jährliche Zusammenkünfte deutscher Philologen und Schulmänner, hervorgegangen aus der
bei Gelegenheit des
Jubiläums der
GöttingerUniversität auf Anregung von
Rost und
Thiersch gegründeten »Philologischen
Gesellschaft«. Der
Verein setzte sich zum
Zweck, das
Studium der
Philologie in der Art zu fördern, daß es die
Sprachen und die
Sachen mit gleicher Genauigkeit und Gründlichkeit umfaßte, die
Methode des
Unterrichts mehr und mehr bildend und fruchtbar
zu machen, die
Wissenschaft aus dem Streite der
Schulen zu ziehen, endlich auch größere philologische
Unternehmungen zu unterstützen.
Später (1855) ward in
Hamburg
[* 6] der
Versuch mit einer archäologischen
Sektion gemacht, die aber erst von 1864 an einen festern
Bestand gewann; 1862 traten dann in
Augsburg
[* 7] die
Germanisten zum erstenmal hinzu, und 1863 vereinigten sich mit ihnen auch
die Vertreter der romanischen
Sprachen. In demselben Jahr begannen die mathematischen Schulmänner eine
besondere
Sektion zu bilden, und 1865 trat endlich noch eine kritisch-exegetische Abteilung hinzu. Mit dieser
Gliederung wurde
freilich zugleich eine nicht unbedenkliche Zersplitterung herbeigeführt. Bis 1887 wurden 39 Versammlungen abgehalten. Die
seit 1861 im
Verlag von B. G.
Teubner erscheinenden
»Verhandlungen« der allgemeinen
Sitzungen und der pädagogischen
Sektion enthalten die interessantesten
Vorträge und
Erörterungen; von den übrigen
Sektionen werden nur kurze
Protokolle mitgeteilt.
Ein Generalregister über die ersten 25 Versammlungen hat
H. E. Bindseil (Leipz. 1869) herausgegeben. Geschichtliches geben
Firnhaber in
Schmids
»Encyklopädie«, Bd. 4 (Gotha
[* 8] 1864), und
Eckstein in dem
Bericht über die Versammlung
in
Halle
[* 9] (1867). - Seit 1886 finden außerdem (in der
Regel alljährlich wiederkehrende) deutsche Neuphilologentage statt,
auf deren erstem (Okt. 1886 in
Hannover),
[* 10] zu welchem die Einladung von dem dortigen
Verein für neuere
Sprachen und verschiedenen
Universitätsprofessoren, besonders von
Stengel
[* 11] und Vietor in
Marburg,
[* 12] ausgegangen war, ein
»Verband
[* 13] der Neuphilologen
Deutschlands«
[* 14] begründet wurde.
Zweck des
Verbandes ist die
Pflege der germanischen wie der romanischen
Philologie und besonders
die
Förderung einer lebhaften
Wechselwirkung zwischen
Wissenschaft und
Praxis.
Indem das zeitgenössische
Wissen zurücktrat, wurde Philologie der Inbegriff aller an das griechische und römische
Altertum anknüpfenden
Studien. Als man aber seit dem Ende des 18. Jahrh. anfing, auch das Geistesleben andrer
Völker in den
Kreis
[* 17] wissenschaftlicher Betrachtung zu ziehen, trat, indem man auch diese Aufgabe der Philologie zuwies,
eine neue
Verschiebung des
Begriffs ein. Seitdem versteht man unter Philologie die
Wissenschaft vom Geistesleben jedes Kulturvolkes,
insofern dasselbe sich in
Sprache
[* 18] und Litteratur, im
Staats-,
Privat- und Religionsleben, endlich in der
Kunst offenbart.
Man spricht daher von indischer, ägyptischer, hebräischer, germanistischer, moderner Philologie etc.,
zum Teil allerdings den
Begriff der Philologie auf das
Sprach- und Litteraturstudium beschränkend. Zum Unterschied davon nennt man
die dem Geistesleben der griechischen und römischen
Nation zugewendete Philologie die klassische; doch bezeichnet man dieselbe auch
jetzt noch häufig genug als an und für sich. In der That bildet dieselbe eine
in sich abgeschlossene
Wissenschaft, die man auch klassische
Altertumskunde oder Altertumswissenschaft; Humanitätsstudium
(Humaniora) nennt,
und sie
allein ist es, der hier unsre
Darstellung gilt.
Die
Keime derselben finden sich bei den Griechen bereits in der voraristotelischen Zeit. Es begegnen uns dort
Erörterungen
über
Sprache und Litteratur, über
Staat und
Religion, über
Poesie,
Beredsamkeit und andre
Künste; selbst
die Anfänge der
Kritik zeigen sich in der Feststellung der Homerischen
Dichtungen unter
Solon und
Peisistratos sowie in der
Herstellung eines offiziellen
Textes von den Werken der drei großen Tragiker durch
Lykurgos (370). Die Besprechung ist freilich
noch eine nebensächliche und dilettantische, aber mit
Aristoteles wird sie zu einer bestimmten und berufsmäßigen
Thätigkeit.
Bald werden, besonders durch die
Fürsorge der
Ptolemäer in
Alexandria und der Attaliden in
Pergamon,
[* 19] die litterarischen
Schätze
in
Bibliotheken gesammelt und für die
Gelehrten in den
Museen eine Art von
Akademie begründet.
IhreArbeiten sind
teils bibliothekarischer Art, indem sie systematische
Kataloge (pinakes) anfertigen,
Klassifikationen (kanones) der Schriftsteller
nach den verschiedenen Gebieten aufstellen,
Auszüge und Inhaltsangabe zufügen, Zusammengehöriges, wie
Fabeln,
Sprichwörter
etc., in Sammlungen vereinigen; teils dienen
sie derWort- und Sacherklärung sowie der Textesherstellung, besonders der Homerischen
Gedichte, doch auch des Hesiod, derLyriker,
Dramatiker und einzelner
Prosaiker, teils beziehen sie sich
auf
Grammatik; auch das
Staats-,
Privat- und Religionsleben sowie die
Kunst finden Berücksichtigung, freilich mehr durch Herbeischaffung
des
Materials als durch systematische Verarbeitung.
der Aristarcheer wird sein Standpunkt noch über drei Jahrhunderte gewährt. Didymos (geb. 63 v. Chr.) sammelte mit eisernem
Fleiß (daher Chalkenteros, der Mann »mit den ehernen Eingeweiden«, genannt) ihr Wissen, dadurch eine unversiegbare Quelle
[* 22] für
die Schollen und lexikalischen Zusammenstellungen der spätern Byzantiner bildend; die Grammatik fand sogar durch Dionysios Thrax
(um 100 v. Chr.), besonders aber durch Apollonios Dyskolos (um 130 n. Chr.) und dessen Sohn Älios Herodianos (um 160) ihre systematische
Ausbildung. Doch beweist anderseits das unselbständige, wenn auch für uns wertvolle Anlegen lexikalischer Sammlungen,
namentlich von Attizismen und Barbarismen, wie es im 2. Jahrh. n. Chr. in den Vordergrund tritt (Harpokration,
Möris, Phrynichos, Pollux u. a.), das Absterben dieser Philologie, welches denn auch im folgenden Jahrhundert eintritt.
Unter den Römern zeigte sich philologische Thätigkeit gleich in den Anfängen ihrer Litteratur, indem die Muttersprache
von vornherein künstlicher Pflege bedurfte, nicht bloß bei den Schriftstellern, sondern bei den Gebildeten überhaupt, wie
bei den Scipionen, Gracchen u. a. Das Objekt dieser Thätigkeit wird durch den Zutritt des römischen
Altertums bedeutend erweitert; doch tritt im allgemeinen der theoretische Charakter derselben zurück. Die Philologie wird edukatorisch,
sie soll vor allem dem praktischen Leben dienen u. wird damit vorherrschend grammatisch-rhetorisch oder, aus allen Gebieten
das Nötigste auswählend, encyklopädisch.
Während des Mittelalters ist die Philologie als Wissenschaft so gut wie erloschen. Zwar wird im byzantinischen
Reich unter der makedonischen (867-1056), komnenischen (1057-1185) und paläologischen Dynastie (von 1261 an) die griechische Litteratur
begünstigt und als notwendige Vorbereitung für den öffentlichen Dienst betrieben; aber die großen Sammlungen von Auszügen
und Wörterbüchern (Photius, gest. 891, Konstantinos Kephalas, um 950,
Suidas, um 970, Zonaras, um 1070), grammatischen Arbeiten (Gregor vonKorinth,
[* 23] um 1150, Moschopulos, um 1270,ThomasMagister, um
1320), weitschichtigen kompilierten Kommentaren (Eustathius, Tzetzes, um 1190) bringen der Wissenschaft nicht den geringsten
Fortschritt.
Sodann haben die Araber auf dem Gebiet der Philosophie, Medizin, Naturwissenschaften, Mathematik, Astronomie,
[* 24] Geographie die Schriften der Griechen benutzt, aber nur nach Übersetzungen, so daß auch durch sie die Philologie
keine Bereicherung
erfahren hat. Im christlichen Westeuropa endlich bleibt zwar die lateinische Sprache im Dienste
[* 25] der Kirche und Höfe bestehen,
auch werden noch neben den Schriften der Kirchenväter und den Kompendien aus dem 5. und 6. Jahrh., auf
welchen der Unterricht in den sogen. freien Künsten beruht, einige wenige Erzeugnisse der klassischen lateinischen Litteratur
gelesen, doch die Wissenschaft war ausschließlich philosophisch-theologisch, und man muß es den Klöstern Dank wissen, daß
die Hauptwerke der lateinischen Litteratur uns überhaupt erhalten sind. Die wenigen Kenner des Griechischen
wurden als ein Wunder angestaunt.
Weil aber diese neue, von dem Christentum und der Kirche unabhängige, nur aus dem Altertum geschöpfte Anschauung der Lebensaufgaben
sich als die allgemein menschliche erkannte, gab sie sich den NamenHumanismus, und ihre Vertreter hießen
Humanisten. Allgemeiner noch ist bei den scholastischen Gegnern dieser neuen Bildung für ihre Vertreter der NamePoeten, weil
sie in der Ausübung lateinischer Poesie ihren Ruhm suchten und fanden. Petrarcas glanzvolle Dichterkrönung erfolgte nur als
Anerkennung seiner lateinischen Dichtungen. Es im Lateinisch-Reden und -Schreiben den Alten gleichzuthun,
galt als die höchste Aufgabe, der selbst die Diplomaten, welche damals noch nicht schrieben, sondern sprachen (oratores),
die Staatssekretär der Fürsten und Republiken, die apostolischen Schreiber der römischen Kurie zu genügen eifrigst bemüht
waren.
Die Beschäftigung mit der römischen Litteratur mußte die Aufmerksamkeit auf die griechische lenken.
Petrarca ermangelte dieser Kenntnis, bei Boccaccio war sie dürftig; aber zu den wenigen Griechen aus Unteritalien kamen bald
andre aus Griechenland
[* 26] selbst, oder strebsame Italiener (Guarino und Filelfo) holten von dort ihre Kenntnisse und außerdem
griechische Handschriften. Es ist herkömmlich, diese Pflege griechischer Litteratur mit der EroberungKonstantinopels
(1453) in Verbindung zu setzen, durch welche eine Anzahl griechische Gelehrten gezwungen wurde, in Italien eine Zuflucht zu
suchen und als Lehrer und Abschreiber zu wirken. Allein schon vorher hatten Griechen in Italien gelehrt, wie seit 1396 Chrysoloras,
Gemistos Plethon, Th. Gaza, und das Konzil von Ferrara
[* 27] (1438) hatte besonders Geistliche¶