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bestellen, veranlaßte zumeist die gräßliche Hungersnot von 1869 bis 1872, welche dem Land ca. 1½ Mill. Menschen raubte. Dafür produziert freilich Persien [* 2] 1881: 8000 Pikuls (480 engl. Tons) Opium, und Schah, Beamte und Händler erzielten damit hohen Gewinn. Häntzsche rechnet in Persien 10 Proz. bebautes Land, 10 Proz. Wiesen und Weiden, 5 Proz. Wald und 75 Proz. Brache, Wüsten, Felsen etc. Über die Produkte des Landbaues s. oben. Dabei ist aber infolge des Steuerdrucks von einem wohlhabende Bauernstand nicht die Rede, und nur die mäßige Lebensweise, verbunden mit der Wohlfeilheit aller Bedürfnisse, läßt den landbauenden Tadschik auskommen.
Von den Mineralien [* 3] werden nur etwas Eisen, [* 4] Blei, [* 5] Kupfer, [* 6] Arsen, Türkise etc. in der primitivsten Weise ausgebeutet. In den mechanischen Künsten ist Persien ebenfalls zurück, und die Fabrikation einiger früher berühmter Industrie- und Luxusartikel (Kupfergeräte, Filigranarbeiten, damaszierte Waffen, [* 7] Fayencen, Shawls, Teppiche) geht unter dem Einfluß der europäischen Importwaren sichtlich zurück. Der Handel hat sich trotz der großen Vorliebe der Perser für kommerzielles Bazarleben nur in sehr unbedeutenden Maß entwickelt.
Die zerrütteten innern Verhältnisse des Reichs, die Unsicherheit des Eigentums und der Person, der Mangel an Kapital und Arbeitskraft, an schiffbaren Flüssen und Seehäfen, die geringe Ermutigung, welche der Gewerbthätigkeit von oben her zu teil wird, die schlechte Verwaltung der Staatseinkünfte, die hohen Binnenzölle, die Schwierigkeit des Transports auf den schlechten Landstraßen (Personen und Waren müssen beim Mangel aller Wagen auf Pferden, Kamelen und Maultieren transportiert und auf jeder Haltestation umgepackt werden): alles dies ist dem Aufblühen des Handels sehr hinderlich. Der Hauptbetrieb des Handelsverkehr ist meist in den Händen der Armenier und der Parsen. Seit dem zwischen Rußland und Persien im Frieden von Turkmantschai abgeschlossenen Vertrag haben auch andre europäische Mächte mit Persien Handelsverträge abgeschlossen (das Deutsche Reich [* 8] am und die Ausfuhr persischer Stoffe und Erzeugnisse nach Europa [* 9] hat sich bedeutend gehoben.
Sie geschah zuerst über Astrachan und Tiflis, seit Entwickelung der Dampfschiffahrt auf dem Schwarzen Meer jedoch vermittelst großer Karawanenzüge, die sich von Tebriz über Erzerum nach Trapezunt, das sich zum Stapelplatz für den europäisch-persischen Warenaustausch emporgeschwungen, bewegten. Jetzt; nachdem Rußland die Bahn von Poti am Schwarzen Meer nach Tiflis gebaut hat, ist auch die Straße Trapezunt-Tebriz fast ganz verödet, und Poti ist an die Stelle von Trapezunt getreten.
Genaue statistische Angaben über Ein- und Ausfuhr fehlen. Für 1880 schätzte man die gesamte Handelsbewegung, vom Export nach O. und NO. abgesehen, auf 332 Mill. Frank; Aus- und Einfuhr werden sich jetzt ungefähr die Wage [* 10] halten. Die Hauptexportartikel sind: Rohseide, Seidenabfälle, Tabak, [* 11] Opium, Teppiche, Shawls, Felle, getrocknete Früchte, Baumwolle, [* 12] Kaviar und Hausenblase;
die Haupteinfuhrartikel: Webstoffe (namentlich Baumwollwaren), Tuch, Schuhwaren, Stahlwaren, Waffen, Hausgeräte, Stearinlichte, Zucker; [* 13]
Papier, Thee, Roheisen und Kupfer.
Als wichtigster Handelsplatz Persiens ist Tebriz, an der Karawanenstraße nach Trapezunt und Tiflis, außerdem vom Kaspischen Meer aus leicht erreichbar, zu erwähnen. Rescht, Barfurusch, Astrabad, Ispahan, Schiraz, Jezd, Kirman und Meschhed sind Handelsplätze zweiten Ranges; Teheran, die Landeshauptstadt, ist für den Handel von untergeordneter Bedeutung. Der europäische Handel hat seinen Hauptsitz in Buschir. Der persische Kaufmann zeichnet sich durch Thätigkeit und Unternehmungsgeist aus und weilt des Handels wegen oft jahrelang in fernen Ländern (am meisten in Tiflis, Nishnij Nowgorod und Konstantinopel). [* 14]
Bankrotte sind selten. Die Regierung erhebt als Zoll sowohl für die Einfuhr als Ausfuhr faktisch 2½-3 Proz. ad valorem; ihre Pachter lassen nämlich mit sich handeln und ermäßigen die je nach der Nationalität der Kaufleute verschieden hoch festgesetzten Zölle. Von europäischen Mächten sind das Deutsche Reich, Rußland, Frankreich, England, Österreich, [* 15] die Türkei, [* 16] Italien, [* 17] die Niederlande [* 18] und die Vereinigten Staaten [* 19] von Amerika [* 20] in Persien durch Gesandtschaften und Konsulate vertreten.
Von Wichtigkeit für den Verkehr sind mehrere von Engländern errichtete Telegraphenleitungen, deren Hauptlinien von Tiflis nach Ispahan, Schiraz und an den Persischen Golf (von da weiter nach Indien) führen (persischer Regierungstelegraph 3191 engl. Meilen lang mit 77 Stationen, englischer Regierungstelegraph 735 Meilen lang mit 13 Stationen; Telegraph [* 21] der indoeuropäischen Gesellschaft 415 Meilen lang). Auch Briefpostverbindungen, an denen es bisher noch gänzlich fehlte, sind (seit. 1874 in 16 Postlinien mit 74 Büreaus) von österreichischen Beamten errichtet, sind aber unzuverlässig. Das 1879 angeführte Münzsystem schließt sich angeblich der Frankwährung an; geprägt werden in Gold [* 22] der Toman und Halbtoman (= 10 und 5 Frank), in Silber der Kran [* 23] und Doppelkran (= 1 u. 2 Fr.) und 5-Schahistücke (= 25 Cent.), in Bronze [* 24] der Schahi und Doppelschahi (= 5 u. 10 Cent). In der That aber sind diese Münzen [* 25] sämtlich unterwertig geprägt worden. Die Wegentfernung wird nach Farsang oder Fersech (= 6,7 km) berechnet.
Staatliche Verhältnisse.
Die Regierung ist in den Händen des Schahs (jetzt Nassreddin, geboren Juli 1831, regiert seit September 1848), und dieser, mit dem vollen Titel: »Schah in Schah (König der Könige), dessen Banner die Sonne [* 26] ist, der heilige, erhabene und große Monarch, der unumschränkte Herrscher und Kaiser aller Staaten von Persien«, regiert rein despotisch. Ihm zur Seite stand früher, mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten betraut, der Sadrazam. Seit aber ist durch den jetzigen Schah dies Amt abgeschafft und ein Staatsministerium eingesetzt, das aus neun Mitgliedern (Premier, für Äußeres, Inneres, Finanzen, Heerwesen, Hof [* 27] und Zölle, Unterricht und Handel, Presse, [* 28] Künste und Gewerbe) gebildet ist.
Der Staatsrat (Medschlissi schura), zu dessen Mitgliedern die Prinzen und die Minister gehörten, wurde 1875 fast ganz aufgehoben. Jedem größern Landesteil ist ein Hakim vorgesetzt, der meist aus der Königsfamilie stammt. Große Städte sind einem Kelanter (Polizeichef) und einem Darogha (Marktmeister), jeder Stadtteil und jedes Dorf einem Kedchuda unterstellt. Das Volkswohl und allgemeine Beste hat indessen keiner von allen diesen Beamten im Auge. [* 29] Jeder sucht vielmehr nur das Seine, und je mehr er nach obenhin leisten muß, desto mehr sucht er sich durch Bedrückungen und Erpressungen an seinen Untergebenen zu entschädigen. Die Rechtspflege gründet sich, wie bei allen Moslems, auf den Koran. An ihrer Spitze steht in jedem Landesteil ein Scheich ul Islam als Hakim i Schera, d. h. Richter des geschriebenen Gesetzes oder des aus dem Koran abgeleiteten Rechts, welchem gegenüber das Urf oder das Herkommensrecht steht, wonach dann der Hakim ganz willkürlich entscheidet. Die ¶
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meisten Hakim haben Recht über Leben und Tod; andre können nur mit Schlägen, Verstümmelungen oder Gefängnis bestrafen. Der Scheich ul Islam hat noch eine Anzahl Kadi als Einzelrichter unter sich. Bestechung findet leicht und oft statt. Die Einkünfte des Schahs erwachsen ordentlicherweise aus der Grundsteuer (Mal i Diwan) und aus Zöllen. Jene wird teils in Geld, teils in Produkten bezahlt, und die Eintreibung derselben hat der Kedchuda zu besorgen. Die Güter zahlen nominell ⅕, in der That aber ⅓ des Ertragswerts; was über ⅕ hinausgeht, bleibt in den Händen der Steuererheber.
Wer Kronland bebaut, zahlt die Hälfte des Ertrags. Wer eignen Boden besitzt, muß nicht bloß für das bebaute, sondern auch für das brach liegende Feld Steuer entrichten, und wer mit der Steuer im Rückstand bleibt, geht des ganzen Grundstücks verlustig. Dazu kommt die unregelmäßige Steuer (Sadir Awariz), die bei Ausrüstung eines Heers oder unter irgend einem andern Vorwand ausgeschrieben wird und den Unterbeamten ganz besondere Veranlassung zu Erpressungen bietet.
Die ordentlichen Einkünfte der Regierung werden auf 45 Mill. Toman geschätzt, mögen jetzt aber stark heruntergegangen sein; die Ausgaben werden zu 4¼ Mill. Toman angenommen. Eine Staatsschuld besteht nicht, dagegen ein Schatz, in welchem an Gold, kostbarem Geschirr und Edelsteinen ca. 9 Mill. Toman sich befinden sollen, und in den auch die Überschüsse aus der Staatsverwaltung fließen. Das Heer, für welches seit 1875 die allgemeine Wehrpflicht mit zwölfjähriger Dienstzeit vom 20. Lebensjahr an eingeführt ist, ist teilweise von europäischen Offizieren eingeübt und besteht aus Fußvolk (Serbaz), Reiterei (Savareh) und Artillerie (Toptschi). Zu Anfang 1879 zählte es nominell 77 Regimenter Infanterie zu 800-1000 Köpfen, zusammen ca. 70,000 Mann;
79 Regimenter Kavallerie zu etwa je 400 Pferden, zusammen ca. 30,000 Pferde; [* 31]
20 Regimenter Artillerie von 13 Batterien zu 48 Geschützen, zusammen 5000 Mann mit 200 Geschützen;
ein Pionierregiment zu 500 Mann.
Neben diesen regulären 105,000 Mann, von denen aber kaum die Hälfte wirklich unter Waffen steht, gibt es noch 24 Bataillone Miliz von 250-500 Köpfen für den Gendarmerie- und Polizeidienst, zusammen ca. 10,000 Mann. Ein Teil der Truppen führt Chassepot-, ein andrer Werndl-Gewehre, die Artillerie Uchatius-Geschütze. Uniformiert ist das Heer neuerdings ganz nach österreichischem Muster. Die persische Fahne besteht aus einem dreieckigen, sehr langen Stück Seidenzeug, worauf ein Löwe gemalt ist, über dessen Rücken eine breite Sonne strahlt (s. Tafel »Flaggen«); [* 32] die Fahnenspitze bildet eine ausgestreckte Hand [* 33] von Silber. Der Schah bedient sich jedoch nicht dieses Wappens, sondern führt in seinem Siegel nur seine Namenschiffer. - Das Reich zerfällt administrativ in 9 Hakimnischin (Provinzen.), die wieder in Buluk oder Mehal (Kreise) [* 34] abgeteilt sind.
Jeder Provinz ist, wie schon erwähnt, ein Hakim vorgesetzt, der aber gewöhnlich in der Hauptstadt seinen Sitz hat, während er in der Provinz durch einen Wesir vertreten wird. Die Provinzen sind: Aserbeidschân, Ispahan (nebst Fars, Arabistan, Jezd, Irak Burudschird, Luristan, Kirmanschahan, Kurdistan, Bachtiar etc.), Chorasan mit Seïstan, Teheran (mit Gilan, Masenderan, Astrabad, Kaschan etc.), Chamseh, Kazwin, Hamadan, Kirman nebst Belutschistan und Semnan (mit Danghan und Schahrud). Hauptstadt des Reichs ist Teheran.
Vgl. außer den Reisewerken von M. Wagner (Leipz. 1852), Brugsch (»Reise der preußischen Gesandtschaft nach Persien«, das. 1862; »Im Lande der Sonne«, Berl. 1886), Petermann (Leipz. 1861),
Arnold (Lond. 1876),
Anderson (das. 1880): Polak, Persien (Leipz. 1865, 2 Bde.);
Khanikow, Ethnographie [* 35] de la Perse (Par. 1866);
Piggot, Persia ancient and modern (Lond. 1874);
»Eastern Persia: an account of the journeys of the Persian boundary commission 1870-72« von Goldsmid, Blanford u. a. (das. 1876, 2 Bde.);
»Aus Persien. Aufzeichnungen eines Österreichers« (von Postrat v. Riederer, Wien [* 36] 1882);
Stolze und Andreas, Die Handelsverhältnisse Persiens (Ergänzungsheft zu »Petermanns Mitteilungen«, Nr. 77, Gotha [* 37] 1885);
Wills, In the land of the lion and the sun (Lond. 1883);
Derselbe, Persia at it is (das. 1886);
Benjamin, Persia and the Persians (das. 1886).
Geschichte.
Die Perser gehören zu dem arischen (indogermanischen) Völkerstamm und bewohnten seit ältester Zeit den südwestlichen Teil des Hochlandes von Iran, die schöne und fruchtbare Landschaft Persis. Sie führten als Ackerbauer und Hirten, Jäger und Krieger ein abgehärtetes, mäßiges Leben und waren in zehn Stämme eingeteilt, unter denen die Pasargaden die vornehmsten waren. Sie verehrten gleich den übrigen Ariern Ahuramasda (Ormuzd) als ihren höchsten Gott, den Gott des Lichts und des Guten, dem Angramainyus (Ahriman), der Gott der Finsternis und des Bösen, feindlich gegenüberstand; die Sonne beteten sie als besondere Gottheit (Mithra) an, und das Feuer war ihnen namentlich heilig. Im 9. Jahrh. v. Chr. wurden sie zuerst von den Assyrern bekriegt und von Salmanassar II. (859-823) zur Zahlung eines Tributs gezwungen.
Sie blieben den Assyrern unterthan bis zu der Zerstörung des Reichs derselben. Die Erzählung Herodots von der Befreiung der Meder und der Unterwerfung der Perser durch den medischen König Phraortes (660) ist eine medisch-persische Sage, deren historischer Kern sich auf eine vereinigte Empörung der Meder und Perser unter Phraortes gegen die Assyrer 640 beschränkt, welche 633 niedergeschlagen wurde. Von 606 bis 558 bildeten die Perser unter der Herrschaft von Unterkönigen aus dem Geschlecht der Achämeniden einen Teil des medischen Reichs, bis Kyros den König Astyages stürzte und die Herrschaft von den Medern auf die Perser übertrug, ein Ereignis, welches schon früh von vielgestaltigen schönen Sagen umwoben und verdunkelt wurde.
Hiermit beginnt die Geschichte des altpersischen Reichs, das 558-330 bestand. Nachdem Kyros das ganze Hochland von Iran, besonders das kriegerische Volk der Saken, unterworfen hatte, zog er gegen den König Krösos von Lydien, den er nach der unentschiedenen Schlacht am Halys 548 in seiner Hauptstadt Sardes selbst gefangen nahm. Hierauf unterjochte Harpagos 546 die griechischen Städte an der Küste, und so ward ganz Kleinasien mit dem persischen Reich vereinigt. 538 eroberte Kyros Babylon und dehnte seine Herrschaft über das Euphrat- und Tigrisgebiet sowie ganz Syrien aus.
Nachdem er 529 im Kampf gegen die Derbikker seinen Tod gefunden, folgte ihm sein Sohn Kambyses, der 525 nach dem Sieg bei Pelusion das ägyptische Reich eroberte. Als er 522 aus Ägypten [* 38] nach Persien zurückkehrte, empfing er die Nachricht von einem Aufstand, den ein medischer Magier, Namens Gaumata, angezettelt hatte, indem er sich für den auf Kambyses' Befehl heimlich bereits vor dem ägyptischen Feldzug ermordeten Bruder desselben, Bardija (Smerdis), ausgab. Kambyses starb an einer durch unglücklichen ¶