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türkische Sprache, [* 2] Redekunst, Dichtkunst, Mathematik, Arzneikunde, Korankenntnis und Moral gelehrt werden. Sterndeuterei steht allenthalben in hohem Ansehen. Unter den Künsten ist nur die Architektur zur Ausbildung gelangt. Sie ist geschmackvoll, reich an Stalaktitenschmuck, Spiegelbekleidung und Blumenmalerei der Wände, Nischen und Kuppeln, gibt sich aber weniger im Äußern als im Innern der Häuser zu erkennen. Der persischen Malerei fehlt es an Perspektive und an Wechsel von Schatten [* 3] und Licht; [* 4] auch die handwerksmäßig erlernte Musik steht auf niedriger Stufe. Was sich sonst an Kunstwerken findet, stammt aus früherer Zeit.
In Bezug auf das Standeswesen behaupten den ersten Rang die Schah Zadeh (die dem König zunächst stehenden Prinzen), den zweiten die Emir Zadeh (die entfernten Verwandten der Königsfamilie). Die nächste Stellung nehmen die Molla (Geistlichen) ein, deren Höchstgestellte wie Heilige verehrt werden; dann folgen die Chan (der erbliche Landadel) und die etwas niedriger stehenden Beg. Den ersten Bürgerstand bilden die Kaufleute (Tadschir), die zum Teil sehr reich sind und Adel wie Pachter vielfach ganz in ihren Händen haben, den untersten die Handwerker und Landbauer.
Alle Schriftkundigen werden als Mirza bezeichnet. Eine große Plage bilden die Derwische oder Bettelmönche. Die Stellung der Frauen in Persien [* 5] ist nach Verschiedenheit der Stände sehr verschieden. In den niedern Ständen sind sie eigentlich Gehilfen der Männer und tragen keine Scheu, sich mit einem Fremden zu unterhalten und unverschleiert zu erscheinen. In den höhern dagegen, wo Vielweiberei zu Hause ist, zeigen sie sich nicht bloß öffentlich dicht verschleiert, sondern halten sich auch im Zenana (Harem) von allem männlichen Umgang entfernt.
Ihr Beruf ist die Überwachung des Hausstandes und die Erziehung ihrer Kinder; die meisten sind treffliche Köchinnen und Zuckerbäckerinnen. Ins Zenana darf der Mann nicht unangemeldet eintreten und, wenn die Frauen Besuch haben, überhaupt nicht erscheinen; dagegen dürfen die Frauen ihre Eltern und weiblichen Verwandten besuchen, ohne es dem Mann vorher angezeigt zu haben. Die Frauen bringen auch die Heiraten zu stande. Der Abschluß geschieht durch einen Bevollmächtigten beider Teile; die Braut wird dann bei Nacht zu Pferd [* 6] unter Begleitung von Freunden beider Familien mit Musik und Fackeln nach dem Haus des Bräutigams geführt; dieser empfängt sie an der Thür und führt sie ein, während die Begleiter sich zurückziehen. Das Vermögen der Frau bleibt ihr Eigentum; nur im Fall sie auf Scheidung, die in Persien sehr leicht ist, anträgt, muß sie es dem Mann überlassen.
Die Einrichtung der Wohnungen hängt natürlich von den Vermögensumständen der Besitzer ab. Die Häuser der Dörfer sind einstöckig, gewöhnlich ausgetrockneten Erdziegeln oder aus Lehm und Steinen gebaut und haben nur zwei Räume. Bei den bessern Stadthäusern, die nach der Straße zu kahle, fensterlose Wände haben, gelangt man durch einen kurzen Gang [* 7] zunächst in den Hof [* 8] (Haiat), der meist mit Fliesen [* 9] belegt ist und in der Mitte ein Wasserbecken mit Springbrunnen enthält. Um diesen Hof ist das Haus aufgeführt, dessen Hauptteil den Hintergrund bildet, während sich an der Eingangsseite Küche und ähnliche Räume, zu beiden Seiten kleinere Gemächer befinden.
Der Hinterteil ist zweistöckig mit plattem Dach; [* 10] der untere Stock enthält den Hauptsaal (Diwan Chaneh), der gegen die Hofseite durch eine oft sehr kostbare Fensterwand (Urusi) von farbigem Glas [* 11] abgeschlossen ist. Die drei andern Seiten sind innen etwa 1 m hoch mit Gips [* 12] überkleidet und mit Blumen und Laubwerk in Blau und Gold [* 13] bemalt; an den Wänden entlang liegen dicke Filzstücke (Nemmud) zum Niedersetzen. Der obere Stock ist zu Schlafzimmern (Guschwara) eingerichtet; im Sommer dient das platte Dach als Schlafstätte.
Die Häuser der Reichen und Hochgestellten haben einen bedeutenden Umfang und zerfallen in zwei Hauptabteilungen: das Merdana (Männerhaus) und das Zenana oder Enderun (Frauenhaus), welches hinter jenem liegt und durch einen zweiten Hof mit Gartenanlagen davon getrennt ist. Die Straßen der persischen Städte sind, wie im Orient überhaupt, der Sammelplatz von Schmutz und Elend aller Art und dabei so eng, daß sie ein beladenes Lasttier kaum passieren kann. An die hohen, fensterlosen Mauern, welche die Wohnhäuser [* 14] der Reichen und jedes Grün verstecken, sind die Schmutzhöhlen der Armen angeklebt. Den Namen Straße verdienen nur die Bazare, namentlich in Schiraz, Ispahan, Teheran, Tebriz etc. Es sind meist gewölbte, gut ausgeführte Ziegelbauten, in denen die verschiedenen Händler und Handwerker ihre Stätte haben. Karawanseraien (s. d.) findet man in jedem Ort und in allen Straßen. Die meisten Städte sind von einer hohen Erdmauer eingefaßt, die mit Türmen besetzt und zuweilen durch einen tiefen Graben geschützt ist.
Die Perser sind meist sehr mäßig und nähren sich vorzugsweise von Pflanzenkost. Man bäckt flache Brote aus Durra oder Weizen; nächstdem genießt man am meisten Reis (Pilaw), Braten, Eier, [* 15] Milch, Butter, dicke Sahne, Erbsen und Gartenfrüchte. Bei den Mahlzeiten sitzt man auf Filzstücken und zwar mit gebogenen Knieen auf den Fersen hockend; das Tischtuch (von gedrucktem Zitz) liegt unmittelbar auf dem Teppich des Fußbodens, und ein Brotfladen, vor jeden Tischgenossen gelegt, dient als Teller.
Die Speisen werden in kupfernen Platten, dazu Scherbett (in Wasser gelöste Obstgallerte) in Porzellantassen nebst geschnitzten Holzlöffeln aufgetragen. Man langt mit den Fingern zu und ißt und trinkt nach Belieben, ohne ein Wort dabei zu sprechen. Nach dem Essen [* 16] werden die Wasserpfeifen gebracht, und die Unterhaltung beginnt. Bei Besuchen finden vielerlei Förmlichkeiten statt; der gewöhnliche Gruß beim Eintritt besteht darin, daß man die rechte Hand [* 17] auf die linke Brust legt und den Kopf neigt. - Nach der bestehenden Zeitrechnung beginnt der Tag mit Sonnenuntergang.
Als Mohammedaner zählen die Perser nach Mondjahren; allein aus den Zeiten der Ahnen her, die das Sonnenjahr hatten, wird noch die Frühlingsnachtgleiche als eine Art Neujahrstag (Nauruz) mehrere Tage festlich begangen. Als allgemeiner Buß- und Bettag wird der Todestag des Imam Hassan, des veralteten Enkels Mohammeds, gefeiert. Andere Trauerfeste sind das Moharrem (die ersten zehn Tage des ersten Monats) zum Andenken an die Ermordung der Söhne Alis, Hassan und Husein, und der 19. Tag des Ramasan zum Andenken an die Ermordung Alis selbst.
Erwerbszweige.
Unter den Erwerbszweigen steht der Ackerbau obenan, obschon keineswegs aller anbaufähige Boden in der Nähe von Bächen und Flüssen oder künstlichen Kanälen (Kenat) wirklich bebaut ist, sondern ein großer Teil desselben bei der verhältnismäßig spärlichen Bevölkerung [* 18] des Landes unbenutzt und wüst liegt. Der unsinnige Befehl der Regierung zu Beginn der 60er Jahre, alles taugliche Land mit Mohn zu ¶
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bestellen, veranlaßte zumeist die gräßliche Hungersnot von 1869 bis 1872, welche dem Land ca. 1½ Mill. Menschen raubte. Dafür produziert freilich Persien 1881: 8000 Pikuls (480 engl. Tons) Opium, und Schah, Beamte und Händler erzielten damit hohen Gewinn. Häntzsche rechnet in Persien 10 Proz. bebautes Land, 10 Proz. Wiesen und Weiden, 5 Proz. Wald und 75 Proz. Brache, Wüsten, Felsen etc. Über die Produkte des Landbaues s. oben. Dabei ist aber infolge des Steuerdrucks von einem wohlhabende Bauernstand nicht die Rede, und nur die mäßige Lebensweise, verbunden mit der Wohlfeilheit aller Bedürfnisse, läßt den landbauenden Tadschik auskommen.
Von den Mineralien [* 20] werden nur etwas Eisen, [* 21] Blei, [* 22] Kupfer, [* 23] Arsen, Türkise etc. in der primitivsten Weise ausgebeutet. In den mechanischen Künsten ist Persien ebenfalls zurück, und die Fabrikation einiger früher berühmter Industrie- und Luxusartikel (Kupfergeräte, Filigranarbeiten, damaszierte Waffen, [* 24] Fayencen, Shawls, Teppiche) geht unter dem Einfluß der europäischen Importwaren sichtlich zurück. Der Handel hat sich trotz der großen Vorliebe der Perser für kommerzielles Bazarleben nur in sehr unbedeutenden Maß entwickelt.
Die zerrütteten innern Verhältnisse des Reichs, die Unsicherheit des Eigentums und der Person, der Mangel an Kapital und Arbeitskraft, an schiffbaren Flüssen und Seehäfen, die geringe Ermutigung, welche der Gewerbthätigkeit von oben her zu teil wird, die schlechte Verwaltung der Staatseinkünfte, die hohen Binnenzölle, die Schwierigkeit des Transports auf den schlechten Landstraßen (Personen und Waren müssen beim Mangel aller Wagen auf Pferden, Kamelen und Maultieren transportiert und auf jeder Haltestation umgepackt werden): alles dies ist dem Aufblühen des Handels sehr hinderlich. Der Hauptbetrieb des Handelsverkehr ist meist in den Händen der Armenier und der Parsen. Seit dem zwischen Rußland und Persien im Frieden von Turkmantschai abgeschlossenen Vertrag haben auch andre europäische Mächte mit Persien Handelsverträge abgeschlossen (das Deutsche Reich [* 25] am und die Ausfuhr persischer Stoffe und Erzeugnisse nach Europa [* 26] hat sich bedeutend gehoben.
Sie geschah zuerst über Astrachan und Tiflis, seit Entwickelung der Dampfschiffahrt auf dem Schwarzen Meer jedoch vermittelst großer Karawanenzüge, die sich von Tebriz über Erzerum nach Trapezunt, das sich zum Stapelplatz für den europäisch-persischen Warenaustausch emporgeschwungen, bewegten. Jetzt; nachdem Rußland die Bahn von Poti am Schwarzen Meer nach Tiflis gebaut hat, ist auch die Straße Trapezunt-Tebriz fast ganz verödet, und Poti ist an die Stelle von Trapezunt getreten.
Genaue statistische Angaben über Ein- und Ausfuhr fehlen. Für 1880 schätzte man die gesamte Handelsbewegung, vom Export nach O. und NO. abgesehen, auf 332 Mill. Frank; Aus- und Einfuhr werden sich jetzt ungefähr die Wage [* 27] halten. Die Hauptexportartikel sind: Rohseide, Seidenabfälle, Tabak, [* 28] Opium, Teppiche, Shawls, Felle, getrocknete Früchte, Baumwolle, [* 29] Kaviar und Hausenblase;
die Haupteinfuhrartikel: Webstoffe (namentlich Baumwollwaren), Tuch, Schuhwaren, Stahlwaren, Waffen, Hausgeräte, Stearinlichte, Zucker; [* 30]
Papier, Thee, Roheisen und Kupfer.
Als wichtigster Handelsplatz Persiens ist Tebriz, an der Karawanenstraße nach Trapezunt und Tiflis, außerdem vom Kaspischen Meer aus leicht erreichbar, zu erwähnen. Rescht, Barfurusch, Astrabad, Ispahan, Schiraz, Jezd, Kirman und Meschhed sind Handelsplätze zweiten Ranges; Teheran, die Landeshauptstadt, ist für den Handel von untergeordneter Bedeutung. Der europäische Handel hat seinen Hauptsitz in Buschir. Der persische Kaufmann zeichnet sich durch Thätigkeit und Unternehmungsgeist aus und weilt des Handels wegen oft jahrelang in fernen Ländern (am meisten in Tiflis, Nishnij Nowgorod und Konstantinopel). [* 31]
Bankrotte sind selten. Die Regierung erhebt als Zoll sowohl für die Einfuhr als Ausfuhr faktisch 2½-3 Proz. ad valorem; ihre Pachter lassen nämlich mit sich handeln und ermäßigen die je nach der Nationalität der Kaufleute verschieden hoch festgesetzten Zölle. Von europäischen Mächten sind das Deutsche Reich, Rußland, Frankreich, England, Österreich, [* 32] die Türkei, [* 33] Italien, [* 34] die Niederlande [* 35] und die Vereinigten Staaten [* 36] von Amerika [* 37] in Persien durch Gesandtschaften und Konsulate vertreten.
Von Wichtigkeit für den Verkehr sind mehrere von Engländern errichtete Telegraphenleitungen, deren Hauptlinien von Tiflis nach Ispahan, Schiraz und an den Persischen Golf (von da weiter nach Indien) führen (persischer Regierungstelegraph 3191 engl. Meilen lang mit 77 Stationen, englischer Regierungstelegraph 735 Meilen lang mit 13 Stationen; Telegraph [* 38] der indoeuropäischen Gesellschaft 415 Meilen lang). Auch Briefpostverbindungen, an denen es bisher noch gänzlich fehlte, sind (seit. 1874 in 16 Postlinien mit 74 Büreaus) von österreichischen Beamten errichtet, sind aber unzuverlässig. Das 1879 angeführte Münzsystem schließt sich angeblich der Frankwährung an; geprägt werden in Gold der Toman und Halbtoman (= 10 und 5 Frank), in Silber der Kran [* 39] und Doppelkran (= 1 u. 2 Fr.) und 5-Schahistücke (= 25 Cent.), in Bronze [* 40] der Schahi und Doppelschahi (= 5 u. 10 Cent). In der That aber sind diese Münzen [* 41] sämtlich unterwertig geprägt worden. Die Wegentfernung wird nach Farsang oder Fersech (= 6,7 km) berechnet.
Staatliche Verhältnisse.
Die Regierung ist in den Händen des Schahs (jetzt Nassreddin, geboren Juli 1831, regiert seit September 1848), und dieser, mit dem vollen Titel: »Schah in Schah (König der Könige), dessen Banner die Sonne [* 42] ist, der heilige, erhabene und große Monarch, der unumschränkte Herrscher und Kaiser aller Staaten von Persien«, regiert rein despotisch. Ihm zur Seite stand früher, mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten betraut, der Sadrazam. Seit aber ist durch den jetzigen Schah dies Amt abgeschafft und ein Staatsministerium eingesetzt, das aus neun Mitgliedern (Premier, für Äußeres, Inneres, Finanzen, Heerwesen, Hof und Zölle, Unterricht und Handel, Presse, [* 43] Künste und Gewerbe) gebildet ist.
Der Staatsrat (Medschlissi schura), zu dessen Mitgliedern die Prinzen und die Minister gehörten, wurde 1875 fast ganz aufgehoben. Jedem größern Landesteil ist ein Hakim vorgesetzt, der meist aus der Königsfamilie stammt. Große Städte sind einem Kelanter (Polizeichef) und einem Darogha (Marktmeister), jeder Stadtteil und jedes Dorf einem Kedchuda unterstellt. Das Volkswohl und allgemeine Beste hat indessen keiner von allen diesen Beamten im Auge. [* 44] Jeder sucht vielmehr nur das Seine, und je mehr er nach obenhin leisten muß, desto mehr sucht er sich durch Bedrückungen und Erpressungen an seinen Untergebenen zu entschädigen. Die Rechtspflege gründet sich, wie bei allen Moslems, auf den Koran. An ihrer Spitze steht in jedem Landesteil ein Scheich ul Islam als Hakim i Schera, d. h. Richter des geschriebenen Gesetzes oder des aus dem Koran abgeleiteten Rechts, welchem gegenüber das Urf oder das Herkommensrecht steht, wonach dann der Hakim ganz willkürlich entscheidet. Die ¶