zu lehren. Diese experimentierende Pharmakologie zieht namentlich auch neue
Stoffe in den
Kreis
[* 2] ihrer Forschung und zwar sehr häufig
weniger aus zunächst liegenden praktischen
Gründen als vielmehr in allgemeinerm wissenschaftlichen
Interesse.
Daher kommt
es hierbei darauf an, mit chemisch genau bestimmten reinen
Substanzen zu experimentieren, nicht mit gemengten
Körpern. Wie
notwendig es ist, nur durchaus reine
Stoffe zu wissenschaftlicher Untersuchung zu verwenden, ist leicht ersichtlich, wenn
z. B. etwa über die
Wirkung des
Opiums Rechenschaft abgelegt werden soll. Aus diesem lassen sich über ein
Dutzend verschiedener,
gut charakterisierter
Alkaloide darstellen, von denen jedes, einzeln geprüft, seine besondern
Wirkungen zeigt, die oft
von denen der andern sehr stark abweichen.
Bezeichnung für Werke, welche meist in alphabetischer
Folge die rohen Arzneistoffe
und, abgesehen von besondern ärztlichen
Verordnungen, auch gewisse Mischungen aufzählen, die in den
Apotheken vorrätig zu
halten oder anzufertigen sind, wozu noch einzelne für die pharmazeutische
Technik erforderliche, nicht eigentlich arzneiliche
Substanzen kommen.
In den meisten zivilisierte
Ländern werden die Pharmakopöen von den Staatsbehörden herausgegeben und mit
Gesetzeskraft ausgestattet, in den
Vereinigten Staaten
[* 3]
Nordamerikas und der
Schweiz
[* 4] von den Apothekervereinen.
Dieser Aufgabe muß um so mehr Sorgfalt gewidmet werden, als der Apotheker heutzutage die chemischen
Präparate ankauft, nicht
mehr selbst darstellt und doch für ihre
Güte verantwortlich ist.
Manche Mischungen, z. B.
Pflaster,
Salben,
Pulver, sogen. Theespezies, werden vorrätig gehalten, während es in der
Natur der
Sache liegt, daß umgekehrt gewisse andre
Arzneien durchaus nur im
Augenblick des
Bedarfs gemischt werden dürfen. Darüber geben die Pharmakopöen ebenfalls Vorschriften.
Sämtliche Bestimmungen sind möglichst kurz gefaßt, da die Pharmakopöen
Gesetzbücher, nicht Lehrbücher
sein sollen; die pharmazeutische Litteratur hat deshalb auch eigne erläuternde Werke,
Kommentare, zu den Pharmakopöen aufzuweisen.
Dem eigentlichen
Inhalt der Pharmakopöen pflegen auch wohl noch zur Bequemlichkeit des Apothekers praktische
Tabellen beigegeben
zu werden, z. B. über die Löslichkeit der inWasser,
Weingeist etc. auflöslichen
Substanzen, über das
spezifische Gewicht von
Weingeist und andern
Flüssigkeiten, deren
Gehalt zu erforschen ist, endlich auch die so sehr wichtigen
Angaben über die Gewichtsmengen, in welchen
Gifte nicht mehr verabreicht werden dürfen, sofern es nicht vom
Arzt ganz ausdrücklich
verlangt wird
(TabulaA der Pharmacopoea germanica).
Ebenso schreibt die Pharmakopöe vor, welche
Arzneimittel an abgeschlossenen
Orten (cautissime) aufzubewahren sind
(Tabula B:
arsenige Säure,
schwefelsaures
Atropin,
Quecksilberchlorid,
-Jodid,
-Cyanid,
-Jodür,
Quecksilberoxyd, weißes
Präzipitat,
Liquor Hydrargyri nitrici,
LiquorKali arsenicosi,
Phosphor, salicylsaures Psysostigmin, salpetersaures
Strychnin,
Veratrin), und diejenigen, welche von
den übrigen
Arzneimitteln getrennt (caute) aufzubewahren sind
(Tabula C). In frühern
Zeiten war es auch
üblich, im Anhang die
Preise der Arzneistoffe vorzuschreiben; im 17. und 18. Jahrh. hatte jeder deutsche
Staat seine besondere
Taxe und meist auch seine eigne Pharmakopöe. Über die heutigen bezüglichen
Anschauungen vgl.
Hirsch,
[* 5] Über die der Bearbeitung einer
Pharmakopöe zu
Grunde zu legenden Prinzipien (Berl. 1876). Die frühsten dem
Begriff einer Pharmakopöe ungefähr entsprechenden
Werke wurden im 9.-12. Jahrh. von den Arabern verfaßt, dann besonders in der Zeit von 1050 bis
in die Mitte des 15. Jahrh. von der medizinischen
Schule zu
Salerno.
Deutschland
[* 6] erhielt zuerst 1535 durch Cordus (s.
Pharmakognosie) auf Verlangen des
Rats zu
Nürnberg
[* 7] eine
Pharmakopöe, welcher 1564 diejenige von
Augsburg
[* 8] folgte. 1872 trat in
Deutschland an
Stelle der in den einzelnen
Bundesstaaten geltenden
Pharmakopöen die Pharmacopoea germanica (2. Aufl. 1882); die übrigen sind sehr vollzählig angeführt
in
Scherer, Literatura pharmacopoearum (Leipz. 1822); die
Taxen in
Flückiger,
Dokumente zur Geschichte der
Pharmazie
(Halle
[* 9] 1876). Die jetzt bestehenden Pharmakopöen sind folgende 19: Pharmacopoea Austriaca 1869,
Ph.
Belgica nova 1854,
British Pharmacopoeia 1867 und
Additions 1874,
Ph. Danica 1868, Farmacopea Española 1865,
Ph. Fennica
(Finnland) 1863, Pharmacopée
Française 1866,
Ph. Germanica 1882, Hellenikē Pharmacopoiīa
(Griechenland)
[* 10] 1868,
Ph. Helvetica 1872 und
Supplement 1876,
Ph. Hungarica 1871, Pharmacopoeia of
India 1868, Codigo farmaceutico Lusitano
(Portugal)
[* 11] 1858,
Ph. Neerlandica 1871,
Ph. Norvegica
1870,
Ph.
Romane
(Rumänien)
[* 12] 1862,
Ph. Russica 1871,
Ph. Suecica 1869, Pharmacopoeia of the
United States 1873.
(v. griech. phármakon, Arznei-,Heilmittel), die
Kunst der Anfertigung von
Heilmitteln, insbesondere
der Ausführung ärztlicher
Rezepte. Der deutsche Sprachgebrauch versteht unter Pharmazie nicht die
Apotheke, sondern ganz allgemein
die praktische und wissenschaftliche Thätigkeit des Apothekers; der letztere
Name bezeichnet den examinierten ausübenden
Apotheker, während sich der
Ausdruck Pharmazeut auch auf die angehenden Fachgenossen bezieht. Bei den
Franzosen und auch in
Nordamerika hingegen bedeutet Pharmazie (pharmacy) nicht nur die
Summe der zur
Führung einer
Apotheke erforderlichen
Kenntnisse und Fertigkeiten, sondern auch die
Apotheke selbst, und Pharmacien heißt in
Frankreich,
¶
mehr
Pharmacist in Amerika
[* 20] der ausübende Apotheker. Die Pharmazie als gleichzeitig praktisches und wissenschaftliches Fach, an dessen
gewissenhafter und regelrechter Ausübung die Gesellschaft das höchste Interesse hat, setzt einen entsprechenden Bildungsgang
des Pharmazeuten voraus, welcher in den meisten Kulturstaaten gesetzlich vorgeschrieben ist und durch ein öffentliches Examen
nachgewiesen werden muß. Derselbe beginnt mit einer praktischen Lehrzeit, begreift eine angemessene
Dienstzeit in Apotheken und wird mit theoretischen Studien und praktischen Übungen an Universitäten, polytechnischen Schulen
oder auch an besondern Fachschulen beendigt; in Deutschland gibt es keine eignen abschließenden Lehranstalten für Pharmazie in dem
Sinn wie z. B. in Paris,
[* 21] Montpellier
[* 22] und Nancy.
[* 23]
Die für das Studium der Pharmazie gültigen Vorschriften des DeutschenReichs (vom verlangen im wesentlichen
folgendes: die Befähigung zum einjährigen Militärdienst, mit Inbegriff des Latein;
Das in mehrere Stationen zerfallende Staatsexamen dokumentiert
nur die Befähigung zur Führung einer Apotheke, verleiht aber noch nicht das Recht dazu. Hat der Apotheker eine Apotheke gekauft,
durch Konzession erhalten, in Pachtung oder Administration genommen, so bleibt er der Oberaufsicht des
Staats, der Apothekerordnung, den Bestimmungen der Medizinalverwaltung und der Taxe unterworfen. Im Besitz der nötigen Fachkenntnisse,
war der Apotheker ein hervorragender Vertreter der Naturwissenschaft zu einer Zeit, als dieselbe noch wenig verbreitet war.
Tüchtige Pharmazeuten, besonders in Deutschland und Frankreich, haben sich bis in die neuere Zeit in nicht
unerheblicher Zahl zu ausgezeichneten theoretischen oder praktischen Chemikern und Botanikern aufgeschwungen. Bei der gewaltigen
Entwickelung der Naturwissenschaft in neuester Zeit mußte in dieser Hinsicht die Bedeutung der Pharmazie als einer Art Vorschule
der Naturwissenschaft notwendig in den Hintergrund treten. Umgekehrt hat seither z. B. die Pharmakognosie
von seiten der Botanik, die pharmazeutische Chemie von der modernen Chemie die mächtigsten Anregungen empfangen. Von durchgreifendstem
Einfluß auf die Pharmazie als Fach ist die Stellung der Apotheke (s. d.) im Leben. In Deutschland namentlich war diese in früherer
Zeit geradezu eine privilegierte, während die Gegenwart mehr dazu neigt, sie des besondern staatlichen
Schutzes zu entkleiden. (Vgl. Böttger, Die deutsche Apothekenreformbewegung der letzten Jahrzehnte, Bunzl. 1876) Sind schon
diese Umstände nicht zu besonderer Hebung
[* 27] des Apothekerstandes angethan, so wird die Pharmazie nicht weniger beeinflußt durch die
Entwickelung der Medizin, welche heute so vielfach ihre Ziele mit ganz andern Mitteln zu erreichen weiß
als solchen, welche die Pharmazie liefert. Aus derartigen Gründen, und weil es den examinierten Pharmazeuten sehr schwer fällt,
eine selbständige Stellung zu erlangen, ist wenigstens in Deutschland der Zugang zu dem Fach der Pharmazie nicht in Zunahme begriffen.
Die Pharmazie hat eine nicht unbedeutende Litteratur aufzuweisen, welche der Natur der Sache nach weniger in zusammenfassenden
Lehrbüchern und Handbüchern besteht als in Zeitschriften und Jahresberichten. In ersterer Richtung
(s. auch Pharmakognosie)
sind hervorzuheben: Henkel, Städel und Jäger, Elemente der Pharmazie (Leipz. 1870-74, 3 Tle.);