mehr
Sie lieben besonders Wechselgesänge, in denen Chöre mit den Liedern einzelner abwechseln. Der Charakter dieser Gesänge ist nicht heiter, die Melodien aber sind einfach und angenehm; für Silbenmaß und gelegentlich für Reim haben die Polynesier entschieden Sinn. Bei den Tänzen, die ebenso wie die sehr beliebten Wettkämpfe, Kriegs- und Waffenspiele leidenschaftlich gepflegt wurden, fehlten Obscönitäten leider nicht. Unter ihren zahlreichen Spielen, zum großen Teil Glücksspielen, ist besonders ein Brettspiel mit 238 Feldern merkwürdig.
Hinsichtlich der Kleidung unterscheiden sich die Polynesier von den Melanesiern dadurch, daß die letztern sehr dürftig oder gar nicht bekleidet sind, während die erstern schon einen gewissen Luxus in der Kleidung entfalten. Ihre Rindenstoffe (Tapa) und ihre Matten gehören zu ihrem zahlreichsten und wertvollsten Besitz; die letztern spielten in einigen Gegenden geradezu die Rolle eines Tauschartikels. Schmuck lieben alle Polynesier sehr; Halsbänder aus Muscheln, [* 2] Früchten und Holzstäbchen, Ohrgehänge, Stirnreife, Mützen und Helme [* 3] aus kostbaren Federn (ein solcher Kopfschmuck der Königin Kekauluohi von Hawai [* 4] wurde auf 250 Pfd. Sterl. geschätzt), Kämme, mit Federn u. a. verziert, waren die beliebtesten Schmuckgegenstände.
Aus religiösen Anschauungen ging wohl die Tättowierung hervor, denn sie wurde hauptsächlich vom Priester unter Gebeten und Gesängen geübt und sank nur in Teilen Mikronesiens zum bloßen Schmuck herab. Auf den Gesellschaftsinseln, den Tuamotu, Markesas, den Karolinen liegt noch die Bedeutung des Standesunterschiedes in der Tättowierung. Die Waffen [* 5] und Geräte zeigen einen Reichtum und eine Mannigfaltigkeit, die überraschend sind, um so mehr, als Steine, Knochen [* 6] und Muschelschalen die fehlenden Metalle ersetzen mußten.
Bemerkenswert sind zunächst die überall gefundenen Steinbeile, nur die mikronesischen Beile hatten Klingen aus Muscheln. Diese Beile dienten als Arbeitsgerät wie als Waffen, die Hauptwaffe aber war der Speer mit durch Brand gehärteter Spitze oder durch Steinklingen, Knochensplitter oder, wie die Holzschwerter, mit Haifischzähnen u. dgl. bewehrt. Daneben gibt es Keulen aus schwerem Eichenholz, die oft auf das allerreichste verziert werden und häufig als Zeichen hohen Ranges dienen, bei einigen Polynesiern, aber nie bei Mikronesiern Bogen [* 7] und Pfeil.
Als Schutzwaffen hatte man Helme und Rüstungen aus Kokosfasern. Der Ackerbau war immer hoch entwickelt, auf der dürftigen Osterinsel wurde er nicht minder gepflegt als auf dem reichen Tahiti. [* 8] Dagegen wird in Mikronesien, wo die Fischerei [* 9] vielfach vorwiegt, Landbau nur auf den größern Inseln getrieben. Die Felder wurden umzäunt, Terrassen mit künstlich aufgehäufter Erde an steilen Abhängen angelegt, Bewässerungsanlagen gemacht, Schattenbäume und Zierblumen gepflanzt.
In der Viehzucht [* 10] steht obenan das Schwein, [* 11] das in Tahiti von Frauen, die ihre Kinder verloren hatten, sogar gesäugt wurde, aber nur Speise der Vornehmen war, dann der Hund, den man gleichfalls mästete, und Hühner. [* 12] Jagd konnte bei dem Fehlen großer Landtiere naturgemäß nur in beschränktem Maß betrieben werden, ebenso naturgemäß verwendete man viel Sorgfalt auf die Fischerei, der die vollkommensten Werkzeuge [* 13] dienen, welche die Polynesier überhaupt besitzen.
Sie verfertigen Netze von ungeheurer Größe sowie kunstvoll gearbeitete Angelschnüre und Angelhaken. Daraus ergibt sich die Beschaffenheit der Nahrung, bei welcher Erzeugnisse des Pflanzenreichs und Ergebnisse des Fischfanges allen andern voranstehen. Unter den erstern sind die Brotfrucht, dann Taro, Yams, Batate weitaus die wichtigsten; auf den Niedrigen Inseln bildet die Kokosnuß die Hauptnahrung. Aus dem Taromehl bereitete man das säuerliche Poi, das sich lange aufbewahren ließ und darum auf Reisen mitgenommen wurde.
Fett war sehr beliebt, in Neuseeland wurden sogar angefaulte, gestrandete Walfische gegessen. Irdene oder metallene Gefäße zum Kochen der Speisen besaßen die Polynesier nicht; sie dämpften die Speisen in Gruben, welche mit heißen Steinen gefüllt und dann geschlossen wurden. An den meisten Orten dürfen Männer und Frauen nicht zusammen essen. Das einzige, aber fast allgemein verbreitete Genußmittel war die Kawa (Awa), der gegorne Saft aus den gekauten Wurzeln des Piper methysticum, in Mikronesien auch Palmwein.
Die viereckiger langen und niedrigen Häuser bestanden aus Pfählen mit Rohr- und Matteneinsätzen, die Pfosten wurden oft reich verziert; Steinbauten finden sich sehr selten. Bei den mikronesischen Dörfern waren die Straßen sorgfältig gepflastert und zogen sich oft meilenweit hin. In der Gewerbthätigkeit stehen die Mikronesier den Polynesiern voran; sie sind beide gute Holzschnitzer, bauen schöne und große Kanoes, fertigen Schalen für die Kawa u. a. und alles dies früher nur mit Werkzeugen aus Stein und Muschel. In Zubereitung von Kleiderstoffen aus Baumrinde, Tapa, und Färben und Bedrucken derselben, ebenso im Flechten [* 14] von Matten zeigten sie viel Geschick. In Mikronesien hat man auch aus Stein, Glasscherben, Perlmutter, Porzellanscherben gefertigtes Geld. Im Familienleben ordnen sich die Interessen des Einzelnen denen des Stammes unter.
Die Hauptabschnitte im Leben der Kinder erhielten religiöse Weihe, aber auf ihre Erhaltung wurde ein sehr geringer Wert gelegt. Das hängt auch damit zusammen, daß das Band [* 15] der Ehe ein sehr lockeres ist und mit der größten Leichtigkeit gelöst werden kann. Auf den Palauinseln bestehen sogar öffentliche Freudenhäuser. Die Vornehmen lebten fast überall in Polygamie, doch war das Los der Frauen kein drückendes; den Männern fiel die meiste Arbeit zu, allein die Achtung, welche das weibliche Geschlecht genoß, war eine sehr geringe. Im Erben gilt das Recht der weiblichen Linie, das Mutterrecht.
Die politischen Einrichtungen waren, als die Europäer nach Polynesien kamen, bereits im Verfall. Das Volk zerfiel in Häuptlinge, Freie und Sklaven; eine schroffe Grenze trennte die beiden ersten, die tabuierten, von den letzten, den nichttabuierten. Die Häuptlinge hatten zwar meist despotische Gewalt, dennoch fehlte nirgends eine repräsentative Vermittelung zwischen Fürsten und Volk. Der Fürst war Herr und Hohepriester seines Volkes, aber nicht immer Kriegsherr; es gab daher zwei Spitzen des Staats.
Der Fürst hatte gewisse äußere Abzeichen, er war Träger [* 16] des »Tabu«, einer göttlichen Kraft, [* 17] die alle Dinge, in denen sie lag, dem Gebrauch der Menschen entzog. Auch konnte das Tabu auf alles übrige nach dem Belieben des Begabten schon durch Berührung übertragen werden. Die Polynesier lebten auf beständigem Kriegsfuß miteinander, in diesen Kriegen zeichneten sie sich mehr durch List als durch Kühnheit aus. Die erlegten Feinde wurden häufig verzehrt. Als Friedenszeichen galten grüne Zweige, wirksamster Friedensgruß war das Nasenreiben. Die religiösen Vorstellungen waren, als die Missionäre den christlichen Glauben hierzu verbreiten suchten, bereits im Verfall; den obern Göttern zollte man bereits wenig oder keine Verehrung mehr, an ihre Stelle ¶
mehr
waren die aus den Seelen verstorbener Vornehmer hervorgegangenen Tiki oder Tii getreten, welche in der Unterwelt (Po) zu wirklichen Göttern wurden. Die Bilder der Götter genossen ebenso wie Gegenstände aus der Natur nur als zeitweilige Aufenthaltsorte der Götter Verehrung. Die Priester, welche keine geschlossene Kaste bildeten, vielmehr sich aus den Vornehmen rekrutieren, waren zugleich Ärzte, Bewahrer alles Wissens und häufig als Staatsmänner hochgeachtet. Opfer, bei besondern Gelegenheiten Menschenopfer, wurden häufig gebracht. Die Bestattung war bei Vornehmen mit großen Feierlichkeiten verbunden, und die Begräbnisstätten vertraten oft die Stelle der Tempel; [* 19] auf den mit Mauern eingefaßten und mit behauenen Steinen belegten Flächen erhoben sich Götterbilder, Altäre, Priesterhäuser. Über die Sprachen der Polynesier s. Malaiisch-polynesische Sprachen.
Bei der ersten Begegnung der Polynesier mit Europäern zeigten die erstern eine entschieden Zuneigung zu den neuen Ankömmlingen. Leider waren dies anfangs sehr fragwürdige Elemente (entlaufene Verbrecher, Matrosen), die einen höchst nachteilige Einfluß auf die ohnehin auf manchen Inseln bereits moralisch gesunkenen Bewohner ausübten. So hatten die Missionäre, welche zuerst auf Tahiti und später auch auf andern Gruppen sich niederließen, eine nicht leichte Arbeit.
Indessen ist es ihnen gelungen, fast überall das Heidentum durch die christliche Religion und christliche Sitte zu ersetzen. Allerdings waren die Bestrebungen der Mission, der englischen und amerikanischen protestantischen wie der französischen katholischen, auch nicht frei von unlautern Motiven. Die Streitigkeiten zwischen den Vertretern beider Religionsparteien, insbesondere die ausgesprochene Absicht der katholischen Missionäre, das protestantische Missionswerk zu zerstören, führte zur Besitznahme Tahitis und der Markesas durch Frankreich, das in der Folge seinen Besitzstand durch Annektierung andrer Inselgruppen noch erweiterte. Sonst haben noch England (Neuseeland und kleine Inseln), Spanien [* 20] (Marianen und Karolinen) und Deutschland [* 21] (Marshallinseln) in den polynesischen und mikronesischen Inselgebieten Besitz.
Die Melanesier bewohnen die Inselgruppen, welche oben bezeichnet worden sind. Von den Polynesiern unterscheiden sie sich körperlich sehr bedeutend, wie die polynesischen Kolonien, welche sich auf melanesischem Gebiet auf Inseln des Fidschi-Archipels, der Neuen Hebriden, auf Malaita (Salomoninseln), an der Südspitze von Neuguinea und am Flyfluß sowie auf Mortlock und Nukuor (Karolinen) befinden, ganz deutlich beweisen. Ob sie ethnologisch mit den Negrito auf den indischen Inseln in Zusammenhang stehen, ist unsicher; näher schon stehen sie den Bewohnern des Australkontinents, obschon zwischen beiden erhebliche Unterschiede in der Körperbildung, den Sprachen und dem Kulturzustand sich finden.
Ein geistiger Zusammenhang aber besteht unverkennbar zwischen Melanesiern und Polynesian, wie eine genauere Kenntnis ihrer Sprachen sowie ihrer politischen und religiösen Ansichten beweist. Wie unter den polynesischen Völkern, so bestehen unter den melanesischen sehr große Unterschiede, nur sind diese Unterschiede hier noch bedeutender. Was ihre körperliche Bildung anlangt, so erscheinen sie bald stark und wohlgebaut, bald schwächlich und elend, im allgemeinen von mittlerer Größe und häßlich; das Abstoßende des Gesichtsausdrucks wird noch durch das ihnen eigne Mißtrauen und durch Wildheit erhöht.
Meist ist der Schädel von der Nasenwurzel an mehr rückwärts gebogen, die Stirn ist schmal, oft fast viereckig und beinahe abgeplattet, die Augen sind dunkel und tiefliegend, die Nase [* 22] ist gewöhnlich flach und breit, die Backenknochen stehen hervor, der Mund ist breit und groß, die Lippen sind dick, die obere Kinnlade ragt manchmal über die untere vor. Die Haare [* 23] sind schwarz und kraus, aber gleichmäßig und nicht, wie man früher annahm, büschelförmig über den Schädel verteilt.
Die Hautfarbe ist gewöhnlich ein schmutziges Dunkelkupferbraun, doch kommen auch hellere Farbentöne vor. Was ihren Charakter anlangt, so erscheinen sie impulsiver, geräuschvoller und gewaltthätiger als die Polynesier. Sie wissen vortrefflich ihre Gefühle zu verbergen, um ihnen später, namentlich wo es sich um Racheakte handelt, desto freiern Lauf zu lassen. Diebstahl üben sie meist nur an Fremden. Von vielen Lastern, die den Polynesian anhaften, sind sie aber verhältnismäßig frei.
Ihre geistigen Fähigkeiten sind weit höher, als man früher anzunehmen geneigt war. Eine beträchtliche poetische Begabung läßt sich nicht leugnen; namentlich die Fidschianer zeigen eine solche in ihren Meke, in denen Gesang und Tanz verbunden sind, die beide mit den polynesischen übereinstimmen. Auch in Bezug auf Zeitrechnung und Himmelsbeobachtung verfügen die Melanesier über dieselben Kenntnisse wie die Polynesier. Die Bekleidung der Melanesier ist von sehr dürftiger Beschaffenheit; um so reicher und mannigfaltiger ist ihr Schmuck.
Die Tättowierung schließt sich mehr dem australischen Typus der Hautnarben als dem polynesischen der Punktierung an; auch wird die Haut [* 24] mit schwarzer, roter und weißer Farbe bemalt. Der Schmuck besteht vornehmlich aus weißen Muscheln, die man an der Stirn trägt, in schweren Muschel- und Schildpattringen, durch welche die Ohrlappen weit ausgedehnt werden; noch mehr entstellt das Durchbohren der Nasenwand, in der man Holz, [* 25] Steine und Zähne [* 26] trägt. Um Hals, Arme und Beine trägt man Bänder mit den verschiedensten Gegenständen daran.
Während das Körperhaar sorgfältig ausgerissen wird, behandelt man das Haupthaar mit Ätzkalk und Kohle, so daß es den Kopf bald als turbanähnlicher Wulst umgibt, bald in Form zahlreicher dünner Stränge und Büschel lang herabhängt. Neben den Haartrachten kommen Perücken und Kopfbedeckungen verschiedener Gattung vor. Die Wohnungen bestehen meist aus einem großen Dach [* 27] aus Palmblättern oder Stroh, das auf niedrigen Pfeilern ruht. Die Häuser stehen am Boden oder auf Pfählen, im Trocknen oder im Wasser.
Man findet Pfahlbauten [* 28] im ganzen Gebiet; doch scheinen sie ihre größte Entwickelung auf Neuguinea zu haben. Allgemein sind große und sorgfältiger gebaute Gemeindehäuser, die auch als Tempel dienen und wie die Häuser der Häuptlinge nicht selten mit Schnitzwerk und Menschenschädeln geschmückt sind. In Neuguinea und in Isabel (Salomoninseln) findet man auch Baumdörfer, die man zur Sicherheit gegen feindliche Überfälle in den Wipfeln hoher Stämme angelegt hat.
Landbau treiben einige melanesische Völker mit viel Sorgfalt und in ausgedehntem Maß, andre dagegen nur sehr wenig. Dagegen treiben sie Fischfang mit Netzen und Angelhaken mit viel Eifer; Schweine [* 29] und Hühner ziehen sie meist für den Handel. Als Seefahrer stehen sie hinter den Polynesiern weit zurück; auch sind ihre Boote, obwohl sie im Bau denen der Polynesier entsprechen, viel plumper. Ganz ähnlich verhält es sich mit ihren Zeugen aus Baumrinde und ihren geflochtenen Matten; dagegen ¶