(merowingische, karolingische
Minuskel etc.). Die zur Zeit
Karls d. Gr. ausgebildete fränkische oder karolingische
Minuskel
gewann indessen nach und nach überall die Oberhand und schließlich die
Alleinherrschaft. Doch traten auch noch in den spätern
Jahrhunderten des
Mittelalters bedeutende Veränderungen in der
Schrift ein, welche es leicht machen, das ungefähre
Alter einer
Handschrift nach den Schriftzügen zu bestimmen; so kommt z. B. der
Punkt auf
dem i vor dem 12. Jahrh. noch nicht vor.
Der
Gebrauch, durch größere
Buchstaben,
Majuskeln genannt, gewisse
Wörter hervorzuheben, namentlich
Eigennamen, indem man entweder den Anfangsbuchstaben oder das ganze
Wort damit schrieb, stammt ebenfalls
erst aus dem spätern
Mittelalter; die
Ausdehnung
[* 3] dieses
Gebrauchs in
Deutschland
[* 4] dahin, daß alle
Substantive mit großen Anfangsbuchstaben
geschrieben werden, datiert sogar erst aus dem 17. und 18. Jahrh.
Endlich ist den
Handschriften des spätern
Mittelalters, besonders
des 14. und 15. Jahrh., der
Gebrauch einer außerordentlich großenMenge von
Abkürzungen eigentümlich.
Die
Abkürzungen bilden auch eins der wichtigsten
Kapitel der griechischen Paläographie; sie finden sich sogar großenteils in den ältern
Drucken griechischer Werke, sind indessen, soweit sie dort vorkommen, in den griechischen
Grammatiken von
Buttmann u. a. genügend
erklärt. Im übrigen hat sich die griechische
Schrift ähnlich entwickelt wie die lateinische, nur mit
geringern Veränderungen; während in der ältern Zeit die Uncialschrift herrschte, mit großen
Buchstaben ohne Worttrennung,
Accente,
Spiritus
[* 5] und
Interpunktion, beginnt seit dem 7. Jahrh. die
Minuskel überhandzunehmen, die schon im 9. Jahrh. in einer
der jetzt üblichen nahestehenden Form auftritt und dabei in der Hauptsache stehen geblieben ist.
Chatelain, Paléographie des classiques latins (Par. 1884 ff.).
-
Die orientalische Paläographie ist bisher noch weniger gepflegt worden. Der Begründer derselben ist
Kopp in dem schon genannten
Werk,
der sich jedoch vorwiegend nur mit den semitischen
Sprachen beschädigte. Ein vortreffliches Werk über indische Paläographie ist das
von
Burnell,
Elements of
South-Indian palaeography (2. Aufl., Lond. 1878).
Als eine selbständige
Wissenschaft ist die Paläontologie die Geschichte der gesamten organischen
Schöpfung, eineWissenschaft,
welche sich mit der systematischen
Stellung, mit der Lebensweise der vorweltlichen
Wesen, der Gleichzeitigkeit oder zeitlichen
Aufeinanderfolge der
Floren und
Faunen in den verschiedenen geologischen Entwickelungsperioden der
Erde zu beschäftigen hat
und ihre natürliche Begrenzung nur in der Unvollkommenheit der Reste nach Art der
Erhaltung und nach Zahl der überhaupt
erhaltenen Individuen und
Spezies findet. In diesem umfassenden
Sinn ist die eine sehr junge
Wissenschaft, deren ganze Geschichte
kaum weiter rückwärts reicht als die Zeit der Wirksamkeit der heutigen
Generation von Paläontologen, und mit welcher eine
frühere Paläontologie nur das
Objekt (die
Versteinerungen), nicht aber die
Methode der Behandlung gemein hat.
Nur indem man die Paläontologie überhaupt als die Kenntnis von den
Versteinerungen oder richtiger von den Naturprodukten, welche eine
heutige
Wissenschaft als Reste früherer Lebewesen auffaßt, definiert, kann man von einer ältern Geschichte der Paläontologie sprechen,
die dann freilich bis in die
Zeiten der frühsten Geschichtsperioden zurückreicht. So erwähnen gelegentlich
Xenophanes (um 500
v. Chr.), Herodot (450
v. Chr.),
Eratosthenes (um 200
v. Chr.),
Strabon (66
v. Chr. bis 24
n. Chr.) und andre
Griechen und
Römer
[* 14] einzelne
Versteinerungen und philosophieren über sie meist in dem
Sinn von Beweisstücken, daß das
Meer
einst an
Stellen des heutigen
Festlandes vorhanden gewesen sei, und in gleichem
Sinn handeln auch oft citierte
Verse des Ovid von solchen Resten; nur
Empedokles (450
v. Chr.) deutet Hippopotamusknochen aus
Sizilien
[* 15] als Überbleibsel abgestorbener
Riesengeschlechter. Bei dem Araber
Avicenna (980-1037) findet sich zuerst eine
Idee scharf formuliert, welche die
Versteinerungen
lostrennt von der organischen
Welt überhaupt, sie vielmehr als dieProdukte einer formenden, aber doch
nur
Unorganisches erzeugenden
Kraft
[* 16] der
Natur, der vis plastica, deutet, eine
¶
mehr
Anschauung, welche im Kampf mit einer zweiten, kaum weniger engherzigen und falschen die nächsten Jahrhunderte fast ausschließlich
trotz des Widerspruchs einzelner beherrscht hat. Diese zweite, mit AvicennasLehre ringende Ansicht ist die Hypothese der ausschließlichen
Herkunft aller Versteinerungen von der Sintflut, zuerst von Alessandro Alessandri (1461-1523) ausgesprochen. Namentlich die
letztere Ansicht hatte sich viel zu sehr der Unterstützung der Kirche zu erfreuen, als daß gegenteilige
Stimmen gehört worden wären, welch letztere demnach eher ein historisches Interesse als Vorläufer einer geklärten Anschauung
für sich beanspruchen, als daß sie auf die Meinungen der Zeitgenossen Einfluß gehabt hätten. Zu solchen ungehörten Predigern
in der Wüste gehört der berühmte MalerLeonardo da Vinci (1452 bis 1519), der namentlich gegen die Annahme
der vis plastica polemisierte; ferner Fracastoro (1483-1553), welcher gegen die Hypothese einer allgemeinen Annahme der Herkunft
von der Sintflut den geistreichen Einwurf erhob, daß es sich ja dann nur um Reste von Süßwasserbewohnern
handeln müsse, während doch offenbar unter den Versteinerungen auch ehemalige Bewohner des Salzwassers vorlägen; endlich
der FranzosePalissy (1499-1589), der sich zu öffentlicher Disputation über die Abstammung der Reste von Meerestieren erbot,
während Deutschlands
[* 18] berühmter BergmannAgricola wenigstens nur für einen Teil der Reste die Erzeugung durch eine vis plastica
annahm, andre dagegen als organischen Ursprungs deutete. Es ist kaum eine Verbesserung zu nennen, daß der Engländer Llwyd
(Luidius, 1660-1709) und im Anschluß an ihn der SchweizerLange (Langius, 1670-1741) zur Erzeugung der Formen eine in die Erde
geratene »Samenluft« (aura seminalis) annahmen, die in weitaus den meisten
Fällen nur Einzelteile von Organismen (Blätter, Zähne
[* 19] etc.) erzeugt habe, niemals aber lebensfähige
Individuen.
Gewissermaßen in dem Schatten
[* 20] dieses die gelehrte Welt beherrschenden Kampfes der beiden Ansichten über die Abstammung der
Reste und unbekümmert um diese mehr philosophisch als naturwissenschaftlich behandelte Frage vollzog sich manche Einzelbeobachtung,
die, wenn auch für den Moment ohne Einfluß auf die Tagesmeinung, doch mitwirkte, die Ansichten allmählich
zu klären. So unterscheidet Colonna (1567-1647) scharf zwischen Süßwasser- und Seewasserresten, Steno (1631-86), ein geborner
Däne, aber lange in Italien seßhaft, parallelisiert die fossilen Haifischzähne mit rezenten, der EngländerLister (1638-1712),
der Entwerfer der ältesten geologischen Karte, macht auf die Verschiedenheit der Reste in verschiedenen
Schichten aufmerksam, sein Landsmann Hooke (1635-1703) weist auf den Widerstreit zwischen den in England aufzufindenden Versteinerungen
und dem heute dort herrschenden Klima
[* 21] aufmerksam, und selbst eine Reihe vollkommen unter dem Einfluß der Hypothese von der
Sintflut stehender Publikationen sind wertvoll durch exakte, oft durch vortreffliche Abbildungen unterstützte
Beschreibungen einzelner Versteinerungen.
Ja, selbst das von dem NürnbergerKnorr begonnene, vom JenaerProfessorWalch fortgesetzte sechsbändige Prachtwerk von Abbildungen
(»Deliciae naturae selectae«) steht, wie schon der Titel einer andern PublikationKnorrs (»Sammlung von Merkwürdigkeiten
der Natur, zum Beweis einer allgemeinen Sündflut«) beweist, noch ganz unter dem Einfluß der fast unbestrittenen Sintfluthypothese.
Charakteristisch, wenn auch für uns kaum begreiflich ist es, daß die Kämpfe der Ansichten über Geogenie sich fast ausschließlich
auf anderm Gebiet als auf paläontologischem abspielten, wenn sie auch gelegentlich die Ansichten über
die Versteinerungen streiften und mehr oder weniger alterierend auf sie einwirkten. So fußten die Hypothesen eines Cartesius
(1596-1650), eines Leibniz (1656-1716) in erster Linie ebensowenig auf einer Betrachtung des Vorkommens organischer Reste in
ältern Schichten, wie später der die geologische Welt erschütternde Streit zwischen der Wernerschen
Schule (1750-1817) und dem EngländerHutton und seinen zum Teil aus den SchülernWerners gewonnenen Anhängern (Humboldt, v.
Buch) auf das Auftreten von Versteinerungen einen wesentlichen Bezug nahm.
Ein großer Fortschritt paläontologischen Wissens ist an BuffonsNamen (1707-88) geknüpft. Er brach energisch und erfolgreich
mit den Sintflutideen, indem er der Erde ein viel höheres Alter als das biblische nachrechnete und in
den Versteinerungen ausgestorbene Formen erkannte. Häufung des Materials durch die Detailforschungen eines Sowerby (1757-1822),
Lamarck (1744-1829) u. a. bereiteten die epochemachenden ArbeitenBrongniarts (1801-1876) und Cuviers (1769-1832) vor, unter
denen namentlich des letztern »Recherches sur les ossements fossiles« in erster Linie genannt zu werden
verdienen.
Mit dem Gesetz der Korrelation, der Harmonie der einzelnen Teile eines Organismus untereinander, stellte Cuvier eine Norm für
die Forschung auf, die von den fruchtbarsten Folgen, namentlich für die richtige Deutung der Reste der höhern Wirbeltiere,
begleitet war und selbst heute ihren Wert nicht verloren hat, wenn auch die allgemeine und ausnahmslose
Anwendung durch manche unerwartete Beobachtung (man denke beispielsweise an die Bezahnung der Schnabel der Odontornithen) hinfällig
geworden ist.
Wenn aber Cuvier zugleich die Hypothese der zum öftern wiederholten Erdrevolutionen aufstellte, deren jede einzelne das gesamte
Tier- und Pflanzenleben vernichtete und in neuer Periode neu entstehen ließ, so war dies eine Zugabe zu
seinen Lehren,
[* 25] welche seitens der Paläontologie überwunden werden mußte, um zu richtigerer Erkenntnis der Wahrheit durchzudringen. Die
erste Erschütterung der Hypothese kam aus den Reihen der Anhänger selbst. Mehr und mehr vertiefte Spezialforschungen zeigten,
wie wenig lange die Formen aushalten, wie häufig sie von vollkommen andern abgelöst werden, wie oft
also, um im Sinn der Cuvierschen Lehren zu reden, Erdrevolutionen, das Alte vernichtend, das Neue erschaffend, hätten eintreten
müssen: je größer diese Anzahl, je geringer wurde die Wahrscheinlichkeit des Eintretens solcher Kataklysmen überhaupt.
Agassiz' Untersuchungen über die fossilen Fische, d'Orbignys Arbeiten, in DeutschlandGoldfuß' und v. Schlotheims
Werke sind solche Spezialarbeiten, welche neben der Fixierung der Spezies auch ihre Verbreitung in horizontaler und vertikaler
Richtung beleuchteten. Bronns¶