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römische Grammatiker Festus: quia rhedam vehit; rheda ist der gallische Ausdruck für Wagen, dessen Name sich im Sanskrit als rhata, im Litauischen als rhatas (Rad) wiederfindet. Aus veredus wurde dann verdus und schließlich Verd oder Pferd. [* 2] Das männliche Tier heißt Hengst, das weibliche Stute, das entmannte, seiner Zeugungsorgane durch einen operativen Eingriff beraubte männliche Tier aber Wallach.
Oesterreich ob der Enn

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Österreich.Pferdezucht. Krankheiten des Pferdes.
Die Pferdezucht umfaßt die auf bestimmte Ziele gerichtete Erzeugung und Aufzucht des Pferdes. Man betreibt sie in großem Umfang, indem man eine Anzahl von Hengsten u. Stuten zum Zweck der Fortpflanzung an einem Ort zusammenhält (Gestüt, Stuterei), oder man betreibt sie nur mittels weniger und einzelner Pferde, [* 3] welche man auch zu andern Zwecken verwendet, als sogen. Hauszucht. Die Gestüte sind Privat- oder Staatsgestüte. In Preußen [* 4] heißen die Staatszuchtgestüte Hauptgestüte (Trakehnen, Graditz, Beberbeck), Österreich [* 5] früher Militärgestüte, jetzt ebenfalls Staatsgestüte.
Nach der Art der Haltung der Pferde, ob sie in natürlicher Ungebundenheit und Freiheit oder in durch die Kultur begrenzter Abhängigkeit leben, unterscheidet man wilde, halbwilde und zahme Gestüte, und nur letztere eignen sich zur Erziehung von Kulturrassen. Nach der Produktion in den Gestüten nennt man sie Vollblutgestüte, edle, halbedle oder gemeine Gestüte. Der Geschlechtstrieb der Stuten äußert sich gewöhnlich im Frühjahr am lebhaftesten (Rosse, Rossigsein).
Den Akt der Paarung selbst, das Beschälen (weshalb auch der zur Zucht benutzte Hengst Beschäler genannt wird), läßt man in wilden Gestüten in der Freiheit vollziehen, in unsern kultivierten Gestüten und in der Hauszucht aus der Hand, [* 6] d. h. in der Weise, daß man beide zu paarende Tiere mit der Hand leitet. Die Stute trägt elf Monate. Die Geburt des Füllens kündigt sich durch das Eintreten der Milch in das Euter und durch Einfallen der Kruppenmuskeln an. Das neugeborne Füllen kann gewöhnlich nach kurzer Zeit schon auf den Beinen stehen und sich das Euter suchen, welches junge Stuten allerdings zuweilen infolge von Kitzel verweigern, weshalb sie zur Erfüllung ihrer Mutterpflichten gezwungen werden müssen.
Europa. Fluß- und Gebi

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Europa.Nach 3-5 Monaten werden die Füllen von der Mutter entwöhnt (»abgesetzt«). Gutes, hinreichendes, nahrhaftes und verdauliches Futter ist besonders im ersten Lebensjahr zu reichen; außerdem sind luftige, helle, gut ventilierte Ställe sowie viel Bewegung im Freien notwendige Vorbedingungen für die Erziehung kräftiger Pferde. Man füttert das Pferd in Europa [* 7] hauptsächlich mit Hafer, [* 8] welchem man nach Bedürfnis und Preis Roggen, Weizen, Gerste, [* 9] Mais, Bohnen, Lupinen entweder ohne weitere Zubereitung oder gequellt, gekocht, gequetscht und gemahlen zusetzt, während im Orient ausschließlich Gerste gereicht wird. Außer den Körnern ist die Verabreichung von Heu oder Stroh notwendiges Bedürfnis für die Ernährung. Das zu reichende Quantum an Nahrung richtet sich nach der Rasse und dem Körperumfang der Pferde und nach der Schwere der auferlegten Arbeit.
Der Beginn der Dressur fällt, je nach der Art des später zu leistenden Dienstes, in verschiedene Lebensperioden: Rennpferde z. B., welche zweijährig oder höchstens doch dreijährig auf der öffentlichen Rennbahn auftreten müssen, werden schon mit 1½ Jahren angeritten (in »Training« genommen). Auch die schweren und kaltblütigen Arbeitsschläge, die verhältnismäßig bei reichlicher Ernährung früh reif sind, werden im zweiten oder dritten Lebensjahr spätestens in Gebrauch genommen; gewöhnlich aber und auch zweckmäßig schiebt man den Gebrauch der jungen Pferde bis zu erlangter körperlicher Ausbildung, bis zum vierten Lebensjahr, hinaus.
Die Anlernung für den Reit- und Wagendienst ist je nach der Art der Erziehung und je nach dem Temperament der Pferde mit größern oder geringern Schwierigkeiten verbunden; im allgemeinen ist das Pferd äußerst gelehrig, besonders das orientalische, das dieser Eigenschaft wegen auch mit Vorliebe für die Schaustellungen im Zirkus abgerichtet wird. Durch Kreuzung von Eselhengst und Pferdestute entsteht das Maultier (Equus mulus), umgekehrt von Pferdehengst und Eselstute der Maulesel (E. hinnus). Beide Kreuzungsprodukte sind unter sich unfruchtbar, während sie durch Anpaarung an die Stammeltern ausnahmsweise befruchtet werden können. Auch die übrigen Varietäten können unter sich oder mit Pferd und Esel erfolgreiche Verbindungen eingehen.
Das Pferd ist einer sehr großen Zahl von Krankheiten unterworfen. Von den allgemeinen Krankheiten sind die wichtigsten: Rotz, Milzbrand, Influenza (Pferdestaupe, Scalma u. Brustseuche), Druse, Beschälseuche, Blutfleckenkrankheit (Faulfieber oder Pferdetyphus), Kreuzrhehe (Windrhehe oder schwarze Harnwinde), Raude, Gehirnentzündung, Starrkrampf, Rachenbräune, Lungenentzündung, Dämpfigkeit, Kolik, Harnruhr (Lauterstall und Hufrhehe). Außerdem entstehen bei Pferden sehr oft gefährliche Wundinfektionskrankheiten, innere Augenentzündungen mit Erblindung und zahlreiche Lokalkrankheiten der Gliedmaßen (Lahmheiten).
Knochen

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Knochen.Kulturgeschichtliches.
Das Pferd muß als das älteste Haustier betrachtet werden, insofern man seine Überreste am frühsten mit denen des Menschen vereint findet. In den quaternären Ablagerungen sind neben denen des Renntiers die Knochen [* 10] des Pferdes am stärksten vertreten, welches hier aber als Jagdtier erscheint. Der Fang wilder Pferde war ein Lieblingsthema der Heldenlieder nordischer Völker. Der Genuß dieses Wildbrets war wenigstens in Deutschland [* 11] (auch im alten Persien) [* 12] allgemein verbreitet und ist erst im Mittelalter durch die Kirche als Überrest heidnischer Gewohnheit unterdrückt worden (vgl. Fleisch, S. 362 f.). Noch im 16. Jahrh. wird von wilden Pferden in Preußen und den Vogesen berichtet.
Wie erwähnt, war das Wildpferd der Quaternärzeit ein kleines, gedrungenes Tier mit rauhem Haar [* 13] und gesträubter Mähne. Dieselben Kennzeichen finden sich auch bei den Wildpferden, welche noch gegenwärtig in Europa leben, so bei denen von Camargue, einer Insel in der Rhônemündung, bei denen von Davert, einem großen Wald in Westfalen, [* 14] ferner bei den Wildpferden der Vogesen, den sogen. Mooskatzen des bayrischen Hochlandes, endlich bei den Tarpans in den Steppen Südrußlands am untern Lauf des Dnjepr. Zu Anfang der Pfahlbauzeit scheinen die Wildpferde großenteils verschwunden gewesen zu sein; man findet wenigstens in den ältesten Pfahlbauresten nur selten Pferdeknochen, während sie in den spätern Pfahlbauten [* 15] der Bronzezeit zahlreich sind und, wie die aufgefundenen Gebißteile von Pferdezügeln beweisen, von domestizierten kleinen Pferden herstammen. Es unterliegt also keinem Zweifel, daß das europäische Wildpferd erst gejagt, dann gezähmt und schließlich frühzeitig durch ein großes Pferd verdrängt worden ist.
Pferde (Kulturgeschich

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Seite 12.950.In Ägypten [* 16] tritt das Pferd erst mit der 18. ¶
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Dynastie der Pharaonen auf den Schauplatz und zwar nur vor den Kriegswagen gespannt, als Zug-, nicht als Reittier. Obgleich nun die Möglichkeit nicht abgewiesen werden kann, daß Afrika [* 18] eingeborne Pferderassen, z. B. diejenige von Dongola, besessen habe, so sprechen doch mancherlei Anzeichen dafür, daß die Pharaonen ihre Rosse ursprünglich aus Vorderasien bezogen haben. Allmählich scheint sich dann das Pferd in Ägypten neben den kriegerischen auch zu allen häuslichen Zwecken eingebürgert zu haben, zu welchen es jetzt daselbst benutzt wird, und zur Zeit der spätern, auf die Rhamessiden folgenden Dynastien muß der Pferdereichtum des Nilthals bereits ein hervorragender gewesen sein.
In den Saharagebieten hat man anfänglich das Rind [* 19] als Zug- und Reittier benutzt, und erst später sind Pferd und Kamel, wohl ebenfalls aus Asien [* 20] her, hinzugekommen und haben das Hornvieh wieder verdrängt. Bereits zur Karthagerzeit gedieh hier die Zucht des edlen Berberpferdes außerordentlich. Die numidischen und mauretanischen Reiter waren schon durch viele Jahrhunderte berühmt, lange ehe noch die ersten islamitischen Heerführer und Glaubensboten ihre Rosse in den brackigen Wassern der Schotts tränkten.
Baukunst II

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Baukunst II.In Asien scheint die Pferdezucht [* 21] ebenfalls alt zu sein. Die frühsten indischen Götter- und Heldensagen sowie das Zendavesta erwähnen häufig das Pferd, besonders seine Verwendung zu Kriegs- und Opferzwecken. Bei den Persern spielte das Pferd eine wichtige Rolle; es erscheint auf den Ruinenskulpturen von Persepolis (s. Tafel »Baukunst [* 22] II«, [* 23] Fig. 7 u. 8), wie denn auch die Poststraßen, Posthäuser und Relaiseinrichtungen der alten iranischen Herrscher von den klassischen Schriftstellern gelobt wurden.
Skythen und Parther machten sich als Reitervölker furchtbar, wie noch jetzt die Turkmenen, Kirgisen etc. In den Hügelgräbern Ost- und Zentralasien [* 24] findet man viele Pferdegeschirre und Pferdeteile darstellende, stilvolle Metallarbeiten. Sehr alt und erfolgreich war die Pferdezucht in Ninive und Babylon. Auf den Ruinen findet sich das Pferd häufig im Reliefbild reich u. geschmackvoll aufgeschirrt vor den Kriegswagen gespannt oder als Reitpferd (s. Tafel »Bildhauerkunst [* 25] I«, [* 17] Fig. 6 u. 11). Pferdeköpfe schmückten vielfach die Säulenkapitäler in den assyrischen Königspalästen. Es wird hier überall eine stattliche Rasse mit breitem Kopf, geradem, seltener leicht konvexem Profil, kurzem, vollem Hals, vollen Schultern, ziemlich geradem Rücken, nicht hoher Brust, starkem Leibe, breiten Lenden, starken Fesseln und mit sehr reichlicher Behaarung am Nacken u. Schwanz dargestellt.
China und Japan

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China.Dieselbe Rasse ist noch heute über Anatolien, Mesopotamien, Syrien und Armenien verbreitet und in Ägypten als Kavalleriepferd beliebt. Die Juden und Phöniker scheinen selbst nur wenig einheimische Pferdezucht betrieben und ihren Bedarf hauptsächlich aus Ägypten bezogen zu haben. In China [* 26] ritten die Mandarinen schon 2155 v. Chr., und die Erfindung der Reitkunst wird dem mythischen Kaiser Schinnung zugeschrieben, während man auf dessen Nachfolger Hoangti die Erfindung der Wagen und die Abrichtung der Pferde zum Ziehen zurückführt. Nach der arabischen Sage ist das Pferd ausschließlich zum Reiten erschaffen und von Allah dem ersten Menschen zu diesem Zweck übergeben worden. Arabiens Pferdezucht scheint aber im Altertum nicht bedeutend gewesen zu sein, indem hier das einhöckerige Kamel hauptsächlich Reittier war. Erst allmählich hat sich hier die Heranbildung jenes edlen Geschöpfs vollzogen, welches wir jetzt bewundern.
Den Griechen spendete Poseidon [* 27] im Wettstreit mit der Athene [* 28] das Roß. Ursprünglich ist hier nicht ein wirkliches Pferd, sondern ein frischer Springquell gemeint, der aus dem mit dem Stab [* 29] geschlagenen Felsen hervorbricht; aber frühzeitig gingen den Griechen beide Vorstellungen ineinander auf, und so identifizierten sie auch mit dem Roß das Meerschiff und schufen in den mythisch-künstlerischen Gestalten der Hippokampen Fisch und Roß zu einer einzigen Gestalt.
Bildhauerkunst II

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Bildhauerkunst II.Der Pegasos war ein Sinnbild der Donnerwolke und ruft durch seinen Hufschlag die Quelle [* 30] Hippokrene hervor. So wurde das Pferd aufs engste mit dem irdischen Wasser in Verbindung gebracht, und auch die Kentauren waren Quellendämonen. Galt ursprünglich Poseidon als Erfinder der Reitkunst, so trat später für ihn Bellerophontes ein, und diesem gab Athene die Idee des Zaums ein, während Erechtheus das Rossegespann erfand. Die alten Griechen bedienten sich eines Pferdes, welches durch seine in Bildwerken erhaltene Form (s. Tafel »Bildhauerkunst II«, [* 31] Fig. 3) sehr an eine gewisse noch heute in den untern Donauländern, in Epirus u. Hellas vorkommende, sehr derbe Rasse erinnert.
Wenn nun auch vor Ilion der Kriegswagen die Hauptrolle spielte, so war doch schon bei den Homerischen Griechen das Reiten nicht unbekannt. Später wurde die Reitkunst allgemeiner. Xenophon schrieb eine Abhandlung über Pferdezucht, in welcher man auch über viele auf die Kenntnis, Pflege und Dressur der Pferde bezügliche Punkte Aufschluß erhält. Die Römer [* 32] bildeten die Reiterei weiter aus. Sie brachten Beutepferde aus allen Teilen der Welt zusammen und gaben viel auf die Dressur dieses Haustiers.
Die in der Kaiserzeit gepflegte Zirkusreiterei wurde in Byzanz auf hohe Stufe gebracht und verbreitete sich mit dem Fall von Konstantinopel [* 33] nach dem übrigen Europa. Bemerkenswert ist, daß im ganzen Altertum der Sattel nicht gebräuchlich war. Lange Zeit wurde auf nackten Pferden geritten, erst später bedeckte man den Rücken derselben mit Fellen oder Decken, die durch Gurte, dann durch Vorder- und Hinterzeug festgehalten, und an denen später die Steigbügel befestigt wurden.
Blutbewegung (chemisch

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Blüte.Erst um Mitte des 4. Jahrh. n. Chr. scheint der Reitsattel in Anwendung gekommen zu sein; jedenfalls haben Griechen und Römer die Reitkunst ohne Sattel zu hoher Blüte [* 34] gebracht. In der germanischen Mythologie erscheinen die Götter fast alle beritten, und bei der Personifikation der Naturgewalten spielen die Rosse eine hervorragende Rolle. Roßhäupter, als Hausschmuck auf den Giebeln aus Holz [* 35] geschnitzt, finden sich von der Nord- und Ostsee bis zu den Alpen, [* 36] von der Maas bis zur Wolga, bei weitem am häufigsten aber auf sächsischem Boden.
Als Sinnbild der alles sehenden, überall hindringenden Sonne [* 37] kam dem Roß auch die Kraft [* 38] zu, ins Verborgene und Zukünftige zu schauen und allsehend zu richten. Die alten Germanen waren wie auch die Gallier furchtlose Reiter, und man darf annehmen, daß sie, wie oben ausgeführt, ursprünglich das heimische Wildpferd gezähmt haben. Spaniens Reichtum an sehr guten Pferden wird schon von den Alten gerühmt. Später haben die Mauren arabische Rosse nach der Pyrenäischen Halbinsel mit hinübergenommen. Der Einfluß einer Kreuzung spanischer Pferde mit Berberpferden edlern Schlags läßt sich an dem vielbewunderten andalusischen Roß nachweisen, welches zur Zeit Ludwigs XIV. und des Großen Kurfürsten das Paraderoß der vornehmen Krieger bildete.
Im Mittelalter wurde die Pferdezucht in Europa zwar nicht vernachlässigt, aber doch allem Anschein nach ganz einseitig betrieben. Man legte sich hier meist ¶