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Trienter Konzils möglichst durchzuführen, drang auf streng sittliches Leben der Geistlichen und Mönche und führte 1566 den »Catechismus romanus« ein. Den Protestantismus bekämpfte er mit allen Kräften. Er bestärkte Philipp II. in seinen grausamen Maßregeln gegen die Niederländer, sprach über die Königin Elisabeth von England den Bann aus, bestätigte das englische Thronrecht Maria Stuarts und befahl 1568 die Verbreitung der Bulle »In coena Domini« durch die ganze Kirche. Mit den Venezianern und dem König Philipp II. von Spanien [* 2] brachte er eine Liga gegen die Türken zu stande, welche den Seesieg von Lepanto herbeiführte. Er starb und ward 1712 von Clemens XI. kanonisiert. Seine »Epistolae apostolicae« gab Gobau (Antw. 1640) heraus; sein Leben beschrieb Falloux (deutsch, Regensb. 1873).
6) Pius VI., eigentlich Giovanni Angelo Braschi, geb. zu Cesena, wurde 1744 Auditor bei der päpstlichen Kanzlei, 1753 Geheimschreiber Benedikts XIV., 1766 Generalschatzmeister der päpstlichen Kammer und 1773 Kardinal. Am nach langem Streit zwischen Freunden und Gegnern der Jesuiten zum Papst gewählt, erlangte er durch die Schönheit seiner äußern Erscheinung wie durch die Reinheit seiner Sitten große Beliebtheit. Der Verschleuderung der Pfründen machte er ein Ende, behielt aber dafür den einträglichen Ämterhandel bei und begünstigte das Lottospiel.
Zwar baute er einen Hafen für Ancona, [* 3] schaffte die Durchgangszölle in seinem Staat ab und verwendete auf die Austrocknung der Pontinischen Sümpfe ungeheure Summen; doch erregte die Begünstigung seiner Nepoten im Land Unzufriedenheit. Große Schwierigkeiten bereitete ihm die Haltung der weltlichen Mächte. Neapel [* 4] erkannte die Lehnsherrlichkeit des päpstlichen Stuhls nicht mehr an; Leopold II. von Toscana und Kaiser Joseph II., den Pius in Wien [* 5] 1782 persönlich um Schonung der Rechte der Kirche anging, ließen sich durch ihn in der Ausführung ihrer Reformen nicht stören, und nur der Egoismus mehrerer deutscher Bischöfe hinderte die Durchführung der Emser Punktation (s. Emser Kongreß). 1794 erließ Pius ein großes Glaubensedikt in der Bulle »Auctorem fidei«, in dem er in wesentlichen Punkten zu gunsten der päpstlichen Hierarchie über das Tridentinum hinausging. Eine Reihe der schwersten Leiden [* 6] brach infolge der französischen Revolution über Pius herein, der vergeblich gegen die Maßregeln derselben gegen die katholische Geistlichkeit protestierte, Avignon und, nachdem er durch die Zahlung von 31 Mill., die Abtretung von Ferrara, [* 7] Bologna und Ravenna und die Herausgabe wertvoller Kunstwerke von Bonaparte den Frieden von Tolentino erkauft hatte, doch schließlich seine weltliche Unabhängigkeit verlor. Da Pius, nachdem der Kirchenstaat von den Franzosen besetzt und zur Republik erklärt worden, sich beharrlich weigerte, die Regierung niederzulegen, ließ die französische Regierung den kranken Greis gefangen über Parma, [* 8] Piacenza und Turin [* 9] nach Frankreich bringen, wo er zu Valence starb. Sein Leben beschrieben Bourgoing (Par. 1799, 3 Bde.; deutsch von Meyer, Hamb. 1800, 2 Bde.), Artaud de Montor (Par. 1847).
Vgl. auch Wolf, Geschichte der römisch-katholischen Kirche unter Pius VI. (Zürich [* 10] 1793-1802, 7 Bde.).
7) Pius VII., eigentlich Barnabas Luigi, Graf Chiaramonti, geb. zu Cesena, trat 1758 in den Benediktinerorden, ward 1775 zum Abt, nachher zum Bischof von Tivoli, später zum Bischof von Imola und 1785 zum Kardinal ernannt und 13 März 1800 in Venedig [* 11] unter österreichischem Schutz als Nachfolger des vorigen zum Papst erwählt. Als solcher suchte er die alten hierarchischen Grundsätze in ihrer vollen Strenge geltend zu machen. Ein Hirtenbrief von ihm verdammte sogleich die Philosophie als die Urheberin aller Drangsale der Zeit, und mehrere seiner Bullen brachen über jede freiere Geistesbewegung den Stab. [* 12]
Nachdem er von österreichischen Truppen beschützt, in Rom [* 13] eingezogen war, ging er, von seinem Staatssekretär Consalvi unterstützt, klug und vorsichtig an die Ordnung des zerrütteten Staatswesens. Durch den Frieden zu Lüneville erhielt Pius den größern Teil des Kirchenstaats zurück, und schloß er ein Konkordat mit Frankreich, welches ihm das wenn auch vielfach beschränkte Supremat über die französische Kirche zurückgab. Von Napoleon eingeladen, zur Salbung und Kaiserkrönung nach Paris [* 14] zu kommen, hielt er daselbst einen glänzenden Einzug; doch setzte sich Napoleon die Krone selbst aufs Haupt und bewilligte weder die Aufhebung der gallikanischen oder organischen Artikel noch die Rückgabe Avignons und der Legationen. Am kehrte Pius in tiefem Mißmut nach Rom zurück. Im November 1807 rückten wiederum französische Truppen in den Kirchenstaat ein, und erklärte Napoleon zu Wien, daß der Papst als weltlicher Herrscher aufgehört habe zu regieren.
Der ganze Kirchenstaat wurde dem Kaiserreich einverleibt. Nur die geistliche Macht wurde dem Papst gelassen. Da Pius gegen diese Beschlüsse protestierte und 10. Juni über jeden, der zu ihrer Ausführung mitwirken würde, den Bann aussprach, drang in der Nacht des 6. Juli der französische General Radel gewaltsam in den Quirinal ein, verhaftete Pius und deportierte ihn mit seinem Staatssekretär, dem Kardinal Pacca, erst nach Grenoble, [* 15] dann nach Savona; 1812 ward Pius nach Fontainebleau gebracht.
Pius' Haltung während seiner Gefangenschaft war würdig und standhaft; er wies den Glanz einer Hofhaltung und die ihm von Napoleon bestimmten großen Einkünfte zurück und erteilte den Bischöfen, die Napoleon ernannte, die kanonische Bestätigung nicht; auch sprach er sich unumwunden gegen des Kaisers Scheidung von Josephine aus. Als Napoleon aus Rußland zurückkam, nötigte er in Fontainebleau Pius zur Abschließung eines Konkordats, in dem sich derselbe zur Bestätigung jener Bischöfe verpflichtete und gegen 2 Mill. Frank jährlicher Rente auf seine frühern Besitzungen verzichtete. Da Napoleon dasselbe aber früher, als verabredet war, publizierte, zog Pius, der seine Nachgiebigkeit als eine Sünde wider die Kirche bitter bereute, 24. März auf den Rat seiner Kardinäle seine Zustimmung zurück, und Napoleon wurde durch die Weltereignisse gehindert, ihn zur Unterwerfung zu zwingen. Am zog Pius unter dem Jubel des Volkes wieder in Rom ein.
Mit großer Geschicklichkeit benutzten Pius und Consalvi die günstigen Zeitumstände zu einer Restauration der päpstlichen Hierarchie. Die auf dem Wiener Kongreß vertretenen Mächte garantierten ihm den Besitz des Kirchenstaats, mit Ausnahme von Avignon und Venaissin. In der innern Politik der Kirche ging Pius seitdem von streng hierarchischen Grundsätzen aus; er stellte den Jesuitenorden und die Inquisition wieder her, verdammte 1816 die Bibelgesellschaften, verbot die nicht approbierten Bibelübersetzungen und erließ scharfe Gesetze gegen die Freimaurer und Karbonari. Über die ¶
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rechtliche Stellung der Kirche schloß Pius besondere Konkordate mit den einzelnen Regierungen ab und erlangte dabei meist sehr günstige Resultate. Im Kirchenstaat erhielt er durch Milde und Nachgiebigkeit die Ruhe aufrecht, verbesserte das Verwaltungswesen, that viel für mildthätige Zwecke und unterstützte die Künste und Wissenschaften. Er starb an den Folgen eines Falles
Vgl. »Storia del pontificato di Pio VII« (Vened. 1815, 2 Bde.);
seine Biographie schrieben: Artaud de Montor (deutsch, Wien 1837, 2 Bde.), Simon (Par. 1823), Gaudet (das. 1824), Jäger (Frankf. 1825), Pacca (Rom 1836), Henke (Marb. 1862) und Giucci (Rom 1864).
8) Pius VIII., eigentlich Francesco Xaver, Graf Castiglione, geb. zu Cingoli in der Mark Ancona, trat früh in den geistlichen Stand, wurde 1800 Bischof von Montalto, mußte sich aber 1808 ins Exil nach Südfrankreich begeben, ward 1814 von Pius VII. zum Bischof von Cesena, 1816 zum Kardinal, dann zum Großpönitenziar und Vorstand der Kongregation für den Index der verbotenen Bücher und 1821 zum Bischof von Frascati ernannt. Am bestieg er als Nachfolger Leos XII. den päpstlichen Stuhl. Seinen Unterthanen gewährte er mehrere materielle Erleichterungen und unterstützte die Kunst. Übrigens war seine Politik allen Konzessionen an den Liberalismus feind. Er starb
Vgl. Artaud de Montor, Histoire du pape Pie VIII (Par. 1843).
9) Pius IX., vorher Giovanni Maria, Graf von Mastai-Ferretti, geb. zu Sinigaglia, wurde im Piaristenkollegium zu Volterra erzogen, studierte in Rom Theologie und begleitete 1823 den apostolischen Vikar Muzi nach Chile. [* 17] Im Juli 1825 nach Rom zurückgekehrt, wurde Mastai zum Vorsteher des Michaelhospitals, im Mai 1827 zum Erzbischof von Spoleto, 1833 zum Bischof von Imola und 1840 zum Kardinal ernannt. Als nach Gregors XVI. Tod das beispiellos kurze Konklave den Kardinal Mastai auf den päpstlichen Stuhl erhob und dieser mit dem Namen Pius IX. an zwei milde und redliche Vorgänger anknüpfte, hegten die Liberalen Italiens [* 18] die kühnsten Erwartungen von ihm, da er die strengen reaktionären Maßregeln Gregors XVI. nicht gebilligt hatte. Pius erließ auch sofort eine allgemeine Amnestie und begann durchgreifende Reformen im Kirchenstaat: 1847 erhielt die Stadt Rom eine neue Munizipalverfassung und der Kirchenstaat eine Staatskonsulta, im März 1848 letzterer durch eine Verfassungsurkunde auch eine Pairs- und eine Deputiertenkammer sowie ein teilweise weltliches Ministerium.
Indes gingen die Wogen der radikalen Bewegung so hoch, daß die Verbannung der Jesuiten aus Rom 29. März von Pius bewilligt werden mußte, und nach der Ermordung Rossis (15. Nov.) floh der Papst nach Gaeta, von wo er erst nach Rom zurückkehrte, um unter dem Schutz französischer und österreichischer Bajonette eine rücksichtslose Reaktion durchzuführen, welche alle Mißbräuche der geistlichen Regierung wiederherstellte und sich allen Mahnungen der Mächte zu zeitgemäßen Reformen unzugänglich zeigte. In dem kirchlichen System hatte Pius von Anfang an keine Änderungen beabsichtigt. Obwohl persönlich liebenswürdig und mild sowie frei von jeder Asketik und jedem Zelotismus, bekannte sich Pius doch von Anfang an zu den hierarchischen Grundsätzen seiner Vorgänger. Die vom Nachfolger Petri geleitete unfehlbare römische Kirche erschien ihm in seiner sinnlichen äußerlichen Frömmigkeit und seiner naiven Unkenntnis der sittlichen und geistlichen Zustände Europas als das einzige untrügliche Heilmittel gegen alle materiellen und geistigen Schäden und Gebrechen der Menschheit, namentlich gegen die Pest des Liberalismus, wie schon seine Encyklika vom verbündete, und nach seiner Meinung unter dem besondern Schutz und der unmittelbaren Eingebung der Jungfrau Maria stehend, glaubte er sich selbst berufen, die Welt durch ihre Wiedervereinigung unter dem römischen Stuhl zum ewigen Heil zu führen. Pius errang auch überraschende Erfolge, indem er sich nach 1848 in geschicktester Weise zu gleicher Zeit die doktrinären Prinzipien der Liberalen und die reaktionären Bestrebungen der Regierungen zu nutze zu machen wußte. In England und den Niederlanden wurden nach dem Grundsatz unbedingter Religionsfreiheit katholische Bistümer errichtet, dagegen mit Österreich [* 19] und andern deutschen Regierungen Konkordate abgeschlossen. Überall wurde die Zahl und Thätigkeit der Orden [* 20] vermehrt. Zum Dank für solche Erfolge verkündete Pius zur größern Ehre seiner Schutzheiligen in einer Versammlung von 167 Bischöfen das Dogma der unbedeckten Empfängnis der Jungfrau Maria und begünstigte die Jesuiten, unter deren Einfluß er bisher so Großes errungen, fortan noch entschiedener. Bei den großen politischen Umwälzungen in Italien [* 21] 1859 und 1860, in denen ihm Napoleon III. als Gegengewicht gegen Sardinien [* 22] gern eine einflußreiche Rolle an der Spitze einer italienischen Konföderation verschafft hätte, verhielt er sich völlig negativ und halsstarrig, so daß der Verlust der Legationen und der Marken an das neue Königreich Italien nicht abzuwenden war. Pius bezeichnete denselben zwar als einen schädlichen Kirchenraub und belegte die »subalpinische« Regierung mit dem Bann; auch erklärten er und die Jesuiten den weltlichen Besitz für notwendig für den Bestand und das Heil der Kirche. Sein Hilferuf an die katholischen Mächte war aber erfolglos. Um so entschiedener und leidenschaftlicher wandte er sich mit seinen geistlichen Waffen [* 23] gegen den kirchenfeindlichen, verderblichen Zeitgeist. Am erließ er an sämtliche Prälaten der katholischen Kirche eine Encyklika, worin er in 80 Sätzen die freiern Ansichten der Neuzeit über Religion und bürgerliche Gesellschaft verdammte. An diese Encyklika schloß sich ein »Syllabus complectens praecipuos nostrae aetatis errores« an, ein Verzeichnis von 80 auf die Religion, die Wissenschaft und das bürgerliche Leben bezüglichen Irrlehren, worin sich der Papst ganz auf den mittelalterlichen Standpunkt stellte, indem er Unterordnung der Wissenschaft und des Staats unter die päpstliche Autorität verlangte. Die modernen Mittel der Presse [* 24] und der Vereine wurden mit Eifer und Erfolg verwendet, um jede abweichende Meinung zu ersticken, durch die Peterspfennige dem Papste den Ausfall seiner Einnahmen zu ersetzen und seine geistige Herrschaft zu einer so unumschränkten und tief eingreifenden Macht zu erheben, wie sie kaum ein Papst besessen. Am eröffnete er das vatikanische Konzil, welches trotz des Widerspruchs der angesehensten Bischöfe aus den bedeutendsten Kulturländern unter dem persönliche Einfluß des Papstes das Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit annahm und den unbeschränkten Absolutismus in der römischen Hierarchie vollendete. Als nach dem Abmarsch der französischen Besatzung die Italiener in Rom einrückten, schloß er sich im Vatikan [* 25] ein, wies das Garantiegesetz vom zurück und überhäufte die italienische Regierung bei ¶