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annahmen. Zu derselben Zeit kamen auch die Ausdrücke auf: »apostolischer Herr«, »apostolischer Sitz« etc. Den Ehrentitel Papst, den in der griechischen Kirche alle Kleriker führten, gebrauchte in der lateinischen zuerst der römische Bischof Siricius zur Bezeichnung seiner Stellung. Auch unter den übrigen römischen Bischöfen dieser Periode ist noch mancher staatskluge und charakterstarke Mann. Liberius, zuerst wegen seiner Opposition gegen den Arianismus von Constantius exiliert, erwarb 358 durch Übertritt zum Semiarianismus seinen Bischofstuhl wieder, den seit 355 der Arianer Felix II. eingenommen hatte, wodurch die Orthodoxie Roms zum erstenmal befleckt erschien. Übrigens sind diese beiden ketzerischen Päpste von spätern Päpsten heilig gesprochen worden.
Die dritte Periode reicht vom Anfang des 7. bis in die Mitte des 9. Jahrh. oder von Gregor I. bis auf Pseudo-Isidor. Immer fester begründete Rom [* 2] seine Hierarchie unter den germanischen Stämmen. Die fränkischen Könige zwar behaupteten lange Zeit auch in kirchlichen Dingen große Selbständigkeit, dasselbe war in Spanien [* 3] zur Blütezeit des Westgotenreichs der Fall. England dagegen war durch seinen Apostel Augustinus in möglichst enge Beziehung zu dem römischen Stuhl gebracht, und auch Bonifacius, der »Apostel der Deutschen«, hatte dem römischen Stuhl den Eid der Treue geleistet und war vom Papst zum Primas von Deutschland [* 4] ernannt worden.
Dieses Beispiel entschied auch für Frankreich, wohin gleichfalls Bonifacius, um die desorganisierten kirchlichen Verhältnisse zu ordnen, berufen ward. Gleichzeitig trennte der Bilderstreit (s. Bilderdienst und Bilderverehrung) die Päpste, welche hier ganz offen als Feinde der byzantinischen Kaisermacht auftraten, und Rom auf die Dauer von der letztern. Das Exarchat fiel zwar zunächst den Langobarden zu, aber eben gegen diese ging nun das Papsttum einen dauernden Bund mit den Karolingern in Frankreich ein. So wurde es vorbereitet, daß Pippin die fränkische Krone aus der Hand [* 5] des Papstes sich geben ließ und zum Gegendienst diesen dafür von den Langobarden befreite u. mit einem ansehnlichen Land belieh, welches Karl d. Gr. nachmals noch bedeutend erweiterte. So kam das Land zwischen Ravenna und Ancona [* 6] unter päpstliches Regiment.
Die weltliche Herrschaft des Bischofs von Rom war begründet (s. Kirchenstaat). Die Landeshoheit zwar behielt sich Pippin unter dem Titel eines Patriziers der Stadt Rom vor, und auch sein großer Sohn betrachtete und behandelte fortwährend den Papst als seinen Vasallen; indem er aber aus den Händen Leos III. die römische Kaiserkrone empfing, räumte er dem apostolischen Stuhl eine Ehre ein, die bald nachher als Recht von den Päpsten beansprucht und geltend gemacht wurde, und in welcher die nachmalige Erhebung des Papstes über den Kaiser selbst vorgebildet war.
Erstreckte sich die Gewalt des Papstes auch nur auf Sachen des Dogmas und des religiösen Zeremoniells, da der Kaiser das eigentliche Kirchenregiment selbst übte, Bischöfe ernannte, Synoden berief, kirchliche Gesetze bestätigte und ihnen durch Aufnahme in die Kapitularien erst verbindende Kraft [* 7] verlieh: so ließ doch jene Stellung den römischen Bischof als den ersten Mann nächst dem Kaiser erscheinen und schon die Möglichkeit ahnen, daß der Papst einem schwachen Kaiser gegenüber als der absolute Gebieter der Christenheit auftreten könne. Jetzt erst war sein Primat nicht mehr bloß ein Primat des Ranges. Aber der Ruhm der Rechtgläubigkeit wurde auch in dieser Periode schwer kompromittiert durch Honorius I., welchen das sechste ökumenische Konzil 680 und Papst Agatho selbst als Ketzer verdammt hatten. Die Päpste der dritten Periode (im Verzeichnis der Päpste 65-108) sind:
Sabinianus | (bis 606), |
Bonifacius III. | (bis 607), |
Bonifacius IV. | (608-615), |
Deusdedit | (bis 618), |
Bonifacius V. | (619-625), |
Honorius I. | (bis 638), |
Severinus | (640), |
Johann IV. | (bis 642), |
Theodorus I. | (bis 649), |
Martin I. | (bis 653), |
Eugen I. | (654-657), |
Vitalianus | (bis 672), |
Adeodat | (bis 676), |
Donus | (bis 678), |
Agatho | (bis 681), |
Leo II. | (682-683), |
Benedikt II. | (684-685), |
Johann V. | (686), |
Conon | (bis 687), |
Theodorus II. | (687), |
Sergius I. | (bis 701), |
Johann VI. | (bis 705), |
Johann VII. | (bis 707), |
Sisinnius | (708), |
Konstantin I. | (bis 715), |
Gregor II. | (bis 731), |
Gregor III. | (bis 741), |
Zacharias | (bis 752), |
Stephan II. | (752), |
Stephan III. | (bis 757), |
Paul I. | (bis 767), |
Konstantin II. | (bis 768), |
Philippus | (768), |
Stephan IV. | (bis 772), |
Hadrian I. | (bis 795), |
Leo III. | (bis 816), |
Stephan V. | (817), |
Paschalis I. | (bis 824), |
Eugen II. | (bis 827), |
Valentin | (827), |
Gregor IV. | (bis 844), |
Sergius II. | (bis 847), |
Leo IV. | (bis 855), |
Benedikt III. | (bis 858). |
Die vierte Periode begreift die Zeit von der Mitte des 9. bis gegen Ende des 11. Jahrh., d. h. von Pseudo-Isidor bis auf Gregor VII. Waren schon seit etwa 500 eine Reihe von einflußreichen Fälschungen zur Verherrlichung des Papsttums vorgenommen worden, und waren schon fast zu Lebzeiten Pippins und Karls ihre Schenkungen an den römischen Bischof in die Anfangszeiten der Reichskirche zurückverlegt, zur mythischen »Schenkung Konstantins« an Silvester I. umgedichtet worden: so gewann jetzt das Papsttum eine neue und zwar weitaus die mächtigste Stütze durch die zu Reims [* 8] aufgetauchten, angeblich vom Bischof Isidor von Sevilla [* 9] verfaßten Dekretalen (s. Pseudo-Isidorus).
Durch die Aufnahme von vielen der neuen Dekretalen in die Rechtsbücher der Kirche gingen jene allmählich in das gemeine Recht über. Päpsten aus den frühsten Jahrhunderten werden hier die entsprechenden Worte in den Mund gelegt und so eine andre Vergangenheit dem damaligen Zustand untergeschoben. Mit dem Ausdruck eines Episcopus ecclesiae universalis werden Rechte und Befugnisse in Verbindung gesetzt, wodurch die kollegialische Gleichheit aller Bischöfe nach der Cyprianischen Idee völlig vernichtet ward.
Der Inhaber dieses Stuhls heißt das von Gott eingesetzte Haupt, von dem die ganze Kirchenregierung ausgeht, auf dessen Veranstaltung und unter dessen Autorität nur Synoden gehalten werden dürfen, dem höchste Jurisdiktion zukommt etc. Was in den abgelaufenen 800 Jahren nicht hatte errungen werden können, das galt jetzt auf einmal als bestätigt durch das Zeugnis einer ehrwürdigen Vergangenheit, und keine Kritik enthüllte eine so ungeheure Täuschung. Die Päpste nahmen gern an, was ihnen das Zeitalter bot.
Nikolaus I., einer der ersten Päpste, die sich krönen ließen, war ganz der Mann, Vorteil aus dem neuen Privilegienbuch zu ziehen. Er zwang den König Lothar II. von Lothringen, seine verstoßene Gemahlin wieder anzunehmen, bot, die Dekretalen in der Hand, dem ganzen französischen Klerus unter seinem Führer Hinkmar von Reims die Spitze, kassierte die in bester Form schon vollzogene Absetzung des Bischofs Rothad von Soissons und setzte die Bischöfe von Köln [* 10] und Trier [* 11] ab. Sein Nachfolger Hadrian II. gab zwar dieses ganze Gebiet wieder preis; dagegen gelangte Johann VIII., nachdem er Karl dem Kahlen die Kaiserkrone zugewendet hatte, wieder zur ¶
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ausgedehntesten Herrschaft über die französische Kirche. Die Schwäche der letzten Karolinger gab der päpstlichen Politik eine treffliche Gelegenheit, sich bei allen wichtigern Angelegenheiten einflußreich zu beweisen; indes hatte dieselbe Schwäche der regierenden Häupter auch die Folge, daß in Italien, [* 13] ja in Rom selbst, Bürgerkriege ausbrachen, in denen der Papst mehrmals das Geschick der besiegten Partei teilen mußte. Römische [* 14] Adelsfamilien, an ihrer Spitze Theodora und Marozia, konnten es versuchen, das Papsttum ganz zu einer nationalen Macht und zu einem weltlichen Besitztum umzugestalten.
Mit Sergius III. begann die Zeit des sogen. Hurenregiments (Pornokratie), welchem erst das Einschreiten der deutschen Kaiser ein Ende machte; aber jetzt ruhte die Hand der Ottonen schwer auf den Italienern. Die völlige Unterordnung der päpstlichen unter die Kaisergewalt war nie entschiedener als unter diesen sächsischen Kaisern. Aber die Kaiser befreiten zugleich das Papsttum von der Herrschaft des römischen Adels und stellten seine moralische Autorität wieder her.
Heinrich III. selbst beseitigte 1046 drei sich streitende Päpste und setzte fromme, kirchlich eifrige Männer in die päpstliche Würde ein. Daher nahm das Papsttum im 11. Jahrh. gleichzeitig mit der Zunahme streng religiösen Eifers in der Christenheit einen mächtigen Aufschwung. Die Pseudo-Isidorischen Dekretalen kamen jetzt zu vollster Geltung, und der Papst erntete für die Handhabung der ihm darin übertragenen Macht den Dank der Mitwelt. Überall war er der Unterstützung des Volkes gewiß, wenn er unwürdige Geistliche absetzte und auf Synoden ziemlich willkürlich verfuhr. Es galt ja der Regeneration der Kirche, und in Betracht des allgemeinen Wohls fragte man nicht nach der Quelle, [* 15] aus welcher Rom seine reformatorische Befugnis ableitete.
Selbst seine während der Pornokratie verloren gegangene lokale Unabhängigkeit und Würde gewann der päpstliche Stuhl zurück durch das von Nikolaus II. auf Betrieb Hildebrands 1059 erlassene Dekret über die Papstwahl. Dasselbe übertrug letztere dem Kardinalkollegium, brach dadurch den Einfluß, den das römische Volk und der Adel darauf geübt hatten, und hob das Recht der Bestätigung auf, welches bisher dem Kaiser zustand. Seitdem nimmt der Papst in dem allgemeinen Bewußtsein der westeuropäischen Christenheit den höchsten Rang ein.
Die Kaiser mußten sich damit begnügen, die Lehnsherrlichkeit der Päpste abzulehnen; sie waren zu schwach, um noch die Staatshoheit über die Päpste geltend machen zu können. Gleichfalls auf Hildebrand läuft die enge Verkettung der Ordensgeistlichen mit den päpstlichen Interessen zurück. Die neuen Ordensstiftungen seit dem Anfang des 11. Jahrh., wodurch die alte Benediktinerregel stets geschärft ward, bis endlich die Bettelmönche im Anfang des 13. Jahrh. auftraten, verstärkten die Zahl ergebener Diener des päpstlichen Interesses; von Rom mußten sie ihre Anerkennung, die Bestätigung ihrer Regeln und Privilegien erbitten, und dafür waren sie die natürlichen Verbündeten des Papstes bei allem, was er gegen Volk, Weltgeistliche und Fürsten ins Werk setzte.
Hierzu kam endlich die für Rom günstige Lösung des alten Streits mit dem Nebenbuhler in Konstantinopel; [* 16] derselbe endigte zwar mit einem Schisma zwischen dem Orient und dem Occident (s. Griechische Kirche), allein Rom verlor dadurch keine einzige Provinz, in der es bis jetzt Rechte von Belang ausgeübt hatte, und stand nun im unbestrittenen Primat an der Spitze des gesamten Abendlandes. Die Päpste dieser Periode (im Katalog der Päpste die Zahlen 109-162 umfassend) sind:
Nikolaus I. | (bis 867), |
Hadrian II. | (bis 872), |
Johann VIII. | (882), |
Marinus I. | (Martin II., 883 bis 884), |
Hadrian III. | (bis 885), |
Stephan VI. | (bis 891), |
Formosus | (bis 896), |
Bonifacius VI. | (896), |
Stephan VII. | (bis 897), |
Romanus | (897), |
Theodorus III. | (897), |
Johann IX. | (898-900), |
Benedikt IV. | (bis 903), |
Leo V. | (903), |
Christoph | (bis 904), |
Sergius III. | (bis 911), |
Anastasius III. | (bis 913), |
Lando | (bis 914), |
Johann X. | (bis 928), |
Leo VI. | (bis 929), |
Stephan VIII. | (bis 931), |
Johann XI. | (bis 936), |
Leo VII. | (bis 939), |
Stephan IX. | (bis 942), |
Marinus II. | (Martin III., bis 946), |
Agapetus II. | (bis 955), |
Johann XII. | (bis 963), |
Benedikt V. | (964), |
Leo VIII. | (bis 965), |
Johann XIII. | (bis 972), |
Benedikt VI. | (bis 974), |
Benedikt VII. | (bis 983), |
Johann XIV. | (bis 984), |
Bonifacius VII. | (bis 985), |
Johann XV. | (bis 996), |
Gregor V. | (bis 999), |
Johann XVI. | (Gegenpapst bis 998), |
Silvester II. | (bis 1003), |
Johann XVII. | (1003), |
Johann XVIII. | (bis 1009), |
Sergius IV. | (bis 1012), |
Benedikt VIII. | (bis 1024), |
Johann XIX | (bis 1033), |
Benedikt IX. | (bis 1045), |
Gregor VI. | (bis 1046), |
Clemens II. | (bis 1047), |
Damasus II. | (1048), |
Leo IX. | (bis 1054), |
Viktor II. | (bis 1057), |
Stephan X. | (bis 1058), |
Benedikt X. | (bis 1059), |
Nikolaus II. | (bis 1061), |
Alexander II. | (bis 1073). |
Die fünfte Periode reicht von Gregor VII. bis zur Verlegung des päpstlichen Stuhls nach Avignon, vom Ende des 11. bis zum Anfang des 14. Jahrh., und zeigt uns das Papsttum, dessen weltlicher Besitz durch die Erbschaft der Gräfin Mathilde vermehrt ward, auf dem Gipfel seiner Macht und seines Glanzes. Jene neuorganisierte Papstwahl, welche Nikolaus II. unter bloß scheinbaren, auch nicht lange mehr gültigem Vorbehalt der kaiserlichen Rechte angeordnet hatte, sicherte der römischen Kirche den Besitz talentvoller Häupter und erleichterte die konsequente Durchführung eines und desselben Plans.
Die Idee, welche sich Gregor VII. vom Papsttum gebildet hatte und die in vieler Beziehung auch schon von Pseudo-Isidor ausgesprochen worden war, hat eine doppelte Seite, eine politische und eine kirchliche. Nur die erstere ist fast ganz die Erfindung Gregors. Alle frühern Verherrlicher des Papsttums wollten den römischen Bischof nur zum Primas der Kirche erheben; nach Gregors Plan aber sollte derselbe als Repräsentant Gottes auf der Erde erscheinen, von dem nicht bloß die kirchlichen, sondern auch die weltlichen Gewalten abhängen, dem nicht bloß die bischöfliche Autorität, sondern auch die Majestät der Könige ihren Ursprung verdanke. Es ist die Idee einer alles umfassenden Theokratie, an deren Spitze der Papst steht, eines großen Lehnsverbandes, der allen kirchlichen und weltlichen Besitz umschließt, und dieser Idee gemäß handelten Gregor VII. und seine Nachfolger, wenn sie Fürsten bannten und absetzten, über Kronen [* 17] verfügten und Länder verschenkten.
Den ersten Schritt zum Kampf gegen die weltliche Macht that Gregor in der Aufnahme des Investiturstreits. Es handelte sich um das wichtige Kronrecht, wonach der Landesherr dem neuerwählten Bischof die Temporalien seiner Pfründe durch Belohnung mit Ring und Stab [* 18] zu verleihen hatte. Was Gregor hier freilich nur anbahnen konnte, das setzte Innocenz III. zuletzt siegreich durch, und statt der alten feudalen Belohnung blieb dem Kaiser nichts als ein Empfehlungsrecht. Der zweite Hauptzweck, die Unterwerfung des geistlichen Standes und aller kirchlichen Autoritäten unter die Alleingewalt des Papstes, wurde bereits von Gregor VII. vollständig erreicht. Die Geistlichkeit wurde durch den Glaubenseid, durch den Cölibat etc. ¶