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wenig geleistet hat. Der Kampf gegen die Schulmethode der Jesuiten knüpft sich an den Namen des Piaristen Stanislaus Konarski (1700-1773), der in seiner Schrift »De emendandis eloquentiae vitiis« die widerliche Sprachmengerei bekämpfte, in den »Institutiones oratoriae« (1767) eine ungekünstelte Theorie der Beredsamkeit mit Beispielen aus mustergültigen Schriftstellern gab und dem französischen Klassizismus durch vorzügliche Übersetzungen aus Corneille u. a. die Bahn brach.
Diese Richtung fand eifrige Unterstützung an dem Hof [* 2] des Königs Stan. Poniatowski, welcher seine Schwäche und Charakterlosigkeit wenigstens zum Teil durch die den Künsten und Wissenschaften erwiesene Aufmunterung gesühnt hat. Der »Dichterfürst« dieser Zeit, Erzbischof Graf Ignaz Krasicki (1735-1801), vereinigt alle ihre Vorzüge: zierliche Sprache, [* 3] feinen Witz, geistreiche Satire, mit ihren Schattenseiten, als sklavische Nachahmung französischer Muster, unbedingte Unterwerfung unter die Kunstregeln Boileaus und Mangel an wahrer poetischer Empfindung. Im steifen Stil der »Henriade« besang er den »Krieg um Chotin«, ohne die frühere Bearbeitung desselben Stoffes von W. Potocki zu kennen; belebter sind seine satirischen Epopöen (»Myszeïs«, »Monomachia«, »Antimonomachia«),
am gelungensten seine Fabeln und Satiren und die Sittenromane (»Der Untertruchseß« etc.), während die unter dem Namen seines Sekretärs Mrowinski veröffentlichten Dramen ganz verfehlt sind. Unter den eigentlichen Hofpoeten sind zu nennen: der Bischof Ad. Naruszewicz (1733-96), welcher in seinen Oden, Idyllen, anakreontischen Liedern und in seinen vortrefflichen Satiren noch eine gewisse Würde bewahrt, während der königliche Kammerherr St. Trembecki (1732-1812) sich nicht nur mit dem Schoßhündchen des Königs vergleicht, sondern auch der Zarin Katharina schmeichelt, obschon seine lyrischen Gedichte und sein großes beschreibendes Gedicht »Zofijówka« in sprachlicher Hinsicht ausgezeichnet genannt werden müssen.
Auch sein früh verstorbener Amtsgenosse Cajetan Wegierski (1755-87) ahmte in seinem beschreibenden Gedicht »Organy« wie in seinen »Oden« und »Poetischen Briefen« die französischen Muster sklavisch nach. In höherm Grade trägt der nationalen Stimmung Rechnung Fr. Dion. Kniaznin (1750-1807) in seinen Oden und Opern, welche indessen der Form nach streng »klassisch« sind, gleichwie die seinerzeit als Meisterwerke gepriesenen Trauerspiele: »Ludgarda« des Generals Ludwig Kropinski (gest. 1844) und »Barbara Radziwill« von Aloys Felinski (1771-1820). Als Vorbote der Befreiung der Nationallitteratur aus den Fesseln des französischen Akademismus erscheint zunächst Franz Karpinski (1741-1828),
welcher zwar in seinen Dramen: »Judith«, »Der Zins«, »Alceste« etc. noch auf pseudoklassischem Boden steht, dagegen in seinen Idyllen und Elegien den volkstümlichen Ton aufs glücklichste anzuschlagen wußte. Auch der Erzbischof Joh. Woronicz (1757-1819),
nach Skarga der bedeutendste polnische Kanzelredner: welcher in seinem didaktischen Gedicht »Swiatynia Sibylli« an den Moderegeln festhält, erhebt sich in einzelnen Dichtungen, namentlich in dem Fragment »Assarmot«, zu wahrer poetischer Begeisterung. Der eigentliche Dichter des Übergangs ist indessen der auch als Staatsmann, Redner und Adjutant Kosciuszkos bekannte Julian Ursin Niemcewicz (1757-1841). Seine politischen Tendenzdramen: »Die Heimkehr des Landboten« und »Kasimir d. Gr.« greifen kühn in die nationale Strömung;
noch anregender haben seine »Historischen Gesänge« und die Erzählung »Jan z Tenczyna« gewirkt.
Unter den Dichtern des Übergangs sind ferner zu nennen: Franz Wenzyk (1784-1862),
welcher Dramen (»Glinski«, »Barbara«, »Wanda«) und ein beschreibendes Gedicht: »Okolice Krakowa« (Krak. 1820), schrieb, der Kastellan Cajetan Kozmian (1771-1856), Winzenz Reklewski (1785-1812) u. a. Charakteristisch für diesen Zeitraum sind die zahlreichen, zum Teil vorzüglichen Übersetzungen von Meisterwerken der altklassischen wie der modernen Litteraturen. Einen bedeutenden Aufschwung nahm jetzt die Geschichtschreibung. Dem oben genannten Ad. Naruszewicz gebührt der Ruhm, durch seine auf umfassenden kritischen Quellenstudien beruhende, auch sprachlich ausgezeichnete »Geschichte des polnischen Volkes« eine sichere Grundlage für die moderne Geschichtschreibung Polens geschaffen zu haben.
Unter den historischen Schriften des Grafen Tadeusz Czacki (1765-1813) ist diejenige »Über die litauischen und polnischen Gesetze« hervorzuheben, obschon es ihm nicht gelang, das reiche Material systematisch zu ordnen. Joh. Albertrandi (1731-1808) schrieb eine »Geschichte Heinrichs von Valois und Stephan Báthoris«, eine »Geschichte der Regierung Kasimirs« und zahlreiche Monographien. Auch der Dichter Niemcewicz hat sich durch seine »Geschichte Sigismunds III.« als Geschichtsforscher einen Namen erworben.
Denselben Stoff mit besonderer Berücksichtigung der staatlichen Einrichtungen, Sitten, Trachten etc. behandelte Fr. Siarczynski (1758-1829); geringern Wert besitzen Golembiowskis (1773-1849) zahlreiche Beiträge zur Sittengeschichte Polens. Der Erforschung der slawischen Urgeschichte widmete sich außer Surowiecki (1769-1827) Adam Czarnocki (1784-1825), dessen in polnischen und russischen Zeitschriften veröffentlichte Aufsätze auf diesem Gebiet bahnbrechend wirkten.
Sehr bedeutend gestaltete sich auch in diesem Zeitraum die Memoirenlitteratur; fast jedes Jahr bringt jetzt Denkwürdigkeiten aus dem 18. Jahrh., und sehr viele ruhen noch in den Familienarchiven. Unter den bekannten sind am wichtigsten: die Denkwürdigkeiten des Königs Stan. Poniatowski, dessen interessanter Briefwechsel mit Frau v. Geoffrin später in Paris [* 4] veröffentlicht wurde; sodann des Andreas Kitowicz »Denkwürdigkeiten zur Regierung Augusts III. und Stanisl. Augusts« (Pos. 1840),
des an der Barer Konförderation ^[richtig: Konföderation] in hervorragendem Maß beteiligten Wybicki »Pamiętniki« (das. 1840),
dann »Pamiętniki czasów moich« von Niemcewicz (Par. 1840),
die Memoiren des Generals Zajonczek, Kozmians, die (jüngst veröffentlichten) des Fürsten Adam Czartoryiski u. a. Auf staatswissenschaftlichem Gebiet trat Konarski (s. oben) mit seiner Gesetzsammlung »Volumina legum« und namentlich mit dem epochemachenden Werk »O skutecznym rad sposobie« (1760-63) als Reformator auf. Ihm schließen sich an der Reichskanzler Hugo Kolontaj (1750-1812),
der freisinnige und geistreichste Führer der Reformpartei auf dem sogen. großen Reichstag von 1788-92, und der Staatsrat Stan. Staszic (1755-1826; »Uwagi nad žyciem Zamoyskiego«, »Przestrogi dla Polski«); ferner Ignaz Potocki, Severyn Rzewuski, Jezierski, Tomaszewki u. a. Auch in den Versuchen auf dem Gebiet der Philosophie herrschte die französische Richtung vor. Die von Condillac im Auftrag des polnischen Unterrichtsrats verfaßte »Logik« wurde von Jan Znosko übersetzt (1802); Cyankiewicz schrieb eine Logik nach den Grundsätzen Lockes (1784). Am ¶
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eifrigsten vertrat den sensualistischen Standpunkt der Wilnaer Professor Jan Sniadecki (1756-1830) in der Schrift »O filozofii« (1819),
während J. K. Szaniawski (1764-1843) sich an Kant und Schelling anlehnte (»Rzut oka na dzieje filozofii«, 1804; »O naturze«, 1808).
V. Die Romantik, von 1822 bis 1862.
Das Erscheinen der »Balladen und Romanzen« von Adam Mickiewicz (1822) eröffnet die romantische Periode, welche wesentlich zum Ausbruch des Aufstandes von 1830 beitrug, nach dem Scheitern desselben in der Emigrationslitteratur ihren ebenso glänzenden und genialen wie auch durch Überschwenglichkeit gefährlichen Ausdruck findet, dann die Warschauer Demonstrationen von 1862 und den Aufstand vom Januar 1863 mit erzeugt, damit aber auch abschließt und einer wesentlich realistischen Gegenströmung weicht.
Was Mickiewicz für den Aufstand von 1830 war, das war Julius Slowacki für jenen von 1863. Adam Mickiewicz (1798-1855) befreite die polnische Nationallitteratur von den Banden des starren französischen Klassizismus, wobei er namentlich der englischen und deutschen Poesie mächtige Anregung verdankt, fand aber nach einer kurzen Sturm- und Drangperiode in seinem Hauptwerk: »Pan [* 6] Tadeusz« (1835), das Gleichgewicht [* 7] zwischen originaler Unabhängigkeit und im besten Sinn klassischer Form.
Julius Slowacki (1809-49), dessen erste Dichtungen 1832 erschienen, brachte die polnische Romantik zu dem Extrem der subjektiven, durch keine Tradition und Regel gezügelten Empfindung, der patriotischen Leidenschaft und des absichtlichen Absehens von allen normalen oder prosaischen Lebensbedingungen. Endlich vertritt der dritte bedeutendste Dichter dieser Zeit, Graf Sigismund Krasinski (gest. 1859), die kirchlich-aristokratische Abart der polnischen Romantik. Neben Mickiewicz waren es namentlich folgende Dichter, welche in den 20er Jahren zum Sieg der Romantik über den absterbenden Nachklassizismus beitrugen: W. Brodzinski (gest. 1835) mit seinem reizenden Idyll »Wieslaw«, Graf A. Fredro (gest. 1876) mit seinem Lustspiel »Geldhab«, Bohdan Zaleski (gest. 1886) mit seinen »Dumy«, besonders aber der früh verstorben A. Malczewski (1792-1826) mit der poetischen Erzählung »Marya« und S. Goszczynski (gest. 1876) mit seiner schauerlich-brutalen poetischen Erzählung »Zamek Kaniowski«. Die episch-lyrische Poesie findet dann ihre hervorragendsten Vertreter in Winzenz Pol (1807-72),
dessen »Lied von unserm Land« und Rittergedicht »Mohort« in der glücklichen Weise alle Vorzüge der Kunst- und Volkspoesie vereinigen;
in dem sein ganzes Leben lang von Not verfolgten W. Kondratowicz (Pseudonym: Syrokomla, gest. 1862),
dessen »Lyrnik wioskowy«, »Stare Wrota« etc. ein ungewöhnliches, wenn auch nicht zur vollen Entfaltung gelangtes Talent verraten;
in Lucyan Siemienski (1809-77) mit slawistischer Richtung und entschiedener Vorliebe für das Volkslied;
in Anton E. Odyniec (1804-85);
ferner in Julian Korsak (1807-55) und Alex. Chodzko (geb. 1804), welche sich an die orientalisierende Richtung des Ad. Mickiewicz anlehnen;
in Stefan Garczynski (gest. 1833), dessen »Waclawa dzieje«, und Stefan Witwicki (1801-47),
dessen »Edmund« auf Byron verweisen;
endlich in Kornel Ujejski (geb. 1823),
dessen durch hohen Schwung ausgezeichnete »Skargi Jeremiego« (1847) und »Melodye biblijue« ^[richtig: »Melodye biblijne«] (1852) sowie die Dichtungen des jung verstorbenen Edm. Wasilewski (1814-46), dann die von Cyprian Norwid, Roman Zmorski, Berwinski u. a. einen starken Einfluß des romantischen Pessimismus und radikalen Patriotismus Slowackis verraten.
Auch das Drama nahm in der romantischen Epoche einen bedeutenden Aufschwung. Neben Slowacki, welcher eine stattliche Anzahl echt romantischer Trauerspiele schrieb, von denen jedoch viele Repertoirestücke wurden, sind insbesondere zu erwähnen: Graf Alex. Fredro der ältere (gest. 1876), der durch natürlichen Humor ersetzt, was ihm an echter dramatischer Kunst abgeht; Jozef Korzeniowski (1797-1863), der maßvollste unter den Romantikern, Magnuszewski (1810-47) u. a. Im allgemeinen aber war die Romantik in Polen so wenig wie in Deutschland [* 8] und Frankreich der Entwickelung des bühnengerechten Dramas förderlich. In glücklicher Weise vermittelt der Roman den Übergang zu der neuesten realistischen Epoche.
Den Bann des sentimentalen klassischen Romans versuchten schon im zweiten Jahrzehnt Bernatowicz (»Pojata«),
Niemcewicz (»Johann von Tenczyn«),
Graf Skarbek (»Pan Starosta«, »Damian Ruszczyc« etc.) zu brechen. Doch datiert die Popularität der Romane in Polen erst vom Anfang der 40er Jahre, seitdem sich nämlich J. I. ^[Józef Ignacy] Kraszewski (1812-87) mit dem Roman »Swiat i poeta« (1839) Bahn gebrochen, um alsbald der fruchtbarste und der am meisten gelesene Schriftsteller zu werden. Neben Kraszewski, welcher eine ebenso anziehende wie im ganzen gesunde geistige Nahrung bot, sind zu nennen: Jozef Korzeniowski (gest. 1863), der in seinen zahlreichen Sittenromanen, als »Spekulant«, »Garbaty«, »Emeryt« etc., sich als sehr bedeutender Erzähler und feiner Stilist erweist, indessen den populären und patriotischen Ton nicht so glücklich wie Kraszewski zu treffen wußte;
Michael Czajkowski (gest. 1886), dessen in der Ukraine spielende Romane seiner Zeit sehr beliebt waren, allein bald aus der Mode kamen;
Sigismund Kaczkowski (geb. 1826), welcher mit großem Erfolg den chronistischen Memoirenton zu treffen verstand, aber bald wieder verstummte;
J. ^[Józef] Dzierzkowski (gest. 1868) u. a.
Aber die polnische Romantik war keine ausschließlich poetische Richtung, sondern eine politisch-soziale Reaktion gegen die durch den Wiener Kongreß sanktionierten Verhältnisse und gegen jene aristokratisch-büreaukratische Koterie, welche den Fall des Reichs mit verschuldet und sich dann mit dem russischen Regime ausgesöhnt hatte. Sie beherrschte daher auch nicht allein die Dichtkunst, sondern auch die Geschichte und Philosophie. In der polnischen Geschichtschreibung behandelte die »klassische Schule« des übrigens sehr verdienstlichen A. Naruscewicz (gest. 1796) die Hof- und Staatsgeschichte.
An der Spitze der neuesten, romantischen Schule stand Joachim Lelewel (gest. 1861), welcher wie Mickiewicz wesentlich zum Aufstand von 1830 beitrug und sein bedeutendes Talent der patriotisch-demokratischen Tendenz vollständig dienstbar machte, zwar auf allen Gebieten der Geschichte und Geographie durch seine Forschungen anregend und bahnbrechend wirkte, aber durch das Hineintragen vorgefaßter Meinungen den Sieg realistisch-objektiver Geschichtsforschung hinderte.
Ganz in demselben Sinn wirkten Heinrich Szmitt und Andreas Moraczewski (gest. 1855), dessen »Polnische Geschichte« ein warmes Plaidoyer für republikanische Grundsätze ist und in dogmatisierender Richtung über die durch fortwährende Quellenforschung gemilderte und kontrollierte ähnliche Methode Rottecks und Guizots weit hinausgeht. Anstatt die Fehler und Gebrechen aufzudecken, welche den Fall des polnischen Staats herbeiführen, langte die Schule Lelewels ¶