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Zeitalters den gelehrten Schulen, für welche V. Friedland von Trotzendorf in Goldberg (Schlesien), [* 2] Johannes Sturm in Straßburg, [* 3] Michael Neander in Ilfeld u. a. Lehrbücher, Lehrpläne etc. lieferten. Der Widerspruch gegen die einseitig gelehrte Abkehr der Schule vom Leben fand den kräftigsten Ausdruck in den Franzosen Rabelais (gest. 1553), Ramus (gest. 1572), Montaigne (gest. 1592) und dem Engländer Baco von Verulam (gest. 1626), mit denen das Prinzip des Realismus in die Geschichte der Pädagogik eintrat und den Kampf gegen den bloß grammatischen Humanismus (Verbalismus) heftig aufnahm; zumal auf Baco von Verulam stützten sich die pädagogischen Neuerer Wolfg. Ratichius (Ratke, gest. 1635) und Joh. Amos Comenius (gest. 1671), welche engen Anschluß der Erziehung an den natürlichen Entwickelungsgang des Geistes, Voranstellung der bisher zu gunsten des Lateinischen verstoßenen Muttersprache, Begründung des Sprachunterrichts auf Beispiele und Ausgehen von der sachlichen Anschauung, nicht vom Namen und Wort, für allen Unterricht verlangten. Nüchterner als der prahlerische Ratke und der prophetisch tiefsinnige Comenius wirkte in gleicher Richtung, besonders auf die Erziehung der höhern Stände, John Locke (gest. 1704) durch seine »Gedanken von der Erziehung der Kinder«, in denen er auf verständige Körperpflege, naturgemäßen Unterricht und allseitige, praktische Vorbildung für das wirkliche Leben dringt.
Die humanistische Pädagogik hatte indes eigentümliche Fortbildung gefunden in den Schulen der Jesuiten, welche sich im 16. und 17. Jahrh. großes Ansehen zu verschaffen wußten und nicht wenig zur Wiederbefestigung des Katholizismus betrugen. Das Studium der Sprachen und die Pflege der Religion traten bei ihnen in den Dienst des hierarchischen Prinzips. Dagegen schloß der Pietismus, jene auf innerliches Glaubensleben dringende Bewegung, die ihre nachhaltigsten Wirkungen im protestantischen Deutschland [* 4] durch Spener und Francke entfaltete, fast überall einen engen Bund mit der realistischen Pädagogik. Aus ihrem Kreis [* 5] gingen die ersten Realschulen und Lehrerseminare hervor.
Doch hat es der Pietismus zu einer folgerechten Durchführung seiner religiös-pädagogischen Grundsätze auf die Dauer nur in der Brüdergemeinde des Grafen Zinzendorf gebracht, welche das Erziehungswesen in einer höchst eigentümlichen und wirksamen Weise dem Gemeindeleben einzugliedern wußte. In die Volksschule, welche durch Pflege einsichtiger Fürsten und Geistlichen nach dem Westfälischen Frieden in manchen deutschen Gebieten einen kräftigern Aufschwung nahm, drang nur hier und da ein belebender Strahl der neuen pädagogischen Erkenntnis ein, wie z. B. in der Schulordnung (»Schulmethodus«) des Herzogs Ernst von Sachsen-Gotha (gest. 1675).
Zu einer großen und für die bestehenden Verhältnisse gefahrdrohenden Macht brachten es die neuen realistischen Ideen, frei von diesem religiösen Einfluß, durch Jean Jacques Rousseau (gest. 1778). Der Unnatur der Rokokozeit gegenüber war schon hier und da das Stichwort: »Rückkehr zur Natur« ausgegeben worden;
Rousseau macht Ernst mit demselben.
Eine ausführliche Darlegung seiner pädagogischen Ansichten gab er in seinem »Émile, ou de l'éducation« (1762), einem Buch, das bei vielen Einseitigkeiten und Übertreibungen dennoch viele fruchtbare Keime birgt. Man soll sich nach Rousseau zuvörderst klar sein, ob man einen Menschen oder einen Bürger, ob man den Zögling für das Leben in der Natur oder für das Leben in der naturwidrigen Gesellschaft erziehen will. Man muß nach dem verschiedenen Alter der Kinder sie verschieden behandeln; jedes seiner Natur gemäß, damit es als Naturwesen heraufwachse und sich bilde.
Die Entwickelung beschleunige man nicht, lieber schiebe man sie weiter hinaus. Die erste Erziehung ist bloß abwehrend (negativ), sie gedeiht am besten in ländlicher Stille und Einfachheit. Die natürlichen Folgen thörichter Handlungen, die er an sich und an andern beobachtet, sollen den Zögling über Recht und Unrecht belehren; die Wahrnehmung des Erfolgs im kleinen und einzelnen soll zum verständigen Handeln anspornen und ermutigen. Bestärken muß ihn darin das Beispiel des Erziehers.
Aber nur keine unnatürliche Einengung der natürlichen Freiheit, die zur Lüge und zum Eigensinn führt! Was man lehren will, das darf man nicht zwangsweise aufgeben; dafür muß man vor allem Lust und Liebe erwecken. Mit dem Einsehen muß dann praktische Übung verbunden, mit der geistigen stets die körperliche Entwickelung gleichzeitig gefördert werden. Aller Unterricht gehe von der eignen Anschauung des Zöglings aus. Die Kinder sollen nichts auf Autorität annehmen. Der Religionsunterricht für Kinder ist Unnatur; vor dem Jünglingsalter lasse man den jungen Menschen nichts von Gott hören. Der Glaube der Kinder und vieler Erwachsenen ist eine Sache der Geographie; es kommt darauf an, ob sie in Rom [* 6] oder in Mekka geboren sind. Rousseaus gewaltiger Einfluß machte sich rasch auch in Deutschland auf allen Lebensgebieten geltend. In der Pädagogik waren es die sogen. Philanthropen, Johann Bernhard Basedow (gest. 1790) an der Spitze, welche seine Grundsätze in Deutschland verbreiteten und ins Leben einzuführen suchten.
Die Philanthropen polemisieren entschieden gegen das zu ihrer Zeit herrschende Unterrichts- und Erziehungswesen; die Unterrichtsweise der Grammatici (Philologen) charakterisieren sie als ein blindes Herumtappen ohne Weg und Ziel. Sie versprechen nicht etwa eine verbesserte Methode, da sie vielmehr behaupten, es gebe noch gar keine Methode in den Schulen; sondern Methode als etwas ganz Neues. Dieselbe soll den Zögling von der Anschauung und Erfahrung aus naturgemäß ohne allen Zwang und Gedächtniskram zur vollendeten Wissenschaft führen.
Weil ihre Methode naturgemäß, sagen die Philanthropen, so lernen die Kinder freiwillig, mit Lust und Liebe; daher nach ihrer Versicherung Strafen, besonders körperliche, von selbst wegfallen. Sie berücksichtigen die Muttersprache, ja bevorzugen dieselbe und kämpfen gegen die tyrannische Herrschaft des Latein. Sie führen die Realien ein und empfehlen die Leibesübungen. Sie dringen darauf, daß nichts Unverstandenes von den Schülern angeeignet werden soll, lassen sich aber durch diesen an sich richtigen Grundsatz zu einseitiger Pflege des Verstandes (Aufklärung) auf Kosten der Phantasie und des Gemüts fortreißen.
Darin, wie in ihrer Betonung [* 7] der Nützlichkeit und Glückseligkeit (Eudämonismus), berühren sie sich mit der rationalistischen Richtung der damaligen Theologie, mit welcher sie auch die Vorliebe für die abstrakte Natur- oder Vernunftreligion und die verschieden abgestufte Gleichgültigkeit gegen das positive Element in der christlichen Religion gemein haben. Neben Basedow sind besonders J. H. ^[Joachim Heinrich] Campe, Verfasser des deutschen »Robinson«, und Salzmann, Begründer der Erziehungsanstalt zu Schnepfenthal, unter den Philanthropen hervorzuheben; ferner wegen seiner Verdienste um den gymnastischen Unterricht Guts Muths. ¶
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Angeregt von den Philanthropen war auch der Domherr F. E. v. Rochow, der sich aber bei der berühmten Schulverbesserung auf seinem Gut Reckahn bei Brandenburg [* 9] enger als jene an die wirklichen Bedürfnisse des Lebens anschloß und sich auf das Gebiet der Volksschule beschränkte. Die meisten praktischen Unternehmungen der Philanthropen (Philanthropine) waren von kurzer Dauer; die von ihnen ausgegangene Anregung auf die Pädagogik der Zeit erwies sich dagegen als sehr wirksam.
Als verwandt und mehrfach verbunden mit der Richtung der Philanthropen kann die der sogen. Sokratiker bezeichnet werden, welche hauptsächlich eine zeitgemäße verständige Erteilung des Religionsunterrichts nach Sokratischer Methode anstrebten, dabei aber oft vergaßen, daß die Religion keineswegs bloß Erkenntnis Gottes ist, und daß es namentlich für Kinder weit wichtiger ist, lebhafte Eindrücke und lebendige Anschauungen von wahrer Frömmigkeit zu erhalten, als verständig und aufgeklärt über Gott und göttliche Dinge zu urteilen. Aus diesem Kreise [* 10] sind J. L. ^[Johann Lorenz] v. Mosheim (gest. 1755), G. F. Dinter (gest. 1831) und der Kantianer Gräffe (gest. 1808) zu nennen.
Von den Grundideen Rousseaus und teilweise von denen der Philanthropen ging endlich der Begründer der neuern Pädagogik, Joh. Heinr. Pestalozzi (gest. 1827), aus; nur wollte er die allgemeine Menschenerziehung, welche allein der Natur folgen darf und in allen Menschen den Grund der höhern Bildung legen muß, neben der besondern Standes- und Berufsbildung, nicht im feindlichen Gegensatz gegen diese pflegen. Allgemeine Emporbildung der natürlichen Menschenkräfte war ihm für die erstere, welche er vorzugsweise bearbeitet hat, das Ziel und die Aufgabe; das Ausgehen von der Anschauung, der lückenlose Fortschritt bei fester Einprägung des durchgearbeiteten Lehrstoffs, stets parallele Entwickelung des Erkenntnis- und des Sprachvermögens sind die Grundzüge seiner Methode.
Zahl, Form und Sprache [* 11] bezeichnet er als die Grundformen der geistigen Anschauung, aus denen er die großen Gebiete des Unterrichts ableitet. Unterricht und Erziehung werden überall in die engste Beziehung gesetzt. Das eigentliche Gebiet, auf dem Pestalozzis Pädagogik unmittelbaren Einfluß gewonnen hat, ist der niedere, bez. der erste Jugendunterricht; hier aber ist sein Einfluß geradezu unberechenbar groß gewesen, obwohl seine eignen praktischen Unternehmungen es nie zu dauernder Blüte [* 12] gebracht haben.
Neben dem gesunden Kern in seinen oft paradox eingekleideten pädagogischen Ideen trug zu diesem Erfolg die aufopfernde Begeisterung Pestalozzis für das leibliche und geistige Wohl der Jugend das meiste bei. Als Verbreiter und teilweise Fortbildner seiner Ideen sind besonders Zeller, v. Türk, Plamann, Fröbel, Blochmann, Harnisch, Diesterweg auf praktischem, Fichte [* 13] und Herbart auf theoretischem Gebiet zu nennen. Fichte (gest. 1814), welcher im Winter 1807-1808 seine berühmten Reden an das deutsche Volk hielt, empfahl in diesen die Pädagogik Pestalozzis als die beste Anweisung, der gesunkenen Nation wieder zu neuem und gesünderm Leben zu verhelfen. Er betonte dabei aber zugleich das nationale Element in der Erziehung, welches bei Pestalozzi hinter dem philanthropischen und kosmopolitischen zurücktritt. In dieser Gestalt fand die Pädagogik Pestalozzis einen empfänglichen Boden in dem tief gedemütigten preußischen Volk, dessen Lenker, besonders die Königin Luise und der Reichsfreiherr vom Stein, schon vorher auf Pestalozzi aufmerksam geworden waren.
J. F. ^[Johann Friedrich] Herbart (gest. 1841) erweiterte die Pädagogik Pestalozzis nicht bloß dadurch, daß er das gesamte Gebiet der Erziehung nach dessen Grundideen zu gestalten unternahm, sondern vertiefte sie, indem er sie auf die Ethik und die Psychologie als ihre natürlichen wissenschaftlichen Unterlagen gründete. Seine pädagogischen Ansichten legt er im Zusammenhang dar in den Büchern: »Pestalozzis Idee eines Abc der Anschauung, untersucht und wissenschaftlich ausgeführt« (Götting. 1802, 2. Aufl. 1804),
»Allgemeine Pädagogik, aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet« (das. 1806) und »Umriß pädagogischer Vorlesungen« (2. Aufl., das. 1841) sowie in einer Reihe von kleinern Abhandlungen, unter welchen besonders die über »die ästhetische Darstellung der Welt als das Hauptgeschäft der Erziehung« hervorragt. Er teilt die ganze Erziehung in drei Thätigkeiten: Unterricht, Regierung und Zucht, oder auch in Unterricht und Erziehung im engern Sinn und verlangt das innigste Zusammengehen zwischen Erziehung und Unterricht, welche, voneinander getrennt, beide ihr Ziel verfehlen müssen.
Dies Ziel ist, zugleich Charakterstärke der Sittlichkeit und Vielseitigkeit des Interesses zu erwecken und so die Anlagen des Geistes nach seinen beiden natürlichen Hauptrichtungen zur gesunden Entwickelung zu bringen. Herbart kann mit Fug als der Begründer der spekulativen Pädagogik bezeichnet werden; er zählt unter den Pädagogen der Gegenwart weit über Deutschlands [* 14] Grenzen [* 15] hinaus eine treu ergebene Schule, wenn auch anderseits die Begründung der Pädagogik auf die ihm eigentümlichen ethischen und psychologischen Ansichten viel Widerspruch und im Kreis der eignen Jünger verschiedene Auffassung erfahren hat. Neben ihm hat unter den großen Philosophen Deutschlands besonders Schleiermacher (gest. 1834) die Pädagogik angebaut (»Erziehungslehre«, hrsg. von Platz, Berl. 1849). Nach beiden hat E. Beneke (gest. 1856) im engen Zusammenhang mit seinem psychologischen System die spekulative Pädagogik fortzubilden gesucht in seiner »Erziehungs- und Unterrichtslehre« (4. Aufl., Berl. 1877). Wie Herbart, bekämpft Beneke die herkömmliche Lehre [* 16] von den sogen. Seelenvermögen und lehrt, daß sich die Anlagen aus wenigen, zunächst nur sinnlichen Grundvermögen durch die Spuren der äußern Eindrücke bilden, eine Lehre, die ohne Zweifel einen Kern bedeutsamer Wahrheit enthält und geeignet ist, das Geschäft der Erziehung und des Unterrichts, d. h. der planmäßigen Einwirkung auf das Heranwachsen der sinnlichen Grundvermögen zu geistigen Anlagen und Vermögen, in seiner ganzen Bedeutung erscheinen zu lassen.
Neben diesen Vertretern der philosophischen Pädagogik ist eine Reihe von Männern zu nennen, welche, mehr oder minder abhängig von den verschiedenen philosophischen und theologischen Richtungen der Zeit, das Gesamtgebiet der Pädagogik systematisch und praktisch bearbeitet haben. So die Schellingianer J. J. ^[Johann Jakob] Wagner, der die Erziehung als Erregung des jugendlichen Geistes auffaßt, und J. B. ^[Johann Baptiste] Graser mit seinem Buch »Divinität oder Prinzip der einzig wahren Menschenerziehung« (Bair. 1811; 3. Aufl. 1830, 2 Bde.). So die mehr auf das Praktische gerichteten Pädagogen A. H. Niemeyer in seinen »Grundsätzen der Erziehung und des Unterrichts« (Halle [* 17] 1796, 9. Aufl. 1834-39; neue Ausg. von Rein, Langens. 1878-79, 3 Bde.),
F. H. C. Schwarz in seinem »Lehrbuch der Erziehung und des Unterrichts« (8. Aufl. von Curtman, Leipz. 1880-82, 2 Bde.),
H. Gräfe in seiner »Allgemeinen Pädagogik« (das. 1845). So die Theologen K. Palmer in der »Evangelischen Pädagogik« (5. Aufl., Stuttg. 1882), G. Baur und der Hegelianer K. Rosenkranz. Auch das katholische ¶