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konnten sie sich des arabischen Einflusses nicht entschlagen, und Inhalt und Form ihrer Litteratur nahm eine mehr oder weniger arabische Färbung an. Theologie, Rechts und Staatswissenschaft wurden auch von den persischen Gelehrten in arabischer Sprache [* 2] behandelt (s. Arabische Litteratur). Das eigentliche Gebiet der persischen Litteratur bleibt daher die Poesie, für welche das Persische vermöge seiner Anmut sich vorzugsweise eignete, daneben die Geschichte; doch tritt die letztere erst mit der zweiten Hälfte des 13. Jahrh. in den Bereich der Litteraturgeschichte.
Schon vor der Herrschaft des Islam, unter der ruhmgekrönten Dynastie der Sassaniden, wird von der Sage der Fürst Behram-Gur als Erfinder der Verskunst und des Reims [* 3] bezeichnet (eine reizende Version dieser Sage s. in Rückerts »Östlichen Rosen«). Mohammed Aufi, der Verfasser des ältesten litterarhistorischen Werkes der Perser (im Anfang des 13. Jahrh.),
führt zwei persische Reimzeilen von diesem hochberühmten Herrscher an; Veranlassung dazu soll seine geliebte Sklavin Dilârâm (»Herzensruhe«) gegeben haben, welche die dichterische Anrede ihres Herrn und Geliebten mit gleichgemessenen und am Ausgang gleichtönenden Worten erwiderte. Nach ihm hatte Barsûje die Fabeln des Bidpai persisch bearbeitet und der Wesir Busurdschmihr das älteste persische Heldengedicht: »Wâmik und Asra«, gedichtet, welches später in vielfachen Bearbeitungen wiederholt wurde (nach einer türkischen des Lamii deutsch von Hammer, [* 4] Wien [* 5] 1833). Der Boden, in welchen der Islam und der arabische Geist bei Eroberung Persiens dann ihren Samen [* 6] streuten, war demnach kein unfruchtbarer.
Als sich darauf die durch die arabische Invasion aufgewühlten Elemente niedergeschlagen und geklärt hatten und Ordnung, Sicherheit und Ruhe hergestellt waren, begann unter dem Patronat ruhmliebender Fürsten alsbald die Glanzperiode neupersischen Geisteslebens. Die neupersische Poesie entwickelte sich zunächst seit der Staatsverwaltung der Samaniden (913) und ward von den Ghasnawiden (seit 975), Seldschukken (seit 1037) und spätern Geschlechtern gefördert, so daß vom 10. bis in das 14. Jahrh. die neupersische Dichtkunst in hoher Blüte [* 7] stand. Hammer-Purgstall hat sie in sieben Perioden geteilt und jede an einen bedeutenden Dichternamen geknüpft.
Im ersten Zeitraum (913-1106) tritt die reinste und schönste Blüte der persischen Heldendichtung zu Tage. Am Eingang desselben steht inmitten einer Reihe kleinerer Poeten, von denen allen nur einzelne Liedchen durch Aufi übermittelt sind (gesammelt und übersetzt von Ethé in den »Morgenländischen Forschungen«, Leipz. 1875), der große Dichter Rûdagî (gestorben um 950), von dessen der Sage nach in 100 Bänden gesammelten Gedichten aber nur Bruchstücke erhalten sind.
Etwa 50 seiner Lieder, zerstreut in den verschiedensten Handschriften, sind in Text und metrischer Übersetzung 1873 in den »Nachrichten« der Göttinger Gesellschaft von Ethé veröffentlicht worden, ebenso wie die Gedichte eines der Nachfolger Rûdagîs, mit Namen Kisâi, in den Sitzungsberichten der Münchener Akademie (1874). Dagegen ist uns in dem »Kâbûsnâme« von Keikâwus, dem Enkel des Kâbûs ben Waschmgîr, worin in 44 Kapiteln Moral und Lebensweisheit gepredigt wird, und das noch heute im Orient für den trefflichen Fürstenspiegel gilt (nach der türkischen Übersetzung ins Deutsche [* 8] übertragen von v. Diez, Berl. 1811), ein wichtiges Werk aus jenen Anfangszeiten der neupersischen Litteratur aufbewahrt geblieben.
Der eigentliche Aufschwung derselben datiert aber von der Regierung des Ghasnawiden Mahmûd (997-1030), der nicht nur zahlreiche Dichter und Gelehrte um sich versammelte und dem bedeutendsten die Ehrenstelle eines Dichterkönigs verlieh, welche von da ab stehende Hofcharge wurde, sondern der dichterischen Produktion auch zu einem größern innern Gehalt zu verhelfen wußte, indem er ihr eine nationale Grundlage gab und sie auf die reiche Fundgrube der alten Nationalsagen hinwies. Namentlich übertrug er die unter dem Titel: »Bustânnâme« existierende Sammlung historischer Traditionen des persischen Volkslebens mehreren seiner Hofdichter zur Bearbeitung. Den Preis trug Unsurî (gest. 1039) mit seiner Bearbeitung der Sage von Suhrâb davon; später erneuerte er auch das alte Gedicht von »Wâmik and Asra« und besang seinen Gebieter in einer Kasside von 180 Distichen.
Ein Schüler Unsurîs war Farruchi (s. d.). Das Größte in der nationalen Heldendichtung leisteten Dakîkî (s. d.) und Firdusi (s. d.). An das große Nationalepos des letztern, das »Schâhnâme«, lehnten sich nachher viele andre Dichtungen aus denselben Sagenkreisen an, so das »Garshâspnâme«, das »Dschahângirnâme«, »Barsûnâme« u. a., die in Mohls Einleitung zu seiner Ausgabe des »Schâhnâme« genauer besprochen sind. In diese erste Periode fallen auch noch die Vierzeilen des berühmten Scheichs Abû Saîd Abulchair und Nâsir Chusraus tiefsinnige didaktische Gedichte (zum Teil herausgegeben und übersetzt von Ethé in der »Zeitschr. der Deutschen Morgenländ. Gesellschaft«, Bd. 33, 34); ferner Menotschehri (gest. 1090; teilweise herausgegeben von Biberstein-Kazimirski, Versailles [* 9] 1876). Unter dem Seldschukken Melikschâh (1072-1092) lebte der Dichterfürst Emir Muizzî, in der Kasside ein Muster für viele spätere Nachahmer. - Mit dem 12. Jahrh. Beginnt die zweite Periode (1106-1203), in welcher das nationale Element schon mehr zurücktritt, um einerseits dem panegyrischen Hofton Platz zu machen, anderseits in romantischen Stoffen aufzugehen. In ersterer Weise, als höfischer Panegyriker, that sich vor allen hervor Anwarî (gest. 1190). Der beste unter den ältesten mystischen Dichtern war Sanâi (gest. 1130 oder später), der in seinem »Ziergarten« (»Hadîka«) die Geheimnisse des Wesens der Gottheit und der Menschheit zu durchdringen versuchte.
Den Gegensatz zu ihm bildete der Satiriker Omar Chajjâm (gest. 1123; hrsg. von Nicolas, Par. 1867). In Anwarîs Art dichtete auch der gelehrte Chakânî Hakâïkî (gest. 1186 oder 1199; hrsg. von Salemann, Petersb. 1875), der am Hof [* 10] des Fürsten von Schirwan, später am Hof Arslans lebte. Sein Zeitgenosse war Raschîd Watwât (gest. 1182), der Hauptgesetzgeber für die persische Metrik und Poetik. Der größte Glanz dieser Litteraturperiode ging aber aus von Nisâmî (s. d.). Seine Liebesgeschichten blenden nicht allein durch anmutige Phantastik, sondern spannen auch durch meisterhaft ersonnene und kunstvoll durchgeführte Verwickelungen und sprechen durch das rein menschliche Gefühl, das sich darin kundgibt, ebensosehr zu unserm Herzen wie zur Phantasie. - In der dritten Periode (1203-1300), welche historisch mit der Überschwemmung des Landes durch die Mongolen unter Dschengis-Chan zusammenfällt, wendet sich die poetische Thätigkeit mehr nach innen. Beschaulichkeit und theosophische Betrachtung herrschen vor, Mystik und Didaktik gelangen zur höchsten Blüte. Der Vorläufer der Hauptrepräsentanten dieser Richtung ist Ferîd eddin Attâr (s. d.), der nicht nur selbst eine Menge mystischer und ethischer Originalwerke schrieb, ¶
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sondern sich auch durch Sammlung bisher zerstreuter Schätze mystischer Weisheit verdient machte. Unter seinen eignen Werken übte das »Buch der Geheimnisse« (»Esrârnâme«) auf die Dichtung des größten mystischen Dichters der Perser bedeutenden Einfluß aus. Dieser war Dschelâl eddin Rumi (s. d.),
dessen Dichtungen durch den gesamten Orient der Mittelpunkt des mohammedanischen Pantheismus sind. Er predigt die Lehre [* 12] »des Ausflusses aller Dinge von dem ewig unerschaffenen Licht [* 13] und der Vereinigung mit der Gottheit auf dem Weg des beschaulichen Lebens durch Gleichgültigkeit gegen alle äußere Form und durch Vernichtung seines Ichs«. Unter den Mongolenfürsten sind es besonders Hulagû Chan und Ghâsân, welche Wissenschaft und Poesie schätzten und beförderten.
Doch sind die hierher gehörigen Namen weniger bedeutend für die Gesamtentwickelung der persischen Poesie. Als Hauptvertreter der didaktischen Poesie unter den Persern ist Scheich Moslich eddin Sa'adi (s. d.) zu nennen, dessen moralphilosophische Hauptdichtungen »Rosengarten« (»Gulistân«) und »Fruchtgarten« (»Bostân«),
sich durch liebliche Einfachheit der Erzählungen, denen Denksprüche in Prosa und Versen beigemischt sind, auszeichnen. Außerdem that er sich auch als lyrischer Dichter hervor. Zu dieser Periode sind noch zu rechnen: Amir Chosrau aus Dehli (1253-1325) als Nachfolger Nisâmîs in der romantischen Erzählung;
Scheb isterî (gest. 1320) als Nachfolger Dschelâl eddin Rumis, dem er jedoch in seinem »Rosenflor des Geheimnisses« (»Gülscheni râz«, pers. und deutsch von Hammer, 1838) nicht nahekommt;
Chodschu Kirmânî (1289-1345), Verfasser mehrerer mystisch gefärbter Epen;
der durch seine poetischen Fragmente oder Kit'as bekannte Ibn Jamîn (gest. 1344; deutsch von Schlechta-Wssehrd, 2. Aufl., Stuttg. 1879) u. a.
Der vierte Zeitraum (1300-1397) umfaßt die heitere Lyrik und bildet zugleich die Glanzperiode dieser Dichtungsart bei den Persern. Den Höhepunkt erreichte dieselbe in Schems eddin Hafis (s. d.), dem größten und berühmtesten aller Lyriker des Orients, dessen Gedichte zu den glänzendsten Erscheinungen der Weltlitteratur gehören. »Die gottvolle Trunkenheit eines mit der Weltseele sich innig eins wissenden Pantheisten wirft da funkelnde Liederperlen mit vollen Händen aus.« Von andern verdient aus diesem Zeitraum noch Wassâf, der Lobredner des Sultans Abû Saîd aus der Familie Dschengis-Chans, Erwähnung, ein schwieriger, an Allitterationen, Wortspielen, Allegorien und gelehrten Anspielungen reicher Dichter, ebenso die Lyriker Kemâl Chodschandî (gest. 1401), Maghribî (gest. 1406) und Kâsim Anwâr (gest. 1433). Mit Hâfis hatte die geistige Produktionskraft der Perser ihren Gipfel erreicht. - Der fünfte Zeitraum (1397-1494) ist als die Periode des Stillstandes zu bezeichnen. Er wird begrenzt durch Mewlana Dschami (s. d.), den letzten Dichter erster Größe, der das, was nach dem Vorgang der großen Epiker, Mystiker und Lyriker noch zu thun übrigblieb, in hoher Vollendung in sich darstellte, dabei jedoch mehr Korrektheit, Glätte des Stils und mehr nachahmendes Talent als selbstschöpferisches Genie entfaltete. Mit dem sechsten Zeitraum (1494-1596) beginnt die Abnahme der Poesie. Von Dschâmis Nachfolgern sind noch zu nennen: sein Schwestersohn Hâtifî (s. d.), ferner Hitâfî (s. d.), Ahlî von Schiraz (gest. 1535), Feisî (s. d.) und Fettâhi (s. d.). - In die siebente Periode (seit 1596) gehören als die letzten bedeutenden Lyriker Persiens und Indiens: Tâlib aus Amol (gest. 1626), Sâïb (gest. 1670 in Ispahan), der Kaiser Schâh Alam (der von 1760 bis 1787 regierte und unter dem Namen Aftâb dichtete) u. a.;
ferner die großen Epen: »Hamla i Haidarî«, eine poetische Biographie von Mohammed und Ali;
das »Shahinshâhnâme« oder »Buch der Könige«, welches, gleich dem vorübergehenden eine Nachahmung Firdusis, die neueste Geschichte Persiens in Versen erzählt, und das »Georgenâme« von Fîrûz ben Kâus (Bomb. 1837), das die Eroberung Indiens durch die Engländer darstellt.
In den beiden letzten Perioden ist die persische Poesie besonders reich an Sammlungen von Gedichten aller Art, von Fabeln, Märchen, Novellen etc. Dieser Reichtum stammt aus Indien und ist durch die Perser zu den Arabern und von da weiter nach dem Occident vermittelt worden. Auszuzeichnen sind die »Anwârî soheilî« (d. h. die kanopischen Lichter),
die berühmte persische Bearbeitung der Fabeln des Bidpai durch Hosein Wâïs Kâschifî (gest. 1504; gedruckt Hertford 1805, Kalkutta [* 14] 1816, 1834 u. öfter);
ferner das »Buch der sieben weisen Meister« (woraus im Türkischen 40 Wesire geworden sind);
der »Nigâristân« (»Bildersaal«) von Dschuweini;
das »Tûtinâme« (d. h. das Buch des Papageien),
eine Märchensammlung von Nachschebî (deutsch von Iken, Stuttg. 1822; nach der türk. Bearbeitung von Rosen, Leipz. 1858);
»Behâri Dânisch« (d. h. Frühling der Weisheit) von Inâjet Allah in Indien (engl. von Scott u. d. T.: »Garden of knowledge«, 1799, 3 Bde.),
eine Sammlung von Erzählungen und Novellen;
»Bachtijârnâme«, die Geschichte des Prinzen Bachtijâr (hrsg. und übersetzt von Ouseley u. d. T.: »History of Bakhtyar and the ten viziers«, Lond. 1801; pers. auch Par. 1839);
die romanhafte Geschichte von Hâtim Tâi (Kalkutta 1818; vollständige engl. Übersetzung von Forbes, Lond. 1830) und von Amîr Hamsa in 72 Kapiteln;
endlich der große 15bändige Roman »Bustân i Chajâl« (»Garten [* 15] der Phantasie«),
verfaßt in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts.
Ins 18. Jahrh. fallen die märchenhaft novellistischen Behandlungen der Sagen von Hâtim ben Ubaid ben Said durch Ferîd Ghafer Chan, ein für die Kenntnis morgenländischen Zauber und Feenwesens wichtiges Werk, und von dem Räuber und Minstrel Kurroglou (deutsch von Wolff, Jena [* 16] 1843). Das Drama geht bei den Persern fast ebenso wie bei den Arabern leer aus; doch ist zu erwähnen, daß in Persien [* 17] alljährlich der Tod Huseins, des Sohns Alis, und andrer mosleminischer Märtyrer mit großem Gepränge in der Art unsrer mittelalterlichen Mysterien dramatisch aufgeführt wird (vgl. Chodzko, Sur la littérature dramatique des Persans, Par. 1844; »Djungui Chehâdet«, das. 1852; »Théâtre persan«, das. 1878). Das einzige zusammenhängende Werk über die poetische Litteratur der Perser ist bis jetzt Hammers »Geschichte der schönen Redekünste Persiens« (Wien 1818),
leider eine sehr ungenügende Arbeit.
Vgl. auch Goethe in den Noten zum »Westöstlichen Diwan«; Sir Gore Ouseley, Biographical notices of Persian poets (Lond. 1846);
Sprenger, Catalogue of the manuscripts of the libraries of the king of Oudh (Kalkutta 1854).
Die persische Geschichtschreibung behandelt teils die allgemeine Geschichte der mohammedanischen Staaten, teils Spezialgeschichte. Firdusis großes Nationalepos enthält in seinem zweiten, poetisch unbedeutendern Teil viel historisches Material, kann indes natürlich nicht als eine direkt geschichtliche ¶