mehr
Fürsten Olgert und Keistut erfochten, bei welchem zwar der tapfere Ordensmarschall Henning Schindekopf mit 26 Komturen und 200 Rittern fiel, der aber auch dem eroberungslustigen jungen litauischen Staat Halt gebot. Nicht lange nach Kniprodes Tod erwuchs jedoch dem Orden [* 2] eine große Gefahr durch den Übertritt der Litauer zum Christentum und durch ihre Vereinigung mit Polen zu Einem Reich infolge der Vermählung ihres Großfürsten Jagello mit Hedwig von Polen (1386). Der Orden konnte jetzt nicht mehr die Hilfe von Kreuzfahrern gegen die Litauer in Anspruch nehmen, sondern mußte mit Mietstruppen den Krieg wider sie führen, wodurch das Land mit Steuern belastet wurde, und hatte nun mit einem doppelt mächtigen Feind zu kämpfen, da die Polen voll Neid gegen den Orden ihm das Weichselgebiet zu entreißen trachteten.
Während aber so die Macht des Ordens nach außen hin sank, wurde derselbe auch im Innern zerrüttet. Wohlleben, Müßiggang und Übermut waren an die Stelle der alten Sittenstrenge getreten. Unter den Rittern herrschen Parteiungen. Die früher so milde Herrschaft über die Unterthanen wurde rücksichtslos und hart. Der einheimische Adel und die Städte trugen immer unwilliger das Joch dieser Fremdlinge, der armen Ritter aus dem Reich, welche den Ordensstaat als ihre Versorgung ansahen.
Adel und Städte wollten als Landstände anerkannt sein und Anteil an der Verwaltung haben, was aber der Orden schroff zurückwies. Bereits 1397 stiftete der westpreußische landsässige Adel den Eidechsenbund, um seine Rechte zu wahren. So wurde Polen zu immer neuen Angriffen ermutigt, und von seinem Vetter Witold von Litauen unterstützt, fiel Wladislaw Jagello 1410 in Preußen [* 3] ein. Mit einem zahlreichen Ordensheer stellte sich der Hochmeister Ulrich von Jungingen den Feinden entgegen, und bei Tannenberg (zwischen Gilgenburg und Hohenstein) [* 4] kam es zur Entscheidungsschlacht, welche für den Orden trotz tapfersten Kampfes durch den verräterische Abfall der Eidechsenritter verloren ging.
Der Hochmeister, die meisten Komture und 600 Ritter fielen, viele Tausende wurden gefangen, alle übrigen zersprengt, das Lager [* 5] die Beute der Polen. Ritter und Knechte, Städte und Burgen [* 6] ergaben sich ohne Widerstand dem Sieger, und die vier Landesbischöfe gelobten ihm Treue. In einem Monat war fast ganz Preußen im Besitz des Polenkönigs, und der Orden schien verloren. Da rettete ihn der tapfere Komtur Heinrich von Plauen, der mit 4000 Mann Pommerellen gedeckt hatte, von dem drohenden Untergang, indem er schnell entschlossen die Marienburg [* 7] besetzte und alle Angriffe der Polen auf das tapferste zurückschlug. Nach zehnwöchentlicher Belagerung hob der König, dessen Heer durch die tapfere Gegenwehr des Ordens, durch Mangel an Lebensmittel und durch Seuchen beträchtlich zusammengeschmolzen war, die Belagerung Marienburgs auf. Heinrich von Plauen wurde nun zum Hochmeister gewählt (1410-13) und schloß bald darauf den ersten Frieden zu Thorn, [* 8] welcher das Ordensgebiet nur wenig verkürzte und dem Orden bloß hohe Geldopfer auferlegte.
Nachdem der neue Hochmeister den Orden gerettet, wollte er durch weise Reformen dessen weitern Bestand sichern. Er verlangte daher von den Brüdern Erneuerung der strengen Sittenzucht und wollte dem Adel und den Städten, denen er hohe Steuern auferlegen mußte, auch Anteil an der Verwaltung und landständische Rechte gewähren, indem er 1412 aus 20 Edelleuten und 27 Bürgern einen Landesrat bildete. Hierüber waren aber die stolzen Ritter aufs höchste erbittert, und ein nach Marienburg 1413 berufenes Ordenskapitel setzte den Hochmeister ab; ja, als er seine Herrschaft wiedererlangen wollte, warfen sie ihn in den Kerker, in dem er 1429 starb.
Die Zustände im Innern wurden durch Parteiungen der Ritter selbst und die Widerspenstigkeit der Unterthanen immer bedenklichen. Der Krieg mit Polen erneuerte sich und zwang den Orden, fortwährend ein kostspieliges Söldnerheer zu unterhalten. Der Steuerdruck wurde daher immer härter, und Adel und Städte schlossen 1440 zu Marienwerder [* 9] den Preußischen Bund zur Verteidigung ihrer Gerechtsame. Dieser Bund fand weit und breit in Preußen Anklang und erhob sich bald als eine neue Macht über den Orden.
Als er 1450 einen Geheimen Rat zur Leitung der Bundesangelegenheiten einsetzte, kam es zum offenen Bruch zwischen ihm und dem Orden. Am kündigte er dem Hochmeister durch einen Absagebrief den Gehorsam förmlich auf, trug dem König Kasimir IV. von Polen die Herrschaft über Preußen an und eröffnete sofort die Feindseligkeiten gegen den Orden. In kurzer Zeit bemächtigte er sich einer großen Zahl von Ordensburgen; die Danziger belagerten Marienburg, und der König von Polen nahm die Abgefallenen als Unterthanen auf und erklärte dem Orden den Krieg. Hans von Baisen, eins der Häupter des Bundes, wurde zum Statthalter in Preußen eingesetzt; als aber der König selbst nach Preußen kam, huldigte ihm alles, auch die Bischöfe von Kulm, Samland und Pomesanien.
Nun begann ein 13jähriger Krieg, der »westpreußische Städtekrieg«, gegen den Orden. Dieser hatte Söldnerscharen in seine Dienste [* 10] genommen und wehrte sich tapfer gegen die Polen und den Bund. Aber Mangel an Geld brachte ihn bald in neue Verlegenheit, auch ließen der Deutschmeister und der Landmeister in Livland [* 11] den Orden im Stiche. Daher verpfändete der Hochmeister Ludwig von Erlichshausen seinen Söldnern Marienburg und alle Ordensstädte, Länder und Leute, die der Orden in Preußen und in der Neumark noch besaß, und verkaufte an Brandenburg [* 12] die Neumark.
Aber die erhaltenen Summen wurden von dem kostspieligen Kampf rasch verschlungen. Die Söldner verkauften daher Marienburg und alle andern von ihnen besetzten Schlösser und Städte dem König von Polen für 436,000 Gulden. Der Hochmeister mußte 1457 das Ordensschloß, wo während 148 Jahren 17 Hochmeister residiert hatten, verlassen und nach Königsberg [* 13] übersiedeln. Zwar hielt sich der Orden noch mehrere Jahre gegen seine Feinde; aber Kaiser und Reich leisteten ihm keine Hilfe, und so zwang ihn völlige Erschöpfung zu dem zweiten Frieden zu Thorn in welchem der Orden die westliche Hälfte Preußens, [* 14] nämlich Kulm, Michelau und Pommerellen mit den Städten Danzig, [* 15] Thorn, Elbing, [* 16] Marienburg und den Bistümern Kulm und Ermeland, an Polen abtrat, die östliche Hälfte (Ostpreußen) [* 17] aber, Samland und Pomesanien, als polnisches Lehen behielt.
Der geschwächte und seiner Unabhängigkeit beraubte Ordensstaat, dessen Hauptstadt nun Königsberg ward, suchte, nachdem er sich von seiner Erschöpfung etwas erholt, sich durch eine Reform zu kräftigen und wenigstens die polnische Lehnshoheit abzuschütteln. Aber die Reform scheiterte an dem Widerspruch des Deutschmeisters, und selbst als der Orden Mitglieder deutscher Fürstenhauses wie 1498 den Herzog Friedrich von Sachsen [* 18] und 1511 den Markgrafen Albrecht von Brandenburg-Ansbach, zu Hochmeistern wählte, um ¶
mehr
das Reich und die angesehensten Fürstenfamilien zur Hilfe gegen Polen zu veranlassen, erreichte er nichts. Beide Hochmeister wurden, als sie die Lehnshuldigung verweigerten und es auf einen Krieg mit Polen ankommen ließen, von Kaiser und Reich im Stiche gelassen, und ihre eignen Hilfsmittel waren zu gering. Albrecht mußte nach fruchtlosem Kampf aus Mangel an Geld zu Thorn einen Waffenstillstand mit Polen schließen. Hierauf ernannte er den Bischof von Samland, Georg von Polenz, zum Statthalter und reiste 1522 nach Deutschland, [* 20] um durch Vermittelung des Kaisers einen annehmbaren Frieden zu erlangen.
Aber seine Bemühungen scheiterten, und mit dem Deutschmeister verwickelte er sich in einen ärgerlichen Streit. Auf dieser Reise hatte er 1523 eine Zusammenkunft mit Luther, welcher ihm den Rat erteilte, den Orden aufzugeben und Preußen in ein weltliches Herzogtum zu verwandelt. In Preußen nämlich hatte die Reformation bereits viele Anhänger gefunden, und der Bischof Georg von Polenz erklärte sich 1524 öffentlich für dieselbe. Da Albrecht keine Hoffnung hatte, den Krieg erfolgreich führen zu können, so faßte er den Entschluß, Luthers Rat zu folgen und dem König von Polen als weltlicher Herzog zu huldigen.
So kam der Friede von Krakau [* 21] zu stande. König Siegmund I. belehnte Albrecht 10. April zu Krakau mit Preußen in den durch den zweiten Thorner Frieden festgestellte Grenzen, [* 22] also dem jetzigen Ostpreußen, das seitdem das herzogliche Preußen genannt wurde im Gegensatz zum königlich polnischen Westpreußen, als einem weltlichen Herzogtum, weil der Orden durch hartnäckige Verweigerung der Huldigung seine Ansprüche auf Preußen verwirkt habe. Am 9. Mai hielt nun Albrecht I. seinen Einzug in Königsberg, wo er von den zahlreichen Anhängern der Reformation mit offenen Armen empfangen wurde. Am 25. Mai setzten königliche Bevollmächtigte den Herzog in die landesherrliche Gewalt ein, und die Bischöfe von Pomesanien und Samland sowie die Städte huldigten ihm als erblichem Fürsten, wogegen er dem Adel und den Städten landständische Rechte zuerkannte.
Die wenigen Ritter, welche dem Orden treu blieben, wandten sich mit dem Herzog Erich von Braunschweig [* 23] nach Deutschland. Bei weitem die meisten blieben im Land, erhielten Lehnsgüter und verheirateten sich. Der Herzog selbst vermählte sich 1526 mit der Prinzessin Anna Dorothea von Dänemark. [* 24] Der Papst Clemens III. erklärte nun zwar das Verfahren des Herzogs für unrechtmäßig, der Deutsche [* 25] Orden protestierte gegen die Säkularisierung des Ordensgebiets und stellte in Walther von Kronberg einen neuen Hochmeister auf, welcher seinen Sitz in Mergentheim [* 26] aufschlug; auch der Kaiser verlangte 1530 vom Herzog die Räumung des Landes und bestätigte die 1533 vom Reichskammergericht gegen Albrecht ausgesprochene Acht. Allein dieser blieb im ungestörten Besitz des Landes, da der Kaiser die Reichsacht gegen ihn nicht durchzuführen vermochte.
Nichtsdestoweniger hatte der Herzog einen schweren Stand: Unruhen, Religionsstreitigkeiten und Zwistigkeiten mit den Ständen machten ihm viel zu schaffen. Der Adel suchte die fürstliche Gewalt zu seinen gunsten zu schwächen und ein Privilegium nach dem andern zu erringen. In allen Streitigkeiten riefen die Stände die Einmischung Polens an, das bereitwilligst die Gelegenheit ergriff, sein Oberlehnsrecht geltend zu machen. Indes wurde die Reformation in Preußen doch dauernd begründet und 1544 durch Stiftung der Universität Königsberg die Herrschaft deutschen Geisteslebens gesichert. Am starb Herzog Albrecht.
Sein Sohn Albrecht Friedrich, obwohl noch minderjährig, empfing 1569 die Belehnung mit Preußen. Hierbei erlangte Kurfürst Joachim II. von Brandenburg für sich und seine Leibeserben die Mitbelehnung. 1572 übernahm Albrecht Friedrich die Regierung, zeigte aber infolge der Anmaßungen des Adels und der streit- und herrschsüchtigen lutherischen Geistlichkeit bald Spuren von Schwermut. Daher wurde 1577 Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg von der fränkischen Linie zum Administrator des Herzogtums ernannt u. regierte das Land unter mancherlei Zerwürfnissen mit den Ständen bis zu seinem Tod (1603). Im J. 1605 wurde Kurfürst Joachim Friedrich von Brandenburg Administrator von Preußen.
Nach seinem Tod (1608) erlangte Kurfürst Johann Siegmund, der 1594 Albrecht Friedrichs ältere Tochter, Anna, geheiratet hatte, 1609 die Vormundschaft über seinen blödsinnigen Schwiegervater und wurde 1611 mit Preußen förmlich belehnt. Dadurch, daß er Polen zuliebe den Katholiken in Preußen freie Religionsübung gestattete, und daß er 1613 selbst von der lutherischen zur reformierten Kirche übertrat, geriet er in mißliche Stellung zu den streng lutherischen Ständen, welche, nach völliger Unabhängigkeit strebend, dem neuen Herrscherhaus, dessen Macht ihnen Gefahr drohte, alle möglichen Schwierigkeiten bereiteten und bei der Krone und dem Reichstag von Polen für alle Klagen und Beschwerden ein stets offenes Ohr [* 27] fanden.
So war die Stellung des Kurfürsten eine äußerst schwierige und seine Gewalt eine höchst geringe. Auch als nach dem Tode des blödsinnigen Herzogs Albrecht Friedrich Preußen an Brandenburg fiel und mit dem brandenburgisch-preußischen Staat vereinigt wurde, änderten sich die Verhältnisse nicht zum Bessern. Bei jedem Regierungswechsel verlangten die Stände als Preis ihrer Huldigung Erweiterung ihrer Rechte und Privilegien und Beschränkung der landesfürstlichen Gewalt, und Polen kam ihnen mit Verweigerung der Belehnung zu Hilfe, welche sowohl Georg Wilhelm (1619-40) als Friedrich Wilhelm (1640-88) erst nach jahrelangen Verhandlungen durch namhafte Geldopfer erreichen konnten.
Dazu kam, daß Preußen durch seine Lage und sein Lehnsverhältnis zu Polen in die schwedisch-polnischen Kriege verwickelt wurde. Während des Dreißigjährigen Kriegs, der übrigens Preußen mit seinen Verheerungen verschonte, besetzte Gustav Adolf mehrere Jahre die bedeutendsten Häfen Preußens und bemächtigte sich der Zolleinnahmen, welche sehr beträchtlich waren, da Preußens Handel noch immer in hoher Blüte [* 28] war. Namentlich während des Kriegs von 1655 bis 1660 hatte Preußen durch Verwüstungen seitens der Polen, Tataren und Moskowiter furchtbar zu leiden.
Indes brachte dieser Krieg dem Großen Kurfürsten endlich die ersehnte Befreiung von der fremden Oberlehnshoheit. Nachdem er 1656 Preußen von dem siegreichen König Karl X. Gustav von Schweden [* 29] hatte zu Lehen nehmen müssen, erlangte er nach der Schlacht bei Warschau [* 30] von diesem, 1657 im Wehlauer Vertrag auch von Polen die Anerkennung der Souveränität seines Herzogtums Preußen, welche im Frieden von Oliva (1660) bestätigt wurde. Daß die selbstsüchtigen und anmaßenden Stände ihm die Huldigung als souveränem Landesfürsten verweigerten, wenn er nicht ihre früher erpreßten Vorrechte anerkenne, veranlaßte ihn, sofort den Kampf mit denselben aufzunehmen und sie 1662 zur ¶