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dorthin geführt, welche für die alte Philosophie begeisterten und den leidenschaftlichen Streit über die Vorzüge des Platon oder des Aristoteles hervorriefen. Florenz [* 2] und die Mediceer wurden der Mittelpunkt der humanistische Bewegung, daneben Neapel [* 3] und der Hof [* 4] des Königs Alfons, Mailand [* 5] und die Visconti und Sforza. Mantua [* 6] und die Gonzaga, Ferrara [* 7] und die Este, sogar die Kurie unter Papst Nikolaus V. (1447-55) und besonders unter Leo X. traten thätig hinzu, während die Republik Venedig [* 8] mit ihren reichen Mitteln und Genua [* 9] weniger thaten.
Charakteristisch für diese Humanisten des 15. Jahrh. ist, daß sie lehrend von Ort zu Ort ziehen und einer für längere Zeit festen Anstellung entbehren, daß sie sich trotz mancher verwerflicher Eigenschaften der höchsten Verehrung bei ihren Zeitgenossen erfreuen, und daß sie selbst im Besitz kirchlicher Ämter Gleichgültigkeit gegen das Christentum zeigen. Mit der Erfindung der Buchdruckerkunst, die sich in Italien [* 10] seit 1464 rasch verbreitete, wurden die klassischen Schriftsteller leichter zugänglich (die Griechen zunächst nur in lateinischen Übersetzungen); ja, als die gelehrten Buchdrucker, die Manutius (bis 1597) in Venedig und die Giunta, seit 1480 daselbst, nachher in Florenz und Lyon, [* 11] sogar ein handlicheres Oktavformat und saubere Lettern für ihre Ausgaben wählten, war die Benutzung derselben auch in den Schulen erleichtert, zumal die Preise keineswegs hoch waren.
Mit der Herausgabe der alten Klassiker war die Notwendigkeit der Kritik des Textes, die Sammlung und Würdigung des handschriftlichen Apparats, die methodische Handhabung bei der Herstellung geboten; aber darin haben die Humanisten wenig geleistet, weil ihnen der Besitz der alten Schätze, gleichviel in welcher Gestalt, viel höher stand und die Bemühungen um die Reinheit und Eleganz lateinischer Darstellung überwogen. Auch fehlte es nicht an solchen, welche bereits auf Inschriften, Münzen, [* 12] Gemmen, [* 13] auf die erhaltenen Reste der Baukunst [* 14] ihre Aufmerksamkeit richteten, wie Ciriaco aus Ancona [* 15] (gestorben vor 1457) und Fra Giocondo aus Verona [* 16] (geb. 1435), Franc. Poggio (1380-1459) und zahlreiche Dilettanten. Am meisten Beachtung verdienen: Leon.
Bruni aus Arezzo (1369-1444), der Kamaldulenser Ambrogio Traversari (1386-1439), Franc. Filelfo (1398 bis 1481), Lorenzo della Valle (1407-57), der bereits Kritik nicht bloß bei der lateinischen Grammatik, sondern auch an dem Neuen Testament und an der Schenkungsurkunde Konstantins anwandte; als Lehrer Guarino von Verona (1370-1460), Vittorino von Feltre (um 1379-1447) und Pomponio Leto in Rom [* 17] (1425-98) und als pädagogische Schriftsteller Pier Paolo Vergerio (1349-1428) und Maffeo Vegio (1406-58). Die Anfänge einer wirklich philologischen Thätigkeit bieten die »Miscellanea« des Angelus Politianus (Angiolo de' Ambrosini aus Montepulciano, 1454-94); er fand auch unter seinen Landsleuten eifrige Nachfolger, wie Pietro Vettori (1499-1584) für Kritik und Erklärung, Carlo Sigonio (1524 bis 1584) für antiquarische und geschichtliche Forschungen, sowie an den nach Rom übergesiedelten Ausländern, dem Franzosen Marc Antoine Muret (1526-1585), den Spaniern Don Antonio Agustin (1517-1586) und Pedro Chacon (Ciacconius, 1525-81) und dem Portugiesen Achille Estaço (Statius, 1524-81).
Während nicht bloß die Jugend, sondern auch gereifte Männer aus allen Ländern nach Italien zogen, um an der Quelle [* 18] die neue Wissenschaft zu schöpfen, nahm dieselbe doch in den verschiedenen Ländern eine verschiedene Gestalt an; nur in dem einen stimmte sie überein, daß die heutige Sonderung zwischen Philologen einerseits und Theologen, Juristen, Medizinern, Philosophen, Historikern anderseits an den bedeutendsten Männern sich nicht durchführen läßt, und daß alle einen scharfen Gegensatz gegen die alte scholastische Latinität bilden.
Daraus entwickelt sich für die Philologie der Begriff der Polyhistorie, die anfangs auf dem Grunde der klassischen Litteratur alle Wissenschaften umfaßt, weil man sie zur gründlichen Verbesserung u. Erklärung der Schriftsteller brauchte, dann als ein Teil der Polymathie etwa nur die mathematischen Disziplinen ausschließt; daneben geht im engsten Umfang die Sprachwissenschaft, welche in ihrer Anwendung auf die biblischen Schriften die philologia sacra ausmacht. Die Richtung auf Polyhistorie zeigt sich zunächst in Frankreich, wo bis zu der Zeit Ludwigs XIV.
Männer aus den verschiedensten Berufskreisen sich an den philologischen Studien beteiligten, fast alle ausgezeichnet durch große Gelehrsamkeit. Zunächst sind es die Juristen, welche durch die Anwendung philologischer Exegese und durch Benutzung der erweiterten Kenntnis des römischen Altertums das römische Recht aus den Quellen herstellten und damit auch dem Verständnis der Schriftsteller großen Gewinn brachten, wie Guillaume Budé (1467-1540), Jacq. Cujas (1522-90), Franç.
Hotman (1524-90), Barnabé Brisson (1531-91), Pierre Daniel (1530-1603), Pierre Pithou (1539-1596). Die enge Verbindung der Philologie mit der Jurisprudenz wurde die Grundlage der wahren Methode für beide Disziplinen; sie wurde in der Kritik und Erklärung sicher und scharf gehandhabt von Adrien Turnébe (1512-65), Denis Lambin (1520-72) und dem gelehrtesten Sprößling einer gelehrten Buchdruckerfamilie, Henri Estienne (Stephanus, 1528-1598), dem neben der Ausgabe zahlreicher Schriftsteller sein »Thesaurus graecae linguae« ein dauerndes Andenken sichert.
Auch fehlte es außerdem nicht an guten Kritikern, gründlichen Historikern und fleißigen Antiquaren; unter den Jesuiten sind Sirmond (1559-1651) und Petau (1583-1652) nicht zu vergessen. Aber die religiösen Streitigkeiten und Verfolgungen haben die ausgezeichneten Hugenotten veranlaßt, das Land zu verlassen, und die philologischen Studien schwer geschädigt. Isaac Casaubon (1559-1614) ging nach England, Jos. Just. Scaliger (1540-1609), der bedeutendste von allen, 1593 nach Leiden, [* 19] ebendahin Claude de Saumaise (Salmasius, 1588-1653).
Was in den Niederlanden für diese Wissenschaft bis zu dem Ende des 16. Jahrh. geschehen ist, gehört Deutschland [* 20] an. Erst als in der kleinen Republik Holland die Stadt Leiden als Lohn für ihre Tapferkeit 1575 eine Universität erhalten hatte und Scaliger 1593 dahin berufen worden war, begann von dort aus eine neue Blüte [* 21] der Philologie, die auch an den Universitäten zu Franeker, Groningen, Utrecht, [* 22] Harderwijk und an einigen Athenäen sowie durch tüchtige Schulmänner und Buchdrucker (Plantin, die Elzevire, Wetstein) eifrige Pflege fand.
Scaliger beherrschte alle Gebiete dieser Wissenschaft und eröffnete ihr neue Bahnen, wie für die Chronologie, für die geschichtliche Auffassung der lateinischen Sprache; [* 23] er wußte mit Schärfe und Klarheit das Altertum, in genialster Weise nachschaffend, in seiner Totalität wiederzugewinnen. Nach seinem Plan sammelte Jan Gruytere den »Thesaurus inscriptionum latinarum« (1601). Auch hier fehlt es nicht an Sammlerfleiß, wie bei Jan de Meurs (1579-1639), Gerh. Joh. Vossius (1577-1649), ebensowenig an der Pflege ¶
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lateinischer Dichtung; aber im ganzen tritt die Kritik und Erklärung lateinischer Schriftsteller in den Vordergrund (Hugo Grotius, 1583-1645, wendete die Gesetze echter Interpretation zuerst auf die Bibel [* 25] an), wie bei Joest Lips (1547-1606), den beiden Heinsius (Daniel 1581-1655 und Nikolaas 1620-81) und bei den aus Deutschland eingewanderten J. Fr. ^[Johann Friedrich] Gronov (1611-71) und J. G. ^[Joannes Georgius Graevius] Gräfe (1632-1703), und nur wenige denken an Geographie, wie Klüwer aus Danzig, [* 26] oder an Geschichte, wie Jacob Vorbroek (Perizonius, 1651-1715); ja, die Antiquitäten wurden rein äußerlich in weitschichtigen Sammelwerken beachtet.
Dieser Sammlerfleiß zeigte sich dann auch in den gewaltigen Bänden der Ausgaben »cum notis variorum«, unter deren Herausgeber die beiden Burman obenan stehen. Für das Griechische wurde zunächst von den Holländern wenig gethan; erst Tib. Hemsterhuis (1685-1766) verschaffte ihm gleiche Berechtigung, und ihm folgt eine große Anzahl tüchtiger Gräzisten, wie L. C. Valckenaer (1715-85), Dav. Ruhnken (1723-98), Dan. Wyttenbach (1746-1820), van Heusde (1778-1859) bis zu den noch lebenden Cobet und van Herwerden. Neben ihnen dürfen die Latinisten Hofman-Peerlkamp (1786-1865), J. ^[Jan] Bake (1787-1864), Pluygers, Naber, Du Rieu nicht vergessen werden. Alle halten in nationalem Selbstgefühl die Traditionen ihrer großen Vorgänger bei der Kritik und Erklärung der Schriftsteller fest und versteigen sich nicht auf andre Gebiete der Altertumswissenschaft.
Seit dem Anfang des 18. Jahrh. ward auf die neue britische Richtung der Holländer von England aus der nachhaltigste Einfluß geübt. Zwar hatte es dort seit dem 16. Jahrh. nicht an Männern gefehlt, die, in Italien selbst gebildet, philologische Studien getrieben und auf den Universitäten und in großartigen Schulstiftungen eingeführt hatten (John Colet, Thomas Linacre, Rich. Crook); aber die schweren politischen und kirchlichen Kämpfe gestatteten denselben doch wenig Raum.
Der kühne und geniale Richard Bentley (1662-1742), der es an Gelehrsamkeit mit seinen Zeitgenossen aufnahm, übertraf dieselben an Scharfsinn und durch strengere Methode. Sprache, Metrik, Fragen der Litteraturgeschichte behandelte er gleich eindringend, und in der Herstellung der Texte fand er nicht bloß die Fehler, sondern heilte sie auch mit seltener Divinationsgabe. Noch immer gilt er als princeps criticorum, und mehrere seiner Schriften sind als epochemachend zu betrachten.
Eine Schule hat er nicht gebildet; aber sein Beispiel wirkte zunächst bei seinen Landsleuten, welche dieselbe kritische Richtung festhielten, wie Jer. Markland (1693 bis 1776), John Taylor (1703-66), Rich. Dawes (1708-66), John Toup (1713-85), Thomas Tyrwhitt (1730-86), Sam. Musgrave (1739-1780). Dem großen Meister am Anfang des Jahrhunderts steht am Ausgang desselben Rich. Porson (1759-1808) sehr nahe, der bei seinen Schülern und Anhängern die Pflege der griechischen Litteratur, besonders der szenischen Dichter, weckte und bei ihnen in Metrik und Sprache als unfehlbare Autorität galt.
Peter Elmsley, Peter Paul Dobree, Thomas Gaisford, Blomfield, Monk, Paley, Blackie, Blaydes u. a. können hier angeführt werden. Die Verhältnisse des Landes veranlaßten die Reisen in die klassischen Länder (Stuart und Revelt ^[richtig: Revett], Chandler, Dodwell, Leake, Fellows) sowie die dilettantische Lust an dem Sammeln von Werken alter Kunst (Hamilton) und deren Aufstapelung in dem Britischen Museum (Newton); dieselben befähigten auch wie nirgends zur Behandlung der alten Geschichte (Gibbon, Grote, Thom. Arnold, Thirlwall, Lewis). Dagegen hat man erst in der neuesten Zeit angefangen, sich der kritischen Behandlung der römischen Schriftsteller mehr zuzuwenden (Connington, Munro, Ellis).
In Deutschland dauerte es lange, bis sich der Humanismus Bahn brach. Italiener kamen dorthin an die Universitäten, wie Publicius in Erfurt; [* 27] Deutsche, [* 28] wie Peter Luder, zogen von Universität zu Universität. Obgleich Äneas Sylvius und Antonio Campano an der Befähigung unsrer Landsleute zweifelten, fanden diese Studien doch einen guten Boden vor. Das war das Verdienst der in Norddeutschland bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. entstandene Genossenschaft der Brüder vom gemeinsamen Leben, die einen lebendigen Eifer für die Bildung der Jugend und des Volkes überhaupt bethätigte.
Der Stifter Geert Groot (1340-84) sah nur die Anfänge; aber die rasche Entwickelung der Fraterhäuser von Deventer aus in den Niederlanden, weiter in Norddeutschland bis Rostock [* 29] und Kulm brachte auch den höhern Unterricht in die Hände der Brüder. Es ist zunächst eine theologisierende Richtung, auf die R. Agricola (Huysman), der selbst in Italien gewesen war und dann an verschiedenen Orten ohne eigentliches Lehramt lebte, Einfluß übte, indem er zugleich auf die Einrichtung von Schulen hinwirkte. Deventer unter Alexander Hegius (gest. 1498) erzog die Männer, die unter Rud. v. Langens Leitung die Münstersche Humanistenschule bildeten.
Aber es galt zunächst, die mittelalterlichen Lehrbücher zu beseitigen und neue zu schaffen. Den Reigen führt der große Gelehrte, welcher allen zivilisierte Ländern gleichmäßig angehört und durch Ermunterung und Schriften die klassische Bildung für die Gelehrten wie für den Unterricht überall hingetragen hat, Desiderius Erasmus (1467-1536). Joh. Reuchlin (1455-1522) ward der Mittelpunkt für die neuen Bestrebungen in Württemberg, [* 30] der erste Lehrer im Griechischen und im Hebräischen, um den sich in dem Kampf gegen die Kölner [* 31] Obskuranten alle erleuchteten deutschen Männer scharten.
Konrad Celtes (Pickel, 1459-1508) wanderte als fahrender Humanist von Ort zu Ort, auch nach Italien, und vereinigte die Freunde seiner Wissenschaft in verschiedenen sodalitates litterariae, z. B. in der Weichselgegend, an der Donau und vornehmlich am Mittel- und Oberrhein. Dort hatte Dringenberg, ein Zögling der Hieronymianer, die Schule in Schlettstadt [* 32] zur Blüte gebracht, und sein bester Schüler, J. ^[Jakob] Wimpheling (1450-1528), sorgte durch Unterricht und Lehrbücher für weite Kreise. [* 33] In Basel, [* 34] Straßburg, [* 35] Tübingen, [* 36] Heidelberg, [* 37] Ingolstadt, [* 38] Wien, [* 39] Erfurt finden sich Humanisten; Leipzig, [* 40] Rostock und Greifswald [* 41] waren noch in den Banden des Scholastizismus. Im Süden ersetzte man am fleißigsten die alten Lehrbücher durch neue, Württemberg allein hat eine ganze Reihe von Verfassern lateinischer Grammatiken aufzuweisen, im Norden [* 42] und Westen Cäsarius, Murmellius und die feurigen Apostel der neuen Lehre, [* 43] Herm. von dem Busche und Mosellanus (Schade).
Aber auch an wirklichen Philologen, wie Gelenius, Rhenanus, Grynäus, fehlte es nicht; andre waren Sammler und Bearbeiter zugleich, wie Konrad Peutinger und Apianus (Bienewitz). Seit der Reformation wurde der Einfluß der klassischen Philologie zunächst darin sichtbar, daß man dieselbe für die Theologie verwertete und im Dienste [* 44] der Kirche zahlreiche Schulen und Universitäten gründete. Freilich herrschte in diesen Schulen die zum Teil, besonders in Sachsen [* 45] und ¶