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des Staats und seiner Organe ausschließlich auf den Rechtsschutz beschränkt werden soll, aber insofern ein berechtigtes ist, als das Recht die Grundlage des Staats sein und das gesamte staatliche Leben in den Angeln des Rechts sich bewegen soll.
Was die Ausübung der Polizeigewalt im einzelnen anlangt, so heben wir zunächst diejenige Thätigkeit hervor, welche dem innern Schutz des Staatsganzen, der Erhaltung der Staatseinheit und der Staatsordnung, gewidmet ist (Staatspolizei, hohe, politische Polizei). Dahin gehören namentlich Vorkehrungen gegen politische Umtriebe, ferner die Kontrolle des Vereins- und Versammlungswesens, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Rechtssicherheit.
Dieser Staatspolizei steht die sogen. Individualpolizei gegenüber, welche
sich mit der Wohlfahrt der einzelnen
Staatsbürger beschäftigt und zwar mit deren persönlichem Wohlergehen in sittlicher
wie in physischer Beziehung. Zu der polizeilichen Thätigkeit der erstern Art
(Kulturpolizei) gehört insbesondere die Sittlichkeitspolizei,
welche sich bemüht, die für
Sittlichkeit und öffentlichen
Anstand schädlichen Einflüsse einzudämmen und fern zu
halten, z. B. durch die Überwachung öffentlicher Schaustellungen und Aufführungen, öffentlicher
Vergnügungen,
Aufzüge
[* 2] und Festlichkeiten
(Theater-, Gesellschaftspolizei), durch die
Kontrolle über öffentliche Badeanstalten
u. dgl. Auch die Beaufsicht
igung öffentlicher
Leihbibliotheken gehört hierher, dann das Verbot gewisser
Hasardspiele, die Handhabung der
Sonntags- und der Schulpolizei
(Schulzwang),
der
Polizeistunde sowie der
Gesinde-,
Fabrik- und Gewerbepolizei und der
Preßpolizei.
Außerdem ist die Gesundheitspolizei (Medizinal-,
Sanitätspolizei) hervorzuheben, die besonders durch die Beaufsicht
igung
der
Ärzte,
Hebammen, öffentlichen und privaten
Heil- und
Irrenanstalten, der
Spitäler, des Apothekerwesens und des
Handels mit
Giften und
Geheimmitteln thätig wird. Aber auch der polizeilichen Vorkehrungen gegen den Verkauf verfälschter und verdorbener
Nahrungsmittel
[* 3] und der polizeilichen Untersuchung gewisser
Nahrungsmittel vor deren Verkauf ist zu gedenken; dann der Beaufsicht
igung
des Begräbniswesens, der polizeilichen
Leichenschau und der Vorkehrungen gegen die Verbreitung ansteckender
Krankheiten, der
Durchführung und Beaufsicht
igung des Kloakensystems, der
Reinigung der
Straßen etc.
Ferner ist die eigentliche Nahrungspolizei
anzuführen, die namentlich in
Zeiten der
Teurung (Teurungspolizei) geeignete Vorkehrungen für den
Transport
und Verkauf von Lebensmitteln zu treffen hat, wohin auch die Marktpolizei und die
Maß- und Gewichtspolizei gehören.
Dazu kommt das weite
Feld der
Armenpolizei mit den Vorkehrungen gegen das
Bettelwesen und gegen die
Landstreicherei, mit der
Beaufsicht
igung der öffentlichen Entbindungsanstalten, der
Findelhäuser u. dgl. Für den
Schutz der
Person
sorgt endlich auch die eigentliche Sicherheitspolizei, namentlich durch den öffentlichen Wachtdienst, durch Überwachung
verdächtiger Individuen und Lokalitäten, durch das
Institut der
Polizeiaufsicht (s. d.), kurz, durch alle Maßregeln, welche
die Verhütung verbrecherischer
Handlungen bezwecken; aber auch diejenige polizeiliche Thätigkeit, welche der
Entdeckung verübter
Verbrechen (Entdeckungspolizei, gerichtliche Polizei) gewidmet ist, gehört hierher.
Wie für den Schutz der Person, so tritt die Sicherheitspolizei auch für den des Eigentums und des Vermögens überhaupt in Wirksamkeit. Wir heben hier insbesondere die Fürsorge für die Herstellung, Erhaltung und Überwachung der öffentlichen Verkehrsanstalten, der Land- und Wasserstraßen (Wege- und Straßen-, Wasserpolizei), die Hafen- und Schiffahrtspolizei hervor. Ferner ist der Feuer- und der Baupolizei zu gedenken, dann der Vorkehrungen gegen die Verbreitung von Viehseuchen (Veterinärpolizei), der Berg-, Feld-, Forst-, Jagd- und Fischereipolizei und der landwirtschaftlichen Polizei überhaupt.
Mit Rücksicht auf die mit der Ausübung der Polizei betrauten Behörden pflegt man zwischen Landes- (Staats-) Polizei und Kommunal- (Gemeinde-, Orts-, Lokal-) Polizei zu unterscheiden, indem der Ausdruck Polizei alsdann nicht selten auch zur Bezeichnung des mit polizeilichen Funktionen beauftragte Beamtenkörpers gebraucht wird. In den meisten Staaten ist nämlich die Ausübung der niedern Polizei den Gemeindebehörden übertragen, welchen dann das nötige Vollzugspersonal beigegeben ist (Polizeiagenten, -Inspektoren, -Kommissare, -Offizianten, -Diener, Gendarmerie, Schutzleute; in Frankreich agents de police, sergents de ville, gardiens de la paix, gardes de ville; in England police-men). In Preußen [* 4] hat sich die Staatsregierung für die Städte, namentlich für die Residenzen und größern Städte, das Recht vorbehalten, die Polizei unmittelbar durch Staatsbehörden (Polizeipräsidium, Polizeidirektion) auszuüben.
Mit besonderer Vorsicht hat sich die Polizeiverwaltung der wenigstens in großen
Städten nicht entbehrlichen geheimen Polizei zu
bedienen. In
Frankreich ist damit wiederholt das
System der
Agents provocateurs, der zur Begehung verbrecherischer
Handlungen
aufreizenden Polizeispione, in
Verbindung getreten, und die
Regierung, welche sich mit solchen verdächtigen Individuen eingelassen,
sah sich alsdann wiederum zu deren Beaufsicht
igung durch die Einrichtung von einer Art »Gegenpolizei«
(contre-police) genötigt.
Selbstverständlich können die Polizeibehörden die durch ihre gesetzlichen Befugnisse gerechtfertigten Anordnungen mittels Anwendung der gesetzlichen Zwangsmittel durchführen. Um jedoch Willkürlichkeiten vorzubeugen, ist auch in Polizeisachen für einen gehörigen Beschwerde- und Instanzenzug gesorgt; z. B. in Preußen kann gegen Verfügungen des Amtsvorstehers an den Kreisausschuß, gegen die Verfügungen des letztern und diejenigen des Landrats an das Verwaltungsgericht Berufung stattfinden.
Die Oberaufsicht
über das gesamte Polizeiwesen steht dem
Ministerium des Innern zu; früher fungierten in manchen
Staaten
besondere Polizeiminister. In vielen
Staaten ist aber den Polizeibehörden auch eine eigentliche
Strafgewalt
(Polizeigerichtsbarkeit)
übertragen, indem sie bei sogen.
Polizeivergehen (richtiger »Polizeiübertretungen«),
d. h. beim Zuwiderhandeln gegen polizeiliche Strafvorschriften (Polizeistrafrecht), die Jurisdiktion an Stelle der Gerichte ausüben. Die deutsche Strafprozeßordnung (§ 453-458) statuiert eine solche aber nur für eigentliche Übertretungen und gesteht der Polizeibehörde nur das Recht zu, auf Haft bis zu 14 Tagen oder entsprechende Geldstrafe sowie auf eine etwa verwirkte Einziehung zu erkennen. Abgesehen von der nach der Landesgesetzgebung etwa zulässigen Beschwerde an die höhere Polizeibehörde, kann der Beschuldigte unter allen Umständen gegen die Strafverfügung binnen einer Woche nach der Bekanntmachung bei der Polizeibehörde, welche diese Verfügung erlassen hat, oder bei dem zuständigen Amtsgericht auf gerichtliche Entscheidung antragen. Die nähern ¶
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Ausführungsbestimmungen sind in der Gesetzgebung der Einzelstaaten enthalten, z. B. in dem preußischen Gesetz vom betreffend den Erlaß polizeilicher Strafverfügungen. Allerdings läßt sich das weite Gebiet der Polizei in einem einzigen Gesetz nicht normieren; vielmehr haben die einzelnen Staaten eine ganze Reihe von Einzelgesetzen aufzuweisen, welche durch das Bedürfnis nach und nach hervorgerufen wurden. Bei der außerordentlichen Verschiedenheit der lokalen und zeitlichen Bedürfnisse gerade auf dem Gebiet der polizeilichen Verwaltung erscheint es aber auch als gerechtfertigt, wenn die eigentlichen Gesetze nur die leitenden Prinzipien feststellen und die Ausführung derselben im einzelnen den Verordnungen überlassen wird, zu deren Erlaß nicht nur die höhern staatlichen Verwaltungsbehörden, sondern auch die Organe der städtischen Verwaltung befugt sind.
Derartige Verordnungen, z. B. Straßenpolizeiordnungen, früher »Willküren« genannt, ähnlich den englischen Bylaws (s. d.), finden sich fast in allen größern und kleinern Städten, je nach dem Bedürfnis verschieden, wenn auch in den Grundzügen übereinstimmend und jedenfalls innerhalb der durch das Gesetz gezogenen Schranken sich bewegend. Aber auch die preußische Einrichtung, wonach der Landrat mit Zustimmung des Kreisausschusses für mehrere Amtsbezirke oder für den ganzen Umfang des Kreises gültige Polizeivorschriften erlassen und wonach auf den Kreistagen allgemeine statutarische Anordnungen polizeilichen Inhalts getroffen werden können, findet sich ähnlich in verschiedenen deutschen Staaten.
Endlich ist hier noch des Abschnitts 29 des deutschen Strafgesetzbuchs (§ 360 ff.) zu gedenken, welcher von den Übertretungen handelt und eine Reihe von Strafbestimmungen gegen die Verletzung polizeilicher Vorschriften enthält.
Vgl. außer den Lehrbüchern des Staats- und Verwaltungsrechts Mohl, Polizeiwissenschaft (3. Aufl., Tübing. 1866, 3 Bde.);
Förstemann, Prinzipien des preuß. Polizeirechts (Berl. 1870);
Stein, Verwaltungslehre, 4. Teil: Das Polizeirecht (Stuttg. 1867);
Mascher, Die preußisch-deutsche Polizei (5. Aufl., Berl. 1885);
Rosin, Polizeiverordnungsrecht in Preußen (Bresl. 1882);
Avé-Lallemant, Physiologie der deutschen Polizei (Leipz. 1882);
Prucha, Die österreichische Polizeipraxis (Wien [* 6] 1877);
Lienbacher, Österreichisches Polizeistrafrecht (4. Aufl., das. 1880);