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von allem Verband [* 2] mit Staat und Familie abgelöst und zu einem großen Heer von päpstlichen Beamten umgewandelt. Der Papst ist nicht bloß die höchste, sondern auch die einzige ordentliche Würde in der Kirche, alle übrigen sind nur ein Ausfluß [* 3] von ihm; er ist also nicht bloß Nachfolger des Petrus, sondern Stellvertreter Christi auf Erden. Von dieser Unterwürfigkeit legten alle Kirchenbeamten gleich bei ihrer Einführung Zeugnis ab: die Erzbischöfe holten in Rom [* 4] das Pallium, [* 5] die Bischöfe erhielten von Rom ihre Konfirmation, und während ihrer Amtsführung ward ihnen das Unterthänigkeitsverhältnis dadurch stets ins Gedächtnis zurückgerufen, daß alle einzelnen Rechte des Bischofs und Erzbischofs auch vom Papst in ihrem Sprengel ausgeübt wurden, er sich als Ordinarius, sie aber als Delegierte hinstellte.
Die höchste Entscheidung in kirchlichen und Ehesachen wohnte fortan dem römischen Stuhl bei. Was sonst jedem Bischof in seiner Diözese freistand, und zwar nur ihm allein: von Verbrechen zu absolvieren, von Strafen zu dispensieren, die niedern Pfründen und Benefizien zu verleihen, Heilige zu kanonisieren, kirchliche Auflagen auszuschreiben, dies geschah jetzt ebenfalls nur kraft von Rom erhaltenen Auftrags. Durch die Aussendung von päpstlichen Legaten mit allgemeiner Vollmacht zur Visitation der Kirche setzte Gregor VII. seiner hierarchischen Autokratie die letzte Spitze auf.
Wohin ein solcher
Legat kam, war sofort jedes
Recht des Ortsbischofs erloschen, und die
Rechtspflege wie
die
Administration geschah im
Namen des Papstes. Die päpstliche
Universalmonarchie, wie sie während des 12. und 13. Jahrh.
faktisch bestand, vielleicht die großartigste Realisierung einer
Idee, welche je zur
Darstellung gekommen ist, fand ihre Haupt
träger
und Vertreter nach
Gregor VII. in
Hadrian IV. und
Alexander III. zu
Friedrichs I. Zeit, dann in dem größten
aller Päpste, dem ersten wirklichen
Souverän des
Kirchenstaats,
Innocenz III., nach ihm in
Gregor IX. und
Innocenz
IV., den furchtbaren
Gegnern
Friedrichs II., endlich in
Bonifacius VIII., welcher die
Grundsätze der
Hierarchie in ihrer äußersten
Konsequenz aussprach, aber auch durch einen überlegenen Gegner, König
Philipp IV. von
Frankreich, gestürzt wurde.
Die Kaiser hatten sich beugen müssen; England, Polen, Ungarn, [* 6] Bulgarien, [* 7] Aragonien, Sizilien [* 8] waren dem päpstlichen Stuhl zinspflichtige Königreiche; hätten die Kreuzzüge, an sich schon ein Erweis päpstlicher Macht über die Gemüter, Erfolg gehabt, so wäre auch der Orient tributpflichtig geworden. Die Könige der Erde nannten sich Söhne des Papstes und waren bei den schlechten Verfassungsverhältnissen ihrer Länder, bei der Furcht der Völker vor dem Interdikt, bei der Empörungslust der Vasallen gegen Könige, deren Recht u. Macht fraglich zu werden anfing, der Obervormundschaft des Papstes fast rettungslos verfallen. Die Päpste der fünften Periode (im Katalog der Päpste 163-201) sind:
Gregor VII. | (bis 1085), |
Viktor III. | (1086-1087), |
Urban II. | (1088-1099), |
Paschalis II. | (bis 1118), |
Gelasius II. | (bis 1119), |
Calixtus II. | (bis 1124), |
Honorius II. | (bis 1130), |
Innocenz II. | (bis 1143), |
Cölestin II. | (bis 1144), |
Lucius II. | (bis 1145), |
Eugen III. | (bis 1153), |
Anastasius IV. | (bis 1154), |
Hadrian IV. | (bis 1159), |
Alexander III. | (bis 1181), |
Lucius III. | (bis 1185), |
Urban III. | (bis 1187), |
Gregor VIII. | (1187), |
Clemens III. | (bis 1191), |
Cölestin III. | (bis 1198), |
Innocenz III. | (bis 1216), |
Honorius III. | (bis 1227), |
Gregor IX. | (bis 1241), |
Cölestin IV. | (1241), |
Innocenz IV. | (1243-54), |
Alexander IV. | (bis 1261), |
Urban IV. | (bis 1264), |
Clemens IV. | (1265-68), |
Gregor X. | (1271-76), |
Innocenz V. | (1276), |
Hadrian V. | (1276), |
Johann XXI. | (bis 1277), |
Nikolaus III. | (bis 1280), |
Martin IV. | (1281-85), |
Honorius IV. | (bis 1287), |
Nikolaus IV. | (1288-92), |
Cölestin V. | (1294), |
Bonifacius VIII. | (bis 1303), |
Benedikt XI. | (bis 1304), |
Clemens V. | (bis 1314). |
Viele
dieser Päpste hatten übrigens Gegenpäpste zu bekämpfen, welche meist die
Sache der
Kaiser vertraten. So standen sich
Alexander III. und
Viktor IV. gegenüber, jener durch König
Wilhelm von
Sizilien, dieser durch
Kaiser
Friedrich unterstützt.
Auch nach dem
Tod
Viktors (1164) wählte die kaiserliche
Partei neue Gegenpäpste:
Paschalis,
Calixtus und
Innocenz; aber
Alexander behauptete
sich.
Die sechste Periode reicht von der Verlegung des päpstlichen Stuhls nach Avignon bis zur Reformation (1305-1517) und bezeichnet die Zeit des tiefsten Verfalls des Papsttums. Clemens V. war durch französische Unterstützung zum Papst erhoben worden und stand fortwährend unter französischer Gewalt, so daß er, wie seine Nachfolger, nur gegen andre Mächte, namentlich gegen den Kaiser, die alte Papstsprache anwenden konnte. Der Papst wurde zum Werkzeug der Eifersucht, die Frankreich gegen Deutschland [* 9] nährte, herabgewürdigt; seine ganze Stellung aber ward noch verächtlicher dadurch, daß das Streben der päpstlichen Kurie im Grund nur noch auf Geldgewinnung gerichtet war.
Nach der Entfernung von Rom hörte bald der Zuschuß aus dem dortigen Patrimonium Petri auf, und die kostspielige Hofhaltung war allein auf Finanzspekulationen bei den Gläubigen angewiesen. Die geistlichen Benefizien und Pfründen wurden jetzt von den Päpsten ebenso verhandelt, wie es unter der Herrschaft der von den Kaisern und Fürsten geübten Simonie geschehen war. Unter stets neuen Vorwänden (Ablaß von Sünden, Steuer zum Türkenkrieg, Taxen und Annaten, Spolien, Zehnten, Vakanzen) wurde das Abendland vom Papst gebrandschatzt.
Die Sitten waren nirgends und nie tiefer gesunken als am päpstlichen Hof [* 10] zu Avignon. Vermehrt wurden diese Übelstände und jene Erpressungen, als beim Beginn des päpstlichen Schismas die Haushaltungen verdoppelt wurden. Das Schisma entstand, als nach Gregors XI. Tod 1378 Urban VI. in Rom gewählt wurde, wodurch die 70jährige babylonische Gefangenschaft der Kirche ihr Ende nahm, die meisten Kardinäle dann aber in Avignon einen andern Papst, Clemens VII., auf den Stuhl Petri erhoben.
Das Abendland zerfiel in zwei Hälften, und auch nach dem Absterben der Rivalen war an keine Vereinigung zu denken; denn sofort beeilte sich jede Kardinalpartei, durch die Wahl eines Nachfolgers sich einen neuen Stützpunkt zu verschaffen. So kam es, daß 40 Jahre lang kein allgemein anerkannter Papst zu finden war, und ebenso lange vernahm man die Bannflüche des einen Papstes gegen den andern. Gleichzeitig konsolidierten sich die Staatsgewalten, besonders in Frankreich, immer selbstbewußter und stieg zugleich die Autorität der weltlichen Wissenschaften.
Nur schwer vermochten sich jetzt die Päpste in ihrer Herrschermacht mehr zu behaupten.
Eine
Krise nahte;
man rief nach
»Reform an
Haupt und
Gliedern«, und bald fand man, nach dem Vorgang der
Universität
Paris,
[* 11] nur in einem allgemeinen
Konzil die Möglichkeit der Rettung (s.
Episkopalsystem und
Konzil). Zwar zu
Pisa
[* 12] 1409, wo man einen neuen Papst in der
Person
Alexanders V. einsetzte, noch ehe man die allgemein ersehnte
Reform der
Kirche in
Angriff genommen hatte, gewann man, da auch
die abgesetzten Päpste nicht von ihren
Posten
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mehr
wichen, statt zweier hinfort drei Oberhäupter. Diese drei Päpste wurden sodann in Konstanz
[* 14] zur Abdankung bestimmt und der
Grundsatz durchgefochten, daß das Konzil über dem Papst stehe. Abermals beging man indes den Fehler, noch vor beendigter Reformation
der Kirche an Haupt und Gliedern ein neues Oberhaupt
, Martin V., einzusetzen. Dieser erregte alsbald Parteiungen
im Schoß der Versammlung, unterhandelte mit den Einzelnen, räumte wenig ein, versprach mit Rückhalt und lähmte die Thätigkeit
des Konzils so sehr, daß dieses sich endlich auflöste, nachdem es nur das Schisma beendigt und die monarchische Gewalt des
Papstes wiederhergestellt hatte.
Das Konzil zu Basel [* 15] 1431 versuchte nun die Reformation durchzusetzen, indem es Eugen IV. in Felix V. einen neuen Papst entgegenstellte. Aber die Furcht vor einem abermaligen Schisma, die Hussitenunruhen und die allgemeine Bewegung der Geister machten die Versammlung ängstlich; es gelang der römischen Schlauheit, Frankreich und Deutschland vom Konzil zu trennen: mit jenem ward die Pragmatische Sanktion zu Bourges 1438 abgeschlossen, mit diesem das Aschaffenburger Konkordat verhandelt (1448). Das Baseler Konzil ward durch ein andres Konzil zu Florenz [* 16] in Schach gehalten und war der ultramontanen Partei gegenüber bald ganz ohnmächtig. So brachten die großen Konzile der Welt nicht nur die Reform der Kirche nicht, sie verstärkten selbst die Macht des Mißbrauchs, indem sie sich letzterm gegenüber ohnmächtig erwiesen.
Schon im 15. Jahrh. brachten es die Päpste wieder so weit, daß ihnen die volle Hälfte aller geistlichen Einkünfte des Occidents zufloß. Während das Papsttum die Christenheit unter einem ertötenden geistigen Druck hielt und schamlos ausbeutete, widmete es sich ganz seinen weltlichen Interessen, indem es vor allem den Kirchenstaat zu vergrößern suchte. Besonders legten es die sechs letzten Päpste dieser Periode recht darauf an, der Welt zu beweisen, daß dem Papst alles zu thun erlaubt sei; unter ihnen ragte vor allen Alexander VI. hervor, der an Mord, Blutschande, Gewaltthätigkeiten unter allen Tyrannen in der Weltgeschichte wenige seinesgleichen findet. Julius II., ein Soldat auf St. Peters Stuhl, und Leo X., der freie, epikureische Mediceer, reichen zwar nicht an seine Verworfenheit; aber dem Charakter eines Kirchenfürsten entsprechen auch sie nicht. Die Päpste der sechsten Periode (202-226) sind:
Johann XXII. | (1316-34), |
Benedikt XII. | (bis 1342), |
Clemens VI. | (bis 1352), |
Innocenz VI. | (bis 1362), |
Urban V. | (bis 1370), |
Gregor XI. | (bis 1378), |
Urban VI. | (bis 1389), |
Bonifacius IX. | (bis 1404), |
Innocenz VII. | (bis 1406), |
Gregor XII. | (bis 1410), |
Alexander V. | (bis 1410), |
Johann XXIII. | (bis 1415), |
Martin V. | (1417-31), |
Eugen IV. | (bis 1447), |
Felix V. | (bis 1449), |
Nikolaus V. | (bis 1455), |
Calixtus III. | (bis 1458), |
Pius II. | (bis 1464), |
Paul II. | (bis 1471), |
Sixtus IV. | (bis 1484), |
Innocenz VIII. | (bis 1492), |
Alexander VI. | (bis 1503), |
Pius III. | (1503), |
Julius II. | (bis 1513), |
Leo X. | (bis 1521). |
Die Reihe der römischen Päpste während des Schismas ist: Urban VI., Bonifacius IX., Innocenz VII., Gregor XII.;
in Avignon dagegen residierten als schismatische Päpste: Clemens VII. (bis 1394) und Benedikt XIII. Zu Pisa wurden 1409 Gregor XII. und Benedikt XIII. abgesetzt und Alexander V. ernannt, welchem Johann XXIII. folgte, an dessen Stelle zu Konstanz 1417 Martin V. trat.
Zwischen Eugen IV. und Felix V. kam es nicht mehr zum förmlichen Schisma.
Die siebente Periode reicht von der Reformation bis zur französischen Revolution (1517-1789). Der Abfall der germanischen Nationen in der Reformation erschütterte das Papsttum in seinen Grundfesten; es entstanden protestantische Mächte, welche den Päpsten ganz frei gegenüberstanden und ihnen keinerlei Vorrang, am wenigsten das Privilegium eines mit besondern Gaben und Vorrechten ausgestatteten Priestertums und einer sichtbaren Repräsentation Christi, zugestanden.
Das Papsttum mußte daher alles aufbieten, um nicht bloß die Verluste an seinem Herrschaftsterritorium zu ersetzen, sondern vor allem seine Autorität als geistliche Macht der Welt gegenüber zu restaurieren. Die nächsten Schritte wurden im Kampf gegen den Protestantismus zum Schutz des noch Gebliebenen und zur Wiedereroberung des Verlornen gethan. Unter den Maßregeln dieser Art steht das Tridentiner Konzil obenan, welches den katholischen Lehrbegriff scharf begrenzte und mit einem Bollwerk von Anathemen umzog.
Hierher gehört auch die Geltendmachung der dogmatischen Prinzipien in der äußern Praxis durch Revision der liturgischen und kanonischen Schriften, durch Einführung des Index librorum prohibitorum und durch die Stiftung des Jesuitenordens, in welchem der römische Stuhl eine überaus wichtige Stütze erhielt. Von dem Papstideal eines Gregor VII. und Innocenz III. war man stillschweigend zurückgekommen. Oft lag während dieser Jahrhunderte die Mutterkirche mit ihren Söhnen im Hader, ohne endlich etwas andres als Nachgeben oder Ignorieren ihrer trotzigen Sprache [* 17] übrig zu behalten.
Bann und Interdikt hatten ihre Schrecken verloren. In dem Streit über die gallikanische Kirchenfreiheit mit Ludwig XIV. wurde dem römischen Stuhl bei allem Respekt gegen seine Glaubenssätze doch gerade der Gehorsam verweigert, den er am liebsten zum Glaubenssatz erhob. Anderseits ist nicht zu verkennen, daß der päpstliche Stuhl nach den Stürmen der Reformation sich wieder auf mehr religiösen als politischen Grundlagen befestigte, zuweilen sogar auch in politischen Verwickelungen die Lösung herbeiführte oder vermittelte. In letzterer Hinsicht war nämlich seine Stellung um so wichtiger, als in Italien [* 18] die Pläne Österreichs, Frankreichs und Spaniens sich durchkreuzten und die Freundschaft des Papstes ein förderlicher Bundesgenosse für jede der streitenden Parteien war.
Ferner machte sich auch die Überlegenheit des italienischen Geistes in diplomatischen Künsten geltend, ehe durch Ludwig XIV. Frankreich tonangebend für das übrige Europa [* 19] ward. Unter solchen schützenden Umständen blieb der schamlose Nepotismus, den viele Päpste übten, die furchtbare Finanzverwirrung, die unter Innocenz X. sogar den Kornhandel zum Monopol der päpstlichen Kammer machte, für die Ehre des Stuhls Petri ohne wesentliche Nachteile; Rom und der Kirchenstaat erfuhren allein die Folgen der Korruption ihres Regenten.
Das Papsttum selbst blieb ziemlich unangefochten. Die Aufhebung des Jesuitenordens, welchem das Papsttum den besten Teil seiner neuen Erfolge verdankte, führte neue und bedenkliche Verlegenheiten herbei. Dieselbe war von den weltlichen Mächten geradezu erzwungen worden; sie kann als Thatbeweis dafür gelten, daß durch die Reformation selbst die katholischen Staaten ihrer nationalen Selbständigkeit und ihrer politischen Freiheit und Hoheit wieder bewußt geworden und nicht länger mehr gesonnen waren, päpstlichen Ansprüchen blind zu dienen. Erst der Rückschlag gegen die französische Revolution brachte einen Stillstand in diese Bewegung. Zeichen der Zeit aber waren es, ¶