Erst nachdem alle Kykladeninseln der türkischen Herrschaft einverleibt worden waren, verstand sich
Venedig
[* 2] im
Frieden von 1540 zur
Räumung seiner letzten Besitzungen auf dem griechischen
Festland. Der Peloponnes bildete seitdem ein türkisches
Sandschak mit der
Hauptstadt Tripolizza, welches von dem zu
Modon residierenden
Mora-Bei unter der
Jurisdiktion des
Beglerbegs von
Griechenland
[* 3] verwaltet wurde. Nachdem sich
Venedig 1684 dem
Bündnis gegen die
Pforte angeschlossen, eroberte der venezianische
Feldherr Morosini den ganzen Peloponnes, der durch den
Frieden von Karlowitz 1699 förmlich wieder an die
RepublikVenedig fiel.
Sparta kämpfte dem
Scheine nach für die
BefreiungGriechenlands von der Herrschaft der
Athener und fand daher auch außerhalb
des
Peloponnes an
Megaris,
Lokris,
Böotien und
PhokisBundesgenossen; mit diesen konnte es eine Landmacht von 60,000Hopliten
aufstellen, war aber an
Flotte und Geldmitteln schwach, und überdies wurde seine natürliche Unbeholfenheit und Langsamkeit
noch durch die Bundesverfassung gesteigert.
Athen gebot über die gesamten Streitmittel der zahlreichen
Staaten seines Seebundes,
konnte eine
Flotte von 300
Schiffen und ein
Heer von 30,000
Hopliten aufbringen, hatte 6000
Talente imSchatz
und 2000
Talente jährliche Einkünfte, stand unter der weisen und thatkräftigen Leitung eines
Perikles und konnte daher wohl
auf
Sieg rechnen, der die Einigung
Griechenlands unter seiner
Hegemonie bedeutet hätte.
Der
Krieg begann mit dem verunglückten nächtlichen
Angriff der Thebaner auf
Platää, worauf das peloponnesische
Heer unter
König
Archidamos in
Attika einfiel. Diese Einfälle wurden 430, 428, 427 und 425 wiederholt, aber ohne
wesentlichen Erfolg, da die
Athener auf
Rat des
Perikles das flache Land räumten, sich hinter ihre langen
Mauern zurückzogen
und sich durch Verwüstung von
Megaris und der
Küsten des
Peloponnes sowie durch Vertreibung der Ägineten rächten.
Die entschiedene Überlegenheit des von keinem hervorragenden Staatsmann, sondern von ehrgeizigen selbstsüchtigen oder leichtsinnigen
Parteiführern geleiteten athenischen
Staats war verloren, und der
Krieg nahm bereits den unentschiedenen,
wechselvollen
Charakter an, infolge dessen beide Teile ihre
Kräfte aufrieben,
Haß und Erbitterung zu furchtbaren Blutthaten
gesteigert wurden und die Parteileidenschaften Nationalgefühl und
Vaterlandsliebe erstickten. 428 fiel der erste der athenischen
Bundesgenossen,
Lesbos, ab und ward erst 427 von
Paches wieder unterworfen und grausam gezüchtigt, indem 1000 vornehme Mytilenäer
hingerichtet wurden, während die Peloponnesier 427
Platää eroberten und völlig verwüsteten. 425 gelang dem
AthenerDemosthenes
die Besetzung von
Pylos in
Messenien, das er gegen die peloponnesische
Flotte siegreich behauptete; die Erschließung von 420 Spartanern
auf der
InselSphakteria bewog
Sparta zu Friedensanträgen, welche aber von
Athen auf den
Rat des
DemagogenKleon abgewiesen wurden.
Sparta verfeindete sich jedoch durch diesen
Frieden mit seinen bisherigen
Bundesgenossen, namentlich
Korinth,
welche den
Krieg unternommen hatten, um
Athen zu vernichten, und es bildete sich zwischen
Korinth,
Argos,
Elis und
Mantineia ein
Peloponnesischer
Bund, den
Alkibiades, der inzwischen in
Athen den meisten Einfluß gewonnen, sofort zur Vernichtung der spartanischen
Macht im
Peloponnes benutzen wollte. Dieser
Versuch scheiterte an der
Niederlage der Verbündeten bei
Mantineia 418. Von
unruhigem
Ehrgeiz getrieben, betrieb
Alkibiades die Ausbreitung der athenischen Seeherrschaft. 416 ward das dorische
Melos,
weil es seine
Neutralität aufzugeben sich weigerte, grausam vernichtet und 415 beschlossen, den Egestäern in
Sizilien
[* 8] gegen
die korinthische Pflanzstadt
Syrakus
[* 9] zu
Hilfe zu kommen. Von dieser sizilischen Expedition (415-413) versprach
sich die durch die
Demagogen erhitzte
Phantasie der
Athener die großartigsten Erfolge, und mit ungeheuern
Kosten wurde ein auserlesenes
Hoplitenheer und eine vortreffliche
Flotte ausgerüstet und unter dem Oberbefehl des
Nikias,
Lamachos und
Alkibiades nach
Sizilien
geschickt. Die
Abberufung des letztern,
¶
mehr
welcher durch die Ränke seiner Gegner in den Hermokopidenprozeß verwickelt und auf Leben und Tod angeklagt wurde, lähmte den
Unternehmungsgeist des athenischen Heers, welches überdies in Italien
[* 11] und Sizilien wenig Beistand fand. Nach glücklichen Anfängen
stockte die Belagerung von Syrakus; die Verteidiger sammelten ihre Kräfte, stellten sich den Athenern auch
zur See entgegen und errangen 413 über die athenische Flotte, obwohl sie durch 70 Schiffe
[* 12] unter Demosthenes verstärkt worden
war, entscheidende Siege, welche die Athener zum Rückzug zu Lande zwangen, auf dem ihr Heer 413 am Assinaros gänzlich zu Grunde
ging.
Hiermit war AthensKraft
[* 13] gebrochen, seine Hilfsquellen fast erschöpft und seine Autorität über den Seebund
erschüttert. Und nun veranlaßte Alkibiades, der schon durch die von ihm angeratene Unterstützung von Syrakus durch die Spartaner
den Athenern großen Schaden zugefügt hatte, Sparta auch zum Wiederbeginn des offenen Kriegs durch die plötzliche Besetzung
von Dekeleia in Attika und zur Errichtung einer Seemacht mit persischer Hilfe (Dekeleischer Krieg 413-404).
Die Athener nahmen zwar den Kampf mannhaft auf, wurden aber durch die Verwüstung Attikas, den AbfallEuböas und vieler asiatischer
Bundesgenossen daran gehindert, ihre Kräfte wieder zu sammeln, und rieben sich überdies durch innern Zwiespalt auf, der,
ebenfalls von Alkibiades genährt, um seine Zurückberufung zu erlangen, 411 sogar zum Umsturz der Solonischen
Verfassung und zur Einsetzung einer Oligarchie des Rats der Vierhundert, die aber nur drei Monate bestand, führte.
Eine günstige Wendung für Athen schien einzutreten, als Alkibiades, von der Flotte bei Samos zurückgerufen, die Perser von
kräftiger Unterstützung der spartanischen Flotte abhielt, diese bei Abydos und bei Kyzikos 410 besiegte,
die Städte an der Propontis wiedererobert und 408 in Athen selbst zum Oberfeldherrn mit unbeschränkter Vollmacht ernannt wurde.
Jedoch der jüngere Kyros, welcher inzwischen die Statthalterschaft von Kleinasien übernommen, leistete jetzt den Peloponnesiern
wirksame Hilfe; sie verstärkten ihre Flotte in Ionien und stellten sie unter die Oberleitung des Lysandros,
welcher den Seekrieg mit überlegenem Geschick führte und durch rücksichtslose Unterstützung der oligarchischen Parteien
in allen Städten der spartanischen Politik dauernden Halt verlieh. In Athen aber verhinderten die gewissenlosen Parteiführer,
namentlich die Oligarchen, den Abschluß eines günstigen Friedens, benutzten 407 das Mißgeschick des Unterfeldherrn
des Alkibiades bei Notion, um diesen selbst zu stürzen, und bewirkten 406 die Verurteilung der Feldherren, welche bei den Arginusen
gesiegt hatten, und von denen sechs hingerichtet wurden, weil sie des Sturms wegen die Leichen nicht gesammelt hatten.
Lysandros vernichtete darauf die letzte athenische Flotte 405 bei Ägospotamoi und erzwang, unterstützt
von den verräterischen Oligarchen, im Frühjahr 404 die bedingungslose Übergabe der Stadt Athen, welche dem von Korinth und
Theben geforderten völligen Untergang entging, aber sich den von den Spartanern diktierten Friedensbedingungen, Niederreißung
der langen Mauern, Auslieferung der Flotte, Verzicht auf jede Herrschaft außerhalb Attikas und Unterordnung unter den Peloponnesischen
Bund, unterwerfen mußte.
Das Ergebnis des 27jährigen Kriegs war also der Sturz der athenischen Macht, aber ohne daß das siegreiche Sparta den Zweck
des Kriegs, die Unabhängigkeit der griechischen Staaten, ehrlich und entschieden ins
Werk gesetzt hätte oder im stande gewesen
wäre, seinerseits Griechenland unter seiner Herrschaft zu einigen. Durch die Vernichtung des geistigen
Mittelpunkts des griechischen Volkes, Athens, als politischer Macht, durch die Steigerung des Hasses und der Eifersucht zwischen
den Staaten von Hellas war eine politische Einheit desselben unmöglich gemacht und damit sowie durch die Schwächung der Kraft
des Volkes und durch die Bündnisse mit fremden Mächten auch seine Freiheit aufs höchste gefährdet worden.
Die ausgezeichnete Geschichte des Kriegs von dem Zeitgenossen Thukydides (s. d.) aus Athen reicht bloß bis 411; der Rest ist
in Xenophons »Hellenika« beschrieben.