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beraubte die Dissidenten ihrer staatsbürgerl. Rechte. Der Adel, mit dem Plan einer Heirat des Königs mit einer österreichischen Prinzessin unzufrieden, bildete unter Führung des Palatins Nikolaus Zebrzidowski 1607 eine Konföderation, beschloß eine Anklage (Rokosz) gegen den König und wurde zwar bei Guzow besiegt, erlangte aber durch Vertrag völlige Amnestie. Die gehoffte Vereinigung Schwedens mit Polen erfolgte nicht, indem Siegmund nach seines Vaters Johann Tod (1592) vom schwedischen Thron [* 2] ausgeschlossen wurde und sein Versuch, ihn mit Waffengewalt zu erobern, scheiterte (1598). Die ebenso unbegründete Hoffnung, das moskowitische Reich für die römische Kirche zu gewinnen, veranlaßte Siegmund, sich des falschen Demetrius (s. Demetrius 5) anzunehmen und einen kostspieligen, verheerenden Krieg zu führen, der im Frieden von Diwylja (1619) Polen nur den zeitweiligen Besitz von Smolensk, Severien und Tschernigow verschaffte.
Ein Krieg mit Gustav Adolf von Schweden, [* 3] den Siegmund nicht als König von Schweden anerkennen wollte, kostete Polen Livland [* 4] und einen Teil von Preußen. [* 5] Siegmund starb 1632, und nach einem stürmischen Interregnum wurde sein Sohn Wladislaw IV. (1632-48) gewählt. Dieser schloß mit Schweden den Frieden von Stumsdorf (1635) und gewann den von seinem Vater abgetretenen Teil Preußens [* 6] zurück. Er war ein unterwürfiger Diener des jesuitischen Systems. Das Mißtrauen des übermütigen Adels wußte er aber nicht zu überwinden, und der Reichstag faßte den Beschluß, daß es dem König untersagt sei, andre Truppen als eine Ehrenwache von 1200 Mann zu halten, wodurch derselbe ganz von den Aufgeboten und dem guten Willen des Adels abhängig wurde.
Ihm folgte nach heftigen Wahlkämpfen sein Bruder Johann Kasimir (1648 bis 1669), ehemals Jesuit und Kardinal. Unter ihm brach ein gefährlicher Aufstand der vom Adel bedrückten und durch Zwangsbekehrungen seitens des römischen Klerus gereizten Kosaken und Tataren aus. Der Führer der erstern, Chmelnizky, warf sich, da der polnische Senat jedes religiöse Zugeständnis verweigerte, den Russen in die Arme und veranlaßte sie zu einem Einfall in Polen, auf dem sie bis Lemberg [* 7] vordrangen (1654). Um dieselbe Zeit gab Johann Kasimir durch seinen Protest gegen die Thronbesteigung des Pfälzers Karl Gustav in Schweden (1654) diesem ehrgeizigen Fürsten den erwünschten Anlaß, Polen den Krieg zu erklären und 1655 in raschem Siegeslauf Groß- und Kleinpolen mit Warschau [* 8] und Krakau [* 9] zu erobern. Eine Adelskonföderation brachte eine nicht unbeträchtliche Streitmacht zur Vertreibung des Feindes auf, die aber in der Schlacht bei Warschau (28.-30. Juli 1656) gegen das schwedisch-brandenburgische Heer unterlag. Die Kriegserklärung Dänemarks an Schweden und die Parteinahme Österreichs für Polen retteten es vor der Gefahr der Teilung, die Karl Gustav plante. Aber im Vertrag von Wehlau mußte es zu gunsten Brandenburgs auf die Lehnshoheit über Ostpreußen, [* 10] im Frieden von Oliva auf Livland verzichten und im Waffenstillstand von Andrussow Smolensk, Siewierz und Tschernigow an Rußland abtreten.
Noch schlimmer war die Lage im Innern. Das Liberum veto (s. d.), das Einspruchsrecht jedes Mitglieds des Reichstags gegen einen Beschluß desselben, war deswegen so verderblich, weil nach Gesetz und Herkommen nach einem solchen Einspruch der Reichstag vertagt und alle seine Beschlüsse, auch die, auf welche der Einspruch keinen Bezug hatte, für null und nichtig angesehen wurden. Indem es seit 1652, da der Landbote Sicinski durch sein Veto die Zerreißung des Reichstags bewirkte, immer häufiger angewendet wurde, geriet die ganze Thätigkeit des Staats, die durchaus von der des parlamentarischen Körpers abhing, ins Stocken.
Nicht weniger schädlich und alle staatliche Ordnung untergrabend war das Korrektiv des Einstimmigkeitsprinzips, zu dem man griff, nämlich das Recht der »Konföderation«, das Recht des Adels, einen Bund zu bilden, um dem Willen sei es einer Minorität oder einer Majorität nötigen Falls mit Gewalt Geltung zu verschaffen. Jeder einflußreiche Große maßte sich das Recht an, sich einem Plan der Krone oder auch des Reichstags mit Waffengewalt zu widersetzen, so 1666 der Kronfeldherr Georg Lubomirski, als die Königin, eine Französin, dem Prinzen Condé die Thronfolge zuzuwenden beabsichtigte.
Die Anhänger der Königin wurden bei Montwy besiegt, und im Frieden von Lengowice mußte die Königin auf ihren Plan verzichten. Als Johann Kasimir 1669 auf die dornenvolle Krone verzichtete und sich in ein französisches Kloster zurückzog, kam es wegen der Neuwahl zum offenen Bürgerkrieg zwischen den Anhängern des Prinzen von Condé und der Konföderation von Golub, welche einen eingebornen Edelmann, Michael Wisniowiecki (1669-73), auf den Thron erhob. Währenddessen wurde Polen von verheerenden Einfällen der Kosaken und Tataren, schließlich auch der Türken heimgesucht, denen es trotz der glänzenden Kriegsthaten des Kronfeldherrn Johann Sobieski im Frieden von Budziak Kamenez-Podolsk abtreten mußte.
Johann Sobieski (1674-96), nach Michaels Tod zum König gewählt, vermochte trotz seiner Siege über die Türken bei Lemberg (1675) und vor Wien [* 11] (1683) denselben Podolien nicht zu entreißen. Die Vererbung der Krone an seinen Sohn Jakob vereitelte seine eigne Gemahlin Maria Kasimira, die im Bund mit den Sapiehas schon bei Lebzeiten ihres Gemahls für die Wahl des französischen Prinzen Conti zum König intrigierte. Hierdurch rief sie nach Sobieskis Tod (1696) energische Anstrengungen Österreichs hervor, dem es nach einem Interregnum voll Kampf und Hader durch unerhörte Versprechungen und Bestechungen gelang, seinem Kandidaten für den polnischen Thron, dem Kurfürsten Friedrich August von Sachsen, [* 12] der deswegen zum Katholizismus übertrat, zum Sieg zu verhelfen.
Die Herrschaft der sächsischen Könige.
Die Herrschaft Augusts II. (1697-1733) war für Polen insofern vorteilhaft, als Österreich [* 13] ihm das verpfändete Wieliczka zurückgab und ihm im Frieden von Karlowitz (1699) von den Türken die Rückgabe Podoliens erwirkte. Dagegen verwickelte er durch seinen Bund mit Rußland und Dänemark [* 14] Polen in den Nordischen Krieg, in welchem Karl XII. von Schweden nach seinem Sieg bei Narwa in Polen einfiel, Augusts II. Truppen bei Kliszow schlug und 1703 Warschau einnahm. Nachdem er bis Krakau vorgedrungen, ließ er von der französischen Partei des Adels Stanislaus Leszczynski zum König wählen und zwang im Frieden von Altranstädt (1706) August II. zum Verzicht auf Polen. Aber nach Karls XII. Niederlage bei Poltawa (1709) ward Stanislaus von russischen und sächsischen Truppen vertrieben und August unter dem Schutz des Zaren Peter d. Gr. wieder eingesetzt. Die ihm feindliche Partei setzte den Widerstand noch fort und schloß gegen ihn 1715 die Konföderation von Tarnogrod. Erst der »stumme Reichstag« von 1717 machte dem Bürgerkrieg ein Ende. August II. faßte nach dem ¶
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Frieden mit Schweden (1719) nicht sowohl aus Fürsorge für Polen als zur Befriedigung seines Ehrgeizes und seiner Eitelkeit den Plan, der zügellosen Herrschaft des Adels, der nur in der Verfolgung der Dissidenten einig war, durch Errichtung eines absoluten Königtums ein Ende zu machen. Durch Abtretung von Litauen an Rußland, Westpreußens an Preußen und der Zips an Österreich wollte er sich den Beistand dieser Mächte erkaufen, wodurch er die Einmischung derselben in die innern Verhältnisse Polens und deren Gelüste, sich auf polnische Kosten zu vergrößern, geradezu herausforderte.
Als daher August II. 1733 starb, ohne für die Verstärkung [* 16] der königlichen Gewalt irgend etwas erreicht zu haben, und die überwiegende Mehrheit des Adels den von Frankreich empfohlenen Stanislaus Leszczynski zum König wählte, erzwangen russische Truppen im Einverständnis mit einem Haufen bestochener Edelleute die Wahl Augusts III. (1733-63), der durch die Anerkennung der Pragmatischen Sanktion und durch die Preisgebung Kurlands an den russischen Günstling Biron sich den Schutz Österreichs und Rußlands erworben hatte. Hieraus entstand der 1733-35 dauernde polnische Erbfolgekrieg (s. d.).
Die Unfähigkeit des neuen Königs, die Ränke der Nachbarmächte und die Selbstsucht der Mehrzahl des Adels ließen es nicht zu einer Reform der Verfassung kommen, obwohl viele Patrioten deren Notwendigkeit erkannten. Denn die Ohnmacht Polens zeigte sich in den Kriegen jener Zeit, besonders im Siebenjährigen, wo es seine Neutralität nicht schützen konnte und Plünderungen seines Gebiets ungestraft geschehen ließ, zu deutlich und kläglich. Die einflußreiche Familie der Czartoryiskis hoffte im Einvernehmen mit Rußland eine erbliche starke Monarchie errichten zu können und unterstützte 1762, als es wegen Kurlands, wo Prinz Karl von Sachsen, der dritte Sohn des Polenkönigs, zur Regierung gelangt war, zu Irrungen mit Rußland und zum Einmarsch einer russischen Armee kam, diesen durch die Konföderation von Petrokow; sie hoffte, daß, als August III. starb, eins ihrer Mitglieder mit russischer Hilfe zum König gewählt würde.
Doch sah sie sich bald betrogen, indem Rußland während des Konvokationsreichstags 1764 mit Preußen einen Vertrag schloß, nach welchem beide Mächte jeden Versuch, die Krone erblich zu machen, mit Gewalt zurückzuweisen, dagegen für die Gleichstellung der Dissidenten mit den Katholiken einzutreten sich verpflichteten. In derselben Absicht, eine Verfassungsreform zu vereiteln, betrieb Rußland die Wahl des Günstlings der Kaiserin Katharina, Stanislaus Poniatowski, der unter dem Druck der fremden Truppen auch gewählt wurde.
Der Untergang des Reichs durch die Teilungen.
Die Russen waren jetzt Herren in Polen. Als im Reichstag der Antrag auf Abzug der fremden Truppen und auf Bestrafung der Dissidenten, weil sie das Ausland zu ihrem Schutz angerufen hatten, gestellt wurde, rückten 40,000 Russen vor Warschau und bewirkten, daß die Antragsteller nach Sibirien geschickt, dagegen die Gleichstellung der Dissidenten und namentlich das Liberum veto als unantastbare Grundlage der Verfassung festgesetzt wurden. Auf Anstiften Österreichs und Frankreichs erhob sich zur Verteidigung der Herrschaft des katholischen Glaubens und zur Erhaltung der Verfassung die Konföderation zu Bar, unter Führung des Marschalls Michael Krasinski, der sich bald andre Konföderationen mit demselben Zweck anschlossen.
Auf Verlangen des russischen Gesandten Repnin rief der polnische Senat die Hilfe der Russen gegen die Aufständischen an, welche sofort mit überlegenen Truppenmassen über die Konföderierten herfielen. Vergeblich griffen zu deren gunsten die Türken in den mit schonungsloser Erbitterung geführten Krieg ein. Die Konföderationen wurden zertrümmert und ihre letzten Reste über die Grenze gejagt, die Türken in der Moldau besiegt. Um die Türkei [* 17] und Polen nicht ganz in die Hände der Russen fallen zu lassen, vereinigten sich Österreich und Preußen zum Angebot einer Friedensvermittelung; eine Teilung Polens erschien als das einfachste Auskunftsmittel, um die russische Eroberungsgier zu befriedigen, ohne die Interessen der deutschen Mächte zu verletzen, und so einen allgemeinen Krieg zu verhüten.
Nachdem Österreich schon 1770 sich die 1412 von Ungarn [* 18] an Polen verpfändete Zips angeeignet hatte, kam der erste Teilungsvertrag zunächst zwischen Rußland und Preußen zu stande; 4. März trat Österreich demselben bei, und wurde der definitive Vertrag zu Petersburg [* 19] unterzeichnet. Polen verlor an Österreich Ostgalizien und Wladimir, an Rußland früher litauisches Gebiet, an Preußen Westpreußen (ohne Danzig [* 20] und Thorn) [* 21] und den Netzedistrikt und wurde um 5 Mill. Einw. verkleinert. Ein Reichstag, der sich im April 1773 versammelte, hieß diese Abtretungen gut.
Das hereingebrochene Unglück erweckte in einer großen Anzahl von Edelleuten die Erkenntnis der wahren Ursachen desselben und den Entschluß, die hauptsächlichsten Schäden zu beseitigen. Man entfernte den jeder Bestechung zugänglichen Senat und ersetzte ihn durch einen permanenten Regierungsausschuß, führte ein neues, den modernen Verhältnissen angepaßtes Gesetzbuch ein und brachte durch zweckmäßige Regelung der Steuern die Einkünfte des verkleinerten Landes auf die frühere Höhe. 1788 wurde ein konstituierender Reichstag berufen, um eine neue Verfassung zu beraten.
Unter fortwährenden Ringen mit der russischen Partei brachte derselbe die Konstitution von 1791 zu stande, welche beschworen und von den Provinzialversammlungen genehmigt wurde. Die Leibeigenschaft wurde allerdings nicht abgeschafft, wohl aber das Liberum veto und die Konföderationen; in beiden Vertretungskörpern wurde das Mehrheitsprinzip eingeführt und die Erblichkeit der Krone im sächsischen Kurfürstenhaus beschlossen. Preußen, die Seemächte und Schweden hatten die Einführung der neuen Verfassung anfangs begünstigt.
Doch hatte Rußland 1790 mit Schweden Frieden geschlossen, und Preußen wurde seit 1791 durch die Ereignisse in Frankreich in Anspruch genommen. Dadurch gewann Rußland wieder freie Hand zum Eingreifen in Polen. Unter Führung Xaver Branickis und Felix Potockis schlossen seine Anhänger gegen die neue Verfassung die Konföderation von Targowice und riefen russischen Schutz an. Vergeblich leistete die polnische Armee Widerstand und erfocht unter Kosciuszko bei Dubienka (17. Juli) einen ruhmvollen Sieg; der König Stanislaus Poniatowski selbst lieferte Polen in die Hände der Kaiserin Katharina, indem er die Konföderation unterschrieb. Damit Rußland sich nicht ganz Polens bemächtige, rückten Anfang 1793 auch preußische Truppen in Polen ein und besetzten Großpolen mit Danzig und Thorn, während Rußland sich die östlichen Provinzen (250,000 qkm) aneignete. Der am nach Grodno berufene Reichstag gab, wenn auch ¶