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wichen, statt zweier hinfort drei Oberhäupter. Diese drei Päpste wurden sodann in Konstanz [* 2] zur Abdankung bestimmt und der Grundsatz durchgefochten, daß das Konzil über dem Papst stehe. Abermals beging man indes den Fehler, noch vor beendigter Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern ein neues Oberhaupt, Martin V., einzusetzen. Dieser erregte alsbald Parteiungen im Schoß der Versammlung, unterhandelte mit den Einzelnen, räumte wenig ein, versprach mit Rückhalt und lähmte die Thätigkeit des Konzils so sehr, daß dieses sich endlich auflöste, nachdem es nur das Schisma beendigt und die monarchische Gewalt des Papstes wiederhergestellt hatte.
Das Konzil zu Basel [* 3] 1431 versuchte nun die Reformation durchzusetzen, indem es Eugen IV. in Felix V. einen neuen Papst entgegenstellte. Aber die Furcht vor einem abermaligen Schisma, die Hussitenunruhen und die allgemeine Bewegung der Geister machten die Versammlung ängstlich; es gelang der römischen Schlauheit, Frankreich und Deutschland [* 4] vom Konzil zu trennen: mit jenem ward die Pragmatische Sanktion zu Bourges 1438 abgeschlossen, mit diesem das Aschaffenburger Konkordat verhandelt (1448). Das Baseler Konzil ward durch ein andres Konzil zu Florenz [* 5] in Schach gehalten und war der ultramontanen Partei gegenüber bald ganz ohnmächtig. So brachten die großen Konzile der Welt nicht nur die Reform der Kirche nicht, sie verstärkten selbst die Macht des Mißbrauchs, indem sie sich letzterm gegenüber ohnmächtig erwiesen.
Schon im 15. Jahrh. brachten es die Päpste wieder so weit, daß ihnen die volle Hälfte aller geistlichen Einkünfte des Occidents zufloß. Während das Papsttum die Christenheit unter einem ertötenden geistigen Druck hielt und schamlos ausbeutete, widmete es sich ganz seinen weltlichen Interessen, indem es vor allem den Kirchenstaat zu vergrößern suchte. Besonders legten es die sechs letzten Päpste dieser Periode recht darauf an, der Welt zu beweisen, daß dem Papst alles zu thun erlaubt sei; unter ihnen ragte vor allen Alexander VI. hervor, der an Mord, Blutschande, Gewaltthätigkeiten unter allen Tyrannen in der Weltgeschichte wenige seinesgleichen findet. Julius II., ein Soldat auf St. Peters Stuhl, und Leo X., der freie, epikureische Mediceer, reichen zwar nicht an seine Verworfenheit; aber dem Charakter eines Kirchenfürsten entsprechen auch sie nicht. Die Päpste der sechsten Periode (202-226) sind:
Johann XXII. | (1316-34), |
Benedikt XII. | (bis 1342), |
Clemens VI. | (bis 1352), |
Innocenz VI. | (bis 1362), |
Urban V. | (bis 1370), |
Gregor XI. | (bis 1378), |
Urban VI. | (bis 1389), |
Bonifacius IX. | (bis 1404), |
Innocenz VII. | (bis 1406), |
Gregor XII. | (bis 1410), |
Alexander V. | (bis 1410), |
Johann XXIII. | (bis 1415), |
Martin V. | (1417-31), |
Eugen IV. | (bis 1447), |
Felix V. | (bis 1449), |
Nikolaus V. | (bis 1455), |
Calixtus III. | (bis 1458), |
Pius II. | (bis 1464), |
Paul II. | (bis 1471), |
Sixtus IV. | (bis 1484), |
Innocenz VIII. | (bis 1492), |
Alexander VI. | (bis 1503), |
Pius III. | (1503), |
Julius II. | (bis 1513), |
Leo X. | (bis 1521). |
Die Reihe der römischen Päpste während des Schismas ist: Urban VI., Bonifacius IX., Innocenz VII., Gregor XII.;
in Avignon dagegen residierten als schismatische Päpste: Clemens VII. (bis 1394) und Benedikt XIII. Zu Pisa [* 6] wurden 1409 Gregor XII. und Benedikt XIII. abgesetzt und Alexander V. ernannt, welchem Johann XXIII. folgte, an dessen Stelle zu Konstanz 1417 Martin V. trat.
Zwischen Eugen IV. und Felix V. kam es nicht mehr zum förmlichen Schisma.
Die siebente Periode reicht von der Reformation bis zur französischen Revolution (1517-1789). Der Abfall der germanischen Nationen in der Reformation erschütterte das Papsttum in seinen Grundfesten; es entstanden protestantische Mächte, welche den Päpsten ganz frei gegenüberstanden und ihnen keinerlei Vorrang, am wenigsten das Privilegium eines mit besondern Gaben und Vorrechten ausgestatteten Priestertums und einer sichtbaren Repräsentation Christi, zugestanden.
Das Papsttum mußte daher alles aufbieten, um nicht bloß die Verluste an seinem Herrschaftsterritorium zu ersetzen, sondern vor allem seine Autorität als geistliche Macht der Welt gegenüber zu restaurieren. Die nächsten Schritte wurden im Kampf gegen den Protestantismus zum Schutz des noch Gebliebenen und zur Wiedereroberung des Verlornen gethan. Unter den Maßregeln dieser Art steht das Tridentiner Konzil obenan, welches den katholischen Lehrbegriff scharf begrenzte und mit einem Bollwerk von Anathemen umzog.
Hierher gehört auch die Geltendmachung der dogmatischen Prinzipien in der äußern Praxis durch Revision der liturgischen und kanonischen Schriften, durch Einführung des Index librorum prohibitorum und durch die Stiftung des Jesuitenordens, in welchem der römische Stuhl eine überaus wichtige Stütze erhielt. Von dem Papstideal eines Gregor VII. und Innocenz III. war man stillschweigend zurückgekommen. Oft lag während dieser Jahrhunderte die Mutterkirche mit ihren Söhnen im Hader, ohne endlich etwas andres als Nachgeben oder Ignorieren ihrer trotzigen Sprache [* 7] übrig zu behalten.
Bann und Interdikt hatten ihre Schrecken verloren. In dem Streit über die gallikanische Kirchenfreiheit mit Ludwig XIV. wurde dem römischen Stuhl bei allem Respekt gegen seine Glaubenssätze doch gerade der Gehorsam verweigert, den er am liebsten zum Glaubenssatz erhob. Anderseits ist nicht zu verkennen, daß der päpstliche Stuhl nach den Stürmen der Reformation sich wieder auf mehr religiösen als politischen Grundlagen befestigte, zuweilen sogar auch in politischen Verwickelungen die Lösung herbeiführte oder vermittelte. In letzterer Hinsicht war nämlich seine Stellung um so wichtiger, als in Italien [* 8] die Pläne Österreichs, Frankreichs und Spaniens sich durchkreuzten und die Freundschaft des Papstes ein förderlicher Bundesgenosse für jede der streitenden Parteien war.
Ferner machte sich auch die Überlegenheit des italienischen Geistes in diplomatischen Künsten geltend, ehe durch Ludwig XIV. Frankreich tonangebend für das übrige Europa [* 9] ward. Unter solchen schützenden Umständen blieb der schamlose Nepotismus, den viele Päpste übten, die furchtbare Finanzverwirrung, die unter Innocenz X. sogar den Kornhandel zum Monopol der päpstlichen Kammer machte, für die Ehre des Stuhls Petri ohne wesentliche Nachteile; Rom und [* 10] der Kirchenstaat erfuhren allein die Folgen der Korruption ihres Regenten.
Das Papsttum selbst blieb ziemlich unangefochten. Die Aufhebung des Jesuitenordens, welchem das Papsttum den besten Teil seiner neuen Erfolge verdankte, führte neue und bedenkliche Verlegenheiten herbei. Dieselbe war von den weltlichen Mächten geradezu erzwungen worden; sie kann als Thatbeweis dafür gelten, daß durch die Reformation selbst die katholischen Staaten ihrer nationalen Selbständigkeit und ihrer politischen Freiheit und Hoheit wieder bewußt geworden und nicht länger mehr gesonnen waren, päpstlichen Ansprüchen blind zu dienen. Erst der Rückschlag gegen die französische Revolution brachte einen Stillstand in diese Bewegung. Zeichen der Zeit aber waren es, ¶
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daß der Westfälische Friede, die Grundlage der modernen Staatenverhältnisse, vom Papst allein vergeblich verworfen wurde, daß sich seit Karl V. kein deutscher Kaiser mehr vom Papst krönen ließ, daß die Nationalkirchen, besonders in Frankreich, wieder nach Selbständigkeit verlangten (s. Gallikanische Kirche). Die Päpste der siebenten Periode (227-259) sind:
Hadrian VI. | (1522-23), |
Clemens VII. | (bis 1534), |
Paul III. | (bis 1549), |
Julius III. | (1550-55), |
Marcellus II. | (1555), |
Paul IV. | (bis 1559) |
Pius IV. | (bis 1565), |
Pius V. | (1566-72), |
Gregor XIII. | (bis 1585), |
Sixtus V. | (bis 1590), |
Urban VII. | (1590), |
Gregor XIV. | (bis 1591), |
Innocenz IX. | (1591), |
Clemens VIII. | (1592-1605), |
Leo XI. | (1605), |
Paul V. | (bis 1621), |
Gregor XV. | (bis 1623), |
Urban VIII. | (bis 1644), |
Innocenz X. | (bis 1655), |
Alexander VII. | (bis 1667), |
Clemens IX. | (bis 1669), |
Clemens X. | (1670-76), |
Innocenz XI. | (bis 1689), |
Alexander VIII. | (bis 1691), |
Innocenz XII. | (bis 1700), |
Clemens XI. | (bis 1721), |
Innocenz XIII. | (bis 1724), |
Benedikt XIII. | (bis 1730), |
Clemens XII. | (bis 1740), |
Benedikt XIV. | (bis 1758), |
Clemens XIII. | (bis 1769), |
Clemens XIV. | (bis 1774), |
Pius VI. | (1775-99). |
Die achte Periode reicht von Kaiser Joseph II. bis auf die Gegenwart. Die Päpste dieser letzten Periode (260-265) sind:
Pius VII. | (1800-1823), |
Leo XII. | (bis 1829), |
Pius VIII. | (bis 1830), |
Gregor XVI. | (1831-46), |
Pius IX. | (bis 1878), |
Leo XIII. | (seit 1878). |
Stürme, wie sie seit den Zeiten Bonifacius' VIII. und Leos X. nicht wieder vorgekommen waren, brachen in dieser Periode über den Stuhl Petri herein und führten ihn an den Rand des Abgrundes. Sie begannen auf dem kirchlichen Gebiet mehrere Dezennien früher als auf dem Boden des Staats. Nicht allein die dogmatische Grundlage des Katholizismus war durch die Einreden der englischen und französischen Freigeister längst erschüttert, sondern durch die kirchenrechtlichen Untersuchungen eines Justinus Febronius (Hontheim) war auch die päpstliche Universalherrschaft in ihrer Unhaltbarkeit dargethan und eine aristokratische Regierung der Landeskirchen mit den Primaten an der Spitze als der Normalzustand empfohlen worden.
Solcherlei fand damals in der katholischen Welt allgemein Anklang; die vier Erzbischöfe Deutschlands [* 12] traten in Bad [* 13] Ems [* 14] (1786) zusammen, um der päpstlichen Nunziatur in München [* 15] zum Trotz die Unabhängigkeit der bischöflichen Gewalt von der römischen festzusetzen (s. Emser Kongreß). Noch weiter ging der Kaiser Joseph II., indem er den gesunkenen kirchlichen Zustand aus landesherrlicher Machtvollkommenheit umzugestalten und einen aufgeklärten, von Rom unabhängigen Priesterstand heranzuziehen versuchte.
Die französische Revolution schien nicht nur dem Priestertum und der Hierarchie, sondern der Kirche überhaupt, ja dem Christentum ein Ende machen zu wollen, und selbst die weltliche Souveränität des Papstes über den Kirchenstaat wurde aufgehoben, als französische Armeen Italien überschwemmten und auch Rom in eine Republik verwandelten. Napoleon I. erkannte zwar bald die Herstellung einer Nationalkirche als dringendes Erfordernis zur Organisation der zerrütteten Zustände und ließ sich deshalb mit Pius VII. in Unterhandlungen ein; aber in dem Konkordat von 1801 ist kein Schatten [* 16] der alten Papstgewalt mehr zu finden, und auch daß der französische Kaiser sich 1804 vom heiligen Vater in Paris [* 17] krönen ließ, hatte nichts Analoges mit den Kaiserkrönungen der frühern Jahrhunderte, denn der Papst erschien dabei nur als Vasall des neugeschaffenen Herrscherthrons.
Die politische Gesetzgebung Frankreichs stieß gegen die alten Satzungen der Kirche fast durchgehends an, besonders in den Bestimmungen über Schließung und Trennung der Ehe; auch die weltliche Stellung des Kirchenfürsten sah sich durch des Kaisers Pläne vielfach beengt und verdunkelt. Als Pius VII. sich weigerte, zu des Kaisers Absichten auf Österreich [* 18] und England die Hand [* 19] zu bieten, verlor er 1809 weltliche Macht und persönliche Freiheit zugleich. Vergeblich griff er zu der alten geistlichen Waffe des Bannes.
Die Wiederherstellung des Papsttums mit voller Souveränität über den Kirchenstaat 1814 war nicht Wirkung des Bannes, sondern ein diplomatischer Akt des Wiener Kongresses, wozu vornehmlich Rußland, England und Preußen [* 20] mitgewirkt hatten. Von nun an verfolgte Pius VII. einen Restaurationsplan der päpstlichen Herrschaft, wodurch er unbemerkt, bei wenigen fehlgeschlagenen Versuchen, der Kurie eine Prärogative nach der andern wiedergewann. Die Wiederherstellung des Jesuitenordens der Abschluß günstiger Konkordate mit katholischen Staaten, die Wiedereinführung der Inquisition in Rom (1814), der Index, das Verbot des Freimaurerordens, der Stil seiner Bullen, Breven und Hirtenbriefe charakterisieren das unausgesetzte Streben dieses Papstes nach neuer Begründung der Hierarchie. Leo XII. und Pius VIII. fuhren fort, im Geiste der begonnenen kirchlichen Restauration zu handeln; aber sie besaßen nicht die kluge Umsicht ihres Vorgängers, gerieten in harte Konflikte und ließen den Kirchenstaat im Zustand höchster politischer Aufregung zurück.
Gregor XVI. verkannte als Regent des Kirchenstaats die Forderungen des Zeitgeistes und erregte immer von neuem Empörungsversuche gegen sein hartes, mittelalterliches System, für dessen Aufrechterhaltung er auf fremden Schutz zählte. Mit besserm Erfolg trat er als Kirchenfürst den katholischen und akatholischen Staaten gegenüber. Einer seiner ersten Erlasse war die Konstitution »Sollicitudo ecclesiarum« (vom worin erklärt wurde, daß der heilige Stuhl aus Rücksicht auf das Wohl der Christenheit und zur Aufrechterhaltung der geistlichen Verbindungen die faktisch bestehenden Regierungen jedesmal anerkennen werde, ohne dadurch in der Rechtsfrage irgendwie zu entscheiden.
Sein Nachfolger Pius IX. schien als Mann der Reform das Pontifikat einer bessern Zeit entgegenführen zu wollen, und nie ist eine Papstwahl mit solchem Enthusiasmus begrüßt worden wie diese; aber nur zu bald wurden Wünsche laut, denen der Inhaber des Stuhls Petri nicht gerecht werden konnte, und nur durch französische Hilfe ward die päpstliche Autorität 1849 in Rom hergestellt. Den empfindlichsten Schlag aber erlitt das Papsttum, als auch Kaiser Napoleon III. die Frage der weltlichen Herrschaft des Papstes als eine rein weltliche Frage ansah und zuließ, daß Viktor Emanuel 1860 den größten Teil des Kirchenstaats dem Königreich Italien annektierte.
Dem Verlangen desselben, Rom zu seiner natürlichen Hauptstadt zu erheben und den Papst mit Verwilligung seiner Residenz daselbst sowie einer entsprechenden Besoldung abzufinden, widerstand Frankreich bis zum großen deutschen Krieg. Im September 1870 zogen die italienischen Truppen in Rom ein. Seitdem ist der Papst eigentlich nur noch Kirchenhaupt, und es ist daher sein Verhältnis zu den Staatshäuptern Europas, zu welchen er bisher gezählt, auf einen neuen staats- und völkerrechtlichen Ausdruck zu bringen. Alle Proteste Pius' IX. dagegen, seine Zurückweisung des italienischen Garantiegesetzes änderten an dieser Sachlage nichts. ¶