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oder das Senaculum, vermeintlich das Sitzungslokal der Dekurionen, in Wahrheit wohl ein dem Kaiserkultus dienender Raum, es ist ein 20 m langer, 18 m breiter Saal mit halbkreisförmiger Erweiterung an der Rückseite, in der Mitte auf Marmorboden einen Altar [* 2] enthaltend; ferner das Gebäude der Eumachia (eine Warenbörse?), von Ziegeln errichtet und mit Marmor bekleidet. Dasselbe hat eine 39,5 m lange und 12,5 m tiefe Vorhalle (Chalcidicum) gegen das Forum [* 3] hin, aus welcher man durch den in der Mitte angebrachten Haupteingang in einen weiten Hof [* 4] gelangte, den ein breiter Portikus umzog.
Dem Eingang gegenüber befindet sich eine halbrunde
Nische mit
Piedestal, welches die
Statue der
Concordia
Augusta trug. Ein bedeckter
Gang
[* 5]
(Krypte) zog sich
an drei Seiten des Gebäudes hin und öffnete sich mit
Fenstern auf den
Portikus.
Bemerkenswert sind die beiden umfangreichen Thermengebäude (s. den
Plan bei Art.
Bad,
[* 6] Fig. 2). Die ältern
Bäder, 1824 ausgegraben,
bilden eine von vier
Straßen umschlossen Gebäudeinsel, 49,5 m lang, 53 m breit, und bestehen aus einem
Apodyterium (Auskleidezimmer), 11,5 m lang, 6,8 m breit, mit reichen
Ornamenten und
Reliefs am
Gesims,
[* 7] Mosaikfußboden und Steinbänken, aus welchem
man in das
Frigidarium, das kalte
Bad mit
Bassin,
gelangt, ferner dem
Tepidarium, dem warmen
Luftbad, 10 m lang, 5,5 m breit, mit
Malereien, Stuckreliefs
und
Telamonen reich ausgestattet, dem
Caldarium, dem warmen
Wasserbad, 5,5 m breit und 16,5 m lang, mit viereckiger Marmorwanne
für etwa zehn
Personen, einem runden Marmorbecken für die lauwarmen
Abwaschungen und Übergießungen, Mosaikfußboden, welcher
auf Ziegelpfeilern
ruht, zwischen denen sowie hinter den die
Wände bekleideten Thonplatten sich die
Hitze
aus den
Öfen
[* 8] frei verbreiten konnte.
Eine andre Abteilung, das Frauenbad, enthält die gleichen Räume mit einfacherer Ausstattung. Die neuen Thermen wurden erst 1857-60 ausgegraben und daher »neu« genannt, sind aber beträchtlich früher erbaut als die erstern. Dieselben umfassen ein geräumiges Peristyl, die Palästra für jene Gymnastik, welche als Vorbereitung zum Baden [* 9] diente; auf der einen Seite derselben ein Schwimmbassin mit zugehörigen Räumen, auf der andern ein Männerbad, bestehend aus Frigidarium mit elegant dekoriertem Vorzimmer, Apodyterium mit reichen Reliefs, Tepidarium und Caldarium, ferner ein Frauenbad mit Cepadyterium, Tepidarium und Caldarium; endlich liegen auf der Rückseite der Palästra einige Zellen für Einzelbäder.
Südöstlich von den neuen Thermen, an das Forum triangulare anstoßend, liegt das Große Theater, [* 10] welches zu den besterhaltenen des Altertums gehört. Es lehnt sich nach griechische Bauweise mit seinen Sitzreihen an den Abhang des Hügels an, so daß nur die vier obersten Sitzreihen auf einem gewölbten Korridor aufliegen. Zwei seitliche große Eingänge mit Seitentreppen zum ersten und zweiten Halbkreisabsatz befinden sich in der Tiefe zu beiden Seiten der Szene.
Der Zuschauerraum ist hufeisenförmig, hat 68 m Durchmesser, konnte 5000 Personen fassen und durch ein Zeltdach überdeckt werden. Er zerfällt in drei Abteilungen: die unterste Cavea mit 4 Stufen und den Ehrensesseln der Duumvirn, Dekurionen und Augustalen, die mittlere mit 20 Sitzreihen für die Bürgerschaft, die oberste mit 4 Sitzreihen für den Plebs. Die Bühne, 33 m breit und nur 6,5 m tief, erhebt sich 1,5 m über den Boden der Orchestra. Hinter der Bühne gelangt man zum Kleinen Theater (um 75 v. Chr. erbaut), auch Odeon genannt, für etwa 1500 Personen; es war laut der Inschrift mit einem Dach [* 11] versehen.
Hieran anstoßend, liegt zwischen dem Großen Theater und der Stadtmauer die Gladiatorenkaserne mit Treppenzugang vom Forum triangulare, ein großer, vierseitiger Portikus, ursprünglich zum Großen Theater gehörig und bestimmt, bei Regenwetter den Zuschauern Schutz zu bieten, später wohl für die Übungen bestimmt, von Säulen [* 12] umgeben, mit Schlafzimmern, Küche, Gefängnis und Wohnräumen. Getrennt von allen diesen Gebäuden liegt am Südostende der Stadt das Amphitheater, aus der Zeit der Sullanischen Okkupation, welches sich eiförmig von N. nach S. hinzieht, einen größten Durchmesser von 130 und einen kleinsten von 102 m hat.
Der größte Durchmesser der in die Erde vertieften Arena ist 69 m, der kleinste 37 m. Die Zuschauerplätze steigen in 34 Stufen aus vulkanischem Tuff empor und bilden vier Rangordnungen mit Plätzen für ca. 20,000 Personen. In die Arena, den Kampfplatz, münden zwei einander gegenüberliegende Thorbogen, durch welche die gerüsteten Gladiatorenscharen ihren Einzug hielten; daneben sind zwei kleine, viereckige, vergitterte Räume für die harrenden Bestien angebracht.
An industriellen Etablissements finden sich namentlich Bäckereien, Walkereien u. eine Gerberei. Besonders interessant ist die Fullonica, die Fabrik der Walker. [* 13] Um einen massiven Umgang von elf Pfeilern, welche noch eine obere Galerie tragen, liegen die Schlaf- und Wohnzimmer der Arbeiter sowie die Werkstätten, Trockenräume etc.; links am Ende des Umganges sind vier große Wasserbehälter, deren Wasser je von einem höhern in den niedrigern abfloß, und längs derselben ist eine Estrade, an deren Ende sich sechs kleine Zellen zur Aufnahme der Waschbütten befinden.
Was die Privathäuser von Pompeji [* 14] betrifft, so sind dieselben meist aus kleinen, durch Mörtel verbundenen Bruchsteinen, Lava, Lavaschlacken und Kalkstein mit Stucküberzug, häufig mit Ecken und Thürpfosten aus Ziegeln erbaut; Marmor ist erst in der Kaiserzeit, in größerer Ausdehnung [* 15] nur in öffentlichen Gebäuden, zur Wandbekleidung verwandt worden. Die Grundfläche der vornehmern Häuser ist zuweilen sehr bedeutend; aber sie zerfällt bei allen Häusern in auffallend viele kleine Räume, welche nur 4-5 Personen Platz zur freien Bewegung boten.
Die Außenseite der Häuser ist meist schmucklos; größere Fenster sind nur bisweilen im Oberstock, im Erdgeschoß bloß kleine, oft vergitterte Öffnungen. Großes Leben gewährten der Straße die vielen engen und niedrigen, aber weit offenen Läden, welche sich auch bei vornehmen Häusern finden, aber in der Mehrzahl vom Innern derselben geschieden sind und mit eignen kleinern Wohnungen im Obergeschoß in Verbindung standen. Die Schönheit des Hauses entfaltete sich nur nach innen.
Eine behagliche Wohnung hatte jenseit des Eingangsflurs (prothyron) ein Atrium als ersten Hof mit einem nach innen geneigten, entweder auf Querbalken oder auf Säulen ruhenden Dach und mit einem Bassin in der Mitte zur Aufnahme und Fortleitung des Regenwassers. Um dasselbe lagen Schlafzimmer und Wirtschaftsräume. An den beiden Enden der Atriumseiten sind zwei offene Flügelräume (alae), dem Eingang gegenüber das Tablinum, ein auf das Atrium und meist auch auf den zweiten Hof geöffnetes, vermutlich als Empfangssalon dienendes Zimmer. Zur Seite desselben führt ein Verbindungsgang zum zweiten Hof, gegen welchen auch das neben dem Tablinum etwa noch vorhandene Konversations- und Speisezimmer gerichtet ist. Der zweite Hof (peristylium) ¶
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ist die eigentliche Privatwohnung und besteht meist aus einem kleinen Garten [* 17] oder einem von Blumenbeeten umrahmten Wasserbecken, welches von einem Säulengang umschlossen ist. Auf diesen Umgang öffnen sich die Zimmer der Familie, an der Rückseite des Peristyliums ist zuweilen noch ein Festsalon (oecus). In manchen Häusern gelangt man noch zu einer dritten Abteilung, dem eigentlichen Garten (viridarium). Die obern Geschosse, [* 18] welche das Atrium und Peristylium ganz oder teilweise umschlossen, enthielten meist Schlafzimmer für die Dienerschaft, nach außen auch Mietwohnungen. In reichem Maße sind die Räume der pompejanischen Häuser mit Ornamenten, Malereien und Mosaikgemälden ausgestattet.
Die nennenswertesten der Privatgebäude sind: das Haus des Pansa (s. Tafel »Baukunst [* 19] VI«, [* 20] Fig. 4-6), eine der größten Wohnungen der Stadt, durch Harmonie der Maße und Vollständigkeit des Plans zum Musterbild der antiken Häuser geworden;
das Haus des Poeta tragico (nach einem unrichtig erklärten trefflichen Gemälde im Tablinum, jetzt im Museum zu Neapel, [* 21] so benannt), ein kleines, aber sehr geschmackvolles Haus, durch seine Malereien, namentlich aus dem Homerischen Kreis, [* 22] hochberühmt;
das Haus des Sallustius, durch Eleganz und bedeutende Wandmalereien ausgezeichnet;
das Haus des Meleager, eine reichgeputzte, schöne Wohnung ohne Laden und von zierlicher Anlage;
das Haus des Kastor und Pollux, ein großes Doppelhaus, mit einem zwischen zwei Atrien in der Mitte liegenden Peristyl;
die Casa del Fauno, eine der größten und prächtigsten Privatwohnungen von Pompeji, mit berühmten Mosaiken;
das Haus des Lucretius, eine der reichsten Wohnungen, mit einer Fülle von ornamentalem Schmuck;
an der 1862 bloßgelegten Casa del Balcone pensile ist die in die Straße hinausragende Erkerwohnung bemerkenswert.
Die in Pompeji aufgefundenen überaus zahlreichen häuslichen Gerätschaften aller Art, Schmucksachen, [* 23] Münzen [* 24] etc., die ein helles Licht [* 25] über das häusliche Leben der Alten verbreiten, befinden sich, wie alle bedeutenden Fresken, Mosaiken, ornamentalen Wanddekorationen (s. Tafel »Ornamente [* 26] I«, [* 16] Fig. 48, 50 bis 53) und Skulpturwerke, jetzt größtenteils im Nationalmuseum zu Neapel.
Vgl. Mazois, Les ruines de Pompéi (Par. 1812-38, 4 Bde.);
Gell und Gandy, Pompeiana (Lond. 1817-30, 4 Bde.; neue Folge 1832, 2 Bde.);
Cooke, Delineations of Pompeii (das. 1818-27, 2 Bde.);
Zahn, Die schönsten Ornamente und merkwürdigsten Gemälde von Pompeji, Herculaneum und Stabiä (Berl. 1828-60, 3 Abtlgn.);
Derselbe, Neuentdeckte Wandgemälde in Pompeji (Stuttg. 1288, 40 Blatt); [* 27]
Ternite, Wandgemälde aus Pompeji und Herculaneum (mit Text von K. O. Müller; fortgesetzt von Welcker, Berl. 1841-44, 3 Hefte);
»Herculaneum und Pompeji, vollständige Sammlung der daselbst entdeckten Malereien, Mosaiken und Bronzen«, gestochen von Roux und Bouchet, mit Text von Barré (deutsch, Hamb. 1838-41, 6 Bde.);
Overbeck, Pompeji in seinen Gebäuden, Altertümern und Kunstwerken (4. Aufl., mit Mau, Leipz. 1884);
Nissen, Pompejanische Studien (das. 1877);
Fiorelli, Gli scavi di Pompei dal 1868 al 1872 (Neap. 1873);
Schöner, Pompeji (Stuttg. 1877);
»Pompei e la regione sotterrata da Vesuvio nell' anno 79« (Neap. 1879, Sammelwerk zur 18. Säkularfeier der Verschüttung);
Presuhn, Die letzten Ausgrabungen von 1874-81 (2. Aufl., Leipz. 1881, 80 Tafeln);
Mau, Pompejanische Beiträge (Berl. 1879);
Derselbe, Geschichte der dekorativen Wandmalerei (das. 1881);
Furchheim, Bibliotheca Pompeiana (Bibliographie, Neap. 1879) u. a.