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auch unter den dortigen spanischen Offizieren zwei Parteien bildeten. Die eine verwarf jeden Vergleich mit den Patrioten, die andre riet im Geiste der spanischen Cortes zu Unterhandlungen und war bereit, den Amerikanern das Recht selbständiger innerer Verwaltung zu gewähren. Infolge davon brach zwischen dem Vizekönig Laserna und General Olañeta ein offener Kampf aus. Die Kunde hiervon bewog Bolivar, der am vom peruanischen Kongreß zum Diktator ernannt worden war, an der Spitze von wohl disziplinierten 11,000 Mann zu einem Einfall in Peru. [* 2] Er schlug die Spanier 6. Aug. bei Junin auf der Hochebene der Andes und 9. Dez. in der Ebene von Ayacucho.
Der Vizekönig fiel verwundet in Gefangenschaft, und Canterac kapitulierte mit dem Reste des Heers. Nur Callao blieb bis im Besitz der Spanier. erfolgte die Unabhängigkeitserklärung Oberperus, dessen Provinzen Charcas, La Paz, Cochabamba, Potosi und Santa Cruz sich unter dem Namen Bolivia [* 3] zu einer besondern Republik vereinigten. Bolivar strebte danach, Peru wie Bolivia mit Kolumbien zu einem Staat zu vereinigen, und oktroyierte Peru wie schon früher Bolivia eine antidemokratische Konstitution. Doch empörte sich Peru dagegen, wählte Lamar an Stelle Bolivars zum Präsidenten und begann 1829 mit einem Einfall in Ecuador den Krieg gegen den Befreier, welcher nach dessen Tod mit der Sicherung der Selbständigkeit Perus endete.
Seit der Befreiung bietet die Geschichte Perus bis in die neueste Zeit das Bild einer immer steigenden Anarchie, unzähliger Erhebungen ehrgeiziger Offiziere, schnell beendeter und im ganzen nicht sehr blutiger, aber in allen Provinzen und jährlich wiederholter Bürgerkriege, moralischer Verwilderung, Verarmung und Entvölkerung, wie sie, mit Ausnahme von Bolivia, keiner der Freistaaten Südamerikas erlebt hat. Lamar war 1829 durch Gamarra, dieser 1833 durch General Orbegoso gestürzt worden, gegen welchen aber schon 1835 eine Revolution unter Salaverry ausbrach.
Orbegoso rief die Hilfe Bolivias an, dessen Präsident Santa Cruz Salaverry im Februar 1836 besiegte und erschießen ließ. Als er aber darauf Peru mit Bolivia zu einer Confederacion Bolivio-Peruana vereinigen und in ihr eine monarchische Gewalt ausüben wollte, ja nach der Kaiserkrone strebte, erklärten ihm Chile und Argentinien 1837 den Krieg, in welchem Santa Cruz 1839 völlig geschlagen und Gamarra wieder als Präsident von Peru eingesetzt wurde. Im August 1842 trat General Vidal mit dem Titel eines provisorischen Präsidenten an die Spitze der Verwaltung von Peru. Er unterdrückte durch die Schlacht bei Pasco die Empörung des Generals Torrico, konnte sich aber gegen die Föderalisten nicht länger halten und legte nebst seinem Vizepräsidenten La Fuente die Präsidentschaft nieder, um sich nach Chile zurückzugehen. Don Justo Figuerola, der bisherige Vizepräsident des Staatsrats, folgte ihm als provisorische Präsident; aber schon 18. März sprengte das Haupt der Zentralisten, Oberst Ortiz, den Staatsrat und ließ Don Manuel Ignacio Vivanco zum Directore supremo ausrufen.
Die erste Periode der Ruhe, die der Freistaat Peru seit seinem Bestehen erfuhr, war die Zeit der Präsidentschaft des Generals Don Ramon Castilla, eines Mestizen, welcher, nachdem er Vivanco, der nach der Diktatur gestrebt, gestürzt hatte, das Ruder in die Hand [* 4] nahm. Regulierung des Finanzwesens, bessere Organisierung der Armee, Vermehrung der Marine, Anlage einer Eisenbahn zwischen Lima [* 5] und dem Hafen von Callao, Förderung der Industrie und Eröffnung neuer Hilfsquellen waren die Hauptresultate seiner Regierung, welche ablief.
Zum erstenmal seit dem Bestehen der Republik ging die ausübende Gewalt an den gesetzlich gewählten Nachfolgenden General Don José Rufino Echénique, über. Dieser behauptete 1852 die guanoreichen Lobosinseln gegen die Ansprüche der nordamerikanischen Union und schloß mit Brasilien [* 6] einen Handels- und Freundschaftsvertrag. Aber die von ihm befohlene Herabsetzung des Zinsfußes der Nationalschuld veranlaßte 1853 große Mißstimmung, und obwohl der Kongreß von 1853 jene billigte und den Präsidenten mit außerordentlicher Gewalt bekleidete, ward die Ruhe doch durch einen Einfall des Generals Belzú an der Spitze der bolivianischen Truppen ins Gebiet von Peru sowie durch Aufstände in Tumbos und Ica unterbrochen. Am erklärte sich auch General Castilla für die Bewegung. Um sich zu stärken, versprach Echénique allen Sklaven, die in sein Heer eintreten würden, die Freiheit, wurde aber von Castilla überboten, welcher die völlige Emanzipation der Sklaven und die Aufhebung der Kopfsteuer der Indianer verkündigte.
Nach verschiedenen Wechselfällen schlug endlich Castilla an der Palma vor Lima die Regierungstruppen, und die 1855 berufene Nationalversammlung bestätigte Castilla in seiner Macht. Am ward eine neue Verfassung als Grundgesetz veröffentlicht. Dieselbe suchte die Macht der Zentralregierung gegenüber den partikularistischen Tendenzen zu stärken, beschränkte aber auch mehrfach die Rechte der katholischen Kirche und fand daher Widerspruch bei der Geistlichkeit, die im Bund mit ehrgeizigen Offizieren wiederholt Aufstände erregte. Um zu festen Zuständen zu gelangen, ordnete Castilla für den August 1858 die Wahl eines Präsidenten und eines Kongresses an. Erstere Wahl fiel auf ihn selbst. Ein Militäraufstand und eine Landung Echéniques in Callao vermochten ihn nicht zu stürzen. Am proklamierte er eine neue Verfassung, durch die allgemeines Stimmrecht und das Verbot jedes andern Kultus als des römisch-katholischen eingeführt ward. Sein Nachfolger wurde 1862 San Ramon, der aber bald darauf starb. Ihm folgte der zweite Vizepräsident, General Pezet.
1864 drohte eine Verwickelung mit Spanien [* 7] zum Krieg zu führen. Die peruanische Regierung hatte nämlich die von seiten Spaniens wegen gewaltthätiger Angriffe auf baskische Kolonisten in Talambo erhobenen Beschwerden und die Erneuerung alter Schuldforderungen unbeachtet gelassen. Infolge davon hatte ein zu Pisco befindliches spanisches Geschwader unter dem Konteradmiral Pinzon Besitz von den Chinchainseln ergriffen, um dieselben als Pfand zu behalten. Da weder Spanien noch Pezet einen wirklichen Krieg wollten, kam ein Friedenstraktat zu stande, worin Peru die spanische Schuldforderung anerkannte, dagegen die Chinchainseln zurückerhielt. Indes diese Lösung befriedigte das künstlich gesteigert Nationalgefühl nicht. Der Präfekt von Arequipa, Oberst Mariano Prado, erklärte sich gegen Pezet, eroberte den ganzen Süden und rückte in Lima ein, worauf er 26. Nov. zum Diktator ausgerufen wurde. Nunmehr trat Peru gegen Spanien energisch auf. Am 5. Dez. schloß es mit Chile zu Lima einen Allianzvertrag, dem im Januar 1866 Ecuador, Ende ¶
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Februar auch Bolivia beitrat. Am erfolgte sodann die förmliche Kriegserklärung der Verbündeten an Spanien. Der erste Angriff der spanischen Flotte im März richtete sich auf das in der Bai von Ancud in Chiloe ankernde peruanisch-chilenische Geschwader; derselbe blieb erfolglos. Nach dem Bombardement Valparaisos erschienen die Spanier vor Callao, welches eine heftige Beschießung auszuhalten hatte. Callao litt jedoch weniger dabei als die spanischen Schiffe, [* 9] welche stark beschädigt wurden und daher 10. Mai abzogen, während die Peruaner den 2. Mai (Dos de Mayo) als einen großen Sieg feierten. Damit war der Krieg thatsächlich zu Ende.
Prado hatte durch den glücklichen Ausgang des Kriegs so an Ansehen gewonnen, daß er eine Reform der Finanzen durchzuführen wagte, indem er den Ertrag der Guanoinseln zur Abtragung der auswärtigen Anleihen verwenden und die laufenden Kosten der Verwaltung durch eine Kopfsteuer aufbringen wollte. Auch beabsichtigte er, Religionsfreiheit und freien Unterricht einzuführen. Dies gab nun wieder den Anstoß zu aufständischen Bewegungen. Zwar wurde Prado nach Erlaß einer neuen Verfassung zum konstitutionellen Präsidenten erwählt; aber bereits im Oktober 1867 brach im Süden Perus, in Arequipa, dem alten Revolutionsnest, eine neue aufständische Bewegung aus.
Prado wurde im Januar 1868 geschlagen und floh, als auch in Lima 6. Febr. die Revolution ausbrach, nach Chile. Canseco übernahm darauf provisorisch die Regierung in Peru, bis Balta zum Präsidenten gewählt wurde. Der Bau von größern Eisenbahnlinien durch den Unternehmer Meiggs aus Chile wurde jetzt beschlossen, der Hafen von Callao erweitert, für welche Bauten in Europa [* 10] zwei Anleihen von 1000 Mill. Mk. unter Wucherzinsen abgeschlossen wurden, und durch einen Vertrag mit dem Pariser Haus Dreyfuß, welchem der Vertrieb des Guanos übertragen wurde, größere Geldmittel, allerdings unter Verpfändung der Haupteinnahmequelle des Staats, gewonnen. 1868 wurde Peru zwar von furchtbaren Naturereignissen heimgesucht: das gelbe Fieber brach aus, 13. Aug. zerstörte ein Erdbeben [* 11] Arequipa und eine Sturmflut zahlreiche Küstenplätze;
indes erholte sich das Land, der Ackerbau wurde durch chinesische Kulis befördert, und im Juli 1872 wurde eine nationale Ackerbau- und Gewerbeausstellung in Lima eröffnet.
Nachdem jedoch der liberale Zivilist Manuel Pardo zum Nachfolger in der Präsidentschaft gewählt worden war, empörten sich die drei Generale Gebrüder Gutierrez 22. Juli, warfen Balta ins Gefängnis und bemächtigten sich mit Hilfe einiger Bataillone der höchsten Gewalt. Indes ihre Militärherrschaft wurde durch einen Aufstand der erbitterten Bevölkerung [* 12] von Lima und Callao 26. Juli gestürzt und die Gutierrez, nachdem Balta auf ihren Befehl im Gefängnis ermordet worden, förmlich in Stücke gehauen. Pardo wurde nun Präsident, der erste Nichtmilitär, der dies Amt bekleidete. Er betrieb mit Energie liberale Reformen, reinigte das verkleinert Heer von allen zweideutigen Elementen, suchte die Finanzen zu ordnen und verbesserte das Unterrichtswesen. Da es an Metallgeld zu fehlen begann, ermächtigte Pardo die Banken zur Nichteinlösung ihrer Noten und Vermehrung derselben, was die Geldverhältnisse bedenklich erschütterte.
Im August 1876 folgte ihm Prado in der Präsidentschaft, der sich in einen Krieg mit Chile (s. d.) verwickeln ließ. Eifersüchtig auf die Konkurrenz, welche die chilenischen Salpeterwerke in Antofagasta den peruanischen in Tarapacá machten, reizte Prado den bolivianischen Präsidenten Daza dazu an, die chilenischen Werke mit einer Steuer zu belegen, und schloß mit Bolivia ein Schutz- und Trutzbündnis, worauf Chile an Bolivia und Peru den Krieg erklärte.
Die Last desselben fiel fast ganz auf die Schultern Perus, das allein eine Flotte und ein brauchbares Landheer hatte. Dennoch begrüßte das eitle Volk den Krieg im sichern Vertrauen auf glorreiche Erfolge mit größtem Enthusiasmus und bewilligte für die nötige Rüstung [* 13] alle von der Regierung geforderten Opfer an Geld und Menschen. Der Monitor Huascar unter Kapitän Grau errang anfangs einige Erfolge über die chilenischen Kriegsschiffe. Aber nachdem er 8. Okt. in die Hände der Feinde gefallen, ward von diesen die südperuanische Küste blockiert; die Chilenen landeten in Pisagua, schlugen das peruanische Landheer 19. Nov. bei Dolores (San Francisco) und nahmen Iquique.
Der unfähige Präsident Prado, der bisher selbst den Oberbefehl geführt hatte, flüchtete 18. Dez. nach Panama, [* 14] und nun bemächtigte sich der alte Verschwörer Pierola 23. Dez. als oberster Chef der Republik der Alleinherrschaft, die er durch strenge Maßregeln gegen die Presse, [* 15] Androhung von Todesstrafen an alle Gegner und durch Unterwerfung unter den Klerus zu befestigen suchte. Den Krieg gegen Chile wollte er bis aufs Messer [* 16] führen, hob alle waffenfähige Mannschaft aus und legte den besitzenden Einwohnern unerschwingliche Abgaben auf.
Die übertriebenen Forderungen, welche Chile als Bedingungen des Friedens stellte: Auslieferung der peruanischen Flotte und Abtretung der Provinz Tarapacá, machten eine Aussöhnung allerdings schwierig. Aber durch die Niederlage bei Tacna und den Fall von Arica (7. Juni) verloren die Peruaner ihre südlichen Provinzen, und im Januar 1881 wurde ihre letzte Armee durch die Schlachten [* 17] von Chorillos und Miraflores vernichtet und Lima von den Chilenen besetzt. Pierola floh, und es brach nun über eine völlige Anarchie herein, welche selbst einen Friedensschluß mit Chile längere Zeit unmöglich machte. Im März wurde zu Lima eine provisorische Regierung unter Garcia Calderon gebildet und im Juli ein Kongreß nach Chorillos berufen, der Calderon zum Präsidenten ernannte. Da derselbe aber, auf nordamerikanische Hilfe vertrauend, jede Landabtretung an Chile verweigerte, ward er im September vom chilenischen General Lynch abgesetzt und im November nach Chile abgeführt. Mehrere Generale, Montero, Iglesias und Caceres, stritten sich nun um die höchste Gewalt in Peru. Als 1883 Iglesias in Cajamarca das Übergewicht erhielt, knüpften die Chilenen mit ihm Verhandlungen an, die zum definitiven Frieden führten, in dem Peru die Provinzen Tarapacá für immer, Arica und Tacna auf zehn Jahre abtrat. Hierauf räumten die Chilenen Lima, wo Iglesias seinen Einzug hielt und eine Nationalversammlung zusammentrat, die den Friedensvertrag genehmigte. Caceres, der sich im südlichen Peru behauptet hatte, stürzte aber 1885 Iglesias und ward 1886 zum Präsidenten erwählt.
Vgl. Prescott, History of the conquest of Peru (deutsch, Leipz. 1848, 2 Bde.);
Tschudi und Rivero, Antiguedades Peruanas (Wien [* 18] 1851);
Desjardins, Le [* 19] Pérou avant la conquête espagnole (Par. 1858);
Wiener, Les institutions politiques, religieuses, économiques et sociales de l'empire des Incas (das. 1874);