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Theorie; Kater erfand 1818 das Reversionspendel, und Foucault lieferte 1851 durch seinen berühmten Pendelversuch den direkten Beweis für die Achsendrehung der Erde. Die Wärmelehre hat ebenfalls in dem betrachteten Zeitraum sowohl in theoretischer als experimentelle Hinsicht bedeutende Fortschritte aufzuweisen. In ersterer Beziehung sind die noch auf dem Begriff des Wärmestoffs fußenden mathematischen Bearbeitungen von Fourier (1822) und Poisson (1835) zu erwähnen; in letzterer Hinsicht ragen hervor die Untersuchungen über strahlende Wärme, [* 2] welche Melloni (1831) mittels des von Nobili erfundenen Thermomultiplikators anstellte.
Außerdem sind noch zu erwähnen die Arbeiten von Péclet, Forbes, Regnault, Magnus, Favre und Silbermann, Thomsen u. a. Die Undulationstheorie des Lichts wurde weiter ausgebildet durch Fraunhofer (1821), J. Herschel (1828), Schwerd (1835), Cauchy (1863), von denen der erste die Wellenlängen für die dunkeln Linien des Sonnenspektrums bestimmte, der letzte die Dispersion [* 3] aus der Wellenlehre erklärte. Dem französischen Physiker Fizeau gelang es 1849, die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichts terrestrischer Lichtquellen zu messen, und Foucault krönte 1853 den bereits entschiedenen Sieg der Wellenlehre durch den Nachweis, daß sich das Licht [* 4] im Wasser langsamer fortpflanzt als in der Luft.
Stokes bearbeitete erfolgreich die Fluoreszenz, [* 5] Becquerel die Phosphoreszenz. [* 6] Die Polarisationsapparate [* 7] erlangten durch die Erfindung des Nicolschen Prismas (1828) eine größere Vollkommenheit. Die physiologische Optik wurde bereichert durch das Stereoskop [* 8] (Wheatstone 1838) und durch das Phänakistoskop, [* 9] welches Stampfer und Plateau 1832 fast gleichzeitig erfanden. Eine durchgreifende Umarbeitung erfuhr dieser Teil der Optik durch Helmholtz, den Erfinder des Augenspiegels (1851). Die Photographie verdankte ihre Entstehung der schon länger bekannten Thatsache, daß das Licht gewisse Substanzen, z. B. die Silbersalze, chemisch zu verändern vermöge.
Nachdem schon Wedgewood und Davy 1802 Bilder von flachen Gegenständen, welche unmittelbar auf Chlorsilberpapier gelegt wurden, dargestellt hatten, gelang es zuerst Nicéphore Niepce 1827, das Bild der Camera obscura [* 10] auf einer Asphaltschicht zu fixieren. Daguerre lehrte 1839 die Herstellung von Lichtbildern auf jodierten Silberplatten (Daguerreotypie), und Talbot veröffentlichte 1842 sein ihm zu Ehren »Talbotypie« genanntes Verfahren, Bilder auf Jodsilberpapier herzustellen, welche der Vervielfältigung fähig waren. Nachdem der jüngere Niepce das Talbotsche Papiernegativ durch eine auf Glas [* 11] ausgebreitete Eiweißschicht und Legray 1850 das Eiweiß durch Kollodium ersetzt hatten, war die Photographie in ihrer heutigen Gestalt dem Wesen nach vollendet.
Eine neue Epoche in der Entwickelung der Physik wurde durch die Entdeckung des Satzes von der »Erhaltung der Energie« (»Erhaltung der Kraft«) [* 12] heraufgeführt. Dieses Prinzip, von Julius Robert Mayer 1842 zuerst verkündet und von Helmholtz 1847 den Prinzipien der Mechanik gemäß wissenschaftlich ausgestattet, bildet die Grundlage einer neuen physikalischen Weltanschauung, welche nicht nur die bis dahin unvermittelt nebeneinander stehenden Einzelgebiete der Physik unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt zusammenfaßt, sondern auch auf das Gesamtgebiet der übrigen Naturwissenschaften ihre erhellenden Strahlen wirft.
Die durchgreifendste Umgestaltung erfuhr die Wärmelehre durch die neue Anschauung. Mayer berechnete das »mechanische Äquivalent der Wärme« aus der Arbeit, welche die erwärmte Luft bei der Ausdehnung [* 13] leistet, fand aber eine zu kleine Zahl, da die richtigen Werte für die spezifische Wärme der Gase [* 14] bei konstantem Druck und konstantem Volumen, welche erst in den 50er Jahren von Regnault ermittelt wurden, damals noch nicht bekannt waren. Ebenso erging es Holtzmann und Colding, und erst Joule gelangte 1843-49 zu dem richtigen Werte.
Der Satz von der Äquivalenz zwischen Wärme und Arbeit gewährte den sichern Boden, auf welchem sich eine mechanische Theorie der Wärme aufbauen ließ. Dieser Bau wurde auch alsbald von Clausius, Thomson und Rankine in Angriff genommen. Clausius fügte zu jenem ersten Hauptsatz der mechanischen Wärmetheorie von der Äquivalenz von Wärme und Arbeit den zweiten Hauptsatz von der Äquivalenz der Verwandlungen hinzu (1850), indem er denselben auf den Grundsatz stützte, daß die Wärme nicht von selbst (ohne Kompensation) aus einem kältern in einen wärmern Körper übergehen könne.
Hiermit war einem berühmten Satz über Arbeitsleistung durch Wärme, welchen Sadi Carnot bereits 1824 aufgestellt hatte, sein richtiger Ausdruck gegeben. Die neue Theorie verknüpfte bekannte Erscheinungen durch ein einziges umfassendes Prinzip und brachte viele bisher wenig begriffene Vorgänge und Thatsachen zum Verständnis. Ja, sie vermochte bisher nicht bekannte Erscheinungen und Beziehungen, welche später durch Versuche bestätigt wurden, vorauszusagen; so z. B. die Änderung des Schmelzpunktes mit wachsendem Druck und das Verhalten der gesättigten Dämpfe, welches wegen der darauf sich gründenden Beurteilung der Arbeitsleistung der Dampfmaschinen [* 15] auch technisch von Wichtigkeit ist.
Sie gab den Anstoß, daß die Versuche zur Flüssigmachung der sogen. permanenten Gase wieder aufgenommen wurden, indem sie zeigte, daß es für jedes Gas eine »kritische Temperatur« (Andrews 1874) geben müsse, oberhalb welcher es auch durch den stärksten Druck nicht verflüssigt werden könne, unterhalb welcher aber bei genügender Drucksteigerung und Wärmeentziehung die Verflüssigung möglich sei. In der That gelang es Cailletet und Pictet fast gleichzeitig (1877) Stickstoff, Sauerstoff und Wasserstoff zu Flüssigkeiten zu verdichten.
Die Physik der Gase ist überhaupt das Gebiet, auf welchem die Wärmemechanik besonders große Erfolge errungen hat. Namentlich wurde eine bereits von Daniel Bernoulli (1738) aufgestellt Hypothese über das Wesen des gasförmigen Zustandes von Krönig (1856) und Clausius (1857) von neuem ausgesprochen und aus ihr durch die Arbeiten von Clausius und Maxwell die kinetische Theorie der Gase (s. d.) entwickelt. Die alten Gesetze von Boyle-Mariotte und Gay-Lussac ergaben sich als notwendige Folgerungen aus der neuen Theorie, welche auch die übrigen physikalischen Eigenschaften der Gase in ungezwungener Weise zu erklären vermag und für mehrere fundamentale Gesetze der theoretischen Chemie die Begründung lieferte. Sie hat ferner die Energie der bewegten Moleküle und ihre Weglänge zwischen zwei aufeinander folgenden Zusammenstößen in absolutem Maß bestimmt und sogar auf diese Daten kühne Schlüsse hinsichtlich der absoluten Größe und des Gewichts der Moleküle und Atome gebaut (Loschmidt 1865, Thomson 1870, Maxwell 1873).
Vom Gesichtspunkt des Prinzips der Erhaltung der Energie aus erscheinen alle Vorgänge in der Natur bloß als Verwandlungen einer Art Energie in eine andre Art Energie, und sämtliche Energien der Natur (Wärme, Licht, Schall, [* 16] gespannte und bewegte Elektrizität, [* 17] chemische Trennung und mechanische Arbeit) ¶
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sind nur verschiedene Erscheinungsformen einer und derselben Wesenheit. Indem sich so jenes Prinzip zu einer Lehre [* 19] von der Einheit und Metamorphose der Naturkräfte entfaltete, gewährte es nicht nur im allgemeinen Einblicke in den Zusammenhang und die Wechselwirkung der verschiedenen Agenzien, sondern bot auch im besondern eine sichere gemeinsame Basis für die theoretische Bearbeitung verschiedener bisher auseinander liegender Kapitel der Physik. Namentlich auf dem Gebiet der Elektrizitätslehre wurden in dieser Richtung so bedeutende Erfolge erzielt, daß man jetzt schon in gewissem Sinn von einer mechanischen Theorie der Elektrizität sprechen kann (Clausius, Maxwell u. a.).
Auf dem Gebiet der Elektrizität und zwar zunächst der Reibungselektrizität tritt uns vor allem die fast gleichzeitig 1865 von Holtz und von Töpler erfundene »Influenzelektrisiermaschine« (Elektrophormaschine, Elektromaschine) entgegen, welche weit größere Mengen von Elektrizität zu liefern im stande ist als die gewöhnlichen Elektrisiermaschinen. Durch seinen zuerst 1851 konstruierten »Funkeninduktor« gelang es Ruhmkorff, die durch galvanische Ströme induzierte Elektrizität zu solcher Spannung zu steigern, daß ihre Funkenentladungen diejenigen der stärksten Reibelektrisiermaschinen an Kraft übertreffen.
Diese Induktionsfunken, durch mit verdünnten Gasen gefüllte Glasröhren geleitet, welche von Geißler 1860 erfunden wurden, erzeugen die prachtvollsten Lichterscheinungen, indem sie die verdünnten Gase zum Glühen und Leuchten bringen. Die Geißlerschen Röhren [* 20] sind namentlich bei spektralanalytischen Untersuchungen als Gegenstände und Werkzeuge [* 21] der Forschung sehr wichtig geworden. Außer der Verbesserung der magnetelektrischen ist ferner die Erfindung der dynamoelektrischen Maschinen durch W. Siemens (1866) zu erwähnen, deren Prinzip ein Gegenstück bildet zu demjenigen der Influenzmaschine.
Durch sie wurde der großartige Aufschwung, den die technischen Anwendungen der Elektrizität (elektrische Beleuchtung, [* 22] Kraftübertragung etc.) in unsern Tagen genommen haben, erst möglich gemacht. Allgemeines Aufsehen erregte die Erfindung des Telephons durch Graham Bell (1877), welches als bequemes Kommunikationsmittel raschen Eingang fand, aber auch für feinere physikalische Untersuchungen, besonders für den Nachweis sehr schwacher elektrischer Ströme, ein willkommenes Werkzeug geworden ist.
Daran schloß sich die Erfindung des Mikrophons durch Lüdtge (1878) und etwas später durch Hughes und Edison, durch welches in Verbindung mit dem Telephon die geringsten Erschütterungen, indem sie den galvanischen Widerstand an den Berührungspunkten zweier Kohlenstücke ändern, hörbar gemacht werden. Dieses Prinzip ist einerseits zur Vervollkommnung der telephonischen Korrespondenz (Lüdtges Universaltelephon), anderseits zur Konstruktion seiner physikalischer Meßapparate (Edisons Tasimeter) verwertet worden.
In der Akustik vollzog sich infolge der Untersuchungen von Helmholtz (»Die Lehre von den Tonempfindungen«, 1862) eine völlige Umwälzung. Helmholtz ergründete das Wesen der »Klangfarbe«, indem er nachwies, daß die musikalischen Klänge, welche unser Ohr [* 23] als Einheiten aufzufassen gewohnt ist, aus einer Reihe einfacher Töne, einem Grundton und den dazu gehörigen Obertönen, zusammengesetzt sind, deren jede durch rein pendelartige Schwingungen hervorgebracht wird.
Die Analyse der Klänge wurde noch vervollkommt durch die optischen Untersuchungsmethoden von König (manometrische Flammen, Flammenzeiger, 1864) und Lissajous (Schwingungsfiguren, 1855) und durch die graphische Methode (Phonautograph von Scott und König, 1859). Von besonderm Interesse sind die Aufschlüsse, welche diese Forschungen über die Natur der menschlichen Stimme gegeben haben. Die allgemeinste Aufmerksamkeit wurde aber erregt durch den Phonographen Edisons (1878).
In der Lehre vom Licht bildet die Einführung der Spektralanalyse [* 24] von Bunsen und Kirchhoff (1860) einen epochemachenden Abschnitt. J. Herschel und Talbot hatten zwar schon in den 20er Jahren die Spektren farbiger Flammen, Wheatstone (1845), Angström, Plücker u. a. das Spektrum des elektrischen Funkens untersucht; aber erst Kirchhoff und Bunsen wiesen 1860 nach, daß die hellen Linien des Spektrums eines glühenden Gases von der chemischen Beschaffenheit desselben bedingt sind, und begründeten damit die Spektralanalyse, welche sofort zur Entdeckung einiger bis dahin unbekannter Metalle (Cäsium, Rubidium, Thallium, Indium, Gallium) führte. In seiner berühmten Abhandlung: »Untersuchungen über das Sonnenspektrum und die Spektren chemischer Elemente« (1861) lehrte Kirchhoff die Spektralanalyse der Sonne [* 25] und andrer Himmelskörper, eine Methode, welche in ihrer weitern Ausbildung durch Secchi, Huggins, Lockyer, Janssen und Zöllner zu bewundernswerten Resultaten geführt hat; die vorher nie geahnten Thatsachen, welche sich auf diesem Gebiet enthüllen, sind so zahlreich, daß sie in ihrer Gesamtheit einen neuen Wissenszweig, die Astrophysik, konstituieren.
In dem Spektroskop [* 26] besaß man nun auch das geeignete Werkzeug, die Lichtabsorption als Ursache der natürlichen Farben der Körper zu studieren. An stark gefärbten Substanzen (Fuchsin, Cyanin) entdeckten Kundt und Christiansen (1870) die anomale Dispersion; ein Hohlprisma, mit einer Lösung eines solchen Stoffes gefüllt, bricht nämlich die grünen und blauen Strahlen stärker als die roten, ganz entgegen dem Verhalten farblos durchsichtiger Substanzen. Die Phosphoreszenzerscheinungen wurden von Bequerel ^[richtig: Becquerel] (1857) mit Erfolg bearbeitet, die Fluoreszenzerscheinungen von Stokes (1853), welcher mit ihrer Hilfe die durch ihre chemische (photographische) Wirkung bereits bekannten ultravioletten Teile des Spektrums direkt sichtbar machte.
Stokes hatte aus den von ihm beobachtete Erscheinungen geschlossen, daß das durch Fluoreszenz ausgestrahlte Licht stets minder brechbar sei als das einfallende Licht. Später wurden aber Substanzen entdeckt, welche sich dieser Regel nicht fügen; es sind dies durchaus Substanzen, welche auch anomale Dispersion und das merkwürdige Phänomen der Oberflächenfarben zeigen. Alle diese Thatsachen stehen außerhalb der bis jetzt noch allgemein angenommenen Cauchyschen Lichttheorie und weisen über dieselbe hinaus. Diese Theorie ist gegenwärtig an dem Ziel ihrer Entwickelung angelangt; indem sie die Lichterscheinungen aus Bewegungen des Äthers allein zu erklären sucht, fehlt ihr von vornherein die Fähigkeit, von Erscheinungen, die offenbar auf Wirkungen der materiellen Körperteilchen beruhen, Rechenschaft zu geben. Eine neue Lichttheorie, welche sich auf die Wechselwirkung zwischen Äther und Körperteilchen gründet, wird die Aufgabe der Zukunft sein.
[Litteratur.]
Müller-Pouillet, Lehrbuch der Physik und Meteorologie (9. Aufl., bearbeitet von Pfaundler, Braunschw. 1886 ff., 3 Bde.);
Wüllner, Lehrbuch der Experimentalphysik (4. Aufl., Leipz. 1882 ¶