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den Kristall fortpflanzt als die andre. Am Analyseur angekommen, welcher nur nach PQ gerichtet Schwingungen durchläßt, wird jede dieser beiden Schwingungen wieder in zwei Teilschwingungen zerlegt, deren eine nach PQ, die andre senkrecht dazu nach RS gerichtet ist und demnach ausgelöscht wird. Die beiden noch übrigbleibenden nach PQ gerichteten Teilschwingungen »interferieren« miteinander (s. Interferenz) vermöge des Gangunterschieds, welchen sie infolge ihrer ungleichen Geschwindigkeiten im Kristall erlangt haben. Durch diese Interferenz werden aus dem einfallenden weißen Lichte diejenigen Farben getilgt, für die jener Gangunterschied, welcher mit der Dicke des Blättchens zunimmt, eine ungerade Anzahl von halben Wellenlängen beträgt, und das Gipsblättchen, durch den Analyseur betrachtet, zeigt einen Farbenton, der aus allen jenen Farben gemischt ist, welche der Zerstörung durch Interferenz entgangen sind.
Dreht man den Analyseur aus der Stellung PQ allmählich in die Stellung RS, so nimmt die Färbung an Lebhaftigkeit ab und geht bei 45° in Weiß über; dreht man noch weiter, so kommt die Ergänzungsfarbe (komplementäre Farbe) zum Vorschein und erreicht bei paralleler Stellung (RS) der Schwingungsebenen ihren höchsten Glanz. Bei dieser Stellung werden nämlich die nach PQ gerichteten Schwingungen ausgelöscht und die beiden nach RS gerichteten Teilbewegungen kommen zur Interferenz; diese sind aber gleichgerichtet, wenn jene sich entgegenwirken, und umgekehrt; es werden daher bei Parallelstellung gerade die Farbenanteile in größter Lichtstärke auftreten, welche bei gekreuzter Stellung verschwunden waren, u. die Farbe des Blättchens bei der einen Stellung muß komplementär sein zu derjenigen bei der andern Stellung.
Von besonderm Interesse ist die Erscheinung, welche senkrecht zur optischen Achse geschnittene Platten einachsiger Kristalle [* 2] im konvergierenden polarisierten Licht [* 3] darbieten, z. B. wenn man sie in den obigen Polarisationsapparat [* 4] (Tafel »Polarisationsapparate«, [* 5] Fig. 3) zusammen mit einer konvexen Linse [* 6] oder in einen sogen. mikroskopischen Polarisationsapparat (Fig. 4 derselben Tafel) bringt. Derjenige Strahl, welcher die Platte senkrecht trifft, durchläuft sie in der Richtung der optischen Achse und erleidet keine Doppelbrechung. [* 7]
Jeder andre Strahl des kegelförmigen Bündels aber erfährt eine um so stärkere Doppelbrechung und hat zugleich innerhalb des Kristalls einen um so längern Weg zurückzulegen, in je schrägerer Richtung er den Kristall durchläuft. So kommt es, daß man immer größern Gangunterschieden begegnet, je weiter man sich von der Achse des Lichtkegel nach außen hin entfernt, und da rings in gleichem Abstand von der optischen Achse alle Umstände, welche den Gangunterschied bedingen, die gleichen sind, so muß der nämliche Gangunterschied stattfinden für alle Punkte eines Kreises, welchen man sich im Gesichtsfeld um den dem Achsenstrahl entsprechenden Punkt gezogen denkt. Man gewahrt daher eine Reihe um diesen Mittelpunkt beschriebener farbiger Kreisringe [* 1] (Fig. 14), welche bei gekreuzten Schwingungsebenen des Polarisationsapparats von einem schwarzen Kreuz [* 8] (Fig. 14 A) durchsetzt erscheinen. Da nämlich die optische Achse zur Kristalloberfläche senkrecht ist, so entspricht jede durch den Mittelpunkt der Ringe gezogene gerade Linie PQ, RS, ac, cd [* 1] (Fig. 13) einem Hauptschnitt.
Alle Strahlen, welche vom Polarisator aus auf die Kristallplatte treffen, schwingen parallel RS; sie gehen daher, ohne eine Zerlegung zu erfahren, sowohl durch den Hauptschnitt RS als durch den Hauptschnitt PQ, indem sie parallel zu ersterm, senkrecht zu letzterm schwingen, und werden somit vom Analyseur, dessen Schwingungsrichtung nach PQ gestellt ist, ausgelöscht. Stellt man dagegen die Schwingungsrichtung des Analyseurs zu derjenigen des Polarisators parallel, so erscheint statt des schwarzen Kreuzes ein weißes [* 1] (Fig. 14 B), und die Ringe zeigen sich zu den vorigen komplementär gefärbt. Eine optisch-zweiachsige Kristallplatte, deren Flächen senkrecht stehen auf der Mittellinie der optischen Achsen, zeigt [* 1] (Fig. 15) zwei Ringruppen, von denen jede eine optische Achse umgibt; die Ringe höherer Ordnung verschmelzen zu eigentümlich gestalteten krummen Linien (Lemniskaten), die sich um beide Achsenendpunkte herumschlingen.
Wenn der durch die optischen Achsen gelegte Hauptschnitt der Kristallplatte mit einer der beiden Schwingungsrichtungen des Polarisationsapparats zusammenfällt, zeigt sich die zweifache Ringfigur von einem schwarzen Kreuz durchschnitten [* 1] (Fig. 15 A); dreht man aber den Kristall aus dieser Lage heraus, so löst sich das Kreuz auf in zwei gekrümmte dunkle Büschel, welche die Ringe rechtwinkelig durchsetzen [* 1] (Fig. 15 B). Diese Erscheinung gibt ein Mittel an die Hand, [* 9] den Winkel [* 10] zwischen den beiden optischen Achsen eines zweiachsigen Kristalls (s. Doppelbrechung) zu messen. Es geschieht dies mit Hilfe des Achsenwinkelapparats (Tafel »Polarisationsapparate«, Fig. 9). Die Säulen [* 11] BB¹, welche sich auf dem Fußbrett A erheben, tragen den Teilkreis C, an dessen Teilung mittels des Zeigers E die Drehung der vertikalen Achse DL abgelesen wird. Die zu untersuchende Kristallplatte
[* 1] ^[Abb.: Fig. 14. Ringsysteme in optisch-einachsigen Kristallen.
Fig. 15. Ringsysteme in optisch-zweiachsigen Kristallen.] ¶
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wird von der Zange [* 13] L getragen u. kann mittels Planverschiebung F, Stangenverschiebung GHJ u. Kugelgelenk K in die geeignete Stellung zwischen dem Polarisator u. dem Analyseur MST gebracht werden. Durch Drehung am Knopf D wird zuerst der Mittelpunkt des einen, dann derjenige des andern Ringsystems mit dem Fadenkreuz des Fernrohrs T zur Deckung gebracht. Der Unterschied der beiden Ablesungen gibt alsdann den äußern oder scheinbaren Achsenwinkel, aus welchem der wirkliche oder innere leicht zu berechnen ist. Ist der scheinbare Achsenwinkel bei Beobachtung in Luft zu groß, um gemessen werden zu können, so taucht man den Kristall in einen Trog V mit Öl, der auf das Tischchen W gestellt wird.
Mittels der Farbenerscheinungen im polarisierten Licht, welche nur mit Doppelbrechung begabte Körper zeigen können, läßt sich nachweisen, daß auch einfachbrechende Körper, z. B. Glas, [* 14] doppeltbrechend werden, wenn man auf irgend eine Weise einen Spannungszustand in ihnen hervorruft. Eine dicke quadratische Glasplatte, in einem kleinen Schraubstock [* 15] (Fig. 16) zusammengepreßt, zeigt im parallelen polarisierten Licht (z. B. im Nörrembergschen Polarisationsapparat) ein dunkles Kreuz mit farbigen Fransen. Man kann einem Glasstück die Eigenschaft der Doppelbrechung dauernd erteilen, indem man es stark erhitzt und dann rasch abkühlt. Eine so behandelte kreisrunde Glasplatte zeigt farbige Ringe nebst einem schwarzen Kreuz, ganz ähnlich wie eine senkrecht zur optischen Achse geschnittene Kalkspatplatte. Bei einer quadratförmigen Glasplatte [* 12] (Fig. 17) erscheint ebenfalls ein schwarzes Kreuz und in jeder Ecke eine farbige Ringfigur, ähnlich einem Pfauenauge. Da zu rasch gekühltes Glas sehr leicht springt, so könnte man sich beim Einkauf von Glaswaren vor Schaden bewahren, indem man alle Artikel als untauglich verwirft, welche im Polarisationsapparat Farben zeigen. - Die Doppelbrechung der gekühlten Gläser, welche sich durch diese Farbenerscheinungen verrät, ist übrigens wesentlich verschieden von derjenigen der Kristalle.
Das Ringsystem einer gekühlten Glasplatte zeigt sich nämlich schon in einem parallelen Bündel polarisierter Lichtstrahlen; die von der Mitte nach dem Umfang hin wachsenden Gangunterschiede können also nur daher rühren, daß die Doppelbrechung bei ungeänderter Strahlenrichtung gegen den Rand der Platte hin zunimmt. Bei einem Kristall dagegen ist die Doppelbrechung in jedem seiner Punkte für die nämliche Strahlenrichtung die gleiche und ändert sich nicht von einem Punkte des Kristalls zum andern.
[* 12] ^[Abb.: Fig. 16. Gepreßtes Glas.
Fig. 17. Farbenerscheinung in gekühltem Glas.]