Ausführungsbestimmungen sind in der Gesetzgebung der Einzelstaaten enthalten, z. B. in dem preußischen Gesetz vom 23. April 1883,
betreffend den Erlaß polizeilicher Strafverfügungen. Allerdings läßt sich das weite Gebiet der Polizei in einem einzigen Gesetz
nicht normieren; vielmehr haben die einzelnen Staaten eine ganze Reihe von Einzelgesetzen aufzuweisen, welche durch das
Bedürfnis nach und nach hervorgerufen wurden. Bei der außerordentlichen Verschiedenheit der lokalen und zeitlichen
Bedürfnisse gerade auf dem Gebiet der polizeilichen Verwaltung erscheint es aber auch als gerechtfertigt, wenn die eigentlichen
Gesetze nur die leitenden Prinzipien feststellen und die Ausführung derselben im einzelnen den Verordnungen überlassen wird,
zu deren Erlaß nicht nur die höhern staatlichen Verwaltungsbehörden, sondern auch die Organe der städtischen
Verwaltung befugt sind.
Derartige Verordnungen, z. B. Straßenpolizeiordnungen, früher »Willküren« genannt, ähnlich den englischen Bylaws (s. d.),
finden sich fast in allen größern und kleinern Städten, je nach dem Bedürfnis verschieden, wenn auch in den Grundzügen
übereinstimmend und jedenfalls innerhalb der durch das Gesetz gezogenen Schranken sich bewegend. Aber
auch die preußische Einrichtung, wonach der Landrat mit Zustimmung des Kreisausschusses für mehrere Amtsbezirke oder für
den ganzen Umfang des Kreises gültige Polizeivorschriften erlassen und wonach auf den Kreistagen allgemeine statutarische Anordnungen
polizeilichen Inhalts getroffen werden können, findet sich ähnlich in verschiedenen deutschen Staaten.
Endlich ist hier noch des Abschnitts 29 des deutschen Strafgesetzbuchs (§ 360 ff.) zu gedenken, welcher von den Übertretungen
handelt und eine Reihe von Strafbestimmungen gegen die Verletzung polizeilicher Vorschriften enthält.
Vgl. außer den Lehrbüchern
des Staats- und Verwaltungsrechts Mohl, Polizeiwissenschaft (3. Aufl., Tübing. 1866, 3 Bde.);
Förstemann,
Prinzipien des preuß. Polizeirechts (Berl. 1870);
Stein, Verwaltungslehre, 4. Teil: Das Polizeirecht (Stuttg. 1867);
Mascher,
Die preußisch-deutsche Polizei (5. Aufl., Berl. 1885);
Rosin, Polizeiverordnungsrecht in Preußen (Bresl. 1882);
Avé-Lallemant,
Physiologie der deutschen Polizei (Leipz. 1882);
Prucha, Die österreichische Polizeipraxis (Wien 1877);
Lienbacher, Österreichisches
Polizeistrafrecht (4. Aufl., das. 1880);
Sergeant, England's policy (Edinb. 1881);
Desoer, Code de police
(2. Aufl., Brüssel 1882).
eine Nebenstrafe, welche neben einer Freiheitsstrafe erkannt wird und in einer Beschränkung im Gebrauch
der persönlichen Freiheit nach Verbüßung jener Strafe besteht. Die Polizeiaufsicht, welche aus dem französischen in das deutsche, belgische
und englische Recht übergegangen ist, kann nach dem deutschen Strafgesetzbuch (§ 38, 39, 361) nur in
den gesetzlich bestimmten Fällen ausgesprochen werden, namentlich gegen die Rädelsführer bei einem Landfriedensbruch oder
bei einer öffentlichen Zusammenrottung zum Zweck des Widerstandes gegen die Staatsgewalt sowie bei der Meuterei von Gefangenen,
welche mit Gewaltthätigkeit gegen das Aufsichts- und Beamtenpersonal verbunden ist.
Ferner kann auf Polizeiaufsicht neben der wegen Diebstahls, Raubes oder Erpressung erkannten Zuchthausstrafe sowie gegen die wegen Hehlerei,
Kuppelei, Münzverbrechen, unberechtigten Jagens und wegen eines gemeingefährlichen Verbrechens, wie Brandstiftung etc., Verurteilten
erkannt werden. In allen diesen Fällen kann das Gericht aber nur auf die Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkennen;
die Polizeiaufsicht selbst wird gegen den Verurteilten durch die Landespolizeibehörde verfügt und zwar nach Anhörung
der Gefängnisverwaltung.
Die höchste Zeitdauer der Polizeiaufsicht ist fünf Jahre. Dem unter Polizeiaufsicht. Gestellten kann der Aufenthalt
an einzelnen bestimmten Orten untersagt, er kann, wenn er Ausländer ist, aus dem Deutschen Reich verwiesen, und es
können bei ihm jederzeit Haussuchungen vorgenommen werden. Ein Zuwiderhandeln gegen die infolge der Polizeiaufsicht auferlegten Beschränkungen
wird mit Haft bis zu sechs Wochen bestraft. In Frankreich ist die Polizeiaufsicht durch Gesetz vom 30. Juni 1874 geregelt; das Maximum der Polizeiaufsicht ist
hiernach der Zeitraum von 20 Jahren. Die Regierung hat das Recht, dem entlassenen Sträfling den Aufenthalt
an gewissen Orten zu untersagen, unter Umständen kann sie ihm auch einen bestimmten Aufenthaltsort anweisen. In England steht
die Polizeiaufsicht mit dem Beurlaubungssystem in Verbindung.
Vgl. Fuhr, Die Polizeiaufsicht nach dem Reichsstrafgesetzbuch (Gießen 1888).
im Gegensatz zum Rechtsstaat ein Staatswesen, in welchem die Freiheit der Staatsbürger
durch ein Übermaß von polizeilicher Überwachung und von Präventivmaßregeln beschränkt ist;
s. Polizei.
der durch polizeiliche Verordnung bestimmte Zeitpunkt, bis zu welchem regelmäßig die öffentlichen
Schank- und Vergnügungslokale des Abends von den Gästen geräumt werden müssen; heutzutage vielfach
abgeschafft und, wo sie noch besteht, gewöhnlich nicht eben streng gehandhabt. Die Festsetzung der Polizeistunde ist
provinziell oder lokal verschieden geregelt. Das deutsche Strafgesetzbuch (§ 365) bedroht denjenigen, welcher in einem solchen
Lokal über die gebotene Polizeistunde hinaus verweilt, obgleich er von dem Wirte, dessen
Vertreter oder von einem Polizeibeamten zum Fortgehen aufgefordert worden, mit Geldstrafe bis zu 15 Mk. Der Wirt, welcher
das Verweilen seiner Gäste über die gebotene Polizeistunde hinaus duldete, soll mit Geldstrafe bis zu 60 Mk. oder mit Haft bis zu 14 Tagen
bestraft werden. Eines besondern Glockenzeichens (Bier-, Wein-, Ratsglocke) bedarf es nicht mehr. In Österreich
(Verordnung vom 3. April 1855) trifft die wegen Übertretung der Polizeistunde angedrohte Strafe den Wirt auch schon dann, wenn er seine Wirtschaft
nicht rechtzeitig schließt. Dagegen sind die Gäste erst dann straffällig, wenn nicht nur dem Wirt, sondern auch den Gästen
durch ein Sicherheitsorgan die Polizeistunde geboten worden ist.
Angelo (lat. Angelus Politianus), berühmter ital. Dichter und Humanist, geb. 14. Juli 1454 zu
Montepulciano, studierte in Florenz, erregte allgemeine Bewunderung durch seine klassischen »Stanze per la giostra di Giuliano
de' Medici« (Bologna 1494 u. öfter; am besten Pad. 1728,
1765), welches Gedicht er in seinem 15. Jahr (1468) schrieb, aber unvollendet ließ, und ward seitdem einer der gewöhnlichen
Gesellschafter Lorenzos von Medici, der ihn in den Stand setzte, ganz seinen Studien leben zu können, und ihm 1477 auch die
Erziehung seiner Kinder anvertraute. Poliziano wendete sich nun fast ausschließlich den klassischen Studien zu,
erhielt 1480 den Lehrstuhl der griechischen und römischen Litteratur zu Florenz, in welcher Stellung er sich einen europäischen
Ruhm erwarb, wurde 1485 auch Kanonikus der Kathedrale zu Florenz und starb 24. Sept. 1494.
mehr
Seiner kritischen Thätigkeit verdanken wir die Textrevision mehrerer Editiones principes sowie die berühmten »Miscellanea«
(Flor. 1489 u. öfter). Bewunderung fanden die lateinischen Übersetzungen von Homers Ilias, Buch 2-5 (bei Mai, »Specileg. romanum«,
Bd. 2),
des Historikers Herodian (Flor. 1490),
des Epiktet (Fiesole 1497),
des Kallimachos (hrsg. von Bandini, Flor. 1764).
Als Muster historischer Darstellung gilt seine Geschichte der Verschwörung der Pazzi: »Pactianae conjurationis commentariolum«
(Flor. 1478, Pisa 1800). Auch hat sich Poliziano durch seine antiquarischen Forschungen zum römischen Recht verdient gemacht. Seine
italienischen Poesien bestehen außer den genannten »Stanze« aus dem Schäferdrama »Orfeo« und einer Anzahl kleinerer
Gedichte; sie wurden zusammen öfter herausgegeben, am besten durch Carducci (Flor. 1864). Seine »Prose
volgare e poesie latine e grecche« gab Del Lungo (Flor. 1867) heraus. Die sämtlichen Schriften erschienen zu Venedig 1498 u.
öfter, zuletzt Basel
1554.
Vgl. Bonafous, De Politiani vita et operibus (Par. 1845);
Mähly, A. Poliziano (Leipz. 1864);
Del Lungo,
Uno scolare dello studio fiorentino nel seculo XV (Flor. 1869);
Piellat, Épitres d'A.
Politien (Lyon 1874).