Im J. 1866 trat Villemin zuerst für die Auffassung ein, daß die menschliche
Tuberkulose eine infektiöse
Krankheit sei. Bei
der außerordentlichen Tragweite, welche die
Schwindsucht des
Menschen hat, unternahmen alsbald die namhaftesten Pathologen
spezielle Untersuchungen zur
Prüfung dieser
Frage. Hierbei ergab sich zur Evidenz, daß von einem käsigen
Herd, resp.
von einem im Zerfall begriffenen
Tuberkel in der Nachbarschaft eine
Infektion gesetzt und die
Entwickelung von
Tuberkeln verursacht
werden kann.
Klebs gelang auch die Einimpfung der bei der Perlsucht sich bildenden krankhaften
Produkte, womit die Deutung
der
Krankheit als
Tuberkulose einen neuen
Untergrund erhielt. Bei dieser Sachlage stellte sich
Gerlach die
Frage, ob nicht durch
die Verfütterung der bei der Perlsucht sich bildenden
Knoten und
Herde eine
Übertragung der
Krankheit bewirkt werden könne,
und ob nicht vielleicht die tuberkulöse
Schwindsucht des
Menschen zum Teil in derAufnahme eines spezifischen
Virus durch die
Nahrung ihre Entstehung finde. Die
VersucheGerlachs, die vorzugsweise bei jungen
Schweinen angestellt wurden,
ergaben, daß eine große Zahl der Versuchstiere in die
Tuberkulose verfiel.
Neben
Klebs und
Gerlach haben
Roloff,
Bollinger,
Orth u. a. die
Resultate ihrer methodisch durchgeführten Fütterungsversuche
mit den krankhaftenProdukten der Perlsucht veröffentlicht. Sie hatten gefunden, daß empfängliche
Tiere
nach der
Fütterung von Perlknoten an der
Tuberkulose (»Fütterungstuberkulose«) erkranken. Es ist nicht zu leugnen,
daß die
Vorstellung von der Wirksamkeit eines spezifischen Tuberkelvirus hierdurch eine erhebliche Unterstützung erhalten
mußte.
Gegenüber dieser
Ansicht hat sich
Virchow sehr reserviert ausgesprochen. Er nimmt auf
Grund seiner vier
Jahre hindurch fortgesetzten
Versuche an, daß zwar die nach der
Fütterung beobachteten zahlreichen Krankheitsfälle den
Verdacht
der Schädlichkeit perlsüchtiger
Tiere für
Menschen begründen können, daß aber der
Verdacht nicht so groß sei, um ein
allgemeines Verbot des Genusses von
Fleisch solcher
Tiere zu rechtfertigen. DurchR.Koch wurde 1882 der
Nachweis erbracht, daß die Perlsucht und die menschliche
Schwindsucht
(Skrofulose und
Tuberkulose) durch einen spezifischen
Pilz,
[* 4] eine besondere Art des
Bacillus, verursacht wird. Mit dieser
Entdeckung scheint die vielumstrittene
Frage, ob die Perlsucht
und die menschliche
Tuberkulose identische
Krankheiten seien, definitiv entschieden. Wenn beide
Krankheiten, wieKoch behauptet, auf eine ursachliche
Einheit (die
Bakterien) zurückgeführt werden müssen, so sind ihre Formverschiedenheiten
unwesentlich.
Bei allgemeiner Verbreitung der Perlknoten im
Körper sowie beim Vorkommen tuberkulöser
Herde im Muskelfleisch und bei erheblicher
Abmagerung der betreffenden
Tiere darf das
Fleisch nach dem Nahrungsmittelgesetz nicht in den
Verkehr gebracht werden. Auch
in jedem andern
Fall müssen die Perlknoten und die mit
Tuberkeln behafteten
Organe als
gesundheitsgefährlich angesehen werden
und der Vernichtung anheimfallen. Wie vom
Fleisch, so ist auch von der
Milch perlsüchtiger
Kühe behauptet worden, daß
Menschen,
namentlich
Kinder, durch den
Genuß derselben mit der
Schwindsucht behaftet werden sollen.
Da aber der
Milch überhaupt nicht angesehen werden kann, ob sie von perlsüchtigen
Kühen stammt, und da
überdies die Perlsucht an lebenden
Tieren nur sehr schwer und selten mit völliger Sicherheit zu diagnostizieren ist, so
wird die hier in Betracht kommende
Frage wohl niemals durch den
Erlaß polizeilicher Beschränkungsmaßregeln bezüglich des
Milchverkaufs zu lösen sein. In großen
Städten haben die
Besitzer der
Milchwirtschaften die tierärztliche
Überwachung des Gesundheitszustandes der Milchkühe in geschäftlichem
Interesse angeordnet. Da die
Heilung der Perlsucht
nicht möglich ist, so bleibt die Bekämpfung derselben ausschließlich auf die möglichst frühzeitige Abschlachtung der
betreffenden
Tiere und auf die
Prophylaxis beschränkt. In letzterm Betracht empfiehlt sich die Benutzung
notorisch gesunder und kräftig gebauter Viehschläge zur
Zucht und die Ausmerzung aller schwächlich gebauten
Tiere.
russ.
Gouvernement, grenzt im N. an
Wologda, im
W. an
Wjatka, im
S. an
Ufa und
Orenburg, im O. an
Tobolsk und hat ein
Areal von 332,054,2 qkm (6030,8 QM.).
Das Uralgebirge durchstreicht Perm in der
Richtung von N. nach S. Die
Flüsse
[* 8] gehören zum
System des
Tobol
und der
Kama; für den
Handel sind besonders wichtig die
Kama,
Tschussowaja, Sylwa und
Kolwa. Vom
Areal kommen 9,6 Proz. auf
Äcker,
6,4 auf
Wiesen, 71 auf
Wald und 13 Proz. auf Unland.
GroßeSümpfe liegen besonders im nördlichen Teil; dafür ist der südöstliche
anSeen reicher, von denen als die größten der Uweldü, der Irtjat und der
Majan zu nennen sind.
Die ungeheuern Waldungen (im
Kreis
[* 9]
Tscherdyn nehmen sie 95 Proz. des
Landes ein) bestehen vorherrschend aus
Föhren,
Rot- undWeißtannen,
Birken,
Eichen, Lärchen und sibirischen
Zedern. Das
Klima
[* 10] ist kalt, besonders am östlichen Abhang
des
Urals. Die mittlere Jahrestemperatur beträgt bei Ussolje 1,1° C., bei
Jekaterinenburg 0,7,° bei
Tscherdyn 0,5° und bei
Bogoslowsk -1,4° C. Von den Einwohnern (1883: 2,593,420 an Zahl, 7,8
pro QKilometer) waren 1870
Raskolniken 71,419,
Heiden 13,456; zum
Islam bekannten sich 92,267, zu verschiedenen christlichen
Kirchen 1200, die übrigen zur griechisch-orthodoxen
Kirche.
Der
Wert der industriellen
Produktion wird 1884 auf
28,745,000
Rubel angegeben, die Zahl der
Fabriken auf 1211 mit 12,336 Arbeitern. Die erste
Stelle nimmt die Getreidemüllerei
mit 18 Mill.
Rubel ein. Dann
¶
Von den vielen Mineralquellen sind die von Serainsk, Klutschewsk und Jelowsk hervorzuheben. Der Handel
Perms ist blühend, besonders wichtig der Transithandel nach Sibirien. Hauptabsatzorte sind: Jekaterinenburg, Perm, Kamyschlow
und Schadrinsk sowie die jährlich stattfindenden Jahrmärkte, deren über 180 sind, von denen der Irbitsche einen Umsatz von
(1887) 50½ Mill. Rub. und der Iwanowsche im Kirchdorf Krestowskoje (KreisSchadrinsk) einen von über 5 Mill.
Rub. erzielen.
Die ältesten historischen Nachrichten über dasselbe gibt der Norweger Oter unter König Alfred im 9. Jahrh.
Schon die Nowgoroder bezogen von dort Silber und erhoben daselbst seit dem 11. Jahrh. einen Tribut. Mit dem FallNowgorods 1471 kam
an Moskau.
[* 33] Im 15. Jahrh. wurden die dortigen Kupferminen von Deutschen entdeckt. Seit der Unterjochung
Sibiriens im 16. Jahrh. entstanden hier russische Kolonien. Die größten Verdienste um die Hebung
[* 34] der dortigen Montanindustrie
erwarb sich die FamilieStroganow, welche schon im 16. Jahrh. den regelrechten Bergbau hier einführte; besondern Aufschwung
erhielt derselbe durch die Entdeckung von Gold (1745) und Edelsteinen (1766). 1780 wurde die Statthalterschaft
Perm gegründet und aus derselben 1796 das Gouvernement gemacht.