neben
Aristoteles der größte unter den
Philosophen des
Altertums, wurde 429
v. Chr. zu
Athen
[* 5] in vornehmer
Familie geboren.
SeinVaterAriston gehörte dem berühmten
Geschlecht des
Kodros an, und seine
Mutter Periktione
konnte sich der
Verwandtschaft mit den Nachkommen
Solons rühmen. Anfänglich Dichter, wendete sich Platon der
Philosophie zu und
soll den ersten philosophischen
Unterricht von Kratylos, einem Herakliteer, erhalten haben. Entscheidend
für seine ganze spätere Thätigkeit wurde seine Bekanntschaft mit
Sokrates, dessen Anleitung und
Umgang er von 408 bis zu
dem
Tode desselben (399) genoß.
Das Märtyrertum desselben, bei welchem er jedoch nicht zugegen war, machte auf ihn einen erschütternden
Eindruck und gab
seinem Philosophieren jene sittlich feste
Richtung, durch welche er sich den
Sophisten seiner Zeit gegenüber
auszeichnete. Nach
Sokrates'
Tod ging er nach
Megara zu
Eukleides, wurde daselbst mit der eleatischen
Philosophie bekannt und
begab sich auf
Reisen, die ihn nach
Kyrene,
Ägypten,
[* 6]
Kleinasien,
Großgriechenland, wo er die
Philosophie der Pythagoreer kennen
lernte, und nach
Sizilien
[* 7] führten, wo er mit
Dion, dem
Schwager des ältern
Dionysios, einen Freundschaftsbund
schloß. In seinem 40. Lebensjahr nach
Athen zurückgekehrt, begründete er daselbst eine philosophische
Schule, die von der
Örtlichkeit, dem
Garten
[* 8] des Akademos, den
NamenAkademie führte.
Seine Lehrweise soll dialogisch gewesen, allmählich jedoch der akroamatischen näher gekommen sein.
Seine von da an bis zu seinem Lebensende fortgesetzte Lehrthätigkeit wurde durch zwei weitere sizilische
Reisen unterbrochen,
durch welche Platon nach dem
Tode des ältern
Dionysios seinen Staatsidealen in
Syrakus
[* 9] vergebens
Boden zu verschaffen versuchte.
SeinTod erfolgte 347 (nach
Seneca an seinem 82.
Geburtstag); bestattet wurde Platon am Kerameikos in der
Nähe
der
Akademie, wo noch
Pausanias sein
Grabmal sah.
Seine
Schriften (44 in 64
Büchern, die unechten mitgezählt) sind vollständig auf uns gekommen.
Ihre keineswegs zufällige,
sondern aus der von
Sokrates überkommenen
Tendenz, zu eigner Forschung abzuleiten, entsprungene Darstellungsform ist die dialogische.
Fast keine einzige derselben ist rücksichtlich ihrer Echtheit unbestritten geblieben. Für ihr Verständnis
gilt der
Grundsatz, daß sie nicht (wie die
Aristotelischen) ein fertiges
System in seinen verschiedenen Teilen darstellen,
sondern eine steigende
Reife und Vertiefung nachweisen, und zwar nicht bloß eine methodische
Steigerung für die Lernenden
(SchleiermachersAnsicht), sondern verschiedene Entwickelungsstufen des Lehrenden (K. F.
HermannsAnsicht).
Die
Schriften der ersten beiden
Perioden stellen den epagogischen Weg, auf welchem Platon selbst zu seiner
eigentümlichen
Philosophie (der Ideenlehre) gelangte, die der letzten den konstruktiven Weg dar, auf welchem Platon die Gesamtheit
des menschlichen
Wissens aus dieser abzuleiten versuchte. Von den Alten sind dieselben teils in
Trilogien
(Aristophanes von
Byzanz), teils in
Tetralogien
(Thrasyllos) zusammengestellt; von den Neuern ist deren Reihenfolge sehr
verschieden bestimmt worden.
später von
Stephanus mit lateinischer Übersetzung (Par. 1578, 3 Bde.;
die Seitenzahlen dieser
Ausgabe werden auch neuern
Ausgaben beigedruckt);
neuere
Ausgaben:
Zweibrücken
[* 11] 1781-87, die von
Bekker
(Berl. 1816-23, 10 Bde.), von
Ast (Leipz. 1819-32, 11 Bde.),
von
Stallbaum (das. 1836-75, 10 Bde.),
von
Orelli und
Baiter(Zürich
[* 12] 1839-42, 2 Bde.; kleinere Ausg. 21 Bdchn.;
mehrfach aufgelegt), in der Engelmannschen Sammlung (mit Übersetzung, Leipz.
1841-81, 26
Tle.), von
Hermann (neue Ausg., das. 1873, 6 Bde.),
griechisch und lateinisch von
Schneider (Par. 1846-56, 2 Bde.;
Bd. 3 von
Dübner 1874),
Schanz (das. 1875 ff.).
Übersetzungen lieferten
Schleiermacher (3. Aufl., Berl. 1855-62, 3 Bde.),
Müller (Leipz. 1850-66, 8 Bde.),
Auswahl von
Eyth u. a. (Stuttg. 1868, 3 Bde.).
¶
mehr
Die PlatonischePhilosophie selbst ist so wenig wie irgend eine andre Erscheinung in der Geschichte der Philosophie gleich Pallas
aus Zeus'
[* 14] Haupt entsprungen, sondern durch Aneignung und Fortbildung der Vorgänger entstanden. Platon hat schon vor seinem
Bekanntwerden mit Sokrates durch seinen Lehrer, den Herakliteer Kratylos, Anregungen aus der Schule des
»ewigen Flusses«; nachdem Tode des Sokrates durch seinen Aufenthalt in Megara und seine Bekanntschaft mit der eleatischen Philosophie
solche aus der Schule des »ewigen Seins« empfangen.
Durch beide wurde er bestimmt, im Gegensatz zu Sokrates, welcher im Kampf gegen die Sophisten die logischen und ethischen Probleme
vorangestellt hatte, wieder auf die metaphysischen zurückzugehen und an die Spitze derPhilosophie nicht
sowohl die Frage nach dem Wahren und Guten, als nach dem wahrhaft Wirklichen (dem schlechthin Seienden) zu stellen. Erstere
sollten dadurch keineswegs beseitigt oder zurückgesetzt, sondern vielmehr mit der letztern auf das innigste verschmolzen
werden.
Das Mittel dazu bot die Sokratische Lehre
[* 15] vom Begriff, welche dieser der Leugnung eines allgemeinen Wahren
und Guten durch die Sophisten entgegengestellt hatte. Der Begriff als Zusammenfassung der allen Gliedern einer Art gemeinsamen
Merkmale ist ein Unveränderliches und Bleibendes, das allen individuell verschiedenen Auffassungen desselben, wie der Gattungscharakter
allen individuell verschiedenen Exemplaren der Gattung, zu Grunde liegt. Derselbe besitzt (als Bleibendes)
diejenige Eigenschaft, welche sowohl Herakliteer, die das »Anderswerden«, als
Eleaten, welche die »Unveränderlichkeit« für das Bleibende erklären,
als Wesen des Seienden ansehen.
Derselbe besitzt aber ferner (als »Einheit der Vielheit«) jene Eigenschaften vereinigt, deren jede für sich von einer der
beiden entgegengesetzten Schulen (von den Eleaten die »Einheit ohne Vielheit«, von den Herakliteern die
»Vielheit ohne Einheit«) als Wesen des Seienden ausgegeben wird. Durch erstere Bemerkung wird Platon veranlaßt, den »Begriff« (das
Allgemeine, die Gattung) für das wahrhaft Seiende zu erklären. Letztere Bemerkung führt ihn dahin, jedes wahrhaft Seiende
als eine »Vereinigung von Gegensätzen«, als eine »Harmonie«, anzusehen. Da nun nach Sokrates der Begriff
allein Wissen (Wahrheit),
das Gute (die Tugend) aber »lehrbar«, also selbst Wissen (Begriff) ist, so fallen, nachdem der Begriff
durch Platon zum allein wahrhaft Seienden erhoben worden ist, die Umfänge des Wahren und Guten (also des Vernünftigen einer-)
und des Seienden (des Wirklichen anderseits) in Eins zusammen. Dieses Vernünftige, welches wirklich, und
Wirkliche, welches vernünftig ist (das realisierte Vernünftige), nennt Platon Idee und macht es zum ausschließlichen Gegenstand
seiner Philosophie als Ideenlehre.
Dasselbe ist jedoch keineswegs ein einziges (wie das Sein der Eleaten), sondern da es der Begriffe viele gibt
(z. B. Begriff des Guten, des Schönen, der Seele, des Staats etc.) und die Ideen eben nichts andres als hypostasierte Begriffe
sind, so muß es nicht nur viele Ideen geben, sondern dieselben müssen auch untereinander (wie es bei den Begriffen der Fall
ist) in mannigfache Verhältnissen der Über- und Unterordnung, Begründung und Abfolge etc.
zu einander stehen, und es muß eine Idee geben, welche als »Sonne
[* 16] im Ideenreich« alle übrigen Ideen unter sich befaßt.
Als diese wird von Platon die Idee des Guten bezeichnet und dadurch der streng ethisch vollkommene Charakter des gesamten Ideen-
als des schlechthinnigen Vernunftreichs aufs stärkste betont. Ebendarum aber sieht sich auch
Platon im
Hinblick auf den unvollkommenen Charakter der sinnlich wahrnehmbaren Welt genötigt, zuzugestehen, daß die Welt der Ideen »nicht
von dieser Welt«, sondern als metaphysische Welt zwar das Muster- und Vorbild dieser Welt, selbst aber eine »außer«-, bez.
»überweltliche« Welt sei. Platon versetzt daher dieselbe, indem er zum mythischen Ausdruck seine Zuflucht
nimmt, in eine jenseit des Fixsterngewölbes auf dessen von uns abgekehrter Seite gelegene und deshalb irdischen Blicken unzugängliche
Region, das sogen. Empyreum (den Feuerraum der Pythagoreer).
Der Einblick in diese (außer der Sinnlichkeit gelegene) Welt ist der Seele nur, bevor sie in die sinnliche
Welt eintritt (vor derGeburt in einen irdischen Leib), oder während des irdischen Daseins nur in Momenten und Zuständen gestattet,
wo sie selbst von den Banden der Sinnlichkeit frei, also entweder (wie der Seher und Dichter) von einem »heiligen Wahnsinn« berauscht,
oder (wie der Philosoph) über die niedern Stufen des sinnlichen Wahrnehmens und mathematischen Denkens
hinaus in den Besitz der Philosophie (der Ideenlehre) gelangt ist.
Wie die Ideenwelt die einzige wirkliche Welt, so ist die Ideenlehre die einzige wirkliche Wissenschaft, obgleich niemand ohne
Vorbereitung durch das Studium der »Geometrie« (der mathematischen Wissenschaften) zu derselben gelangen kann. Dieselbe ist
im Grund als Wissenschaft vom wahrhaft Seienden (nach modernem Sprachgebrauch) ausschließlich Metaphysik,
da das Seiende aber mit dem Wahren und Guten identisch ist, zugleich Logik und Ethik. Eine Scheidung der einzelnen philosophischen
Disziplinen findet daher bei Platon ebensowenig statt wie (trotz mannigfacher Ansätze) ein eigentliches System.
Die Methode, die er in diesen befolgt, besteht darin, daß er das Seiende, welches als Idee eine »Vereinigung
von Gegensätzen« ist, zuerst in seine Gegensätze zerlegt und durch ein gemeinsames Band
[* 17] dieser letztern das richtige Verhältnis,
die Harmonie zwischen den Gegensätzen, herstellt. So ist die Seele als Idee zwar ein »Einfaches«; aber sie setzt nichtsdestoweniger
»Teile« voraus, die sich zu einander wie »Vernünftiges«
und »Vernunftloses« (also als Gegensätze) verhalten, und deren letzterer abermals in zwei Teile, einen bessern (dem Vernünftigen
verwandten) und einen schlechtern (vom Vernünftigen abgewandten),
gespalten ist. Durch den zwar vernunftlosen, aber der
Vernunft nicht ab-, sondern zugewandten Teil (den Platon den »Mut« nennt) wird zwischen der Vernunft und ihrem
Gegenteil ein Band hergestellt und durch dieses das »Leben«, welches »Eins mit der Seele« ist und zu dieser gehört wie »die
Wärme
[* 18] zum Feuer«. Da nun das Feuer zu erwärmen nicht aufhören kann, so schließt Platon, daß auch die Seele zu leben nicht aufhören
und ebensowenig zu leben angefangen haben könne, und erweist mittels dessen sowohl die Präexistenz der
Seelevor der¶