(griech., »nebeneinander stehend«,
gleichlaufend), in der Geometrie Bezeichnung für zwei gerade Linien oder zwei Ebenen oder eine Gerade und eine Ebene, die überall
denselben senkrechten Abstand haben und sich daher nirgends in endlicher Entfernung schneiden, wie weit man sie auch verlängern
mag. Nach dem Vorgang von Desargues (1593-1662) und Newton sagt man auch, daß sich dieselben in unendlicher
Ferne schneiden. Werden zwei parallele Gerade a und b (s. Figur) von einer dritten Geraden c geschnitten, so heißen die Winkel
α und α', β und β', γ und γ', δ und δ' korrespondierende Winkel, α und δ', β und γ' äußere
Wechselwinkel, γ und β', δ und α' innere Wechselwinkel, α und γ', β und δ' äußere Winkel auf einer Seite, γ und α',
δ und β' innere Winkel auf einer Seite. Je zwei korrespondierende Winkel und ebenso je zwei Wechselwinkel sind einander gleich,
je zwei äußere und ebenso je zwei innere Winkel auf einer Seite dagegen betragen zusammen zwei Rechte.
Aus jedem dieser Sätze ergeben sich die andern, und wenn einer dieser Sätze für zwei gegebene Linien a und b gilt, so sind
dieselben parallel. Der Inbegriff dieser Sätze bildet die Parallelentheorie. Euklid gründete dieselbe in seinen Elementen
auf das berühmte elfte Axiom: zwei Gerade, die von einer dritten so geschnitten werden, daß die beiden innern Winkel an einerlei
Seite zusammen weniger als zwei Rechte betragen, schneiden sich auf dieser Seite. Es sind bis in die neueste Zeit zahlreiche
Versuche gemacht worden, dieses und überhaupt jedes besondere Axiom für die Parallelentheorie entbehrlich
zu machen und letztere bloß auf die Eigenschaften der geraden Linie zu gründen. Erst Gauß, N. Lobatschewski und J. ^[János]
Bolyai haben die Unmöglichkeit des Gelingens dieser Versuche erkannt, was zur Begründung der »nichteuklidischen« oder
»absoluten« Geometrie Anlaß gegeben hat (vgl. Pangeometrie).
- In der Rhetorik heißt parallel dasjenige, was
eine Vergleichung in seinen Teilen oder Eigenschaften gestattet, daher Parallele eine solche Vergleichung selbst. Namentlich
ist letzterer Ausdruck gebräuchlich bei der historischen Vergleichung verschiedener Zeiten nach ihren Staatseinrichtungen
und deren Veränderungen, leitenden Persönlichkeiten etc. (z. B.
Plutarchs biographische Parallelen).
Vgl. Parallelismus und Parallelstellen.
Kräfte. Um die Wirkung zweier paralleler und gleichgerichteter Kräfte (P und Q der
Fig. 1), welche an zwei
fest miteinander verbundenen Punkten (A und B) eines starren Körpers angreifen, zu ermitteln, denken wir uns an einem Punkt
(M), welcher auf der Verbindungslinie (AB) der beiden Angriffspunkte liegt, zwei Kräfte (P1 und Q1)
parallel, gleich und gleichgerichtet den gegebenen Kräften (P und Q) und noch zwei Kräfte (P2 und Q2), welche den gegebenen
ebenfalls parallel und gleich, aber entgegengesetzt gerichtet sind, angebracht. Da die Kraft P1 von der gleichen, aber
entgegengesetzt wirkenden P2 aufgehoben und ebenso die Kraft Q durch die Kraft Q2 vernichtet wird,
so ist dadurch an dem Zustand des Körpers nicht das mindeste geändert.
Die Kraft P bildet aber mit der Kraft P2 ein Kräftepaar (s. d.), welches den Körper um eine zur Ebene, in welcher die Kräfte
P und Q liegen (d. h. zur Ebene der Zeichnung), senkrechte Achse zu drehen strebt, während die Kraft Q mit
der Kraft Q2 ebenfalls ein Kräftepaar bildet, welches den Körper in der entgegengesetzten Richtung zu drehen bestrebt ist.
Wählen wir nun die Lage des Punktes M so, daß diese beiden entgegengesetzten Drehungsbestrebungen einander gleich werden,
so heben sie sich auf, und es bleiben von sämtlichen Kräften nur noch die am Punkt M wirkenden Kräfte P1 und Q1 übrig,
welche, da sie nach derselben Richtung wirken, durch eine einzige Kraft, die gleich ihrer Summe, also gleich der Summe der gegebenen
Kräfte P und Q ist, ersetzt werden können.
Damit aber die Drehungsbestrebungen (Momente) der beiden Kräftepaare einander gleich werden, muß man den Punkt M so wählen,
daß der Arm des Kräftepaars PP2, d. h. die von M auf die Richtung der Kraft P gezogene Senkrechte (a), mit der Kraft P multipliziert
dasselbe Produkt gebe wie der Arm (b) des Kräftepaars QQ2 multipliziert mit der Kraft Q, d. h. der Punkt
M muß so liegen, daß die Arme a und b und demnach auch die Strecken MA und MB sich umgekehrt verhalten wie die zugehörigen
Kräfte (nämlich wie Q zu P). Es ergibt sich also, daß zwei parallele gleichgerichtete Kräfte (Seitenkräfte
oder Komponenten) durch eine einzige Kraft (Mittelkraft oder Resultante) ersetzt werden können, welche gleich ihrer Summe ist
und an einem Punkt angreift, der die Strecke zwischen den beiden Angriffspunkten im umgekehrten Verhältnis der beiden Kräfte
teilt.
Durch wiederholte Anwendung dieses Satzes lassen sich beliebig viele parallele Kräfte von gleicher Richtung zu einer
einzigen Mittelkraft zusammenfassen, indem man die Mittelkraft der beiden ersten Kräfte mit der dritten, die neue Mittelkraft
mit der vierten Kraft etc. vereinigt; man findet so schließlich eine Gesamtmittelkraft, welche gleich der
Summe aller gegebenen Kräfte ist und an einem bestimmten Punkt angreift, welchen man den Mittelpunkt (das
Zentrum) der parallelen
Kräfte nennt. Jener Satz lehrt ferner, eine gegebene Kraft, welche man als Mittelkraft betrachtet, in zwei zu ihr parallele
Seitenkräfte, welche zusammengenommen ihr gleich sind, zu zerlegen. Soll eine an einer wagerechten Stange hängende Last von
zwei verschieden kräftigen Menschen, z. B. einem Knaben und einem Mann, getragen werden, so wird man die
Last um so weiter von dem Knaben weg aufhängen, je kräftiger der Mann im Verhältnis zum Knaben ist, weil sich die Last im umgekehrten
Verhältnis ihrer Entfernungen von den Stangenendpunkten auf diese verteilt.
Greifen an zwei Punkten (A und B,
Fig. 2) eines Körpers zwei parallele ungleiche und entgegengesetzt gerichtete
Kräfte an, so kann man die größere derselben (P) in zwei Seitenkräfte zerlegen, deren eine Q1 der Kraft Q gleich und
entgegengesetzt mit ihr an demselben Punkt B wirkt, und deren andre (R), gleich dem Unterschied von P und Q, an einem Punkt
M angreift, der auf der über A hinaus verlängerten Verbindungslinie der Angriffspunkte A und B so liegt,
daß sich MA zu AB verhält wie Q zu dem Unterschied von P und Q oder, was dasselbe ist, MA zu MB wie Q zu Parallele. Da die Kräfte
Q und Q1 sich gegenseitig aufheben, so bleibt als Mittelkraft, welche die beiden Kräfte vollkommen
ersetzt, nur noch die Kraft R übrig, welche gleich dem Unterschied der gegebenen Kräfte ist und an einem Punkte der Geraden
AB angreift, dessen Entfernungen von den Angriffspunkten A und B sich umgekehrt verhalten wie die zugehörigen Kräfte. Sind
die beiden parallelen und entgegengesetzt wirkenden Kräfte einander gleich, so ist dieses Verfahren nicht
durchführbar; die beiden Kräfte bilden alsdann ein Kräftepaar und besitzen keine Mittelkraft.