vermochte. 1870 erzwang
Saldanha durch eine Militärrevolte die Entlassung des
MinisteriumsLoulé(19. Mai), konnte sich aber selbst
nur bis zum
Herbst 1871 behaupten, worauf das
Haupt der Gemäßigten (Regeneradores),
FontesPereira de Mello, ein
Kabinett bildete,
das mit kurzen
Unterbrechungen (1877 und 1879-81) die Mehrheit in den
Cortes besaß und sich bis 1886 behauptete.
FontesPereira führte 1885 eine Verfassungsreform durch, welche das
Wahlrecht für die Zweite
Kammer erweiterte und die Pairskammer
in der
Weise umgestaltete, daß sie fortan aus teils vom König ernannten, teils vom
Volk gewählten Mitgliedern bestand.
Bekämpft wurde
FontesPereira von den radikalen Reformisten und den Progressisten, deren
Führerde Castro 1886 an
die
Spitze derRegierung trat. Vor allem die Zerrüttung der
Finanzen, das fortwährende
Defizit und die stark angewachsene
Staatsschuld
machen eine energische Umgestaltung der
Staatsverwaltung und der
Besteuerung notwendig. Auch der
Handel bedarf eines Aufschwungs.
Um diesen zu ermöglichen, wahrte Portugal
[* 2] seit der Ausbreitung andrer
Nationen in
Afrika
[* 3] seine dortigen Besitzanrechte
mit
Eifersucht, schickte Reisende zur Erforschung und Aufschließung des Innern aus und schloß einen
Vertrag mit
England, der den untern
Congo in seine und
EnglandsHände bringen sollte. Doch mußte es sich 1885 den Beschlüssen der
Congokonferenz (s. d.) fügen.
Vgl.
Serra, Colleçao de livros ineditos de historia portugueza (Lissab. 1790-93, 3 Bde.);
Sousa, Bibliotheca historica (das. 1801);
Derselbe, Documentos arabicos para a hist. port. (das. 1790);
(Portugaleser), portug. Goldmünze, die halbe
Dobra oder der
Johannes, zuerst um 1500 geprägt,
ursprünglich 6400, später (seit 1847) 8000
Reis, im Wert von 36,6841Mk.;
Litteratur. Der Zeitraum, in welchem dieportugiesische Litteratur zu
einer allgemeinen Weltbedeutung sich erhoben hat, ist im
Vergleich zu den
Litteraturen der meisten übrigen
VölkerEuropas ein
ungemein kurzer; er umfaßt nur jene flüchtige Glanzperiode
Portugals, in welcher die von weisen, tapfern und hochherzige
Regenten gehandhabte staatliche
Gewalt des
Reichs durch kühne Seefahrer, wie
Vasco da Gama und Alfonso de
Albuquerque, über den
Ozean hin erweitert und dem
Land unermeßliche
Quellen des Wohlstandes zugeleitet waren.
Nachdem diese
Blütezeit unter den Einwirkungen des Jesuitismus und der
Inquisition rasch dahingewelkt und nach König
SebastiansTod (1578) und dem bald darauf erfolgten Erlöschen der burgundischen Dynastie der staatliche
VerfallPortugals besiegelt war,
hat auch dieportugiesische Litteratur im großen und ganzen nur ein sieches Dasein fortgeführt. Der nationale
Grundzug derselben ist, was zunächst die schöne Litteratur betrifft, eine gewisse
Sentimentalität und elegische Weichlichkeit.
Die Geschichte der portugiesischen
Dichtung hat fast ausschließlich von kunstmäßigen Erzeugnissen zu berichten, aber auch
diese entbehren in ihrer bei weitem überwiegenden Mehrheit der selbständig-nationalen Eigentümlichkeit.
Ihre Entwickelungsperioden lassen sich genau nach den jedesmaligen Einwirkungen, welche die portugiesische
Poesie von der
Fremde
her erfahren hat, scheiden. So hat sie sich in ihrer ersten
Epoche, bis zum 14. Jahrh., unter dem Einfluß der provençalischen
Kunstpoesie, in der zweiten, bis zu Anfang des 16. Jahrh., unter dem der
spanischen, in der dritten, bis in die Hälfte des 18. Jahrh., nach klassisch-italienischen
und spanischen
Mustern und in der vierten, von der Mitte des 18. Jahrh. bis auf die Gegenwart, nach dem
Vorbild der klassisch-französischen, der englischen und der übrigen modern-europäischen
Litteraturen überhaupt
gebildet.
Die
portugiesische Sprache, eine weichere Schwestersprache der kastilischen, trat erweislich zuerst im 12. Jahrh.
als Schriftsprache auf und zwar in romanzenhaften Liedern, welche, wie die gleichzeitigen spanischen, die
Erinnerungen an
die
Kämpfe altportugiesischer
Helden gegen die
Mauren feierten und im
Gedächtnis des
Volkes wach erhielten.
Von dieser volksmäßigen Liederdichtung haben sich jedoch nur einzelne Nachklänge in weit später mit denselben vorgenommenen
Umbildungen erhalten.
Dahin gehören die
Romanze
»As trovas dos Figueiredos«, welche eine ritterliche That des Goesto Ansur (8. Jahrh.)
feiert, sowie einige
Lieder, die dem
Ritter Gonçalo Hermiguez, der im 12. Jahrh. als eine Art von portugiesischem
Cid (wie auch sein Beiname Tragamouro, »Mohrenverschlinger«, andeutet)
lebte, zugeschrieben werden, die aber unzweifelhaft weit jüngern
Datums sind.
Schon unter
Heinrich vonBurgund, der mit seinem
Gefolge südfranzösischer
Ritter eine fertige höfische Kunstpoesie, die provençalische, einführte, sank die ursprüngliche
Volkspoesie zum Bänkelgesang herab, der kunstmäßigen fremden Dichtungsweise rasch das
Feld räumend.
Die ältesten echten
Denkmäler portugiesischer
Dichtung sind daher nach Form und
InhaltNachbildungen der altprovençalischen
Troubadourpoesie. Seine vollste
Blüte
[* 8] erreichte dieser portugiesische Minnesang unter König
Diniz
(Dionysius), der 1279-1325
regierte und selbst als der hervorragendste
Troubadour der Portugiesen erscheint. Man kennt im ganzen etwa 300
Namen von
Dichtern dieser
Periode, die der
Mehrzahl nach dem Adelstand angehörten, und von den meisten derselben haben sich
Lieder erhalten.
Gesammelt finden sich die Werke dieser portugiesischen
Troubadoure in den »Cancioneiros«, handschriftlichen Sammlungen höfischen
Minnesangs, die bis ins 13. Jahrh. hinausreichen und in galicischer oder altportugiesischer
Sprache
[* 9] abgefaßt sind. Für das wichtigste dieser Liederbücher gilt der »Cancioneiro
da
Ajuda«, ein aus dem 14. Jahrh. stammender Pergamentkodex, welcher sich auf der
Bibliothek zu
Ajuda bei
Lissabon
[* 10] befindet und
¶
mehr
ehedem als »Cancioneiro do Collegio dos Nobres« (hrsg.
von Stuart, Par. 1823) oder (fälschlich) als Liederbuch des Grafen von Barcellos (»Livro das cantigas do Conde de Barcellos«,
hrsg. von F. v. Varnhagen, Madr. 1849) bezeichnet wurde, einer kritischen Ausgabe aber noch ermangelt. Umfangreicher sind zwei
andre Liederhandschriften: der auf der vatikanischen Bibliothek zu Rom
[* 12] befindliche, dem 16. Jahrh. angehörige
Kodex (vollständig hrsg. von E. Monaci, Halle
[* 13] 1875; in berichtigtem Text von Braga, Lissab. 1878), von welchem der bereits früher
erschienene »Cancioneiro d'El Rel DomDiniz« (hrsg. von Lopes deMoura, Par. u. Lissab. 1847) einen
Teil bildet, und ein früher dem Humanisten A. Collocci gehörendes, jetzt im Besitz des Grafen Brancuti
befindliches Liederbuch, welches Molteni (Halle 1880) veröffentlicht hat.
Eine noch ältere Sammlung, von der sich Handschriften aus dem 13. Jahrh. im Escorial und zu Toledo
[* 14] befinden, sieht der Herausgabe
durch den Marquesde Valmar,L. de Cueto, entgegen. Zur Orientierung über die altportugiesische Poesie
vgl. Bellermann, Die alten Liederbücher der Portugiesen (Berl. 1840), und Diez, Über die erste portugiesische Kunst- und Hofpoesie
(Bonn
[* 15] 1863), obschon beide Werke dem heutigen Stande der Kenntnis nicht mehr völlig entsprechen.
Seit dem 14. Jahrh. erfuhr die portugiesische Dichtung insofern umgestaltende Einwirkung, als in galicischer
Mundart dichtende Spanier (zu denen König Alfons der Weise von Kastilien selbst gehörte) die Formen spanischer Poesie in jene
überführten und dadurch die künstlichen provençalischen mehr und mehr verdrängten. Nun kamen anstatt der bisher üblichen
iambischen Rhythmen die nationalen kürzern trochäischen in Gebrauch. Die berühmtesten Lieder dieser Zeit sind
die des galicischen RittersMacias (s. d.). Der königliche Hof
[* 16] bildete auch in dieser Epoche den dichterischen MittelpunktPortugals,
indem sich nicht nur fast alle Poeten um ihn scharten, sondern auch nicht wenige Mitglieder der königlichen Familie selbst
als Dichter produktiv waren. So wissen wir von den im 14. Jahrh. lebenden
Söhnen des KönigsDiniz, Alfons IV. und seinen Halbbrüdern Alfonso Sanchez, Grafen von Albuquerque, und Pedro, Grafen von Barcellos,
daß sie gedichtet haben, obwohl sich nichts von ihren Poesien erhalten hat. In demselben Jahrhundert hat König Peter, der
Gemahl der Ines de Castro, Liebeslieder verfaßt, von denen fünf (darunter eins in spanischer Sprache)
noch vorhanden sind.
Die zahlreichen Lieder portugiesischer Dichter aus dieser Zeit finden sich am besten gesammelt in des Garcia de Resende »Cancioneiro
geral« (Lissab. 1516; hrsg. von Kausler, Stuttg. 1846-52, 3 Bde.).
Unter den 150 Poeten, von denen die genannte Sammlung Lieder enthält, werden außerdem noch auszeichnend
genannt: Alvaro de Brito Pestanha, Alvaro Barreto, Guterrez Coutinho, Fernam de Silveira, Francisco de Silveira, Nuno Pereira,
João Roiz de Sá e Menezes, Diogo Brandão, JoãoManoel, Jorge de Aguiar, GonzaloMendes Sacoto, Duarte da Gama, Duarte de Brito
und Bernardim Ribeiro.
Der letztgenannte, Ribeiro, welcher am Hof des großen Emanuel lebte, wird gewöhnlich als der Dichter betrachtet,
der die Glanzperiode der portugiesischen Litteratur einleitete. Nachdem im 15. Jahrh. die
politische EntwickelungPortugals raschern Gang
[* 17] angenommen hatte, entfaltete sich auch die nationale Poesie zu reicherer Blüte.
König Eduard (1433-1438), der selbst dichtete und auch sonst schriftstellerisch thätig war (er verfaßte
den »Leal
conselheiro«, eine Sammlung philosophische moralische Abhandlungen, hrsg.
von Roquete, Par. 1843), begünstigte die Litteratur mit Vorliebe, wie auch sein jüngerer Bruder, DomPedro, und seine Kinder,
der ConnétableDomPedro und Dona Filipa de Lancaster, sich dichterisch versuchten.
Ihren eigentlichen Höhepunkt aber erreichte die portugiesische Hofpoesie unter den KönigenJohann II.
und Emanuel. Neben dem oben genannten Ribeiro, der durch seine Eklogen und durch seinen sentimentalen Roman inProsa: »Menina e
moça« (Lissab. 1559, halb der Schäferpoesie, halb der Ritterromantik zugehörig) der Begründer beider Dichtungsarten wurde,
glänzten vor allen Zeitgenossen Christovam Falçam, Francisco Moraes (1572 ermordet) und besonders Sá de Miranda
(1495-1558), der als Repräsentant des Übergangs der mittelalterlichen in die modern-klassische Kunstpoesie der Portugiesen
gelten darf. Er war es, welcher die neuen dichterischen Formen, die infolge der Neubelebung der altklassischen Litteraturen
zu Anfang des 16. Jahrh. in Aufnahme kamen, in die portugiesische Dichtung einführte.
Diogo Bernardes (»O Lima«,
[* 18] das. 1596 u.
1761) und Jeronymo Cortereal (»Successo do segundo Cerco de Diu«, das. 1574 u. 1784; »Naufragio
de Sepulveda«, das. 1594 u. 1783) zu erwähnen sind. Der
schulmäßigen Poesie dieser und andrer Dichter trat entgegen Gil Vicente (gestorben um 1536), indem er das Volksleben zum
Ausgangspunkt seines dichterischen Schaffens wählte und in seinen witzigen, wenn auch formell mangelhaften Farcen sowie seinen
Autos wieder nationalere Ziele verfolgte. Er blieb jedoch ohne Nachfolger, und das portugiesische Theater,
[* 19] im Gegensatz zu dem des Nachbarlandes, in welchem aus ganz ähnlichen Anfängen ein nationales Drama sich entwickelte, verkrüppelte
unter den Händen gelehrter Pedanterie.
Mitten zwischen der Poesie der Afterklassizität und Nachkünstelei ausländischer Formen erstand aber um jene Zeit der
wirkliche KlassikerPortugals, der einzige große Dichter der portugiesischen Litteraturgeschichte. Luis deCamoens (1524-80)
hat, wenn er auch von der herrschenden litterarischen Richtung nicht völlig frei war, doch in seinen Kanzonen und Sonetten,
vor allem aber in seinem historisch-romantischen Gedicht »Os Lusiadas« (zuerst gedruckt 1572) Poesien von großartigster Schönheit
und, was besonders die letztgenannte Dichtung betrifft, ein Werk von welthistorischer Bedeutung geschaffen
(vgl. Camoens). Unter seinen fast in jedem Betracht unebenbürtigen Nachfolgern sind zunächst LuisPereiraBrandam, der in seinem
Epos »Elegiada« (Lissab. 1588 u.
1785) den Untergang des portugiesischen Ruhms besang, und Francisco Rodrigues Lobo (geboren um 1550) zu
nennen, der Verfasser trefflicher Hirtenromane (»Prima vera«, »Pastor peregrino« etc.),
eines trocknen historischen Gedichts
(»O condestabre de Portugal D. Nuno AlvarezPereira«, das. 1610)
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