1) Melchior de, geb. zu
Puy en Velay, ward
Geistlicher und begleitete den
Kardinal von
Bouillon 1689 und 1692 zum
Konklave nach
Rom.
[* 2] 1695 ward er nach
Polen gesandt, um die
Wahl des
Prinzen von
Conti zum König zu betreiben; er bewirkte sie
auch, doch kamAugust von
Sachsen
[* 3] dem
Prinzen in der Besitznahme des
Throns zuvor. Polignac ward darauf nach seiner
Abtei Bonpart verwiesen. Mit mehr
Glück beteiligte er sich 1712-13 an den Friedensunterhandlungen zu
Utrecht,
[* 4] worauf er zum
Kardinal erhoben und mit mehreren
Pfründen beschenkt wurde.
4)
AugusteJulesArmandMarie, zuerst
Graf, hernach
Fürst von Polignac,
Bruder des vorigen, geb. zu
Versailles,
[* 12] teilte bis 1814 dessen
Schicksale und ward von
Ludwig XVIII. als Gesandter nach
Rom geschickt, wo er sich als Anhänger des äußersten
Absolutismus
zeigte. 1816 zum Pair von
Frankreich erhoben, wollte er wegen Gewissensskrupel die
Konstitution nicht beschwören,
bis der
Papst seine religiösen Bedenken beseitigte. 1820 erhob ihn letzterer zum
RömischenFürsten. 1823 wurde Polignac Gesandter
in
London.
[* 13] Am zum
Minister des
Auswärtigen und
zum
Ministerpräsidenten ernannt, ward er der eigentliche
Urheber der
berüchtigtenOrdonnanzen vom welche den
SturzKarls X. zur
Folge hatten. Polignac ging zwar als Begleiter
desselben mit nach
Cherbourg,
[* 14] verließ ihn jedoch wieder, wurde zu St.-Lô erkannt und verhaftet, 21. Dez. aller seiner
bürgerlichen
Rechte verlustig erklärt und zu lebenslänglicher
Haft verurteilt. Er trat dieselbe in
Ham an
und benutzte sie zur Abfassung seiner »Considérations politiques« (Par.
1832). Im
November 1836 wieder freigegeben, ging er nach
England und starb in
Paris.
Sein ältester Sohn und gegenwärtiger
Chef derFamilie, Jules
ArmandJean Melchior,
Herzog von Polignac und römischer
Prinz, geb. stand in
bayrischen Militärdiensten und lebt in
Paris.
aMare (spr. -linjano),Stadt in der ital.
ProvinzBari, auf einer 24 m hohen höhlenreichen Felswand über
dem Adriatischen
Meer und an der
EisenbahnAncona-Brindisi, hat eine leidlich geschützte
Reede,
Seehandel, Fischfang, trefflichen
Obstbau und (1881) 6976 Einw. Nordwestlich davon
das malerische ehemalige
KlosterSan Vito.
russ. Bezeichnung für die offenen
Stellen des
SibirischenEismeers bei den
Neusibirischen Inseln und östlich
von denselben. Die
Existenz der Polinjen wurde von
Petermann auf die
Wirkung des
Golfstroms zurückgeführt, dessen äußerste
Verzweigung
er anNowaja Semlja und Neusibiren ^[richtig: Neusibirien] vorüberführte; doch hat diese
Vermutung keine Bestätigung
gefunden, und neuerdings wird infolge der
Erfahrungen der amerikanischen
Jeannette-Expedition sogar das thatsächliche Vorhandensein
der Polinjen bestritten. Wenn sich indessen annehmen läßt, daß diese Waken nur zeitweilig bestehen, so sprechen
doch alle sonstigen bisherigen
Beobachtungen in
Verbindung mit den natürlichen Verhältnissen dafür,
daß das ostsibirische
Eismeer einen großen Teil des
Jahrs hindurch offene
Stellen aufweist.
(griech.), bei den Griechen Bezeichnung für die
»Lehre
[* 18] vom
Staat« überhaupt, d. h. für
die gesamte
Staatswissenschaft. Die engere Begrenzung des
Begriffs hängt mit der Unterscheidung zwischen Politik und
Staatsrecht
zusammen. Beide beschäftigen sich nämlich mit dem
Staat; während ihn aber das
Staatsrecht nach seinen historischen Grundlagen
und in seinen feststehenden
Formen darzustellen sucht,¶
mehr
betrachtet ihn die Politik in der flüssigen Bewegung. Diese beschäftigt sich mit dem Leben, jenes mit der Gestalt des Staats; es
sucht die Frage zu beantworten, wie der Staat ist, während die Politik die Frage zu lösen hat, wie der Staat sein soll. Die rechtliche
Untersuchung und Prüfung einer Frage, z. B. der, ob ein Straffall vor das Schwurgericht gehöre oder nicht,
beschäftigt sich mit der Rechtmäßigkeit; die rechtspolitische Untersuchung, also z. B.
die Prüfung der Frage, ob gewisse Verbrechen vom gesetzgeberischen Standpunkt aus den Schwurgerichten zu überweisen seien oder
nicht, hat die Zweckmäßigkeit zu erwägen.
Hiernach ist also die Politik als Wissenschaft die Lehre vom Staatsleben. Die Anwendung ihrer Grundsätze auf
gegebene staatliche Verhältnisse führt zur praktischen Politik (Staatspraxis); jene, die theoretische Politik, ist Staatswissenschaft,
diese Staatskunst. Derjenige, welcher sich nach einer von beiden oder nach beiden Richtungen hin mit dem Staatsleben beschäftigt,
wird Politiker und, wer sich auf diesem Gebiet, namentlich aber auf dem der praktischen Politik, zu
besonderer Bedeutung emporschwingt, Staatsmann genannt.
Dabei stehen aber die theoretische und die praktische Politik im innigsten Zusammenhang; denn der theoretische Politiker darf sich
ebensowenig über die thatsächlichen Verhältnisse des Lebens der Staaten und der Individuen hinwegsetzen, wie der praktische
Politiker der wissenschaftlichen Prinzipien der Politik entraten kann. Mit dieser Unterscheidung
fällt der Gegensatz zwischen Real- und Idealpolitik nicht zusammen, letzterer tritt vielmehr sowohl in der praktischen als
auch in der theoretischen Politik hervor.
Man bezeichnet nämlich mit Realpolitik diejenige Politik, welche sich streng an das praktische Bedürfnis hält, und stellt ihr
die Idealpolitik gegenüber, die sich lediglich durch die Macht der Idee beherrschen läßt. Beide sind
in ihrer Einseitigkeit verwerflich. Denn die Realpolitik wird sich, wenn sie des idealen Zugs völlig entbehrt, in kleinlicher
Weise lediglich auf die Förderung materieller Interessen (Interessenpolitik) beschränken, während die Idealpolitik, welche
den Boden der Wirklichkeit unter den Füßen verliert (Phantasiepolitik, Gefühlspolitik), unfruchtbar,
wenn nicht verderblich sein wird, wie es z. B. stets die Idee eines Weltreichs für den danach Strebenden gewesen ist.
Dagegen kann man die Politik weiter in innere und äußere Politik einteilen. Jene beschäftigt sich mit den
Verhältnissen, in welchen der Staat zu seinen eignen Angehörigen steht, während die letztere die Beziehungen
des Staats zu andern Staaten und die Stellung desselben im Staatensystem überhaupt behandelt. Den Gegenstand der innern Politik bilden
hiernach vor allem die Verfassung und die organische Einrichtung des Staatswesens selbst (Verfassungspolitik), dann die Vorbereitung
der Gesetze, welche die öffentlichen und privaten Lebensverhältnisse der Staatsangehörigen normieren
sollen (Gesetzgebungs-, Rechtspolitik).
Die Politik als Wissenschaft hat sich aber außerdem mit der Feststellung des Begriffs der Politik, mit der Einwirkung
der äußern Natur auf das politische Leben, insbesondere mit der Größe, Gestaltung und Produktionskraft des Staatsgebiets,
der Dichtigkeit der Kultur, dem Reichtum und dem Charakter seiner Bevölkerung,
[* 20] zu beschäftigen, wobei ihr die Statistik als wichtigste
Hilfswissenschaft zur Seite steht. Ferner ist der Einfluß der Menschennatur auf die Politik und im Zusammenhang
damit das Wesen der politischen Parteien zu erörtern, und endlich bildet die Lehre vom Staatszweck überhaupt und von den Mitteln
zur Erreichung desselben den Gegenstand der theoretischen Politik. Was die wissenschaftliche Behandlung der Politik anlangt,
so sind aus dem Altertum die philosophischen Werke des Aristoteles, namentlich die »Politik« desselben, von
größter Bedeutung, während sich die »Politik« des Platon zu sehr in idealen Sphären bewegt.