeln, Sigmaringen, während mehrere Bezirke (z. B.
Arnsberg mit 93,8 weiblichen auf 100 männliche Personen, Münster, Lüneburg, Stade, Trier, Düsseldorf, Potsdam und Schleswig) einen
sich bis über 2 Proz. erhebenden Überschuß des männlichen Geschlechts nachweisen. In Berlin war bis 1875 das männliche
Geschlecht im Übergewicht, die Zählung von 1880 ergab jedoch einen Überschuß von 36,672, die
von 1885 einen von 51,531 weiblichen Personen.
Familienstand. Von der Gesamtbevölkerung unterschied man 1885 in Prozenten:
Männer
Frauen
insgesamt
Ledige
62.4
57.9
60.1
Verheiratete
34.4
33.3
33.8
Verwitwete
3.1
8.6
5.9
Geschiedene
0.1
0.2
0.15
Im produktiven Alter vom vollendeten 15. bis 70. Lebensjahr standen 61,7 Proz.,
im Greisenalter (über 70 Jahre) 2,5 und im Kindesalter (unter 15 Jahren) 35,8 Proz. der Bevölkerung.
Bewegung der Bevölkerung. Im J. 1886 wurden in Preußen 231,588 Ehen (8,1 auf 1000 Personen) geschlossen; die Zahl der Eheschließungen
war von 1872 (mit 10,4 auf 1000 Personen) bis 1881 (7,5 pro Mille) in stetem Rückgang begriffen, hat sich
aber seitdem merklich gehoben. Die Zahl der Gebornen betrug 1886: 1,117,881 (576,248 Knaben und 541,633 Mädchen), davon waren
91,890 (8,2 Proz.) unehelich, 43,583 (3,9
Proz.) totgeboren und 28,618 (2,6 Proz.)
Mehrlingskinder. Unter den unehelichen Kindern waren 4773 oder 5,2 Proz. totgeboren. Auf 100 Mädchen
entfallen 106,4 Knaben. Die allgemeine Geburtsziffer, d. h. das Verhältnis der Gebornen zur Einwohnerzahl, betrug 1886: 39,4
(am höchsten in
Westpreußen, Posen und Ostpreußen, am niedrigsten in Hessen-Nassau, Schleswig-Holstein, Hannover und Hohenzollern).
Es starben (einschließlich der Totgebornen) 786,316 Personen (24,7 pro. Mille).
Wohnplätze, Haushaltungen. Die Zahl der Städte beträgt 1280, die der Landgemeinden 37,319 und der Gutsbezirke 16,383, zusammen
also 55,982 Gemeindeeinheiten. Mehr als doppelt so hoch stellt sich die Zahl der Wohnplätze, welche 1871: 114,657 war und
jetzt 127,000 beträgt. Über 20,000 Einw. zählten 1885 im ganzen 81 Städte und 3 Landgemeinden, 12 Städte
hatten mehr als 100,000, 14 von 50-100,000 Einw., ferner gab es 113 Städte und 20 Landgemeinden von 10-20,000 Einw. Die Anzahl
der übrigen Gemeinden verteilt sich auf folgende Klassen:
Es hatten
Anzahl der Städte
Landgemeinden
Gutsbezirke
5-10000 Einwohner
203
91
4
2-5000 Einwohner
528
585
8
1-2000 Einwohner
288
2034
38
500-1000 Einwohner
63
6161
247
100-500 Einwohner
4
22478
7194
unter 100 Einwohner
-
5947
8912
Bewohnte Wohnstätten wurden 1885: 3,195,439 ermittelt. In den großen Städten kommen bis zu 50 Bewohner durchschnittlich
aus 1 Wohnhaus, während die durchschnittliche Belegungsziffer auf dem platten Land meistens unter 7,
zum großen Teil auch noch unter 6 herabgeht. 371,781 Personen lebten in ebensoviel Einzelhaushaltungen, 27,401,872 in 5,584,442
Familieneinheiten und 544,817 in 20,023 Anstalten. Auf eine Familienhaushaltung entfallen durchschnittlich 4,91
Personen gegen 4,92 im J. 1871.
Nationalität (Staatsangehörigkeit). Die Nationalität der Bewohner wurde bei den letzten Volkszählungen nicht ermittelt und
läßt sich exakt überhaupt nicht erheben. Die in ethnographischer Beziehung nichtdeutsche Bevölkerung
in Preußen kann man auf etwas mehr als 3,500,000 annehmen, davon leben über das ganze Königreich zerstreut etwa 400,000 Juden,
über 2½ Mill. Polen (Großpolen, Masuren, Kassuben, Lechen oder Wasserpolen) in den Provinzen Ost- und Westpreußen, Posen, Schlesien
und auch Pommern.
In der Gegend von Memel leben noch einige hundert Kuren, deren Sprache an die Ureinwohner der Provinz Ostpreußen, die alten Preußen,
erinnert. Nördlich sowie auch südlich der Memel haben sich noch annähernd 150,000 Litauer erhalten. Nichtdeutsch sind auch
die eine Sprachinsel bildenden Wenden in den Regierungsbezirken Frankfurt und Liegnitz (ca. 80-90,000). In den
Kreisen Ratibor und Leobschütz des Regierungsbezirks Oppeln wohnen etwa 40,000 Tschechen, die dem mährischen Zweig dieses Stammes
angehören und katholisch sind, während die Nachkommen der unter Friedrich d. Gr. in den Kreisen Wartenberg, Strehlen, Oppeln
und Tost-Gleiwitz angesiedelten (jetzt etwa 6000) Tschechen evangelisch sind. Im ganzen mag sich die Zahl
der Tschechen auf 55,000 belaufen.
Die Zahl der Dänen im nördlichen Schleswig ist im Rückgang begriffen und mag gegenwärtig noch 140,000 betragen. Außerdem
ist im Regierungsbezirk Aachen der Kreis Malmedy zu erwähnen, dessen Bevölkerung vorzugsweise zu den Wallonen gerechnet wird,
und wo noch jetzt einige tausend die französische Sprache reden. Neben dieser nichtdeutschen Bevölkerung
wurden in Preußen 214,390 Personen als im Reichsausland geboren ermittelt. Der Staatsangehörigkeit
mehr
nach waren Ende 1885: 27,841,149 oder 98,3 Proz. der Einwohner Preußen,
unter dem Rest befanden sich zunächst 319,192 andre Deutsche, während im übrigen 43,883 Österreicher und Ungarn, 30,326
Dänen, 25,146 Holländer, 21,217 Russen, 6963 Briten, 6519 Schweden und Norweger, 5687 Schweizer, 4472 Belgier, 2732 Italiener, 1895 Franzosen, 1896 andre
Europäer, 5055 Nordamerikaner und 2338 andre Nichteuropäer und ohne Angabe gezählt wurden.
Religionsbekenntnis. In Preußen gab es 1885: 18,244,405 Evangelische (mit Lutheranern und Reformierten), 9,620,326 Katholiken (einschließlich
der Altkatholiken), 1437 Griechisch-Katholische, 82,030 sonstige Christen und zwar 57,741 aus protestantischen Kirchengemeinschaften
(Herrnhuter, Irvingianer, Baptisten, Mennoniten, Methodisten, Presbyterianer, Quäker, freie schottische Kirche), 1372 Angehörige
der englischen Hochkirche, 22,917 Dissidenten, ferner 366,575 Juden und 3697 Bekenner andrer Religionen und ohne Angabe. Für
die einzelnen Provinzen wurden folgende Zahlen ermittelt:
Provinzen 1885
Evangelische
Proz. der Bevölkerung
Katholiken (auch griech.-katholisch)
Sonstige Christen
Juden
Andersgläubige
Ostpreußen
1677711
85.6
255024
11028
15667
45
Westpreußen
668255
47.4
701842
13438
24654
40
Berlin
1143352
87.0
99579
6911
64383
1062
Brandenburg
2266430
96.8
58343
5350
12164
124
Pommern
1465477
97.3
22390
4371
13291
46
Posen
531722
30.9
1131869
1143
50866
18
Schlesien
1897002
46.1
2156578
7048
51481
110
Sachsen
2258446
93.0
157943
4396
7343
239
Schleswig-Holstein
1131899
98.4
12217
2215
3544
431
Hannover
1883673
86.7
269134
4533
15009
353
Westfalen
1035869
47.0
1145632
4044
18935
100
Hessen-Nassau
1110831
69.9
431529
6398
43145
551
Rheinland
1171398
27.0
3115994
11152
45405
578
Hohenzollern
2340
3.5
63689
3
688
-
Zusammen
18244405
64.4
9621763
82030
366575
3697
Näheres über die örtliche Verteilung der Evangelischen, Katholiken sowie der Juden s. Deutschland, S. 818 (mit
Karte).
Bildungsanstalten.
Volksbildung. Die preußische Volksschule steht gegenwärtig neben der andrer deutscher Staaten auf der ersten Stufe unter den
Völkern der Erde. Infolge des verfassungsmäßig bestehenden Schulzwanges müssen alle Bewohner ihre nicht anderweit gehörig
unterrichteten Kinder vom zurückgelegten 6. bis zum vollendeten 14. Lebensjahr zur öffentlichen Schule
schicken. Die Volksschule untersteht den Bezirksregierungen und in oberster Instanz der Staatsregierung, während die unmittelbare
Aufsicht seitens der Gemeinden durch Deputationen und Kommissionen sowie durch Lokal- und die staatlich bestellten Kreisschulinspektoren
ausgeübt wird. Im allgemeinen liegt den Gemeinden die Unterhaltungspflicht ob, indessen wird fast überall
Schulgeld erhoben, und anderseits leistet der Staat Zuschüsse. 1886 betrugen die Unterhaltungskosten im ganzen 116 3/5 Mill.
Mk., wovon 9,4 Proz. auf Schulgeld, 78,6
auf Leistungen der Verpflichteten und 12 Proz. auf Staatsbeiträge entfielen.
Die Zahl der
Volksschulen betrug 1886: 34,016 mit 4,838,247 Schülern, welche in 77,097 Klassen (darunter
noch 54,704 gemischte Klassen) unterrichtet wurden. Unter den Schulen waren 23,152 ein- und zweiklassige mit Einer Lehrkraft,
dagegen 3951 vier- und mehrklassige (zu 3/5 in den Städten). An den öffentlichen Volksschulen waren 64,750 Stellen für voll
beschäftigte Lehrkräfte (darunter 6848 Lehrerinnen) vorhanden, wovon 460 unbesetzt, für Hilfslehrkräfte 1183 (49 für
Lehrerinnen).
Neben den öffentlichen Volksschulen mag es etwa 2000 niedere Privatschulen mit 125,000 Schülern geben. Für die Ausbildung
der Volksschullehrer bestehen 106 königliche Lehrer- und 8 Lehrerinnenseminare mit zusammen ca. 10,000 Schülern, ferner 34 Präparandenanstalten.
Als eine Art Ergänzung der Volksschulen erscheinen die Fortbildungs-, Abend- und Sonntagsschulen; höhere Ziele verfolgen
die Mittelschulen, deren es 1878 für Knaben 336, für Mädchen 1885: 185 gab. In 15 Blindenanstalten wurden 1886: 540 Blinde
in schulpflichtigem Alter und 473 erwachsene Blinde unterhalten, während außer in 75 königlichen und Provinzial-Taubstummenanstalten
noch in 21 Gemeinde- und Privatanstalten Taubstumme Unterricht genossen.
Höhere Lehranstalten. Im Winter 1885/86 zählte man 259 Gymnasien, 39 Progymnasien, 89 Realgymnasien, 86 Realprogymnasien, 13 Oberrealschulen, 17 Realschulen
und 22 höhere Bürgerschulen, zusammen mit 8724 Lehrern und 151,541 Schülern (inkl. der Vorschüler). Zur Ausstellung des Qualifikationszeugnisses
für den einjährigen Militärdienst waren außer diesen noch 33 andre Anstalten (darunter 16 Landwirtschaftsschulen) berechtigt.
Die Universitäten bestehen in der Regel aus vier Fakultäten: einer theologischen, juristischen, medizinischen
und philosophischen. Die Universitäten Bonn und Breslau haben außer der evangelisch- auch eine katholisch-theologische Fakultät,
während die Akademie zu Münster nur zwei Fakultäten, eine katholisch-theologische und eine philosophische, und das Lyceum
zu Braunsberg nur eine katholisch-theologische Fakultät hat. Im Durchschnitt der letzten Jahre wurden die 11 preußischen
Hochschulen (Berlin, Bonn, Breslau, Göttingen, Greifswald, Halle a. S., Kiel, Königsberg i. Pr., Marburg, Münster [Akademie] und Braunsberg
[Lyceum]) von zusammen 13,400 Studierenden (ohne ca. 2000 zum Besuch der Vorlesungen Berechtigte) besucht. Das Lehrpersonal
beläuft sich insgesamt auf 1157, darunter 503 ordentliche Professoren.
Fachschulen. Zur Vorbereitung für den landwirtschaftlichen Beruf dienen die landwirtschaftliche Hochschule
zu Berlin, die landwirtschaftliche Akademie zu Poppelsdorf (bei Bonn) sowie die landwirtschaftlichen, mit den Universitäten verbundenen
Institute zu Königsberg (mit einem Tierarzneiinstitut), Breslau, Halle, Kiel und Göttingen (mit einem Tierarzneiinstitut), zusammen 7 Hochschulen.
Ferner gibt es zwei tierärztliche Hochschulen, eine zu Berlin und eine zu Hannover. An mittlern und niedern
landwirtschaftlichen Lehranstalten sind zu nennen: 16 berechtigte Landwirtschaftsschulen, 32 Ackerbauschulen, 45 landwirtschaftliche
Winterschulen, 3 Wiesenbauschulen, 4 pomologische Institute und Gärtnerlehranstalten, 33 Garten- und Obstbauschulen, das Lehrinstitut
für Zuckerfabrikation zu Berlin, die Brennereischule zu Berlin, 15 Molkerei- und Haushaltungsschulen, 22 Lehrschmieden und
Hufbeschlagsschulen, die Imkerschule zu Buckow (Kreis Lebus). Endlich gehören hierher die 418 ländlichen Fortbildungsschulen
(die meisten im Rheinland). Forstliche Lehranstalten sind außer den königlichen Forstakademien zu Eberswalde und Münden mit
zusammen 220 Studierenden die königlichen
mehr
Forstlehrlingsschulen zu Groß-Schönebeck und Proskau. Lehranstalten für die Baukunst und das Baugewerbe sind die 3 technischen
Hochschulen zu Berlin, Hannover und Aachen, ferner 12 Baugewerkschulen, eine Schule für Maschinenbau (Einbeck), für Metallindustrie
(Iserlohn, Remscheid und Bochum). In Berlin und Klausthal bestehen Bergakademien, während die Zahl der Bergschulen 10 und diejenige
der Bergvorschulen 29 beträgt. Zahlreich sind auch die gewerblichen Fachschulen (darunter 6 höhere Webschulen), Handels-,
Navigations- etc. Schulen.
Die Zahl der letztern beträgt 14 nebst 18 Navigationsvorschulen. Der Pflege der bildenden Künste widmen sich die staatlichen
Kunstakademien zu Berlin, Königsberg, Düsseldorf, Kassel, ferner die Zeichenakademie zu Hanau, und neben den
zwei staatlichen Kunstschulen zu. Berlin (mit Kunstgewerbeschule) und Breslau gibt es noch derartige Privatinstitute in Königsberg,
Danzig und Magdeburg. Die Tonkunst wird vorzugsweise in Privatanstalten geübt; doch bestehen in Berlin eine akademische Hochschule
für Musik, eine akademische Meisterschule für musikalische Komposition und ein akademisches Institut für Kirchenmusik.
Der Vorbereitung für den Kriegsdienst und allgemeinen militärischen Zwecken dienen die Kriegsakademien,
die vereinigte Artillerie- und Ingenieurschule zu Berlin sowie die Marineakademie zu Kiel, welche militärische Hochschulen sind,
ebenso wie die zunächst militärischen Zwecken dienenden: königliche medizinisch-chirurgische Akademie und medizinisch-chirurgisches
Friedrich Wilhelms-Institut zu Berlin. Zur Versorgung der Armee mit Roßärzten besteht in Berlin die Militär-Roßarztschule.
Kriegsschulen sind in Anklam, Engers, Glogau (bis 1885 in Erfurt), Hannover, Kassel, Neiße und Potsdam; Kadettenhäuser in Kulm, Potsdam,
Wahlstatt, Bensberg, Plön, Oranienstein, und die Hauptkadettenanstalt befindet sich in Groß-Lichterfelde. Eine Marineschule
hat Kiel. Außerdem sind als Militärlehr- und -Erziehungsanstalten hier zu nennen: die Artillerieschieß-, die Oberfeuerwerkerschule
und die Militär-Turnanstalt zu Berlin und das Militär-Reitinstitut zu Hannover;
die Unteroffizierschulen
zu Potsdam, Jülich, Biebrich, Weißenfels, (Ettlingen in Baden), Marienwerder, die Unteroffizier-Vorschulen in Annaburg (mit Militär-Knabenerziehungs-Institut)
und Weilburg und die Militär-Waisenhäuser zu Potsdam und Stralsund.
Unter den Bibliotheken ist die königliche (Staats-) Bibliothek
zu Berlin die bedeutendste, welcher sich zunächst einige Universitätsbibliotheken sowie die Landesbibliotheken
zu Fulda, Kassel, Wiesbaden und Düsseldorf anreihen. Unter den Fachbibliotheken verdienen Erwähnung diejenigen des kaiserlichen
Statistischen Amtes und des königlichen Statistischen Büreaus zu Berlin. Sternwarten bestehen zu Berlin, Danzig (Observatorium der
Naturforschenden Gesellschaft), Düsseldorf (städtische), Bothkamp in Schleswig-Holstein (Privatsternwarte des Kammerherrn von
Bülow), Potsdam (astro-physikalische Observatorium, Sonnenwarte), Wilhelmshaven sowie an den Universitäten
zu Königsberg, Breslau, Kiel, Göttingen, Marburg und Bonn. Die Altonaer Sternwarte ist seit einer Reihe von Jahren aufgelöst.
Das geodätische Institut und Zentralbüreau der internationalen Erdmessung, das meteorologische Institut, die 1700 gegründete, 1740 neuorganisierte
Akademie der Wissenschaften zu Berlin dienen in erster Linie wissenschaftlichen Zwecken, in gewisser Beziehung
auch die Staatsarchive. Vortreffliche Kunstsammlungen
bilden die königlichen Museen, das Museum für Völkerkunde, das Kunstgewerbemuseum,
seit 1861 die Nationalgalerie für Werke deutscher Meister des 19. Jahrh., das Rauch-Museum etc., sämtlich in Berlin.
Von großem Interesse sind ferner das Hohenzollern-Museum (im königlichen Monbijouschloß), das Postmuseum im
General-Postamtsgebäude zu Berlin. Nennenswerte Museen befinden sich außerdem in Breslau, Kassel (nebst Bildergalerie), Danzig,
Kiel, Stettin, Stralsund, Bonn, Frankfurt a. M., Halle a. S., Hannover, Wiesbaden, Köln, Düsseldorf u. a. O. Botanische Gärten bestehen,
außer an den Universitäten, in Köln, Düsseldorf, Frankfurt a. M. und Frankfurt a. O.; zoologische Gärten zu Berlin, Köln, Breslau,
Frankfurt a. M. und Hannover. Die Presse hat in den letzten Jahrzehnten einen außerordentlichen Umfang gewonnen. Außer zahlreichen
Organen aller politischen und wirtschaftlichen Parteien gibt es zahllose Fachblätter aller Art und fast eines jeden Berufszweigs.
Gesundheitspflege. Die neueste Erhebung des Heilpersonals vom ermittelte 9284 Ärzte gegen 7956 im J. 1876. Die
Apotheken vermehrten sich 1876-87 von 2361 auf 2532, und die Zahl der Hebammen wuchs gleichzeitig von 16,975 auf 19,137. Im
Durchschnitt kommen auf einen Arzt 3054, auf eine Apotheke 11,192 und auf eine Hebamme 1482 Einw. Die allgemeinen Heilanstalten
in Preußen hatten 1886 (ohne die Abteilungen für Irre, Augenkranke und Gebärende sowie ohne
die Militärlazarette) 59,523 eingerichtet Betten und 357,168 verpflegte Personen. Es bestehen 71 öffentliche und 103 private
Irrenanstalten, in denen zusammen (1886) 35,524 (1876 nur 20,115) Irre verpflegt wurden.
Die Zahl der Idiotenanstalten beträgt 29, diejenige der Anstalten (bez. Abteilungen)
für Epileptische 17 und der Trinkerasyle 3; ferner gibt es 55 Augenheilanstalten und 149 Entbindungsanstalten.
(Vgl. Guttstadt, Krankenhaus-Lexikon für das Königreich Preußen, Berl. 1885, 2 Bde.)
Preußen besitzt zahlreiche Bäder und Trinkquellen, nämlich 122 Mineralbäder verschiedenster Art, 18 Trinkquellen nur zum Versand, 48 Ostsee-
und 10 Nordseebäder. Der Besuch der Mineralbäder allein hat sich 1870-85 von 95,600 auf 224,230 Kur-
und Badegäste gesteigert; die Seebäder besuchten 1885 außerdem 86,620 Badegäste. Am besuchtesten sind Wiesbaden und Homburg
v. d. H. (einfache
Kochsalzwässer), Ems, Neuenahr, Salzbrunn (alkalische Wässer), Landeck (Wildbad), Kreuznach (jod- und bromhaltige Kochsalzwässer),
Aachen (Schwefelwasser), Reinerz, Langenschwalbach (Eisenwasser, bez. Stahlquellen); unter den Seebädern Norderney, Borkum und
Westerland auf Sylt an der Nordsee, Kolberg (zugleich Solbad), Heringsdorf, Misdroy, Zoppot und Kranz an der Ostsee.
Landwirtschaft. Waldkultur.
Die Landwirtschaft bildet heute noch den wichtigsten Zweig der produktiven Thätigkeit des preußischen Volkes, obwohl der Boden
überwiegend nur von mittlerer Güte ist. Nach den Ermittelungen von 1883 beträgt der Flächeninhalt des
preußischen Staats (einschließlich Hohenzollern) 34,833,067 Hektar, nämlich 17,527,740 Hektar Acker- u. Gartenland, 3,292,140
Hektar Wiesen, 3,908,749 Hektar Weiden und Hutungen (auch Öd- u. Unland), 20,271 Hektar Weingärten, 8,153,947 Hektar Holzungen,
320,581 Hektar Haus- u. Hofräume und 1,609,639 Hektar Wegeland, Gewässer etc. Der prozentuale Anteil dieser Kulturarten etc.
an der Gesamtfläche der Provinzen ist folgender:
mehr
Provinzen
Acker- und Gartenland
Wiesen
Weiden und Hutungen
Weingärten
Forsten und Holzungen
Haus- und Hofräume
Wegeland,
Gewässer etc.
Ostpreußen
51.6
12.7
10.9
0.0
18.0
0.8
6.0
Westpreußen
54.7
6.5
11.9
0.0
21.0
0.7
5.2
Stadtkreis Berlin
19.3
2.4
20.0
-
0.5
28.7
29.1
Brandenburg
46.2
10.1
5.0
0.0
32.5
0.7
5.5
Pommern
55.3
10.2
9.3
-
19.7
0.7
4.8
Posen
61.9
8.1
5.2
0.0
20.0
0.9
3.9
Schlesien
55.8
8.6
2.2
0.0
28.8
1.2
3.4
Sachsen
60.9
8.3
4.7
0.0
20.5
1.1
4.5
Schleswig-Holstein
58.2
10.8
17.8
-
6.4
0.8
6.0
Hannover
32.8
10.3
35.0
-
16.1
0.8
5.0
Westfalen
42.2
7.8
17.3
-
28.0
1.3
3.4
Hessen-Nassau
39.7
11.6
4.5
0.2
40.0
0.8
3.2
Rheinland
46.3
7.7
9.7
0.5
30.7
1.3
3.8
Hohenzollern
45.9
10.5
7.6
-
33.4
0.5
2.1
Zusammen
50.3
9.5
11.2
0.1
23.4
0.9
4.6
Nach der Grundsteuerregulierung von 1861-65 in den acht alten und von 1871-75 in den drei neuen Provinzen
beläuft sich der Gesamtreinertrag des Staats (ohne Hohenzollern) auf 445,9 Mill. Mk., nämlich 308,8
Mill. Mk. für das Ackerland, 9,9 Mill. für die Gärten, 62,5 Mill. für die Wiesen, 23,5 Mill. für die Weiden, 40,1 Mill.
für die Waldungen, 1 Mill. für die Wasserstücke und 36,914 Mk. für das Ödland.
Der Reinertrag der einzelnen Kulturarten in Mark für 1 Hektar ist in den einzelnen Provinzen folgender:
Provinzen
Ackerland
Gärten
Wiesen
Weiden
Holzungen
Wasserstücke
Ödland
Durchschnitt
Ostpreußen
9.2
19.4
11.1
3.5
2.3
1.1
1.0
7.2
Westpreußen
10.8
27.2
16.3
1.5
1.8
1.2
0.6
7.6
Brandenburg (mit Berlin)
14.1
29.1
15.3
5.4
3.9
2.7
0.9
9.6
Pommern
13.2
31.2
13.5
2.7
3.6
0.9
0.9
9.6
Posen
10.2
21.3
13.2
4.2
2.4
1.5
0.3
8.1
Schlesien
19.2
35.7
20.4
5.1
4.2
6.6
0.9
14.1
Sachsen
31.2
38.7
24.6
6.0
7.2
4.8
1.5
22.8
Schlesw.-Holstein
22.9
43.6
21.1
17.6
11.5
6.1
0.6
20.9
Hannover
23.2
42.6
21.5
5.9
8.2
1.6
0.5
13.8
Westfalen
23.4
53.7
25.8
8.1
6.3
5.4
0.3
15.3
Hessen-Nassau
22.8
51.6
23.6
3.9
7.6
6.7
0.8
16.0
Rheinprovinz
30.3
68.4
29.1
12.9
7.5
7.5
1.2
20.4
Zusammen
18.2
40.7
18.4
6.2
4.9
2.1
0.8
13.5
Die Provinz Ostpreußen hat das beste Ackerland an der Memel (Kreis Niederung 17,7 Mk. Reinertrag für 1 Hektar) und in dem Landstrich
von Stallupönen bis Mohrungen, das schlechteste in den südlichen Grenzkreisen (Neidenburg, Ortelsburg und Johannisburg 4,2 Mk.);
Westpreußen das beste in den Weichselwerdern (Marienburg 33,6 Mk.) und im Kulmer Lande, das schlechteste
im Kreis Löbau (5,1 Mk.) und auf der Höhe des Landrückens längs der pommerschen Grenze (Karthaus und Schlochau 4,8 Mk.). In
Brandenburg zeichnen sich durch Bodenfruchtbarkeit das Oderbruch und ein Teil der Ukermark aus; der Sandboden ist in den südlichen
Kreisen durchaus vorherrschend;
die Gegensätze bilden die Kreise Prenzlau und Lübben mit einem Reinertrag
von 23,4 und 5,1 Mk. für 1 Hektar Ackerland.
Pommern hat vorzüglichen Boden in Vorpommern mit Ausnahme des Kreises Ukermünde, in Hinterpommern bei Pyritz und in der Küstengegend
nach O. bis über Stolp hinaus; dagegen hat der Landrücken, namentlich im Regierungsbezirk Köslin, ganz
vorwiegend Sandboden (Rügen 28,5 und Rummelsburg 4,8 Mk.). In Posen sind die Kreise längs der nördlichen und westlichen Grenze
am wenigsten fruchtbar; das Gegenteil zeigt sich in den polnischen Kreisen an der Ostgrenze (Inowrazlaw 16,8 und Meseritz 6,3
Mk.). Schlesien hat einen vorzüglichen Boden in der ganzen Landschaft längs des Fußes der Gebirge von Görlitz
bis Ratibor; der schlechteste Boden findet sich in Oberschlesien auf der östlichen Seite der Oder und in der westlichen Spitze der
Provinz (Striegau 40,8 und Rybnik 7,8 Mk.). In Sachsen, der fruchtbarsten Provinz des Staats, sind die Bodenverhältnisse in den
ebenen Landschaften zwischen Magdeburg, Halberstadt, Erfurt und Zeitz außerordentlich günstig, die Ackerländereien
überaus umfangreich (bis 85 Proz. von der Gesamtfläche), am wenigsten fruchtbar die Altmark sowie die Kreise im O. von der
Elbe und des Thüringer Waldes (Wanzleben 57,9, dagegen Gardelegen und Schleusingen 10,5 und 9,3 Mk.). Schleswig-Holstein, mit der
ansehnlichsten Ackerfläche im Staat, hat den vorzüglichsten Boden in der westlichen Marsch, sodann in der
Küstenlandschaft an der Ostsee; die Mitte ist am unfruchtbarsten (Eiderstedt 50,1 und Rendsburg 10,2 Mk.). Hannover zeigt die
geringste Ackerfläche, da die großen Sandstriche der Lüneburger Heide und des Hümmling sowie die bedeutenden Moore größtenteils
den Weideländereien zugezählt sind.
Sehr fruchtbaren Boden besitzen die ausgedehnten Marschländereien, nächst dem mit Ausnahme der Gebirge
die Kreise, welche südlich von der Stadt Hannover liegen (Stader Marschkreis 49,8 und Fallingbostel 10,4 Mk.). Westfalens Ackerländereien
sind wegen der umfangreichen Weiden in den Sennegebieten und der großen Waldungen nächst denen in Hannover am wenigsten groß,
in den Ebenen, namentlich im Hellweg zwischen Ruhr und Lippe, vielfach vortrefflich, in den höchsten Teilen
des Sauerländischen Gebirges aber nicht bedeutend und dabei, teilweise wegen der klimatischen Einflüsse, wenig ergiebig
(Soest 45,3 und Wittgenstein 7,2 Mk.). Hessen-Nassau hat vorzügliche Ackerflächen im S. am Main, ferner an der Lahn und Schwalm,
bei Kassel und in dem abgelegenen Kreis Rinteln; am unfruchtbarsten sind die Kreise an der obern Fulda, der Thüringer Wald (Schmalkalden)
und die höchsten Teile des Westerwaldes (Stadtkreis Frankfurt und Landkreis Wiesbaden 65,2 und 52,2, dagegen Gersfeld 8,4 Mk.).
Die Rheinprovinz besitzt die schlechtesten Ackerländereien auf der Höhe der Eifel (Kreis Adenau 6 Mk.),
die vortrefflichsten zwischen Köln, Aachen und Krefeld im Jülicher Land, wo in den Kreisen Grevenbroich und Jülich die sehr umfangreichen
Ackerflächen (84 und 78 Proz. der Gesamtfläche) die höchsten Reinerträge im Staat geben, nämlich 70,5 und 68,4 Mk.
für den Hektar. In Preußen wurden 1882 im ganzen 3,040,196 Landwirtschaft treibende Haushaltungen mit einer
Wirtschaftsfläche von 26,581,300 Hektar ermittelt, davon waren 1,232,168 Hauptbetriebe, d. h. solche, für welche die Landwirtschaft
die Haupterwerbsquelle bildet.
Ferner wurden gezählt 1,456,724 Betriebe mit einer Anbaufläche von unter 1 Hektar, 1,178,625 mit einer solchen von 1-10 Hektar,
384,408 mit einer solchen von 10-100 Hektar und 20,439 mit einer solchen von 100 Hektar und mehr. Die Hauptbetriebe
bewirtschafteten eine Gesamtfläche von 24,123,733 Hektar oder 90¾ Proz. der gesamten Wirtschaftsfläche des Staats; hierbei
nehmen die Großwirtschaften (mit über 100 Hektar) in der Provinz Pommern 64,8, Posen 61,2, Westpreußen 51,4 Proz., dagegen
in Hohenzollern nur 2,7, Rheinland 2,9, Westfalen 5,7 Proz. der gesamten Wirtschaftsfläche ein. Die Staatsdomänen
bestehen (1886/87) aus 1069 Vorwerken mit einer nutzbaren Fläche von 338,597 Hektar; das jährliche Einkommen aus
mehr
denselben beläuft sich auf 14 Mill. Mk. Nicht darin begriffen sind die dem Staat gehörigen Mühlen, Fischereien, Mineralbrunnen,
Badeanstalten etc. mit einem jährlichen Ertrag von 5 Mill. Mk. Große Deichverbände bestehen in den Weichselwerdern, im Oder-
und Warthebruch und in den Marschen an der Nordseeküste;
auch gibt es viele Ent- und Bewässerungsgenossenschaften,
so in der Tilsiter Niederung, für das Obrabruch, den Drömling, an der Schwarzen Elster etc.;
außerdem bilden zahlreiche und
blühende Moor- und Fehnkolonien (Ostfriesland) den Anfang zur Urbarmachung der gewaltigen Moore;
seit 1876 besteht als beratendes
Organ des Landwirtschaftsministers die Zentral-Moorkommission zu Berlin mit der Moorversuchsstation zu Bremen.
Von der im J. 1883 als Acker- und Gartenland nachgewiesenen Fläche von 17,527,740 Hektar waren bestellt mit Getreide und Hülsenfrüchten
60,3 Proz., mit Hackfrüchten und Gemüse 15,1, mit Handelsgewächsen 1,1, mit Futterpflanzen 8,3 Proz.;
als Ackerweide wurden benutzt 7,2, als Brache 6,8 und als Haus- und Obstgärten 1,2 Proz. Von Getreide und
Hülsenfrüchten beansprucht der Anbau des Winterroggens und Hafers das größte Areal;
mit ersterm waren 1883: 4,308,323 Hektar
oder 24,6 Proz., mit letzterm 2,457,035 Hektar oder 14,0 Proz. der Gesamtackerfläche bestellt, dem Weizen waren 6,3, der Gerste
5,4 Proz. gewidmet;
von den Hackfrüchten nehmen die Kartoffeln, von den Handelsgewächsen der Raps und von
den Futterpflanzen der Klee die größten Anbauflächen, nämlich 11,3, bez.
0,5 und 6,1 Proz., in Anspruch.
Der Ernteertrag belief sich 1887 (günstiges Jahr) für Weizen auf 1576 Mill., für Roggen
auf 4422 Mill., für Gerste auf 1108 Mill., für Hafer auf 2888 Mill. und für Kartoffeln auf 16,165 Mill
kg. Der Weizen ist durchschnittlich am ergiebigsten in Schleswig-Holstein und Sachsen. Der Roggen gibt durchschnittlich in Schleswig-Holstein
die höchsten Erträge. Während von letzterm alljährlich noch größere Mengen eingeführt werden müssen, genügen Weizen
sowie Gerste und Hafer im allgemeinen dem Bedarf; von den Kartoffeln werden jährlich noch große Mengen zur
Spiritusbrennerei verwendet, außerdem bilden sie, besonders nach günstigen Ernten, ein wichtiges Ausfuhrprodukt.
Spelz erzeugt in beträchtlicherer Menge nur die Rheinprovinz, Buchweizen Westfalen und Hannover; Mais wird in einigen Gegenden
als Grünfutter angebaut, Hirse nicht bedeutend in Posen, Schlesien, Westfalen etc. Von Hülsenfrüchten werden, und zwar nur für
den innern Bedarf, Erbsen in Brandenburg etc., graue Erbsen in Ostpreußen, Linsen (wenig), Bohnen überall
in den Gärten, Saubohnen in Westfalen und Sachsen, Wicken überall als Grünfutter, Lupinen seit 1830 in der Altmark und gegenwärtig
in allen Sandgegenden der östlichen Provinzen angebaut.
Futterkräuter liefern vornehmlich die reichlich bewässerten Thäler. Raps und Rübsen werden besonders
auf den größern Gütern in Brandenburg, Sachsen und Schlesien gebaut, wiewohl nicht mehr in der Ausdehnung wie vor der allgemeinen
Einführung des Petroleums. Mohn ist nur im Regierungsbezirk Erfurt und bei Magdeburg ein Gegenstand bedeutender Kultur. Von Farbepflanzen
werden Krapp, Safflor und Scharte nur noch in geringer Ausdehnung kultiviert; der Waidbau bei Erfurt hat fast
ganz aufgehört.
Von Gewürzpflanzen werden Senf im Regierungsbezirk Erfurt, im Oderbruch etc., Anis und Fenchel im Regierungsbezirk Erfurt förmlich
angebaut. Von Fabrikpflanzen sind der Flachs und die Zuckerrübe die wichtigsten. Flachs findet man in allen
Provinzen, in größter
Quantität und bester Qualität aber in den Kreisen des Ermelandes in Ostpreußen, in der Küstenebene Hinterpommerns,
in Schlesien, besonders im Bereich der Gebirge, bei Ülzen in Hannover, bei Bielefeld, Warendorf, Paderborn, Minden etc. in Westfalen,
an der Roer und Niers in der Rheinprovinz.
Der schönste Flachs ist der von Bielefeld. Der innere Bedarf wird jedoch längst nicht gedeckt; es findet
Einfuhr aus Österreich, namentlich aber aus Rußland statt. Hanf wird ebenfalls in keineswegs genügender Menge in Schlesien
und in der Gegend von Bielefeld und Paderborn gezogen. Die Zichorie findet sich hier und da, besonders im Magdeburgischen, kultiviert,
die Kardendistel in Schlesien. Der Anbau der Zuckerrübe, die einen sehr guten Boden verlangt, hat sich
seit 1836 in großartiger Weise entwickelt.
Das Hauptgebiet derselben befindet sich in der Provinz Sachsen und zwar in der Gegend zwischen Magdeburg, Halberstadt und Halle;
ferner wird sie in größerer Menge in Schlesien zwischen Breslau und Schweidnitz, in Brandenburg im Oderbruch,
in Hannover, bei Hildesheim, in der Ebene der Rheinprovinz und in Pommern an der Oder und bis zur Rega gebaut. Die ganze dem Zuckerrübenbau
im Staat gewidmete Fläche ist etwa 270,000 Hektar groß, und die Menge der versteuerten Rüben belief sich 1886/87 auf 65¾ Mill.
Doppelztr. Runkelrübensamen liefert Aschersleben in Sachsen.
Der Tabaksbau nimmt ab; 1843 nahm derselbe noch über 10,000, 1886/87 nur noch 5462 Hektar in Anspruch. Am meisten wird Tabak
in der Provinz Brandenburg bei Schwedt und Vierraden und in den benachbarten Teilen Pommerns gebaut. Für den Hopfenbau im Staat
ist die Provinz Posen der Mittelpunkt, wo, seit 1837 in größerer Ausdehnung von Neutomischel ausgehend,
sich derselbe von dieser Stadt nach allen Seiten, im S. und W. bis über das Obrabruch und die Obra hinaus, verbreitet hat
und über 2000 Hektar beansprucht. In den andern Provinzen ist der Hopfenbau örtlich mehr beschränkt; er kommt vor in Pommern
bei Pölitz, in Brandenburg bei Buckow, in Sachsen in der Altmark, an einigen Punkten der Rheinprovinz etc.
Der Gewinn an Hopfen betrug 1886 über 2 Mill. kg.
Garten- und Weinbau.
Der Gartenbau wird überall als Nebenbeschäftigung betrieben; jedoch zeichnen sich einige Gegenden besonders darin aus,
vorzüglich die Stadt Erfurt (s. d.). Quedlinburg am Nordfuß des Harzes eifert ihr nach, und auch die Umgegend
von Altona ist in dieser Hinsicht bemerkenswert. Feine Gemüse werden in großer Auswahl bei sämtlichen größern Städten gebaut;
die Zucht des Spargels erfreut sich eines mächtigen Aufschwunges; Kohl wird hervorragend im Magdeburgischen (Magdeburger Sauerkraut),
die Gurke sowie Meerrettich im Spreewald bei Lübbenau gebaut.
Die Blumenzucht blüht in den Gärten der größern Städte, so zu Berlin und Potsdam. Neben dem Gartenbau hat sich die Gartenkunst
selbständig bei den königlichen und fürstlichen Schlössern entwickelt, zu Sanssouci bei Potsdam und auf den großen Gütern
in Schlesien, wo in großartigen Treib- und Gewächshäusern die Ananas kultiviert wird und (in Pleß) alte
Feigenbäume vorkommen. Das Gartenland nahm 1883 im Staat 209,244 Hektar ein. Der Obstbau findet sich allenthalben mit Ausnahme
der zu hoch gelegenen Gebirgsgegenden, der unfruchtbaren Heidestrecken und der kalten und heftigen Winden ausgesetzten Strandgegenden.
Am meisten werden gezogen: Pflaumen oder Zwetschen (Sachsen), Kirschen (am Harz, im Alten Land in Hannover
etc.),
mehr
Äpfel und Birnen; Pfirsiche kommen in größerer Menge nur in den Rheinlanden vor, Aprikosen und Walnüsse mehr vereinzelt,
noch seltener sind die echte Kastanie und die Maulbeere. Ausgezeichnet durch Obstkultur sind die Rhein-, Mosel- und Lahngegenden,
auch einige Landstriche in Sachsen, Brandenburg (Werder) etc. Zahlreiche Baumschulen und die pomologischen Institute
zu Geisenheim am Rhein und Proskau in Oberschlesien fördern den Obstbau. Der Weinbau ist nur in den Rheingegenden von Belang.
Hier liefern der Rheingau und der südliche Fuß des Taunus in Hessen-Nassau die schönsten Weine Deutschlands (Rüdesheim, Johannisberg,
Geisenheim, Eltville, Erbach, Rauenthal, Hattenheim, Schierstein und Hochheim Weißweine; Aßmannshausen Rotwein). In der
Rheinprovinz gibt es gute Weine am Rhein, an der Nahe, Mosel, Saar und Ahr. Die Polargrenze des Weinbaues trifft am Rhein Bonn, an der
Werra Witzenhausen, an der Saale Merseburg, an der Havel Werder und in der Odergegend Züllichau in Brandenburg und Bomst in Posen.
Im ganzen nimmt der Weinbau im Staat eine Fläche von ca. 20,000 Hektar ein, und der jährliche Gewinn an
Wein beläuft sich im Durchschnitt auf 250,000 hl. Die Rheinprovinz treibt Weinbau auf 13,000, Hessen-Nassau auf 3800, Schlesien
(bei Grünberg) auf 1500, Sachsen (an der Unstrutmündung) auf 1020, Brandenburg auf 620 und Posen auf 160 Hektar.
Viehzucht, Fischerei.
Die Viehzucht in Preußen ist eng an die Wiesenkultur geknüpft. Umfangreiche und gute Wiesen gibt es an der Memel und dem Pregel in
Ostpreußen, in den Weichselwerdern in der Nähe des Frischen Haffs in Westpreußen, an der Oder von Schlesien abwärts bis Stettin,
an der Elbe und Saale in Sachsen; von geringerm Umfang sind die Wiesen in den westlichen Provinzen, aber die
Güte derselben übertrifft die der östlichen Provinzen im allgemeinen. Für den Wiesenbau ist der Kreis Siegen in Westfalen bahnbrechend
geworden.
Die großen Weideländereien in den östlichen Provinzen, in Westfalen, auf der Eifel und dem Hohen Venn in der
Rheinprovinz, in den sandigen Landstrichen in Hannover haben oft nur einen geringen Wert und sind früher mehrfach als Unland
bezeichnet worden. Fettweiden von größerm Umfang gibt es in der Nordspitze der Rheinprovinz und in den Marschen an der Nordsee.
Der Viehstand hat sich neuerdings nicht unerheblich vermehrt. Man zählte 2,417,367 Pferde
(darunter 103,943 im J. 1882 geborne Fohlen), 592 Maultiere und Maulesel, 6446 Esel, 8,737,641 Stück Rindvieh (darunter 283,116
Kälber unter 6 Wochen alt), 14,752,328 Schafe, 5,819,136 Schweine und 1,679,686 Ziegen.
Von hervorragender Bedeutung ist die Pferdezucht, welche vornehmlich in den Provinzen Ost- und Westpreußen
und Hannover betrieben wird; 3 Hauptgestüte (Trakehnen, Graditz, Leberbeck) und 15 Landgestüte wirken auf die Veredelung der
Rasse hin. Das trefflichste Rindvieh wird in den Marschländern an der Nordsee, in der Ebene der Rheinprovinz, auf dem Westerwald
in Hessen-Nassau, in den Saalkreisen der Provinz Sachsen, den schlesischen Gebirgen und den Kreisen am Fuß
derselben sowie in den Niederungen an der Oder, Weichsel und Memel gezogen.
Die Schafzucht, von hoher Wichtigkeit in den Landesteilen, wo der Großgrundbesitz vorherrscht, geht neuerdings immer mehr
zurück (1867: 22,304,984, 1873: 19,666,794 Schafe) auf Grund der Konkurrenz der von außerhalb eingeführten Wolle. Die Zahl
der feinen Wollschafe (Merinos) belief sich 1873 auf 8,177,649, 1883
auf 5,318,550, diejenige der veredelten
Fleischschafe 1873 auf 1,829,944, 1883 auf 1,833,941. Über 8000 Schafe auf 100 qkm zählt die Provinz Pommern, über 6000 Posen,
über 5000 Sachsen und Westpreußen, während Schleswig-Holstein und Rheinland noch nicht 2000 und Hohenzollern noch nicht 1000 Schafe
auf 100 qkm zählt.
Die Wollproduktion beträgt jährlich kaum 200,000 Doppelztr. Die Schweinezucht ist in der
Provinz Sachsen am stärksten, demnächst in Hannover und Westfalen. Die Zahl der Ziegen nimmt fortwährend zu, da diese Tiere
in kleinen Haushaltungen verhältnismäßig sehr leicht zu erhalten sind. Federvieh wird in allen Provinzen
in großer Menge gezogen. Die Bienenzucht geht neuerdings zurück; sie blüht besonders in Hannover, demnächst in Schlesien
und Pommern, auch in Ostpreußen und Schleswig-Holstein und liefert Honig in genügender Menge, Wachs nicht ausreichend für den
Bedarf im Innern. 1883 zählte man im Staat 1,238,040 Bienenstöcke (1873: 1,459,415). Die Seidenzucht, in
Brandenburg noch am stärksten, vermag nicht sich einzubürgern.
Die Fischerei ist von großem Belang. Neben der unmittelbaren Förderung durch den Staat ist ihr ein erhöhter Schutz durch das
Fischereigesetz vom zu teil geworden. Es bestehen 14 Oberfischmeisterämter. Im J. 1882 waren in der See- und Küstenfischerei
11,890, in der Binnenfischerei 14,838 Personen berufsthätig. Der Hering wird in der Ostsee von Hela bis Schleswig-Holstein gefangen.
Sprotten gibt es in großer Menge an der Küste von Schleswig-Holstein (Kieler Sprotten), ebenda auch Butten.
Andre Seefische in der Ostsee sind: Flundern, Dorsche, Lachse, Makrelen, Aale;
in der Nordsee sind Gegenstand
der Fischerei Heringe (Emden), Schellfische und Austern, von denen letztere ganz besonders im Wattenmeer an der Westküste von
Schleswig gezüchtet werden.
Die Binnenfischerei wird durch Fischzuchtanstalten sehr gefördert. Karpfen werden vornehmlich
bei Kottbus in Brandenburg, Störe in der Elbe, Oder und im Frischen Haff (Elbkaviar, Kaviar von Pillau), Lachse im
Rhein (Salm), in der Weser, Oder, Elbe etc., Welse (oft mehr als 50 kg schwer) in der Oder und Elbe, Aale in allen größern Gewässern
Brandenburgs, Pommerns, Ost- und Westpreußens, Hechte allenthalben, Zander vornehmlich in den Gewässern der Provinz Brandenburg,
Maränen im Madüesee in Pommern und in einigen Seen der Neumark, Forellen in den Flüssen und Bächen der gebirgigen
Landesteile gefangen. Außerdem finden sich See- und Flußkrebse in Menge, hier und da Perlenmuscheln (Queis) und Blutegel.
Waldkultur.
Von der Gesamtfläche des Staats nehmen die Forsten und Holzungen 8,153,947 Hektar oder 23,4 Proz. ein; auf die Staatsforsten
entfallen 30,3, auf die Gemeindeforsten 12,0
und die Privatforsten 53,7 Proz. der Gesamtwaldfläche, der Rest besteht
aus Stiftungs- und Genossenschaftsforsten. Die waldreichsten Provinzen sind Brandenburg und Schlesien, dann folgt die Rheinprovinz,
während als die waldärmste neben Hohenzollern Schleswig-Holstein dasteht. Von der gesamten Forstfläche des Staats nimmt das
Nadelholz ⅔, das Laubholz ⅓ ein; ersteres wiegt in den nordöstlichen, letzteres in den westlichen
Provinzen vor. Die Staatsforsten sind gleichfalls vorwiegend in den nordöstliche Provinzen vertreten (in Ostpreußen mit 56,
Westpreußen mit 52 Proz., dagegen in Rheinland nur mit 17,1 und Westfalen nur mit 8 Proz. der Gesamtwaldfläche); bezüglich
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der Privatforsten ragen dagegen neben der Stadt Berlin, welche wie Hohenzollern überhaupt keine Staatsforsten hat, die Provinzen
Schlesien und Westfalen hervor, in denen 77,4, bez. 72,4
Proz. der Gesamtwaldfläche aus Privatforsten bestehen. Die Gemeindeforsten sind am ausgedehntesten
in Hohenzollern vertreten, wo sie 54 Proz. der Gesamtwaldfläche einnehmen, dann folgen die
Provinzen Rheinland und Hessen-Nassau, wo sie 39,2, bez. 34,6,
und Westfalen, wo sie 10,8 Proz. der Waldfläche betragen; in allen
übrigen Provinzen bleiben die Gemeindeforsten mit ihrem Areal weit hinter 10 Proz. der Waldfläche zurück.
Der gesamte Reinertrag der Staatsforsten stellte sich im Etatjahr 1883/84 auf 22,6 Mill. Mk.
(1887/88 auf 26¼ Mill. Mk. veranschlagt). Von jagdbaren Tieren finden sich Hasen und das gewöhnliche
Hochwild in allen Provinzen; auch die Wildschweine sind in einigen Gegenden zahlreich und richten großen Schaden an. Das Elentier
wird in dem Ibenhorster Forst am Kurischen Haff noch gepflegt. Wildes Geflügel, als Auer-, Birk-, Reb-, Hasel-
und Wasserhühner, Schnepfen, Trappen, wilde Gänse und Enten, Drosseln, Kramtsvögel und Lerchen, ist in Menge vorhanden.
Von Raubwild kommt der Luchs nur noch in vereinzelten Exemplaren, der Wolf in Ost- und Westpreußen und Posen, häufiger auf dem
Hunsrück in der Rheinprovinz, die Wildkatze sehr selten, Füchse, Marder, Dachse und Iltisse in allen Provinzen,
wenn auch nicht in großer Zahl, vor. Adler und Falken sind selten. Im ganzen ist die Jagd in Preußen von untergeordneter volkswirtschaftlicher
Bedeutung. Im J. 1885/86 wurden 2,987,672 Stück Haarwild im Wert von 8,7 Mill. Mk. und 4,573,634 Stück Federwild im Wert von 3 Mill.
Mk. geschossen; unter ersterm waren 2,373,499 Hasen, 109,702 Rehe, 85,247 Füchse, unter letzterm 2,521,868
Feld- (Reb-) Hühner, 139,628 Fasanen, 270,071 wilde Enten, 1,295,702 Drosseln (Kramtsvögel).
Vgl. hierzu die im Art. Jagd (S.
124) gemachten Angaben über die Jagdverhältnisse u. den Wildbestand im Königreich Preußen.
Industrie.
Preußens Industrie hat noch kein hohes Alter; ihre erste Entwickelung fällt in die Zeit des Großen Kurfürsten,
welcher in ihr eine feste Grundlage für die Wohlfahrt und Größe des Staats zu gewinnen suchte. Die nächsten Herrscher,
vor allen Friedrich d. Gr., folgten seinem Beispiel. Die Gesetzgebung von 1810 gab der industriellen Thätigkeit die nötige
Freiheit; während von seiten der Regierung durch Errichtung von Gewerbeschulen, Aussetzung von Prämien,
Verbesserung und Vermehrung der Verkehrsmittel und andre Maßregeln der Gewerbfleiß gefördert wurde, geschah dies von seiten
der Privaten durch Gewerbvereine, Gewerbeausstellungen, Hilfskassen etc. Eine Gewerbeordnung für den preußischen Staat erschien
dieselbe hielt grundsätzlich an der Gewerbefreiheit fest, wenn diese auch in der Folgezeit einige Einschränkungen
erlitt.
Nach dem Erlaß des Freizügigkeitsgesetzes vom für den Norddeutschen Bund wurde eine neue Gewerbeordnung
erlassen, die als Reichsgesetz in Kraft trat und in neuer Fassung als Reichsgesetz herausgegeben wurde.
Die Gewerbefreiheit wurde auch hierbei, wenn auch mit gewissen Beschränkungen, als leitender Grundsatz
anerkannt (s. Gewerbegesetzgebung, S. 292 f.). Die industriereichsten Provinzen sind die Rheinprovinz, Westfalen und Schlesien,
dann Brandenburg, Sachsen und Hessen-Nassau.
Bergbau und Hüttenwesen.
An der
Spitze aller gewerblichen Thätigkeit in Preußen steht der Bergbau. Derselbe ist namentlich in den gebirgigen
Teilen des Staats von hervorragender Wichtigkeit. Für ihn ist das Staatsgebiet in fünf Oberbergamtsbezirke eingeteilt. Der
Bezirk des Oberbergamtes zu Breslau umfaßt die Provinzen Schlesien, Posen, West- u. Ostpreußen, des zu Halle die Provinzen Sachsen,
Brandenburg und Pommern, des zu Klausthal das östliche Hannover, den Regierungsbezirk Kassel u. Schleswig-Holstein,
des zu Dortmund das westliche Hannover, den größten Teil von Westfalen und von der rechtsrheinischen Seite des Regierungsbezirk
Düsseldorf das Gebiet nördlich von der Düsseldorf-Schwelmer Landstraße, endlich der des Oberbergamtes zu Bonn den größten
Teil der Rheinprovinz, den Regierungsbezirk Wiesbaden, Hohenzollern, von Westfalen das ehemalige Herzogtum Westfalen und die
Kreise Siegen und Wittgenstein und das Fürstenthum Waldeck.
Die gesamte Bergwerksproduktion ergab 1886 auf 1803 Werken (darunter 162 ohne Produktion) mit 285,113 Arbeitern eine Förderung
von 71,002,166 Ton., davon betrug die absatzfähige Jahresproduktion 65,692,188 T. im Wert von 331 Mill. Mk. Das wichtigste
Mineral ist die Steinkohle, die in fünf größern Becken in Oberschlesien bei Königshütte, in Niederschlesien
bei Waldenburg, in Westfalen und der Rheinprovinz an der Ruhr und in der Rheinprovinz an der Saar und am nördlichen Fuß des Hohen
Venn bei Eschweiler, in kleinern Becken außerdem in Sachsen an der Saale bei Wettin, in Westfalen bei Ibbenbüren, in
Hannover bei Osnabrück, überdies noch in der Wealdenformation in den Gebirgen zwischen Leine und Weser sowie über diese hinaus
in den Provinzen Hannover, Hessen-Nassau (Rinteln) und Westfalen gefördert wird. 1864 betrug die Ausbeute 16½ Mill., 1876: 34½
Mill., 1887: 54½ Mill. Ton. zum Wert von 263,9 Mill. Mk. Die Braunkohle ist noch verbreiteter; vorzüglich
mächtig aber sind die Lager derselben in der Provinz Sachsen von Zeitz bis Aschersleben zu beiden Seiten der Saale, an der Mulde,
an der untern Bode etc., in Brandenburg in den Hügelplatten zu beiden Seiten der Oder, in den Rauenschen Bergen etc. Gefördert
wurden 1887: 12,7 Mill. T. zum Wert von 31,9
Mill. Mk. Asphalt (1886: 15,829 T.) und Erdöl (2671 T.) liefert Hannover.
Der Bernstein hat seine eigentliche Heimat in den Provinzen Ost- und Westpreußen und wird teils gegraben, teils von der Ostsee
ans Land gespült. Eisenerze finden sich in allen Provinzen, als Raseneisenstein in den Sumpfgegenden des
Tieflandes. Reichhaltige Eisenerzlager liegen zwischen der Wied und den nördlichen Nebenflüssen der Sieg im Kreise Siegen in der
Rheinprovinz und in Westfalen, an der Lahn in Hessen-Nassau, in Oberschlesien etc., im Ruhrkohlengebiet, in Hannover und auf dem
Thüringer Wald. 1864 wurden 1,4 Mill., 1876: 2,6 Mill., 1887:
3,8 Mill. T. Eisenerze im Wert von 21,6 Mill. Mk. gefördert.
Zinkerze (1887: 899,679 T. im Wert von 10 Mill. Mk.) werden vorzüglich in Oberschlesien bei Beuthen gewonnen, dann auch in
den Regierungsbezirken Köln und Arnsberg; Bleierze (1887: 154,385 T. im Wert von 15,5 Mill. Mk.) besonders in den Regierungsbezirken
Aachen (Bleiberg), Köln und auf dem Oberharz; Kupfererze (1887: 507,581 T. im Wert von 14,5 Mill. Mk.) in der Zechsteinformation
auf der Südostseite des Harzes im Mansfeldischen und in derselben Formation in Westfalen und an der Diemel. Von geringerer Bedeutung
sind die Gold- u.
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Silbererze (1887: 74 T.) auf dem Oberharz; die Kobalterze in den Regierungsbezirken Kassel und Liegnitz, die Nickelerze meist
im Regierungsbezirk Wiesbaden, die Antimon- und Quecksilbererze im Regierungsbezirk Arnsberg, die Manganerze (Antimon- und Manganerze
1887: 36,535 T. im Wert von 954,243 Mk.) fast nur in den Regierungsbezirken Wiesbaden und Koblenz, der Schwefelkies
(1887: 99,661 T.) meist im Regierungsbezirk Arnsberg und sonstige Vitriol- und Alaunerze (1886: 2248 T.) in den Regierungsbezirken
Merseburg und Köln. An Salz ist Preußen außerordentlich reich, denn in neuester Zeit sind nach der Auffindung der Steinsalzlager
bei Staßfurt, Aschersleben, Erfurt und Stetten (in Hohenzollern) noch andre von großer Mächtigkeit im Tiefland
zu Sperenberg in Brandenburg, Segeberg in Schleswig-Holstein und Inowrazlaw und Wapno in Posen erbohrt worden.
In den Steinsalzbergwerken wurden 1886: 916,372 T. Mineralsalze zum Wert von 9 Mill. Mk. gefördert
und zwar 214,022 T. Steinsalz, 178,172 T. Kainit, 514,254 T. andre Kalisalze, 9806 T. Bittersalze und 118 T.
Boracit. 1887 wurden 194,135 T. Steinsalz gefördert. Der Salinenbetrieb ergab 1886: 270,937 T. Kochsalz zum Wert von 6 Mill.
Mk., vorzüglich in Sachsen, Hannover, Westfalen und Posen. Außerdem wurden 1886: 76,685 T. Chlorkalium, 527 T. Chlormagnesium,
85,737 T. schwefelsaure Alkalien (darunter 46,327 T. Glaubersalz), 15,477 T. schwefelsaure Magnesia, 8200 T.
schwefelsaure Erden (darunter 6986 T. schwefelsaure Thonerde, 1214 T. Alaun) gefördert.
Die Zahl der fiskalischen Bergwerke belief sich im Etatsjahr 1886/87 auf 45, dieselben erzeugten in 18 Werken 9,6 Mill.
T. Steinkohlen zum Wert von 59,4 Mk., in 8 Werken 341,908 T. Braunkohlen zum Wert von 1 Mill. Mk., in 11 Werken
73,608 T. Eisenerze zum Wert von 487,758 Mk., in 5 Werken 75,890 T. Zink-, Blei-, Kupfer-, Silbererze zum Wert von 7,1 Mill.
Mk., in 3 Werken 365,479 T. Mineralsalze zum Wert von 3,7 Mill. Mk.
Edel- und Halbedelsteine finden sich nur zufällig ohne bergmännische Förderung, namentlich im Schlesischen
Gebirge (Chrysopras, Topas, Onyx, Karneole, Granate, Achate und Jaspis) und im Kreise St. Wendel der Rheinprovinz (Achate).
Serpentin kommt in Schlesien im Kreis Frankenstein und am Zobten vor, Alabaster auf dem Thüringer Wald, Gips am Harz, Thüringer Wald,
in Schlesien, an einigen Punkten des Norddeutschen Tieflandes (Sperenberg in Brandenburg, Segeberg in Schleswig-Holstein,
Inowrazlaw und Wapno in Posen), Marmor in Schlesien (Prieborn), in Westfalen (im Kreis Olpe) und in der Rheinprovinz, Kalkstein sehr
häufig in den Gebirgen, ferner bei Oppeln und Gogolin in Oberschlesien, Rüdersdorf in Brandenburg, an der Dievenow in Pommern
und bei Lüneburg in Hannover, Flußspat auf dem Unterharz, im Riesengebirge, in Sachsen (Sangerhausen), Schwerspat
in Hessen-Nassau, in Westfalen, im Harz, Phosphorit im Regierungsbezirk Wiesbaden, Magnesit bei Frankenstein in Schlesien, Dachschiefer
besonders im Schiefergebirge der Rheinprovinz und Westfalens, Sandstein als Baustein im Solling und Wesergebirge;
Strontianit in
Westfalen (in den Kreisen Beckum und Lüdinghausen);
Mühlsteine werden aus der Lava zu Niedermendig im Regierungsbezirk
Koblenz gefertigt;
die zahlreichen erratischen Blöcke des Norddeutschen Tieflandes gewähren Material zum Straßenbau.
Von nutzbaren
Erden sind zu erwähnen: Porzellanerde bei Halle in Sachsen, Walkerde in den Regierungsbezirken Wiesbaden und Koblenz, Thon in großen
Lagern in allen
Teilen des Staats, ebenso Lehm und Mergel, Ocker im Harz und im Kreis Mayen (Regierungsbezirk
Koblenz), Kreide auf der Insel Rügen.
Hüttenwesen. Die Verhüttung der Erze fand 1886 in 295 Werken mit 35,074 Arbeitern statt und ergab 3,072,959 Ton. und 220,844
kg im Wert von 223,4 Mill. Mk., nämlich an Roheisen in 89 Werken u. 214 Hochöfen
mit 17,191 Arbeitern 2,563,027 T. im Wert von 110,6 Mill. Mk., vornehmlich in der Rheinprovinz, Westfalen,
Schlesien und Hannover;
Zink in Blöcken (einschließlich des zu Blechen, Zinkweiß, Zinkwaren verwendeten) auf 30 Werken mit 8919 Arbeitern
130,815 T. im Wert von 34,5 Mill. Mk., in den Regierungsbezirken Oppeln, Arnsberg und Aachen;
Blei in 26 Werken
mit 2426 Arbeitern 89,512 T. im Wert von 21,4 Mill. Mk., vornehmlich in der Rheinprovinz, dann auch in Schlesien und Hannover;
Kupfer in 15 Werken mit 2736 Arbeitern 18,200 T. im Wert von 15,4 Mill. Mk., größtenteils im Regierungsbezirk
Merseburg;
Silber (Reinmetall) in 18 Werken mit 571 Arbeitern 215,758 kg im Wert von 28,9
Mill. Mk., größtenteils in Hannover, demnächst auch in der Rheinprovinz und in Sachsen;
Gold (Reinmetall) 122 kg im Wert von
342,318 Mk. in 6 Werken nur als Nebenprodukt, größtenteils in Hannover (Klausthal);
Nickel (reines Metall) in 2 Werken mit 125 Arbeitern 169 T.
im Wert von 770,000 Mk., in Westfalen;
Arsenikalien 446 T. im Wert von 84,409 Mk., vornehmlich in Schlesien;
Schwefel 3373 T. im Wert von 384,502 Mk.;
Schwefelsäure 259,467 T. im Wert von 9,2 Mill. Mk. in 57 Werken, vornehmlich in Schlesien
und in der Rheinprovinz;
Vitriol 7589 T. im Wert von 819,632 Mk. Das 1886 erzeugte Roheisen zerfiel in 2,529,062
T. Masseln (Gänze), 25,165 T. Gußwaren erster Schmelzung und in 8799 T. Bruch- und Wascheisen. Im Etatsjahr 1886/87 wurden
in 13 fiskalischen Hütten 29,637 T. Eisen und 43,507 T. Blei, Silber und sonstige Metalle erzeugt.
Die 6 fiskalischen Salinen
lieferten 113,226 T. Salz.
Metallverarbeitung, Maschinenbau.
Was die Metallverarbeitung betrifft, so sind für Gold- und Silberwaren und Juwelierarbeiten Berlin und Hanau Mittelpunkte; in
letzterer Stadt wird auch eine Platinverarbeitung betrieben. Die Kupfer-, Messing- und Bronzewarenfabrikation werden vorzugsweise
in Westfalen (Iserlohn) und Brandenburg, Statuenguß in Bronze zu Berlin, Hannover und Lauchhammer betrieben.
Galvanoplastische Anstalten sind in Berlin, Köln, Frankfurt a. M., Hannover;
die Zinkgießerei hat sich hervorragend in Berlin
entwickelt;
gepreßte Bleiröhren werden in Köln gefertigt;
vorzügliche Arbeiten in Britanniametall liefern Elberfeld und Berlin,
Zinnspielwaren Hannover etc. Die Verfertigung von kleinen Eisen- und Stahlwaren, Schneidwaren, Werkzeugen, Fabrikschlössern
etc. hat ihren Mittelpunkt in den westfälischen Kreisen Altena, Hagen (Enneper Straße) und Iserlohn sowie
in der Rheinprovinz (Remscheid und die Kreise Lennep und Solingen);
nicht unbedeutend ist dieser Fabrikzweig auch in den Kreisen
Schmalkalden und Schleusingen auf dem Thüringer Wald.
Eiserne Schiffsketten liefern einige Seeplätze, Näh- u. andre Nadeln Aachen,
Burtscheid und Iserlohn, Feuergewehre für den Handel Suhl, Drahtfabrikate Altena in Westfalen, feuer- und
diebessichere Schränke fast alle größern Städte, namentlich Berlin und Hannover.
Der Maschinenbau entwickelte sich in der Rheinprovinz im Anschluß an vorhandene Industriezweige, in Berlin selbständig aus
der Eisengießerei