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Erdöl, [* 2] Ozokerit, Asphalt und in dem durch trockne Destillation [* 3] aus Holz, [* 4] Torf, bituminösem Schiefer, Braun- und Steinkohle erzeugten Teer. In Deutschland [* 5] wird es besonders aus Braunkohlen dargestellt. Es eignen sich aber nur wenige Braunkohlensorten zur Verarbeitung auf Paraffin. Das beste Resultat liefert die zwischen Halle, [* 6] Zeitz [* 7] und Weißenfels [* 8] vorkommende erdige helle Schwelkohle, von welcher der Pyropissit am wertvollsten ist. Die Kohle wird der trocknen Destillation unterworfen, d. h. bei Luftabschluß erhitzt, und zwar geschah dies früher in gußeisernen Retorten, 2,5-3 m langen Röhren [* 9] von elliptischem Querschnitt, die, horizontal in einen Ofen eingemauert, am hintern Ende verschlossen sind, durch die vordere Öffnung mit Schwelkohle in 10 cm hoher Schicht beschickt und durch Braunkohlenfeuerung erhitzt werden.
Die in der geschlossenen Retorte alsbald sich entwickelten Dämpfe und Gase [* 10] entweichen durch ein am hintern Ende derselben befindliches Rohr, und man erhält als Rückstand eine pulverige, koksartige Kohle, welche als Grude (s. d.) in den Handel kommt und als sparsames Brennmaterial benutzt wird. Gegenwärtig benutzt man stehende, aus Schamottesteinen konstruierte Retorten AA von etwa 5-7 m Höhe u. 125-188 cm Weite (s. Figur). Sie enthalten ein System von 30-40 jalousieartig übereinander liegenden Glockenringen aa, die durch eine durch Stege gehende Tragstange im Zentrum des Cylinders gehalten werden und mit Einschaltung von zwei größern Ringen einen zweiten cylindrischen Raum bilden.
Der Raum bb, welcher zwischen den Ringen und der Cylinderwandung bleibt u. 5-9 cm breit ist, nimmt die Kohlen auf, welche oben auf den Glockenhut D geschüttet werden und über diesem noch einen Kegel von 1-1,5 hl Inhalt bilden. Nach unten verläuft der Cylinder in einen Trichter B u. einen cylindrischen Behälter C, beide mit Schiebern c und d zum Ausziehen der abgeschwelten Kohlen. Die Cylinder werden durch schlangenförmig um sie herumgehende oder durch steigende und fallende Feuerzüge erhitzt.
In der obern Zone von D bis X2 ^[X2] wird aus den Kohlen fast nur Wasser ausgetrieben, in der folgenden von X2 ^[X2] bis X1 ^[X1] wird der Prozeß eingeleitet und in der dritten von X1 ^[X1] bis Ia vollendet. Ein Cylinder schwelt in 24 Stunden etwa 50-70 hl Kohle ab. Die Kohle passiert den Cylinder in 36 Stunden; unten zieht man beständig die abgeschwelte Kohle in kleinen Quantitäten hervor, während in demselben Maß frische Kohle oben aufgeschüttet wird. Die Gase und Dämpfe treten in den innern Glockenraum und von hier durch zwei horizontale Abzugsrohre F und G in die Vorlage Z und in die Kondensationsvorrichtungen.
Beim Ziehen des Schiebers d wird für den Fall einer Explosion die Vorlage durch die Drosselklappe [* 11] M abgesperrt. Da der Gang [* 12] der trocknen Destillation, Natur und Menge der Destillationsprodukte wesentlich von der Temperatur abhängig sind, so hat man, um letztere sicherer zu regulieren, überhitzten Wasserdampf in die Retorten geleitet und die äußere Heizung [* 13] stark beschränkt oder ganz eingestellt. Man erhält nach dieser Methode eine bei weitem größere Menge Teer als nach andern Methoden, doch enthält der Dampfteer weder Paraffin noch Mineralöle, die erst bei einer zweiten Destillation gebildet werden.
Die aus den Retorten oder Cylindern entweichenden Gase und Dämpfe werden in langen Rohrleitungen durch die umgebende Luft oder auffließendes Wasser abgekühlt und teilweise kondensiert. Innerhalb der Kondensationsvorrichtungen wird ein saugender Apparat angebracht, welcher die Destillationsprodukte möglichst schnell aus der heißen Retorte entfernt. In zu hoher Temperatur würden die dampfförmigen wertvollen Teerbestandteile zersetzt und in Gase verwandelt, die Ausbeute mithin stark vermindert werden.
Aus den Kondensationsapparaten fließen Teer und Wasser in Bassins ab und werden durch eine der Florentiner Flasche [* 14] ähnliche Vorrichtung voneinander getrennt. Die nicht verdichteten Gase läßt man durch hohe Schornsteine entweichen. Ganz ähnlich wie die Braunkohle werden in Schottland einige Sorten sehr wasserstoffreicher Steinkohle verarbeitet. Der aus den verschiedenen Kohlen gewonnene Teer ist hellgelb, braun, grünlich oder schwarz, riecht durchdringend empyreumatisch und besteht aus wechselnden Mengen flüssiger und fester Kohlenwasserstoffe, organischer Basen, saurer Körper und Brandharze. Je nach der Zusammensetzung ist er dünn- oder dickflüssig oder butterartig.
Die Ausbeute an Teer schwankt von wenigen bis 50 Proz. und mehr. Bei der Verarbeitung des Teers trennt man durch fraktionierte Destillation aus eisernen Apparaten paraffinfreie von paraffinhaltigen Ölen und bringt letztere durch Abkühlung zur Kristallisation, worauf man das kristallisierte Paraffin durch Filter- und hydraulische Pressen abscheidet. Die abgepreßten Öle [* 15] enthalten noch viel Paraffin und werden abermaliger fraktionierter Destillation unterworfen, worauf man die paraffinhaltigen Produkte abermals abkühlt.
Dies Verfahren wird so lange fortgesetzt, als es noch lohnt. Sobald aus den Ölen beim Kühlen Paraffin nicht mehr auskristallisiert, muß man die tüchtigsten Bestandteile des Öls, [* 16] welche das Paraffin in Lösung erhalten, durch eine erneute fraktionierte Destillation abtrennen. Die Menge des kristallisierenden Paraffins ist sehr wesentlich auch von der Art des Kühlens abhängig. Mit guter Kühlung umgeht man kostspielige Destillationen, welche durch teilweise Umwandlung von Paraffin in flüssige und gasförmige Kohlenwasserstoffe Verluste bringen.
Man verlegt deshalb die Fabrikation in den Winter, da künstliche Kühlung zu teuer und schwierig durchführbar ist. Die flüssigen paraffinhaltigen Destillate werden unter Einblasen von Luft mit wenig Schwefelsäure, [* 17] dann mit Natronlauge gemischt. Erstere beseitigt die basischen Bestandteile und die Brandharze, letztere die sauren Körper. Das rohe Paraffin ist gefärbt und riecht nach Teeröl. Man schmelzt es mit leichtem Teeröl zusammen und preßt es nach dem Erstarren, entfärbt es auch durch Knochenkohle und
[* 1] ^[Abb.: Cylinder zur Darstellung von Braunkohlenteer.] ¶
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Filtration und beseitigt den Geruch durch Behandeln mit stark gespanntem Wasserdampf. Das gereinigte Paraffin kommt in Form von Tafeln oder Blöcken in den Handel. In ähnlicher Weise wie aus Braunkohle wird Paraffin aus Erdwachs und Erdöl gewonnen, in letzterm Fall als Nebenprodukt. Die bei der Fabrikation entfallenden Teeröle finden unter verschiedenen Namen technische Verwendung (s. Mineralöle). Bester Braunkohlenteer liefert 17, Rangunteer 10, javanisches Erdöl 40, Teer aus Bogheadkohle bis 15, Erdwachs bis 50 Proz. und mehr, amerikanisches russisches und galizisches Erdöl sehr wenig.
Paraffin wurde 1830 von Reichenbach [* 19] im Holzteer entdeckt, nachdem Bucher schon 1820 eine fettartige Substanz aus Erdöl von Tegernsee erhalten hatte, deren Identität mit Paraffin Kobell erkannte. Reichenbach nannte den Körper Paraffin, weil er sich auffallend wenig reaktionsfähig (parum affinis) zeigte. Die Paraffine aus Erdöl enthalten vornehmlich Kohlenwasserstoffe der Sumpfgasreihe, die Teerparaffine vorwiegend solche der Äthylenreihe u. a. Der Wert der Paraffine wird hauptsächlich durch den Schmelzpunkt bedingt, welcher zwischen 30 und 63° liegt.
Die bei und über 50° schmelzenden Sorten nennt man harte, die leichter schmelzbaren weiche Paraffine. Je härter, desto wertvoller sind sie, und man sucht deshalb die schwer schmelzbaren Kohlenwasserstoffe von den leichter schmelzbaren möglichst zu trennen, was aber nur unvollständig gelingt. Die Paraffine des Handels sind stets kristallinisch, farb-, geruch- und geschmacklos, durchscheinend, fühlen sich schlüpfrig an, spez. Gew. 0,869-0,877, sieden bei 350-400°, entzünden sich an der Luft bei etwa 160°, lösen sich in Äther, Benzol, Schwefelkohlenstoff, flüchtigen und fetten Ölen, wenig in Alkohol, nicht in Wasser.
Mit Walrat, Wachs und Stearinsäure lassen sie sich zusammenschmelzen. Sie widerstehen verdünnten Säuren und Alkalien, und besonders die harten sind sehr beständig. Bei hoher Temperatur, namentlich unter erhöhtem Druck, zerfallen sie in flüssige und gasförmige Kohlenwasserstoffe. Beim Erhitzen mit Schwefel entwickelt Paraffin sehr gleichmäßig Schwefelwasserstoff. Belmontin ist Paraffin aus Rangunteer, Vaselin (Kolloidparaffin) weiches Paraffin aus pennsylvanischem Erdöl, Ceresin Paraffin aus Ozokerit.
Das härteste Paraffin dient zur Fabrikation von Kerzen und zum Überziehen von Fleisch und Früchten behufs der Konservierung; weiches dient als Zusatz zu Stearin und Wachs bei der Kerzenfabrikation, [* 20] zum Tränken der schwefelfreien Reibzündhölzchen, zur wasserdichten Appretur von Geweben, Leder, Tauen, zur Herstellung der Wachspuppen, als Schmiermittel, zum Konservieren von Holz, zur Gewinnung zarter Parfüme, zum Dichten der Fässer, zum Verhüten des Schäumens beim Verkochen der Rübensäfte, zum Satinieren und Polieren von Glanzpapier, als Surrogat des Wachses (Ceresin), zum Tränken von Gipsabgüssen, bei Herstellung von Patronen, als Brennmaterial in der Glasbläserlampe, bei Fabrikation von Hartglas, zu Bädern und auch sonst als Hilfsmittel bei chemischen Operationen. Paraffin wurde 1849 von Reece in Irland aus Torfteer, von Wagemann und Vohl zu Beuel bei Bonn [* 21] aus Schieferteer dargestellt. Zu größerer Bedeutung gelangte diese Industrie aber erst, als man zu Anfang der 50er Jahre in Schottland aus einigen Sorten Steinkohle (besonders Bogheadkohle) und 1856 in der Provinz Sachsen [* 22] aus Braunkohle große Ausbeute gewann.
Young in England und Hübner in Rehmsdorf bei Zeitz erwarben sich besonders um die Entwickelung der Paraffinindustrie große Verdienste. 1885 wurden in der Provinz Sachsen ca. 160,000 Ztr. Paraffin aus ca. 1,165,000 Ztr. Braunkohlenteer gewonnen; daneben 240,000 Ztr. Leuchtöle und 480,000 Ztr. schwere Öle. England liefert jährlich ca. 600,000 Ztr. Paraffin. Die Industrie leidet sehr unter der Konkurrenz andrer, die sich mit Herstellung von Leuchtmaterialien befassen, die sächsische Paraffinindustrie speziell auch unter dem Umstand, daß die verwendbare Braunkohle fast erschöpft ist.
Vgl. Albrecht, Das Paraffin und die Mineralöle (Stuttg. 1875);
Perutz, Die Industrie der Mineralöle etc. (Wien [* 23] 1868-80, 2 Bde.).