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Frieden mit Schweden [* 2] (1719) nicht sowohl aus Fürsorge für Polen als zur Befriedigung seines Ehrgeizes und seiner Eitelkeit den Plan, der zügellosen Herrschaft des Adels, der nur in der Verfolgung der Dissidenten einig war, durch Errichtung eines absoluten Königtums ein Ende zu machen. Durch Abtretung von Litauen an Rußland, Westpreußens an Preußen [* 3] und der Zips an Österreich [* 4] wollte er sich den Beistand dieser Mächte erkaufen, wodurch er die Einmischung derselben in die innern Verhältnisse Polens und deren Gelüste, sich auf polnische Kosten zu vergrößern, geradezu herausforderte.
Als daher August II. 1733 starb, ohne für die Verstärkung [* 5] der königlichen Gewalt irgend etwas erreicht zu haben, und die überwiegende Mehrheit des Adels den von Frankreich empfohlenen Stanislaus Leszczynski zum König wählte, erzwangen russische Truppen im Einverständnis mit einem Haufen bestochener Edelleute die Wahl Augusts III. (1733-63), der durch die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion und durch die Preisgebung Kurlands an den russischen Günstling Biron sich den Schutz Österreichs und Rußlands erworben hatte. Hieraus entstand der 1733-35 dauernde polnische Erbfolgekrieg (s. d.).
Die Unfähigkeit des neuen Königs, die Ränke der Nachbarmächte und die Selbstsucht der Mehrzahl des Adels ließen es nicht zu einer Reform der Verfassung kommen, obwohl viele Patrioten deren Notwendigkeit erkannten. Denn die Ohnmacht Polens zeigte sich in den Kriegen jener Zeit, besonders im Siebenjährigen, wo es seine Neutralität nicht schützen konnte und Plünderungen seines Gebiets ungestraft geschehen ließ, zu deutlich und kläglich. Die einflußreiche Familie der Czartoryiskis hoffte im Einvernehmen mit Rußland eine erbliche starke Monarchie errichten zu können und unterstützte 1762, als es wegen Kurlands, wo Prinz Karl von Sachsen, [* 6] der dritte Sohn des Polenkönigs, zur Regierung gelangt war, zu Irrungen mit Rußland und zum Einmarsch einer russischen Armee kam, diesen durch die Konföderation von Petrokow; sie hoffte, daß, als August III. starb, eins ihrer Mitglieder mit russischer Hilfe zum König gewählt würde.
Doch sah sie sich bald betrogen, indem Rußland während des Konvokationsreichstags 1764 mit Preußen einen Vertrag schloß, nach welchem beide Mächte jeden Versuch, die Krone erblich zu machen, mit Gewalt zurückzuweisen, dagegen für die Gleichstellung der Dissidenten mit den Katholiken einzutreten sich verpflichteten. In derselben Absicht, eine Verfassungsreform zu vereiteln, betrieb Rußland die Wahl des Günstlings der Kaiserin Katharina, Stanislaus Poniatowski, der unter dem Druck der fremden Truppen auch gewählt wurde.
Der Untergang des Reichs durch die Teilungen.
Die Russen waren jetzt Herren in Polen. Als im Reichstag der Antrag auf Abzug der fremden Truppen und auf Bestrafung der Dissidenten, weil sie das Ausland zu ihrem Schutz angerufen hatten, gestellt wurde, rückten 40,000 Russen vor Warschau [* 7] und bewirkten, daß die Antragsteller nach Sibirien geschickt, dagegen die Gleichstellung der Dissidenten und namentlich das Liberum veto als unantastbare Grundlage der Verfassung festgesetzt wurden. Auf Anstiften Österreichs und Frankreichs erhob sich zur Verteidigung der Herrschaft des katholischen Glaubens und zur Erhaltung der Verfassung die Konföderation zu Bar, unter Führung des Marschalls Michael Krasinski, der sich bald andre Konföderationen mit demselben Zweck anschlossen.
Auf Verlangen des russischen Gesandten Repnin rief der polnische Senat die Hilfe der Russen gegen die Aufständischen an, welche sofort mit überlegenen Truppenmassen über die Konföderierten herfielen. Vergeblich griffen zu deren gunsten die Türken in den mit schonungsloser Erbitterung geführten Krieg ein. Die Konföderationen wurden zertrümmert und ihre letzten Reste über die Grenze gejagt, die Türken in der Moldau besiegt. Um die Türkei [* 8] und Polen nicht ganz in die Hände der Russen fallen zu lassen, vereinigten sich Österreich und Preußen zum Angebot einer Friedensvermittelung; eine Teilung Polens erschien als das einfachste Auskunftsmittel, um die russische Eroberungsgier zu befriedigen, ohne die Interessen der deutschen Mächte zu verletzen, und so einen allgemeinen Krieg zu verhüten.
Nachdem Österreich schon 1770 sich die 1412 von Ungarn [* 9] an Polen verpfändete Zips angeeignet hatte, kam der erste Teilungsvertrag zunächst zwischen Rußland und Preußen zu stande; 4. März trat Österreich demselben bei, und wurde der definitive Vertrag zu Petersburg [* 10] unterzeichnet. Polen verlor an Österreich Ostgalizien und Wladimir, an Rußland früher litauisches Gebiet, an Preußen Westpreußen [* 11] (ohne Danzig [* 12] und Thorn) [* 13] und den Netzedistrikt und wurde um 5 Mill. Einw. verkleinert. Ein Reichstag, der sich im April 1773 versammelte, hieß diese Abtretungen gut.
Das hereingebrochene Unglück erweckte in einer großen Anzahl von Edelleuten die Erkenntnis der wahren Ursachen desselben und den Entschluß, die hauptsächlichsten Schäden zu beseitigen. Man entfernte den jeder Bestechung zugänglichen Senat und ersetzte ihn durch einen permanenten Regierungsausschuß, führte ein neues, den modernen Verhältnissen angepaßtes Gesetzbuch ein und brachte durch zweckmäßige Regelung der Steuern die Einkünfte des verkleinerten Landes auf die frühere Höhe. 1788 wurde ein konstituierender Reichstag berufen, um eine neue Verfassung zu beraten.
Unter fortwährenden Ringen mit der russischen Partei brachte derselbe die Konstitution von 1791 zu stande, welche beschworen und von den Provinzialversammlungen genehmigt wurde. Die Leibeigenschaft wurde allerdings nicht abgeschafft, wohl aber das Liberum veto und die Konföderationen; in beiden Vertretungskörpern wurde das Mehrheitsprinzip eingeführt und die Erblichkeit der Krone im sächsischen Kurfürstenhaus beschlossen. Preußen, die Seemächte und Schweden hatten die Einführung der neuen Verfassung anfangs begünstigt.
Doch hatte Rußland 1790 mit Schweden Frieden geschlossen, und Preußen wurde seit 1791 durch die Ereignisse in Frankreich in Anspruch genommen. Dadurch gewann Rußland wieder freie Hand zum Eingreifen in Polen. Unter Führung Xaver Branickis und Felix Potockis schlossen seine Anhänger gegen die neue Verfassung die Konföderation von Targowice und riefen russischen Schutz an. Vergeblich leistete die polnische Armee Widerstand und erfocht unter Kosciuszko bei Dubienka (17. Juli) einen ruhmvollen Sieg; der König Stanislaus Poniatowski selbst lieferte Polen in die Hände der Kaiserin Katharina, indem er die Konföderation unterschrieb. Damit Rußland sich nicht ganz Polens bemächtige, rückten Anfang 1793 auch preußische Truppen in Polen ein und besetzten Großpolen mit Danzig und Thorn, während Rußland sich die östlichen Provinzen (250,000 qkm) aneignete. Der am nach Grodno berufene Reichstag gab, wenn auch ¶
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nur gezwungen, seine Zustimmung zu dieser zweiten Teilung Polens.
Die Häupter der nationalen Partei, Kosciuszko, H. Kolontaj, Ignaz Potocki u. a., waren vor den Russen nach Dresden [* 15] entflohen, bereiteten aber von hier einen Aufstand vor. Der Widerstand des Generals Madalinski gegen die vom russischen General Igelström befohlene Entwaffnung der polnischen Armee brachte denselben im März 1794 zum Ausbruch. Kosciuszko übernahm als Diktator die Regierung Polens, bewaffnete das Volk, dem die Aufhebung der Leibeigenschaft versprochen wurde, siegte 4. April bei Raclawice und befreite Warschau und Wilna [* 16] von den Russen.
Aber nun brach unter den Polen selbst ein Zwist aus zwischen den Radikalen unter Kolontaj und der Adelspartei, welche die Aufhebung der Leibeigenschaft verhinderte. Infolgedessen erkaltete die Teilnahme des Bauernstandes, und Kosciuszko war nicht mehr im stande, der Übermacht der Preußen und Russen, denen sich schließlich auch die Österreicher zugesellten, die Spitze zu bieten. Bei Szczekociny wurde er 6. Juni von den Preußen, bei Zajonczek 8. Juni von den Russen geschlagen; Krakau [* 17] fiel in preußische, Wilna 12. Aug. in russische Hände.
In der Schlacht bei Maciejowice (10. Okt.) gegen den russischen General Fersen wurde Kosciuszko der Sieg durch das rechtzeitige Erscheinen Suworows entrissen und Kosciuszko selbst gefangen genommen. Während die Preußen das eigentliche Warschau links der Weichsel belagerten, erstürmte Suworow 4. Nov. das jenseitige Praga und hielt nach einem furchtbaren Gemetzel unter der Bevölkerung [* 18] 8. Nov. seinen Einzug in Warschau. Der Rest der polnischen Armee streckte 10. Nov. bei Radoszyce die Waffen. [* 19] Die Mächte verständigen sich über eine völlige dritte Teilung, welche im Januar 1796 ausgeführt wurde. Preußen erhielt Podlachien und Masovien mit Warschau (38,500 qkm), Österreich Kleinpolen mit Krakau (46,000 qkm), Rußland Litauen (120,000 qkm). Der König Stanislaus August wurde nach Grodno verwiesen, wo er mit russischem Gnadengehalt bis zu seinem Tod verblieb. Das polnische Reich hatte aufgehört zu bestehen.
Wiederherstellungsversuche und Aufstände.
Die Führer der Erhebung von 1794 waren in das Ausland, namentlich nach Frankreich, geflohen, und ihnen folgten zahlreiche Polen, welche 1797 unter Dombrowskis Führung in Italien [* 20] die polnische Legion bildeten, die in demselben Jahr in den Diensten der Cisalpinischen Republik gegen die Österreicher kämpfte; im Krieg der zweiten Koalition 1798-1801 gesellte sich eine zweite Legion unter Kniaziewicz hinzu, und beide leisteten den Franzosen nützliche Dienste. [* 21] Aber in jedem Friedensschluß wurden die Interessen Polens von Frankreich rücksichtslos preisgegeben und ein Teil der Legionen schließlich nach Haïti [* 22] geschickt, wo sie sich in der Bekämpfung des Negeraufstandes aufrieben.
Dennoch setzten die Polen auf Frankreich und Napoleon ihre Hoffnungen, und obwohl die preußische Herrschaft trotz ihrer kurzen Dauer und verschiedener Mißgriffe sich als durchaus segensreich, besonders für die niedern Stände, gezeigt hatte, wurde 1806 nach dem Sturz Preußens [* 23] Napoleon bei seinem Einzug in Warschau (19. Dez.) als Befreier begrüßt. Nach dem Frieden von Tilsit [* 24] wurde aus dem Preußen abgenommenen Teil Polens ein Großherzogtum Warschau gebildet, welches den König von Sachsen zum Oberhaupt erhielt und 1809 durch das von Österreich abgetretene Westgalizien mit Krakau vergrößert wurde. Doch konnte das neue Staatswesen bei den unaufhörlichen Wirren und Kriegen, in welche es sein Schöpfer verwickelte, nicht gedeihen, und nachdem beim Ausbruch des Entscheidungskriegs mit Rußland 1812 der Landtag eine »Konföderation« gebildet und die völlige Wiederherstellung Polens verkündet hatte, brach das Großherzogtum mit der Vernichtung der großen Armee wieder zusammen.
Das Schicksal Polens bildete eine der schwierigsten Fragen des Wiener Kongresses, um so mehr, da sie sich mit der sächsischen verquickte, indem Preußen nur Westpreußen behalten, dafür aber ganz Sachsen erwerben wollte, wogegen Österreich, England und Frankreich sich erklärten. Schließlich wurde 1815 eine vierte Teilung vorgenommen, indem Preußen Westpreußen und Posen, [* 25] Österreich Galizien außer Krakau, welches als Freistaat belassen wurde, Rußland den Rest Polens, das »Königreich Polen« oder »Kongreßpolen«, erhielt.
Zum Schutz der polnischen Nationalität wurden in die Wiener Schlußakte einige unklare und undurchführbare Bürgschaften aufgenommen, welche bald in Vergessenheit gerieten. Doch gab Kaiser Alexander dem russischen Polen eine der französischen Charte von 1814 nachgebildet höchst freisinnige Verfassung, welche den Polen auch unter der Statthalterschaft eines russischen Vizekönigs, wie des Großfürsten Konstantin, ein selbständiges nationales Leben ermöglichte und namentlich in wirtschaftlicher Beziehung einen bedeutenden Aufschwung wirklich zur Folge hatte.
Aber die radikalen Doktrinen der polnischen Demokraten (der »Roten«),
der nationale Dünkel besonders des Adels (der »Weißen«),
der den Verlust des im Grund gar nicht polnischen Litauen nicht verschmerzen konnte, endlich die Wühlereien der polnischen Emigranten ließen das Land nicht zur Ruhe kommen und veranlaßten schon seit dem Tod Alexanders I. (1825) Empörungsversuche. Die Julirevolution von 1830 gab das Signal zu einem allgemeinen Aufstand. Am überfiel eine Rotte junger Militärs das Schloß des Großfürsten Konstantin, der nur mit knapper Not dem Meuchelmord entging, während einige seiner Generale niedergestochen wurden.
Die völlig überraschten russischen Truppen verließen das Land, während die polnische Aristokratie unter Lubecki und Fürst Czartoryiski, nachdem sie sich durch einige Vertreter der Roten, Ostrowski und Lelewel, verstärkt hatte, den General Joseph Chlopicki zum Diktator ausrief, aber zunächst Verhandlungen mit dem Petersburger Hof [* 26] begann. Der Zar Nikolaus schlug aber jede Unterhandlung aus und forderte Unterwerfung auf Gnade u. Ungnade, worauf der am zusammengetretene Reichstag 25. Jan. das russische Kaiserhaus des Throns für verlustig erklärte und eine Nationalregierung unter dem Vorsitz des Fürsten Adam Czartoryiski einsetzte.
Gegen die russische Armee unter Diebitsch errangen die Polen 14. Febr. unter Dwernicki bei Soczek ^[richtig: Stoczek] und unter Skrzynecki bei Dobre einige Vorteile und siegten 19. Febr. bei Grochow; doch unterlagen sie bei letzterm Ort 25. Febr., und als sie nach den siegreichen Gefechten bei Wawre, Dembewilki, Iganie (10. April) und Boreml (16. April) den Aufstand nach Podolien und Wolhynien verbreiten wollten, um die Russen im Rücken zu fassen, wurde General Dwernicki mit 25,000 Mann auf österreichisches Gebiet gedrängt und entwaffnet. Nach der entschiedenen Niederlage der Polen unter Skrzynecki bei Ostrolenka (26. Mai) verzögerte nur der Ausbruch der Cholera im russischen Heer, der auch ¶