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sinnlichen Welt) entgegengesetzt und daher von den »vier Schmerzen« derselben (Krankheit, Alter, Tod, Wiedergeburt) ausgenommen ist.
Die Philosophie
bei den Griechen ist in der ersten
Periode (von
Thales bis
Aristoteles)
Liebe zur theoretischen
Weisheit auf natürlichem
Weg, in der zweiten, welche die
Schüler der
Stoa und Epikurs umfaßt,
Liebe zur praktischen
Weisheit, in der
dritten, welche die Neuplatoniker enthält, abermals
Liebe zum
Wissen, aber auf übernatürlichem Weg. Der natürliche Weg
ist (sinnliche)
Erfahrung und
Vernunft, der über natürliche übersinnliche
Anschauung
(Vision). Die ersten griechischen
Denker
sind
Physiker; die
Ethik ist nur in der Form der Spruchweisheit (Gnomik) der
(sieben)
Weisen, eine
Wissenschaft
des
Wissens gar nicht vorhanden.
Ihre Philosophie
ist weder
Universal- noch Normalwissenschaft, sondern bloße
Naturlehre. Das
Wesen der
Dinge wird von den einen (den ältern
und jüngern
Ioniern) auf physischen
Stoff, von den andern (den Pythagoreern, s.
Pythagoras) auf mathematische und geometrische
(Zahl und Gestalt), von den dritten auf ideelle Bestimmungen (ruhendes
»Sein«: Eleaten, s.
Eleatische Schule;
fließendes
»Werden«: Herakleitos, um 500
v. Chr.) zurückgeführt. Durch den Umstand, daß die Eleaten das
»Werden«
(Bewegung),
die Herakliteer das »Sein«, als dem Wesen der Dinge widersprechend, für Schein, jeder das Wissen des andern für Scheinwissen ausgeben, wird die Aufmerksamkeit zuerst auf die Betrachtung des Wissens, die Wissenslehre, gelenkt. Dieselbe lieferte zunächst (bei den Sophisten) ein negatives Resultat, indem alles Wissen für Scheinwissen, der »Mensch als Maß aller Dinge« (Protagoras) erklärt wird, sodann (durch Sokrates, gest. 399) ein positives, indem das rationale (in Begriffsform auftretende) Wissen als echtes Wissen zu gelten hat.
Zugleich wird durch Anwendung des so gewonnenen
Wissens auf das
Gute die dritte
Wissenschaft
(Ethik ^[)] durch
Sokrates zu der
vorhandenen
Physik und
Logik hinzugefügt und dasselbe bald als das Nützliche
(Xenophon), bald (positiv) als höchste Lust
(Hedoniker, s.
Hedonismus), bald (negativ) als mindeste Unlust
(Kyniker) Gewährendes, bald als das um
seiner selbst willen Begehrenswerte
(Platon) bestimmt. Durch die
Aufstellung eines
Ideals des
Wissens (des rationalen) und die
Vervollständigung des
Umfangs des
Wissens wurde Philosophie
als
Universal- und Normalwissenschaft möglich und durch
Platon (gest. 348)
und
Aristoteles (gest. 322) ins Werk gesetzt.
Beide gingen davon aus, daß die normale Wissensform der Begriff und daher sowohl die Wissens- als die Seins- und Ideallehre dieser gemäß zu gestalten sei; in Bezug auf den Ursprung des Begriffs nahmen beide entgegengesetzte Standpunkte ein. Da der Begriff das Allgemeine (Eine) darstellt, welches Besonderes (Vieles) unter sich befaßt, so kann derselbe entweder so aufgefaßt werden, als sei das Besondere aus dem Allgemeinen (aus seinem Inhalt) entlassen (deduziert), oder als sei das Allgemeine aus dem Besondern (aus seinem Umfang) abstrahiert (induziert). Im erstern Fall ist das Allgemeine (Eine), in diesem das Besondere (Viele) das Ursprüngliche.
Indem Platon die deduktive Form als die Wissensform ansah, kam er dazu, die Vielheit des Wissens aus Einem Wissen, in der Seinslehre das vielheitliche Seiende aus Einem Sein, in der Ideallehre die Vielheit der Güter aus Einem (höchsten) Gut abzuleiten. Aristoteles dagegen, welcher die induktive Form als Wissensform ansah, gelangte zu dem entgegengesetzten Resultat, die Eine Wissenschaft aus einer Vielheit von Wissenschaften, das Eine Sein aus einer Vielheit von Seienden, das Eine höchste Gut aus einer Vielheit von Gütern zusammenzusetzen.
Beider Philosophien
sind insofern
Rationalismus, als ihnen nur das rationale (in Begriffsform
[Einheit der Vielheit] gebrachte)
Wissen für wahres
Wissen, nur das in derselben existierende (rationale)
Sein für wirkliches
Sein und nur
das in derselben aufgestellte (rationale)
Ideal für das wahre
Ideal gilt. Da der deduktive
Rationalismus aber die
Einheit, der
induktive die Vielheit als das Ursprüngliche ansieht, so führt der erste dazu, das wahre
Wissen für »angeboren« (in der
ursprünglichen
Einheit der
Vernunft enthalten),
der andre, es für »erworben« (von der ursprünglichen Vielheit der Erfahrung abstrahiert) anzusehen; führt der erstere zu einer monistischen (Ein Sein), nach welcher nur Allgemeines (Gattung), der letztere zu einer pluralistischen (individualistischen: viele Seiende) Metaphysik, nach welcher nur Einzelnes (Individuum) wahrhaft existiert; setzt der erstere das höchste Gut in die Eine Tugend, der letztere dagegen in die aus einer Vielheit von Lustgefühlen resultierende Glückseligkeit.
Der Umstand, daß bei dem erstern demzufolge der Begriff (als Allgemeines) von dem Seienden (als Gattung) nicht verschieden ist, gab zu der Folgerung Anlaß, daß der Begriff selbst das Seiende sei, Wissenslehre und Seinslehre (Dialektik und Metaphysik) in Eins zusammenfielen. Dem Begriff als Seiendem legte Platon den Namen Idee bei und bezeichnete ihn als Gegenstand eines über die Sinnlichkeit erhabenen Schauens (übersinnlicher Erfahrung: Mystizismus), dessen die Seele in einem vorweltlichen Zustand teilhaftig geworden sei, und dessen Wiedererinnerung (Anamnese) durch das Gewahrwerden ihm ähnlicher (nach seinem Muster geformter) Objekte in der Sinnenwelt in derselben erweckt werde.
Aristoteles dagegen, dem der Begriff (als Allgemeines) für ein vom Seienden (als Individuum) Verschieden galt, sah denselben als Frucht eines auf die Objekte der Sinnenwelt gerichteten sinnlichen Schauens (sinnlicher Erfahrung: Sensualismus) und der an dasselbe sich anschließenden Denkoperationen des Begrifsbildens, Urteilens und Schließens, als einen eine Mehrheit von Dingen zusammenfassenden und bezeichnenden Gedanken an. Die Lehre [* 2] von obigen Denkoperationen gestaltete Aristoteles als besondere Wissenschaft, wodurch er der Vater der (formalen) Logik (Denkformenlehre) geworden ist.
Beide Systeme wurden durch Schulen, jenes des Platon durch die (ältere, mittlere und neue) Akademie, jenes des Aristoteles durch die sogen. peripatetische, fortgepflanzt. Jene ging durch den Zweifel an der Möglichkeit übersinnlicher Erfahrung allmählich durch Arkesilaos und Karneades in Skeptizismus, diese durch die Ausbreitung des Wissens über alle Gebiete der Erfahrung allmählich in Beschäftigung mit den positiven Wissenschaften (insbesondere Naturwissenschaften) über.
Die zweite
Periode der griechischen Philosophie
, in welcher die praktische
Weisheit den Vorzug hat und das theoretische
Wissen nur als
Mittel zu dieser gilt, wird von den
Schulen der
Stoa (s.
Stoiker), welche die
Tugend, deren
Folge die
Glückseligkeit,
und des
Epikuros (gest. 268), welche die
Glückseligkeit, deren
Mittel die
Tugend ist, als
höchstes Gut ansahen, sowie durch
jene der Skeptiker, welche das
höchste Gut, die Gemütsruhe, durch die Verzichtleistung auf sicheres
Wissen zu bewahren suchten, ausgefüllt. Die dritte
Periode, in welcher bereits jüdische und andre orientalische Einflüsse
(vornehmlich in
Alexandria) sich einmischten, suchte dem eingerissenen
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mehr
Skeptizismus und Sensualismus durch die Wiederbelebung des Platonismus zu steuern und die Kluft zwischen der sinnlichen (Erscheinungs-)
und übersinnlichen (Ideen-) Welt teils (theoretisch) durch stufenweises Sicherheben von sinnlicher zu übersinnlicher (intellektualer)
Anschauung bis zu (mystischem) Einswerden des Endlichen mit dem Unendlichen, teils (praktisch) durch stufenweises Abtöten der
Sinnlichkeit (Askese) zu überbrücken, woraus die Schule des Plotinos (3. Jahrh. n. Chr.), der Neuplatonismus,
hervorgegangen ist, welche die Reihe originaler Philosophien
des Altertums beschloß.
Das Mittelalter, in welchem im Abend- und Morgenland die Philosophie
nur im Dienste
[* 4] dort der christlichen, hier der islamitischen Theologie
als Schulphilosophie
(Scholastik) auftrat, hat keine solche hervorgebracht. Dasselbe schloß sich im Abendland
(seit Scotus Erigena, gest. 880) dem Neuplatonismus und (entstellten) Platonismus, im Morgenland und in dem mohammedanischen
Spanien
[* 5] seit der Herrschaft der Araber dem (mangelhaft bekannten) Aristoteles an. An dem Gegensatz beider in der Feststellung
des Verhältnisses zwischen dem Allgemeinen (universale) zum Besondern (res) entzündet sich der Streit
zwischen den sogen. Realisten (Platonikern), welche das Allgemeine für wirklich (universalia ante rem), und den Nominalisten
und Konzeptualisten (Aristotelikern), welche dasselbe für ein bloßes Wort (nomen) oder einen zusammenfassenden Gedanken (conceptus,
Begriff) erklärten (universalia post rem oder in re), in welchem anfänglich die erstern (Anselm von Canterbury gegen Roscelinus
und Abälard, 11. und 12. Jahrh.), nachher (13. und 14. Jahrh.)
die letztern (Albertus Magnus und Thomas von Aquino gegen Duns Scotus) die Oberhand behaupteten. Der herrschenden, aber der
Theologie dienstbaren, ging eine unterdrückte, aber kirchlich unabhängige Richtung parallel, die im Morgenland als Sûfitum,
im Abendland als (häufig ketzerische) Mystik das philosophische
Problem, statt durch Vernunft oder sinnliche
Erfahrung, durch innere Erleuchtung (Intuition, Inspiration) zu lösen versuchte.
Zwischen dem Ausgang der Scholastik und dem Beginn der neuern Philosophie
liegt eine Übergangsepoche, in welcher unter dem Einfluß
der beginnenden Naturwissenschaften und des klassischen Humanismus teils Philosophien
des Altertums erneuert, teils (halb
phantastische, an die Physik der Ionier erinnernde) Erweiterungen der neugewonnenen Naturauffassung (Nik. von Cusa, Giordano Bruno,
Campanella) versucht wurden. Die philosophische, aus »Liebe zum Wissen« entsprungene Erneuerung der Philosophie wurde infolge des Zweifels
an der Geltung des rationalen Wissens bei Bacon, des Zweifels am Wissen überhaupt bei Descartes herbeigeführt.
Bacon (1561-1626) setzte dem deduktiven (das Besondere aus Allgemeinem ableitenden) Schlußverfahren (der Aristotelischen Syllogistik) das (übrigens gleichfalls Aristotelische) induktive (das Allgemeine aus dem Besondern ableitende) Schlußverfahren entgegen, allerdings mit dem (wesentlichen) Unterschied, daß er die unvollständige (nur wahrscheinliche) Induktion [* 6] als ein Wissen gelten ließ. Descartes (1596-1650) setzte dem absoluten Zweifel die durch die Thatsache des Zweifelns bewährte Thatsache des eignen Denkens: cogito, entgegen, aus dessen Gewißheit die Gewißheit des eignen Seins: sum, unmittelbar folgt.
Des erstern Ziel geht dahin, mittels Induktion aus der Erfahrung, des letztern Ziel geht dahin, mittels Deduktion aus dem selbst unmittelbar Gewissen das Ganze des Wissens zu gewinnen. Jener (Baconsche) Empirismus begriff unter Erfahrung sowohl äußere als innere, der seines nächsten Nachfolge Hobbes (1588-1679), dagegen nur äußere (Sensualismus), was zur Folge hat, daß das Wissen von Nichtkörperlichem (Immateriellem, Geist) ausgeschlossen und die Nichtexistenz des Immateriellen behauptet wird (Materialismus).
Dieser (Cartesianische) Rationalismus begriff unter dem unmittelbar Gewissen angeborne Ideen, z. B. die Gottesidee, was zur Folge hat, daß zwar die Existenz der eignen (denkenden) Substanz (des Geistes) und die der Gottheit gewiß, die Existenz der (ausgedehnten) Substanz (der Materie, der Körperwelt) aber ungewiß und nur durch die Existenz Gottes, dessen Wahrhaftigkeit uns nicht kann täuschen wollen, verbürgt ist. Derselbe spaltet die (geschaffene) Welt in zwei für einander unzugängliche Hälften (Dualismus), deren Einwirkung aufeinander nur durch »göttliche Assistenz« oder (nach Geulings) »okkasionalistisch« dadurch hergestellt werden kann, daß Gott im Geiste die der körperlichen Bewegung korrespondierende Empfindung oder im Körper die der geistigen Empfindung korrespondierende Bewegung ins Leben ruft.
Spinoza (1632-77) setzte diesem Rationalismus die Lehre von der all-einen Substanz (Monismus), deren Attribute Materie und Ausdehnung [* 7] sind, Leibniz (1646-1716) die Lehre von der alleinigen Existenz einfacher (immaterieller) Substanzen (Monaden, daher Monadologie), durch welche die (ausgedehnte) Materie in ein bloßes Scheinwesen (phaenomenon) verwandelt wird, entgegen. Durch jene sollte dem Zufall wie der Willkür vorgebeugt, die unter sich identische Ordnung und Reihenfolge der Ideen wie der Dinge als notwendige unendliche Abfolge (natura naturata) aus der all-einen Substanz (natura naturans) nach genetischer Methode dargethan und auf diese Weise das Ziel seiner »Ethica«, die Beseitigung aller Affekte (der Furcht wie der Hoffnung),
erreicht werden. Durch diese sollte gleichfalls dem Zufall und der Willkür vorgebeugt, die beiden scheinbar entgegengesetzten Reiche der wirkenden (blinden) und Zweck- (bewußten) Ursachen, der Natur und der »Gnade«, als identisch dargethan, die Welt, als von Anbeginn her harmonisch organisiertes Geisterreich (prästabilierte Harmonie) unter der Herrschaft des größten und besten Monarchen, als die (nicht mangellose, aber unter allen überhaupt möglichen) beste Welt erwiesen und dadurch die Klage über das Übel und die Unvollkommenheit derselben für immer beseitigt werden (»Théodicée«).
Diesem gesamten Rationalismus, der aus evidenten angebornen Ideen, insbesondere der Gottesidee, folgerte, setzte der Fortsetzer Bacons, Locke (1632-1704), den Nachweis entgegen, daß die Idee Gottes nicht angeboren, die Gesamtheit unsrer Ideen, sei es durch äußern (sensation), sei es durch innern Sinn (reflection), erworben und der Inhalt der Empfindung mit dem des Empfundenen keineswegs notwendig identisch, also sogar unsre Sinneserfahrung nichts weniger als untrüglich, weniger »real« als »ideal« sei.
Dieser skeptische Wink, daß auch das empirische Wissen teilweise kein Wissen sei, wurde von Berkeley (1648-1753) dahin gedeutet, daß all unser Wissen von einer Körperwelt Scheinwissen (empirischer Idealismus), von Hume (1711-76) dahin erweitert, daß mit Ausnahme der analytischen Urteile (wie es die mathematischen seien) kein sicheres Urteil möglich sei und die Voraussetzung aller Erfahrung, das Verhältnis von Ursache u. Wirkung, auf bloßer durch Zeitfolge gewisser Erscheinungen hervorgebrachter Gewöhnung beruhe. ¶