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einem großen Staatskörper zu vereinigen«. In sicherer Erwartung einer baldigen Unterwerfung Ungarns ward 7. März 1849 der Reichstag zu Kremsier, der inzwischen in vollem Vertrauen auf die Versprechungen des Ministeriums dessen liberale Reformvorschläge eingehend beraten hatte, aufgelöst und die Oktroyierung einer vom 4. März datierten Verfassung für Gesamtösterreich verkündigt. Durch dieselbe wurden alle zur österreichischen Monarchie gehörigen Länder unter Aufhebung aller Unterschiede zu einem einheitlichen Staatskörper vereinigt; die ungarische Verfassung wurde zunächst noch nicht aufgehoben, aber die serbische Woiwodschaft, Serbien, Kroatien und die Militärgrenze von Ungarn losgetrennt; die Feststellung des Verhältnisses des Lombardisch-Venezianischen Königreichs wurde einem besondern Statut vorbehalten. Schwarzenberg unternahm es also, das von Maria Theresia und Joseph II. begonnene Werk, die Verwandlung Österreichs in einen zentralisierten Einheitsstaat, der im Heer sein Vorbild hatte, mit Einem Schlag zu vollenden.
Die erste Vorbedingung hierfür war die Unterwerfung Ungarns (s. d.). Dieselbe schien Anfang 1849 sicher. Windischgrätz rückte 5. Jan. in Ofen-Pest ein und glaubte durch seinen angeblichen Sieg bei Kapolna (27. Febr.) die ungarische Feldarmee vernichtet zu haben. Aber infolge seiner Unthätigkeit gewannen die Ungarn Zeit, sich zu sammeln, in Siebenbürgen und im Banat die Kaiserlichen zurückzudrängen und im April die österreichische Hauptarmee in mehreren Schlachten zu besiegen, so daß sie Pest räumen mußten. Nun beantwortet der ungarische Reichstag die Oktroyierung der Verfassung vom 4. März mit dem Beschluß vom 14. April, welcher Ungarn mit allen Nebenländern für einen selbständigen Staat und die habsburg-lothringische Dynastie für abgesetzt erklärte. Während die Ungarn Ofen belagerten und 21. Mai erstürmten, rief Österreich die russische Hilfe gegen die Revolution an, welche der Zar Nikolaus in einem Vertrag vom 21. Mai zusagte. Ein russisches Korps rückte in Siebenbürgen, die Hauptarmee unter Paskewitsch über die Karpathen in Ungarn ein. Gleichzeitig drangen die Österreicher unter Haynau die Donau abwärts vor. Die Ungarn erlagen der Übermacht, und 13. Aug. streckte Görgei mit der Hauptarmee (22,000 Mann) bei Világos vor dem russischen General Rüdiger bedingungslos die Waffen. Die Russen überlieferten Ungarn auf Gnade und Ungnade den Österreichern, die, gereizt und erbittert, daß die Ungarn durch die Kapitulation von Világos dem hochmütigen Zaren einen leichten Triumph verschafft hatten, über die Häupter des Aufstandes ein grausames Strafgericht verhängten. Die ungarische Verfassung wurde für verwirkt erklärt und Ungarn zu einem bloßen Kronland des Gesamtstaats umgewandelt, die Nebenländer zu selbständigen Kronländern erhoben.
Der im März 1849 von Sardinien von neuem erklärte Krieg in Italien wurde schon 23. März durch den glänzenden Sieg Radetzkys bei Novara beendet, im August auch Venedig wieder unterworfen und die Verhältnisse auf der Apenninenhalbinsel ganz so wiederhergestellt, wie sie vor 1848 gewesen waren. Außer dem Lombardisch-Venezianischen Königreich beherrschte Österreich indirekt Parma, Modena, Toscana und die Romagna und besaß den maßgebenden Einfluß in Neapel. Dieselbe Wiederherstellung seiner Machtstellung glückte Österreich in Deutschland. Hier hatte die Veröffentlichung der österreichischen Verfassung vom 4. März, welche auf die deutschen Verhältnisse keine Rücksicht nahm, die Mehrheit des Frankfurter Parlaments bewogen, im März 1849 den engern deutschen Bundesstaat und die Übertragung der Kaiserkrone auf den König von Preußen zu beschließen. Die neue Reichsverfassung scheiterte an der Anlehnung der Krone durch Friedrich Wilhelm IV. Während Preußen nun mit den deutschen Fürsten über die Bildung einer Union unter seiner Führung verhandelte, bewältigte Österreich die Unruhen im Innern und konnte schon 1849 mit einem siegreichen Heer im Hintergrund bestimmend in die deutschen Dinge eingreifen. Es verlangte nicht bloß Wiederherstellung des Bundestags, sondern auch Aufnahme Gesamtösterreichs in den Bund, und seine Forderungen wurden von den süddeutschen Königlichen und von Rußland unterstützt. Preußen wagte keinen Krieg für seine Unionspolitik und unterwarf sich in Olmütz (November 1850). Schwarzenberg konnte sich rühmen, den preußischen Nebenbuhler aufs tiefste gedemütigt zu haben, und spielte an der Spitze der deutschen Mittelstaaten, welche bei Österreich Schutz vor den deutschen Einheitsbestrebungen suchten, die entscheidende Rolle im wiederhergestellten Deutschen Bund. Aber es belud sich auch mit dem Fluch freiheits- und deutschfeindlicher Reaktion durch die Unterdrückung der Kurhessen und die Auslieferung Schleswig-Holsteins an Dänemark. Und die Aufnahme Gesamtösterreichs in den Deutschen Bund erreichte es doch nicht, da die Westmächte gegen das Siebzigmillionenreich protestierten, ebensowenig wie die Zolleinigung mit Deutschland, zu welchem Zweck 1. Okt. 1849 die ungarische Zolllinie aufgehoben und 6. Nov. 1851 ein neuer Zolltarif erlassen worden war.
Die glänzenden Erfolge, welche Schwarzenberg Politik davongetragen, gaben der von ihm geleiteten Hof- und Militärpartei die Macht in die Hände. Nach Graf Stadions Tod (17. Mai 1849), welcher wenigstens ein vernünftiges Verwaltungssystem durchführen wollte, herrschte die Reaktion in Österreich unumschränkt. Sein Nachfolger Alexander Bach hatte nur das eine Ziel, Österreich zu einem einheitlichen, aber absolut monarchischen Staat zu machen. Nachdem 14. April 1851 als Beirat des Monarchen und Ersatz für die Volksvertretung ein aus kaiserlicher Ernennung hervorgegangener Reichsrat errichtet worden war, wurden 20. Aug. die Ministerverantwortlichkeit, das Stadionsche Gemeindegesetz und Schmerlings Gerichtsreform mit dem Institut der Schwurgerichte und 31. Dez. die Verfassung vom 4. März selbst aufgehoben. Schwarzenberg starb 5. April 1852 auf der Höhe seines Glücks, aber auch nach seinem Tod schien sein Werk gesichert. Bach und der Kultusminister Graf Leo Thun arbeiteten im Sinn des Zentralismus und Absolutismus scheinbar erfolgreich, die meist slawische Büreaukratie entfaltete eine rührige Thätigkeit für Verschmelzung der Länder, und gegenüber der Zerfahrenheit und Thatenlosigkeit früherer Zeiten schien das neue System an sich nicht unzeitgemäß und ungeeignet zu sein. Aber wirkliche Reformen wurden gar nicht versucht und nichts gethan, um durch wirtschaftliche Befreiung und materielle Wohlthaten die Bevölkerung mit dem Absolutismus zu versöhnen. Die Finanzlage war eine traurige, ergab Jahr für Jahr ein Defizit und zwang zur Ausgabe von Papiergeld, das immer tiefer im Wert sank und Handel und Gewerbe hemmte. Die Geistlichkeit gelangte zu schrankenlosem Einfluß, der seinen Höhepunkt in dem am 18. Aug. 1855 mit dem päpstlichen Stuhl abgeschlossenen Konkordat erreichte, das die Souveränität des Staats mehr
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einschränkte als irgend eine Verfassung und den Unterricht dem Klerus überlieferte.
Wie zweifelhaft die Erfolge der äußern Politik von 1850 waren, zeigte sich, als 1853 von neuem eine orientalische Krisis ausbrach. »Die Welt soll über unsre Undankbarkeit erstaunen«, hatte Schwarzenberg einst im Übermut gesagt, und sein Nachfolger als Minister des Auswärtigen, Graf Buol-Schauenstein, sah sich durch die Verhältnisse gezwungen, das Wort zu erfüllen. Kaiser Nikolaus erwartete von Österreich, daß es seinen Unternehmungen gegen die Türkei nicht entgegentreten werde. Aber Österreich konnte sich nicht dazu erschließen, da seine Interessen im Orient durch die Besetzung der Donaufürstentümer zu empfindlich getroffen wurden. Jedoch auch im Bund mit den Westmächten Rußland offen den Krieg zu erklären, wagte es nicht, zumal es dem tödlich beleidigten Preußen nicht traute. Die Politik der Halbheit, die demnach Österreich im Krimkrieg (s. d.) einschlug, indem es durch ein Ultimatum die Räumung der Donaufürstentümer erzwang und diese dann selbst besetzte, allem Drängen der Westmächte auf Beteiligung am Krieg aber widerstand und Sardinien sich zuvorkommen ließ, hatte zur Folge, daß es Rußland schwer verletzte und sich dessen Haß zuzog, das Vertrauen der Westmächte aber nicht gewann und auch keinen materiellen Vorteil aus dem Krieg zog. Vielmehr verschlang die Besetzung der Donaufürstentümer eine Anleihe von 500, in Wirklichkeit 611 Mill. Guld., da der Finanzminister den Überschuß der Zeichnungen ungescheut ebenfalls verwendete.
In wenigen Jahren hatte Österreich von dem Nimbus, den ihm der Sieg über die Revolution verschafft, erheblich eingebüßt. Nach außen isoliert, hatte es im Innern an Kraft nicht zugenommen. Ungarn war unversöhnt und verharrte in passivem Widerstand. Die Büreaukratie, welche Bach geschaffen, war ohne allen Halt im Volk und wurde von den Liberalen wie den Feudalen gleichmäßig gehaßt. Sie war nicht im stande gewesen, das Experiment eines absolutistischen Einheitsstaats durchzuführen. Die Armee hatte keine Gelegenheit wieder gehabt, ihre Tüchtigkeit zu bewähren, so daß das dem Deutschösterreicher eingeborne pessimistische Mißtrauen gegen alle staatlichen Institutionen sich allmählich auch auf das Heerwesen übertrug, zumal man dem allmächtigen kaiserlichen Generaladjutanten, dem höchst unpopulären Grafen Grünne, im Volk und in der Armee die verderblichste Wirksamkeit zutraute. So war die Lage Österreichs, als Cavour die italienische Frage aufwarf und Napoleon III. dieselbe in die Hand nahm, um die österreichische Herrschaft in Italien zu stürzen und die Frankreichs an die Stelle zu setzen. Da Österreich die Verträge auf seiner Seite hatte, so hätte es den Verlauf der Dinge ruhig abwarten sollen. England bereitete eine für Österreich ehrenvolle Vermittelung vor, und Preußen war geneigt, gemeinschaftlich mit dem Wiener Hof vorzugehen. Aber dieser verscherzte die Gunst der Umstände, indem er im April 1859 plötzlich von Sardinien sofortige Entwaffnung forderte und, als diese abgelehnt wurde, seine Truppen in Piemont einrücken ließ, wo sie aber unthätig stehen blieben, während die Franzosen die Alpen überschritten und sich mit Sardinien vereinigten. Durch die Schlacht bei Magenta (4. Juni), welche der österreichische Befehlshaber Gyulay leicht hätte gewinnen können, ging die Lombardei verloren. Auch der zweite Kampf, bei Solferino (24. Juni), im Festungsviereck, dem Schauplatz der Siege von 1848, geliefert, hatte keinen glücklichen Ausgang. Neben der Unfähigkeit der Anführer zeigte sich eine verderbliche Schwerfälligkeit der Kriegsverwaltung, ja sogar ein Anteil höherer Beamten an den großartigen Betrügereien und Unterschleifen der Lieferanten. Dennoch hätte der Krieg eine günstigere Wendung nehmen können, wenn nicht der Kaiser Franz Joseph, nur um nicht Preußen den Oberbefehl im Krieg Deutschlands gegen Frankreich, dessen Ausbruch am Rhein bevorstand, lassen zu müssen, 11. Juli 1859 mit Napoleon den Frieden von Villafranca geschlossen hätte. Österreich trat die Lombardei ab und behielt Venetien, mußte aber, obwohl der Züricher Friedensvertrag die sonstige Erhaltung der frühern Zustände in Italien festsetzte, doch die Halbinsel an Sardinien überlassen, da es einen neuen Krieg zu führen weder gewillt, noch im stande war.
Erteilung einer Verfassung.
Der Verlauf des Kriegs von 1859 hatte die Hohlheit der österreichischen Regierungsmacht und die Unhaltbarkeit der bestehenden Zustände so deutlich gezeigt, daß niemand für die Aufrechterhaltung derselben die Hand zu erheben wagte. Die Minister Buol-Schauenstein und Bach wurden entlassen und durch Graf Rechberg und Goluchowski ersetzt. Der begabte und gewandte Finanzminister v. Bruck, der sich vergeblich bemüht hatte, die Finanzen in Ordnung zu bringen, entleibte sich selbst (22. April 1860), da in den Unterschleifprozeß gegen den Feldmarschallleutnant ^[richtig: Feldmarschalleutnant] v. Eynatten ein Verdacht auf ihn fiel, der sich später als völlig unbegründet erwies. Ein kaiserliches Patent vom 5. März 1860 ordnete eine Verstärkung des 1851 eingesetzten Reichsrats in der Weise an, daß derselbe außer den ordentlichen Reichsräten aus lebenslänglichen Mitgliedern (Erzherzögen, hohen kirchlichen Würdenträger und im Zivil- oder Militärdienst ausgezeichneten Männern) und aus 38 Mitgliedern der Landesvertretungen bestehen sollte, welche letztern der Kaiser aus je drei vorgeschlagenen Kandidaten zu wählen hätte. Von Bedeutung für das Gelingen des Werkes war, ob die Ungarn sich zur Teilnahme erschließen würden. Als der Reichsrat 31. Mai 1860 eröffnet wurde, erschienen zwar Vertreter Ungarns, an ihrer Spitze die Grafen Andrássy und Apponyi; dieselben sprachen es aber offen aus, daß der Reichsrat für sie nur insofern Bedeutung habe, als er ihnen zur Wiedererlangung ihrer 1849 verlornen Rechte verhelfen werde. Die Regierung war auch bereit, sich mit dem Reichsrat über weitere konstitutionelle Zugeständnisse zu verständigen. Die Finanzlage verlangte gebieterisch den Beistand der Bevölkerung bei ihrer Besserung, denn der Bericht der 1859 eingesetzten Staatsschuldenkommission stellte die Höhe der Staatsschuld auf 2351 Mill. Gulden fest, deren Verzinsung 103 Mill. und deren Tilgung 13 Mill. Guld. jährlich erforderten; das Budget von 1861 schloß mit einem Defizit von über 40 Mill. Guld. ab. Da indes die Regierung mit dem Reichsrat zu keiner Einigung über die neue Verfassung gelangen konnte, wurden dessen Sitzungen 28. Sept. geschlossen, und 20. Okt. 1860 erschien ein kaiserliches Manifest (Oktoberdiplom), welches die Grundzüge einer neuen Verfassung veröffentlichte, in der sowohl für die Autonomie der einzelnen Kronländer als für die Einheit des Reichs gesorgt sein sollte. Den Ungarn wurde ihre Verfassung, wie sie vor 1848 bestanden, zurückgegeben, die übrigen Kronländer sollten Landtage für ihre besondern Interessen erhalten, die gemeinsamen Angelegenheiten aber von einem Reichsrat beraten werden, dessen Mitglieder teils vom Kaiser, teils von den Landtagen