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dem alten Louvregebäude mit der von Perrault 1674 in kolossalen Verhältnissen ausgeführten Fassade mit Säulenordnung [* 2] und den die Place Napoléon flankierenden Bauten des neuen Louvre mit vorspringenden Pavillons und reicher Skulpturausstattung. Diese neuern Bauten stellen die Verbindung mit dem Tuilerienpalast her, so daß der ganze Gebäudekomplex ein aus drei Abteilungen bestehendes, von O. nach W. gestrecktes längliches Viereck [* 3] bildet, welches den eigentlichen Louvrehof, die Place Napoléon und die Place du Carroussel umschließt.
Der Tuilerienpalast, 1564 unter Katharina von Medici von Philibert Delorme begonnen und mit wiederholten Unterbrechungen fortgeführt, wurde 1871 von den Kommunarden in Brand gesteckt und 1883 ganz abgetragen; nur zwei zum Louvre führende Flügel (Pavillon de Marsan und de Flore) sind erhalten. Die Place Napoléon ist mit Gartenanlagen versehen; auf der Place du Carroussel steht der von Napoleon I. 1806 nach dem Muster des Triumphbogens des Septimius Severus erbaute Arc de Triomphe du Carroussel, von einer Quadriga [* 4] gekrönt.
Das Louvre enthält gegenwärtig die reichhaltigen Museen (s. unten), welche im J. 1871 glücklicherweise von der Zerstörung verschont blieben (nur die wertvolle Louvrebibliothek verbrannte), im nördlichen Bau des neuen Louvre ist das Finanzministerium untergebracht, dessen ehemaliges Palais in der Rue de Rivoli 1871 gleichfalls verbrannt wurde. Nahe dabei steht das Palais-Royal, dessen ältester Teil 1629-34 von Kardinal Richelieu erbaut wurde, später von verschiedenen Mitgliedern der königlichen Familie (insbesondere aus der Linie Orléans) [* 5] bewohnt, jetzt Sitz des Staatsrats und des Kassationshofs; es besteht aus einem Vorbau mit Säulenhalle und drei Gebäuden, welche einen großen gartenähnlichen Hof [* 6] (Jardin du Palais-Royal) einschließen und in ihren dem Garten [* 7] zugekehrten, einem lebhaften Verkehr dienenden Galerien zahlreiche Restaurants und Kaufläden für Luxusartikel enthalten. Im nördlichen Teil des Palastes befindet sich das Théâtre du Palais-Royal, während südlich das Théâtre-Français angebaut ward (1782). Von öffentlichen Gebäuden und Palästen sind ferner zu erwähnen: das Palais d'Elysée, aus dem 18. Jahrh., von der Marquise von Pompadour reich ausgestattet, seit der Revolution Staatseigentum, jetzt Residenz des Präsidenten der Republik, mit großem Garten;
der in seinen Hauptteilen der Renaissanceperiode angehörige, unter Katharina von Medici 1615-20 von Jacques Desbrosses erbaute Palast Luxembourg, welcher, auf dem südlichen Seineufer gelegen, der Reihe nach fürstliche Personen, Regierungen und politische Körperschaften beherbergte, dazwischen in der großen Revolution als Staatsgefängnis diente, in seinen prächtigen Sälen eine ansehnliche Kunstsammlung (s. unten) enthält und von einem schönen Garten umgeben ist;
der Palast des Gesetzgebenden Körpers, 1722 als Palais Bourbon erbaut, seit 1804 dem Parlament eingeräumt, mit reichdekorierten Sälen;
das 1810-35 erbaute monumentale Palais du Quai d'Orsay, 1871 niedergebrannt;
der Palast der Ehrenlegion, 1786 erbaut, nach dem Brand von 1871 wiederhergestellt;
das Palais de Justice, ein großer Gebäudekomplex auf der Citéinsel, ursprünglich Residenz der Könige von Frankreich, dann Sitz des Parlaments, jetzt der Justiz- und Polizeiverwaltung dienend, nach den wiederholten Zerstörungen (1618, 1776 u. 1871) restauriert, mit wenigen vom ursprünglichen Bau erhaltenen Resten (Tour de l'Horloge etc.), der Ste.-Chapelle (s. oben), der großen Salle des Pas perdus und andern Sitzungssälen;
das gegenüberliegende Handelsgericht (1860-66) mit Kuppel und stattlicher Treppe; [* 8]
das Ministerium des Äußern (1845) am Quai d'Orsay;
das Hôtel de Ville, 1533-1628 von Boccadoro u. a. in französischem Renaissancestil erbaut, seit 1837 erweitert und im Innern prachtvoll ausgestattet, 1871 von den Kommunarden niedergebrannt, seither aber in der frühern Gestalt wieder aufgebaut;
das 1671-74 unter Ludwig XIV. erbaute Hôtel des Invalides, welches eine reiche Waffensammlung, das Musée d'Artillerie, enthält und den Invalidendom in sich schließt, einen quadratischen Kuppelbau von 1706 mit Krypte, in welchem sich seit 1841 das Grab Napoleons I. befindet, ferner mit den Grabmälern von Turenne und Vauban;
die 1838 vollendete École des Beaux-Arts mit schöner Fassade;
das Conservatoire des Arts et Métiers, eine ehemalige, 1060 gegründete Abtei St.-Martin, von deren Räumen namentlich die Kirche und das Refektorium, beide aus dem 13. Jahrh., erhalten sind;
das großartige Opernhaus, 1861-75 von Garnier erbaut, mit reicher, aber etwas gedrückter Fassade, verschwenderisch ausgestattetem, beinahe überladenem Zuschauerraum mit 2156 Plätzen und einem mit trefflichen Deckengemälden geschmückten Foyer (Gesamtkosten 36 Mill. Frank);
das umfangreiche, 1751 errichtete Gebäude der École militaire, jetzt Kaserne (die Schule wurde nach St.-Cyr verlegt);
die Börse, 1808-27 in Form eines griechischen Tempels erbaut, mit korinthischen Säulen [* 9] und Standbildern;
das Hôtel des Monnaies (Münzgebäude), am Quai Conti 1771 errichtet;
der alte Industriepalast in den Champs-Elysées, für die erste Pariser Weltausstellung 1855 erbaut, jetzt zu der jährlichen Kunstausstellung (»Salon«) dienend;
der Trocadéropalast, ein aus Anlaß der Weltausstellung 1878 in orientalischem Stil errichteter halbkreisförmiger Festbau.
Auch für die Weltausstellung des Jahrs 1889 werden auf dem Marsfeld große Bauten (darunter der viel angefochtene Eiffelturm) [* 10] aufgeführt.
Bevölkerung.
Die Zahl der Einwohner betrug 1886 bei mehr als 76,000 Wohnhäusern 2,344,550, dagegen 1881: 2,269,023, 1861:1,696,141, 1836: 909,126, 1798: 640,504. Das Anwachsen der Pariser Bevölkerung [* 11] ist selbstverständlich weniger der natürlichen Zunahme infolge Überschusses der Geburten über die Sterbefälle als vielmehr dem fortwährenden Zufluß ortsfremder Bevölkerung nach Paris [* 12] zuzuschreiben. Von 1000 Bewohnern sind denn auch nur 322 in Paris, 38 in andern Orten des Departements Seine, 565 im übrigen Frankreich und 75 im Ausland geboren. Die Bevölkerungsbewegung ergab 1884 folgende Hauptdaten: 20,562 Trauungen, 63,840 Geburten, 5019 Totgeborne, 56,970 Sterbefälle.
Dem Glaubensbekenntnis nach umfaßt die ihrer überwiegenden Mehrheit nach katholische Pariser Bevölkerung zufolge der letzten Erhebung (1872) 19,424 Calvinisten, 12,634 Lutheraner, 9615 sonstige Protestanten, 23,434 Juden und 1572 Mohammedaner und Buddhisten; 13,905 Individuen erklärten, überhaupt keinem Kultus anzugehören, und 11,041 bekannten sich zu religiösen Überzeugungen, die in ihrer Eigentümlichkeit sich jeder Klassifizierung entziehen. An der Spitze des aus 1193 Geistlichen zusammengesetzten Klerus von Paris steht der Erzbischof. Der Posten gilt für ebenso ehren- und einflußreich wie gefährlich; drei Erzbischöfe von Paris sind im Lauf ¶
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des letzten Menschenalters eines gewaltsamen Todes gestorben, obwohl die Masse der Bevölkerung, namentlich die Frauen, der Priesterschaft ergeben und nur ein Bruchteil, der dann aber von um so intensiverm Haß beherrscht wird, derselben feindlich ist.
Man kann darüber rechten, ob Paris den stolzen Beinamen der Hauptstadt der Welt verdient, den es sich selbst so gern beilegt, und welchen ihm seine Schmeichler, mit Victor Hugo an der Spitze, bei jeder Gelegenheit und nicht ohne die lächerlichsten Variationen (Paris-Lumière, Paris-Monde etc.) als schwache Huldigung darzubringen pflegten. Nach der Einwohnerzahl und als Weltemporium steht ihm London [* 14] weit voran; an historischer und kulturgeschichtlicher Bedeutsamkeit kann es sich nicht mit Rom, [* 15] an natürlicher Schönheit nicht mit Neapel, [* 16] Lissabon [* 17] oder Stockholm [* 18] messen; in bunter Völker- und Rassenmischung wird es von Konstantinopel, [* 19] Wien [* 20] und New York übertroffen.
Gleichwohl übt Paris noch heute auf die Eingebornen wie auf die Fremden aller Nationen, ohne Unterschied des Ranges und Bildungsgrades, einen Zauber, welchen selbst die schroffsten politischen, religiösen und sozialen Gegensätze nicht brechen, die von andern Hauptstädten im Lauf unsers Jahrhunderts erzielten riesenhaften Fortschritte nicht entkräften konnten. Zu diesem für jedermann unwiderstehlichen Reiz der französischen Metropole wirken verschiedene Faktoren zusammen: Paris ist der Sitz einer vielhundertjährigen Zivilisation, der Brennpunkt der Kultur einer hochbegabten, von der Natur reich gesegneten, auf den verschiedensten Gebieten geistiger Thätigkeit hervorragenden, auf dem des Geschmacks und der Mode bis auf den heutigen Tag tonangebenden Nation, deren ganzes öffentliches Leben sich vermöge der straffsten politischen Zentralisation durch tausend Kanäle in dieser einzigen und wahren Hauptstadt zusammendrängt.
Sinnliche und geistige Genußsucht, Frivolität und ernstes Streben, das Bedürfnis nach eitler Zerstreuung und das Verlangen, recht unmittelbar am »sausenden Webstuhl [* 21] der Zeit« zu stehen, der gröbste und der raffinierteste Geschmack finden in Paris ihre Rechnung. Keine andre Stadt ist durch langjährige Übung besser darauf eingerichtet, die Fremden aller Nationen zu empfangen und es ihnen bei sich heimisch zu machen, keine Stadt besitzt so viele Theater [* 22] und Vergnügungslokale, keine Stadt hat aber auch einen solchen Fremdenverkehr aufzuweisen wie Paris. Endlich ist das Verdienst der Stadtverwaltung um den unvergleichlichen Universalerfolg der Stadt Paris nicht zu unterschätzen: von jeher haben sich die Regierungen Frankreichs in dem Bestreben, Paris zu verschönern, zu vervollkommnen, mit Sehenswürdigkeiten aller Art zu bereichern, überboten, und wenn dies häufig nur mit Hilfe einer unverhältnismäßigen Belastung der öffentlichen und städtischen Steuerlast geschah, so blieben die Resultate für die Stadt selbst darum nicht minder gewonnen.
Von allen großen Städten Europas ist Paris die gesündeste; seine Einrichtungen für die öffentliche Verpflegung, für Licht, [* 23] Wasser, Luft, freie Zirkulation, Reinlichkeit, kurz, für alle materiellen Bedürfnisse eines großen Bevölkerungszentrums sind mustergültig und haben in der denkwürdigen 133tägigen Belagerung, vom bis die furchtbarste und entscheidendste aller Proben bestanden. Dabei ist die Bevölkerung dichter zusammengedrängt als irgendwo anders: auf das QKilometer entfallen nicht weniger als 30,050 Seelen. Am dichtesten ist die Bevölkerung im Stadtteil Börse, am wenigsten in Popincourt zusammengedrängt.
Besonders staunenswert ist die Verproviantierung, welcher die in zwölf Pavillons zerfallenden Zentralhallen nebst zahlreichen auf die einzelnen Stadtviertel verteilten Märkten, die alte, aus dem Jahr 1763 datierende Getreidehalle, der Viehmarkt und die Schlachthäuser von La Villette und das große, an den Jardin des Plantes grenzende Weinentrepot, dessen Keller 1 Mill. hl Wein fassen können, als Mittelpunkte dienen. In umfassender Weise ist auch ganz Paris mit einem Kloakennetz versehen, welches mittels eines großen Sammelkanals unterhalb Asnières in die Seine mündet.
Industrie, Handel und Verkehr.
Die Industrie ist in Paris in allen ihren Zweigen vertreten. Als Industriezentrum wird es höchstens London nachstehen, denn es zählt nicht weniger als 1,100,000 bei der Industrie beschäftigte Personen. Mit Einschluß des in gewerblicher Beziehung von Paris schwer zu trennenden übrigen Departements Seine zählte man 1881 bei der Fabrikindustrie 6654 Unternehmer, 13,539 Beamte, 146,784 Arbeiter und 121,232 Familienmitglieder; dagegen beim Kleingewerbe 70,157 Unternehmer, 52,272 Beamte, 564,042 Arbeiter und 372,596 Familienglieder.
Die Pariser Industrie charakterisiert sich hauptsächlich durch kleine Werkstätten, außerdem aber durch weitestgehende Arbeitsteilung. Große Etablissements zählt vor allem die metallurgische Industrie und zwar für Eisenbahnmaterial und Reparaturen, für Bronzen und Lampen, [* 24] Messing- und Tombakwaren, Maschinen und Apparate, neben welchen sich zahlreiche kleine Unternehmungen für die verschiedensten Werkzeuge, [* 25] Apparate und mechanischen Vorrichtungen, Maschinen- und Uhrenbestandteile vorfinden.
Außerdem bestehen geschlossene Fabriken für chemische Produkte, Seife, Kerzen, Farbewaren, Gas, Zuckerraffinerie, für Schokolade, konservierte Früchte und Gemüse, Likör, in neuerer Zeit auch Bierbrauerei, [* 26] Zündhölzchen, Porzellan, Fayence [* 27] und Majolika, Eisenbahnwagen und Kutschen, Leder, Sattler- und Riemerwaren, Kautschuk- und Guttaperchawaren, Typographie, Kunsttischlerei, für Shawls, Teppiche, Tapeten, Hüte, Schuhwaren, Kleider und Wäsche.
Kleinere Unternehmungen dagegen stehen hauptsächlich im Dienste [* 28] der Kunstindustrie; sie liefern Gold- und Silberwaren, echten und falschen Schmuck, Gravüren, Bronzen, Garnituren, typographische und lithographische Arbeiten, Buntpapier, Stickereien, Posamentierwaren u. a. Einen großen Umfang hat ferner (und zwar gleichfalls im kleinern Betrieb) die Präzisionsmechanik, insbesondere die Erzeugung von optischen und chirurgischen Instrumenten und Apparaten, Uhren, [* 29] Musikinstrumenten, anatomischen Präparaten, Wagen und Jagdwaffen, sowie das vielverzweigte Baugewerbe. In eigentlichen Luxusartikeln endlich liefert Paris jährlich für den Weltmarkt außerordentliche Quantitäten von Drechsler- und Kinderspielwaren, Necessaires, Korbwaren, Buchbinder- und Kartonagearbeiten, Objekten in Stahl und Aluminium, Agraffen, künstlichen Blumen, Modewaren, Parfümerien, Schmuckfedern, Fächern, Knöpfen, Handschuhen etc. In vielen Artikeln ist Paris nur das geschäftliche Zentrum, von welchem die Aufträge und Muster ausgehen, und wo die Verfeinerung zur vollendeten Handelsware vorgenommen wird. So steht denn auch die Industrie des Departements Seine außerhalb der Bannmeile der Hauptstadt fast ganz im Dienste der Pariser Industrieunternehmungen. Am hervorragendsten sind hier die Fabrikation von chemischen Produkten, Kerzen, Seife, Farbewaren, Firnissen und Lacken, Maschinen und Eisenwaren, Leder und Glas, [* 30] die Färberei, Druckerei ¶