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Jesuiten; dasselbe vermehrte jedoch nur die Abneigung der Spanier in Paraguay [* 2] gegen sie, und der Gouverneur Diego Martin Negroni (1609-15) wies sie daher an die beiden Völker der Guaycuru und Guarani, wogegen sie sich der Einmischung in die Angelegenheiten aller andern Gegenden Paraguays enthalten sollten. Innerhalb der ihnen gesteckten Grenzen [* 3] gründeten die Jesuiten hierauf ein theokratisch-patriarchalisches Reich, das zwar formell unter spanischer Hoheit stand, von dem sie aber lange Zeit mit großer Sorgfalt jeden spanischen Einfluß abzuwehren wußten.
Ihre Missionsbezirke (doctrinae) wuchsen bis gegen 40 mit mehr als 170,000 bekehrten Indianern heran, die in festen Niederlassungen (reduciones) von den Andes bis zum brasilischen Küstengebirge wohnten. Den Mittelpunkt ihrer Verwaltung hatten die Jesuiten in ihren Kollegien zu Asuncion und Cordova; in letzterer Stadt residierte der dirigierende Provinzial mit seinen vier Konsultadoren. In jeder Niederlassung war ein Priester, zugleich als höchste obrigkeitliche Person, mit einem Vikar, der zugleich die Geschäfte führte.
Die Ortspolizei übte ein aus den Indianern gewählter Kazike, welcher dafür sorgte, daß die Indianer die festgesetzten Arbeiten, landwirtschaftliche und gewerbliche, verrichteten. Alle Arbeiten geschahen für das Allgemeine; ihr Ertrag kam in Magazine, aus denen die Indianer mit allen Bedürfnissen versehen wurden. Den Überrest verkauften die Jesuiten, und dieser mit vielem Geschick betriebene Handel war für sie so erträglich, daß sie bedeutende Geldsummen nach Europa [* 4] schicken konnten.
Sie duldeten weder Spanier noch andre Europäer in ihren Niederlassungen; ja, sie erfüllten die Indianer geflissentlich mit Haß gegen jene. Die Guaranisprache blieb die herrschende, doch mußte jeder Indianer lesen und schreiben lernen. Dieselben wurden in ihren häuslichen Angelegenheiten von ihren geistlichen Vätern wie Kinder geleitet, zu regelmäßigen Stunden zum Gebet, zur Arbeit, zur Erholung geführt, freigebig mit Nahrung und Kleidung versorgt, mild behandelt und überall, wo keine Kollision mit den Zwecken des Ordens eintrat, zum besten beraten.
Mit der Zunahme der Jesuitenmissionen, welche den größern Teil des östlichen und südöstlichen Paraguay einnahmen (1618), hielt aber auch die Ausbreitung der Paulistas gleichen Schritt, einer Kolonie, die von den Portugiesen in der brasilischen Provinz São Paulo um die Mitte des 16. Jahrh. gegründet worden war, und es kam mit ihnen zu einem beständigen Grenzkrieg, der mit wechselnden Glücke geführt wurde. Von den Paulistas fort und fort belästigt, entschlossen sich die Jesuiten endlich, ihre Missionen aus der Provinz Guyara in das Land zwischen dem Uruguay und Parana zu verlegen, wozu sich indes die Indianer nur mit Mühe bereden ließen. 1726 erwirkten die Jesuiten ein königliches Dekret, das ihre Missionen am Parana von Paraguay sonderte und dieselben unter den Gouverneur des La Plata stellte, d. h. fast unabhängig machte.
Nun wurde Paraguay mehr als je ein Kampfplatz der Parteien, und nachdem man den vom Vizekönig von Lima [* 5] zum Gouverneur ernannten Ignacio Sorotea im Januar 1731 gewaltsam zurückgewiesen hatte, kam es zum förmlichen Bürgerkrieg. Trotz aller Bannflüche vertrieb man die des spanischen Interesses verdächtigt Jesuiten aus Asuncion. Jedoch 1733 unterwarf der Gouverneur von Buenos Ayres, [* 6] Zavala, an der Spitze von 3000 Guarani die Gegner der Jesuiten und nahm blutige Rache für die Vertreibung derselben, womit die Ruhe vorläufig wiederhergestellt war. Am wurde zwischen Johann V. von Portugal [* 7] und Ferdinand VI. von Spanien ein Grenzberichtigungsvertrag in betreff der südamerikanischen Besitzungen beider Kronen [* 8] abgeschlossen, nach welchem das Land zwischen dem Uruguay, Yacuy und Ybicuy mit sieben Missionen der Jesuiten (darunter Asuncion) gegen die Colonia del San Sacramento an Portugal abgetreten werden sollte.
Die Jesuiten setzten 1754-58 der Ausführung dieses Vertrags bewaffneten Widerstand entgegen, unterlagen aber endlich nach mehreren glücklichen Gefechten den gegen sie gesendeten vereinten portugiesische und spanischen Heeren, und als 1766 die Verbannung des Jesuitenordens aus Spanien beschlossen ward, wurden 1768 auch die Jesuiten in allen spanisch-amerikanischen Besitzungen an einem u. demselben Tag festgenommen und des Landes verwiesen, ihre Missionen aber, über 40 mit mehr als 100,000 Einw., zwischen Portugal und Spanien geteilt und den Zivilbehörden übergeben.
Die neue Herrschaft unterschied sich von der vorigen nur durch rohe, drückende Härte und Habsucht. Die Spanier nahmen zwar das von den Jesuiten begründete Werk in ihre Hände, verstanden aber nicht, es zu erhalten und fortzuführen, und in kurzer Zeit gaben die Indianer den Anbau des Landes wieder auf oder kehrten ganz zu dem wilden Leben zurück. 1776 ward Paraguay zum spanischen Vizekönigreich La Plata geschlagen und umfaßte auch die Banda oriental mit Montevideo; [* 9] 1801 ward die Provinz der Missionen an Brasilien [* 10] abgetreten.
Doch war die Verbindung des Landes mit Buenos Ayres eine durchaus lose. Als hier 1810 die Unabhängigkeitsbestrebungen offen an den Tag traten, schickte Buenos Ayres den General Belgrano nach Paraguay, um hier die spanische Herrschaft zu stürzen. Derselbe ward zwar bei Paraguari geschlagen und 9. März zur Kapitulation gezwungen, wußte aber dennoch 14. Mai Asuncion eine unblutige Revolution herbeizuführen, durch welche an Stelle der spanischen Regierung eine Junta gesetzt wurde. 1813 wählte der paraguayische Kongreß 2 Konsuln, Francia (s. d. 2) und Yégros, 1814 erstern auf 3 Jahre und 1817 auf Lebenszeit.
Francia regierte das Land mit eiserner Hand [* 11] und schloß es gegen die Nachbarstaaten völlig ab, sicherte es aber gegen die Annexionsgelüste Brasiliens und Argentiniens und hob durch seine klugen Maßregeln den Wohlstand außerordentlich. Nach des Diktators Tod (1840) verbündete sich Don Mariano Roque Alonso, der Viertelsmeister der Hauptstadt, mit einem Neffen Francias, Don Carlos Antonio Lopez; beide nahmen den Titel Konsul an und beriefen dann 1842 einen Kongreß, der alle von ihnen vorgelegten Gesetze genehmigte, die Unabhängigkeit Paraguays aufs neue erklärte und die beiden Konsuln bestätigte, doch so, daß Lopez erster und Alonso zweiter Konsul ward.
Ein neuer Kongreß beschloß ein Staatsgrundgesetz und ernannte in Gemäßheit desselben 14. März Lopez zum Präsidenten auf zehn Jahre mit ziemlich unbeschränkte Gewalt. Lopez stellte einen seiner Brüder als Erzbischof an die Spitze der Geistlichkeit, sein zweiter Bruder ward Minister des Innern; sein Sohn erhielt den Oberbefehl über die 5000 Mann starke Armee. Ein Dekret vom öffnete das Land den Fremden und dem Verkehr, und ein andres vom änderte das ganze Zollwesen im Sinn des Freihandelssystems. Der Hafen von Villa del Pilar wurde für den Handel geöffnet; doch blieb derselbe zumeist in den Händen von Lopez und seinem Sohn, welche die wichtigsten ¶
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Landeserzeugnisse aufkauften und auf ihren Schiffen ins Ausland verschickten. Von den Vereinigten Staaten [* 13] von Nordamerika, [* 14] Brasilien, Uruguay und den meisten europäischen Staaten wurde die Anerkennung der Selbständigkeit Paraguays erlangt. Die Argentinische Republik [* 15] unter Rosas, welcher Paraguay für eine Provinz derselben ansah, verweigerte sie, worauf ein Krieg ausbrach, in welchem die argentinischen Staaten Corrientes und Entre Rios Paraguay unterstützte. Nach dem Sturz Rosas' erfolgte die Anerkennung der Unabhängigkeit Paraguays von seiten der Argentinischen Konföderation und von seiten Großbritannien [* 16] durch den Traktat von Asuncion vom Unter Lopez' weitern Verdiensten um das Land sind die Verbesserung des Gerichtswesens, die Gründung von Schulen, Regelung der Finanzen durch strengste Sparsamkeit, Vermehrung der Verkehrsmittel etc. namhaft zu machen. Gegen Ende 1856 ließ sich Lopez vom Kongreß wieder auf sieben Jahre zum Präsidenten ernennen, starb jedoch nach 18jähriger beinahe unumschränkter Regierung, nachdem er testamentarisch die Präsidentschaft seinem Sohn Francisco Solano Lopez übertragen hatte, der auch vom Kongreß als Präsident anerkannt wurde.
Paraguay befand sich damals in blühender Verfassung. Es hatte keine Schulden, dagegen lagen mehrere Millionen bar im Schatz; doch durch Lopez' Streben nach Machterweiterung, nach Gründung eines großen Guaranireichs ward Paraguay nach kurzer Zeit in einen verhängnisvollen Krieg hineingezogen. In dem Nachbarstaat Uruguay standen Blancos und Colorados in heftigem Kampf einander gegenüber; Brasilien nahm für das Haupt der letztern, den Expräsidenten General Flores, Partei und drohte mit Gewaltmaßregeln und Besetzung des Landes.
Dagegen erhob Paraguay Protest. Als die Brasilier dennoch in Uruguay eindrangen, eröffnete Lopez die Feindseligkeiten, indem er das auf der Fahrt nach der Provinz Mato Grosso begriffene brasilische Postschiff Marquez de Olinda aufbringen ließ u. in die brasilische Provinz Mato Grosso einfiel. Da Lopez die militärischen Streitkräfte Paraguays, die sich auf 60,000 Mann mit 200 Geschützen beliefen, vortrefflich organisiert hatte und mit absoluter Gewalt über Person und Eigentum seiner Unterthanen gebot, so lagen die Dinge für Paraguay nicht ungünstig.
Jedoch gelang es den Brasiliern, in Uruguay Flores zur Herrschaft und dadurch diesen Staat auf ihre Seite zu bringen, und die Argentinische Republik wurde von Lopez selbst in frevelhaft leichtsinniger Weise zum Kriege gereizt. Im April 1865 erschienen plötzlich paraguayische Schiffe [* 17] in dem Hafen von Corrientes, einer Stadt der Argentina, nahmen hier ankernde brasilische Schiffe weg und bemächtigten sich, ohne daß eine Kriegserklärung geschehen war, der Stadt.
Die Folge war, daß sich Brasilien, die Argentina und Uruguay zu gemeinsamer Kriegführung wider Paraguay verbündeten. Eine Unternehmung Lopez' gegen Uruguay schlug gänzlich fehl. Dennoch behauptete sich Paraguay mit Erfolg gegen die Übermacht seiner Gegner, da Uruguay und Argentina durch innere Unruhen geschwächt wurden und der letztere Staat durch seinen Anspruch auf die Oberleitung der militärischen Operation sich mit Brasilien entzweite. 1865-66 hatte der Krieg daher gar keinen Fortgang, war aber dennoch äußerst verlustreich, zumal da im Mai 1867 die Cholera ausbrach. Im Juli 1867 begannen die Brasilier, denen fast allein die Last der Kriegführung zufiel, unter Caxias den Angriff auf Humaitá, den festesten Punkt Paraguays am Fluß Paraguay Ende des Jahrs gelang ihnen, obwohl Lopez entschlossen und tapfer immer wieder Offensivstöße unternahm, die teilweise Einschließung der Festung. [* 18] Im Februar 1868 wurde auch die brasilische Panzerflotte auf dem Paraguay aus der gefährlichen Lage befreit, in welche sie durch die Einschließung zwischen Curupaity und Humaitá geraten war, darauf die Estancia de Santa Anna, ein nördlich von Humaitá gelegenes Werk, erstürmt.
Lopez gab jetzt Humaitá preis, dessen kleine, aber tapfere Besatzung sich erst 24. Juni, durch den Hunger bezwungen, ergab, und zog sich nach dem Norden [* 19] zurück, wohin ihm im Oktober die brasilische Flotte auf dem Strom und das Landheer folgten. Lopez' befestigtes Lager [* 20] bei Lomas-Valentinas wurde 15. Dez. nach sechstägigem Kampf erstürmt, Asuncion im Januar 1869 besetzt. Dennoch setzte der Diktator den Kampf mit verzweifelter Hartnäckigkeit fort und zwang durch grausame Unterdrückung jeder Opposition auch die Bevölkerung, [* 21] ihre letzten Kräfte für seine verlorne Sache aufzuopfern.
Anfang Mai 1869 übernahm der Graf d'Eu, Gemahl der Kronprinzessin von Brasilien, den Oberbefehl des brasilischen Heers, stürmte 12. Aug. die feste Position Lopez' bei Piriteba und schlug ihn 15. Aug. vollständig bei Curupaity. Lopez mußte sich nach den nordwestlichen Wäldern und Höhen von Paraguay zurückziehen und führte noch den ungleichen Kampf fort, bis er ereilt und getötet wurde. Dies war der Schlußakt des fünf Jahre lang dauernden grausamen Kriegs, der Paraguay furchtbar verwüstet zu den Füßen der Sieger legte. Der Hunger und epidemische Krankheiten wüteten unter dem Reste der Bevölkerung. Vier Fünftel der Einwohner gingen im Krieg und an seinen Folgen zu Grunde.
Am wurden von einer Nationalversammlung provisorisch C. A. Rivarola, ein früherer Sergeant in der Lopezschen Armee, zum Präsidenten und Cupo Miltos zum Vizepräsidenten von Paraguay gewählt. Zugleich wurde die jetzige, sehr demokratische Verfassung vereinbart und darauf definitiv Don Salvador [* 22] Jovellanos auf drei Jahre zum Präsidenten gewählt. Nach dem Friedensvertrag zwischen Brasilien und Paraguay (April 1872) wurde der nördlichste Teil der Republik an Brasilien abgetreten. Im Oktober schloß Argentinien einen Vertrag mit Paraguay, der den Pilcomayo als einstweilige Grenze im streitigen Chacogebiet festsetzte.
Die Entscheidung des Streits ward dem Präsidenten der nordamerikanischen Union, Hayes, übertragen, der am zu gunsten Paraguays entschied. Im Mai 1879 wurde der größere Teil des Gran Chaco [* 23] an Paraguay zurückgegeben. Erst im Juni 1876 verließen die letzten fremden Truppen das Gebiet von Paraguay. Das Heer von Paraguay wurde auf 2000 Mann vermindert und durch eine Anleihe in London [* 24] den dringendsten Finanznöten abgeholfen. Am wurde J. Bautista Gill von der volkstümlichen Partei der Colorados zum Präsidenten der Republik erwählt, aber aus Privatrache ermordet.
Nachdem der Vizepräsident Uriarte provisorisch die Regierung geführt, ward Bareiro, ein ehrlicher, gebildeter Mann, zum Präsidenten gewählt. Derselbe bemühte sich, die Ruhe im Lande zu sichern und den Wohlstand zu fördern, starb aber schon im September 1880. Ihm folgte General Caballero und diesem 1886 Escobar.
Vgl. Rengger, Reise nach Paraguay 1818-26 (Aarau [* 25] 1835);
de Castelnau, Expédition dans les parties centrales de l'Amérique du Sud 1843-47 (Par. 1850 ¶