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Handels durch Staatseisenbahnen, Handelsverträge u. dgl., die Berufung von Abgeordneten der Landtage zur Beseitigung der Finanznot u. a., an dem Widerstand des Erzherzogs scheiterten. Dennoch machte sich die lebhaftere politische Bewegung, welche in Deutschland [* 2] 1840 begann, in Österreich [* 3] kaum bemerkbar. Im niederösterreichischen Landtag erschreckte Graf Breuner die Regierung durch den Antrag auf Zuziehung bürgerlicher Vertreter, auf Ablösung der Feudallasten und Reform des Unterrichts; der böhmische petitionierte um mildere Handhabung der Zensur.
Aber dies waren vereinzelte Regungen ohne erhebliche Bedeutung. Wichtiger war, daß sich die Nationalitäten erhoben, daß in Ungarn [* 4] (s. d.) die Magyaren eine zugleich freisinnige und nationale Reform ihres Staatswesens begannen und auch dem Wiener Hof [* 5] gegenüber durchsetzten; daß die Kroaten, Serben und Slowenen zum Bewußtsein ihrer Stammesverwandtschaft erwachten und auch in Böhmen [* 6] eine nationaltschechische Partei erstand, welche auf dem Landtag zwar auch liberale Zugeständnisse von der Regierung forderte, vornehmlich aber die Autonomie Böhmens unter österreichischer Oberhoheit erstrebte und tschechische Institute, Vereine und Zeitungen gründete. Hier zeigte sich die Österreich bei einer Erschwerung drohende Gefahr: die Autonomiegelüste seiner Nationalitäten, denen gegenüber die Zentralregierung jede Stärkung der einigenden Elemente unterlassen hatte.
Die Revolution von 1848.
Auf die erste Nachricht von der Pariser Februarrevolution dachte man in Österreich nicht an Politik, sondern an das Geld und bestürmte die Staats- und Sparkassen, da man allgemein von der Unvermeidlichkeit des Staatsbankrotts überzeugt war; das bare Geld war wie durch Zauberschlag verschwunden. Die feurige Rede, welche Kossuth im ungarischen Reichstag gegen das verrottete Regierungssystem hielt, die »Taufrede der österreichischen Revolution«, fand in allen Kronländern lauten Widerhall und veranlaßte auch in Wien [* 7] einen Adressensturm für Reformen, gegen welchen Zensur und Polizei ohnmächtig waren. Am Hof war man uneinig, und es erfolgte zunächst nichts als die Abdankung Metternichs (13. März). Mit ihm brach auch sein System für immer zusammen; nicht eine bleibende Schöpfung überlebte ihn. Dann aber ließen sich die bisherigen Machthaber ein Zugeständnis nach dem andern, Bewaffnung der Studentenschaft, Preßfreiheit, Einberufung von Abgeordneten der deutschen, slawischen und italienischen Provinzen bis zum 3. Juli, entreißen, ohne dadurch die tumultuarische Menge zu befriedigen. Endlich sagte 15. März ein kaiserliche Manifest die baldigste Einberufung von Abgeordneten behufs »Konstitution des Vaterlandes« zu. An Stelle der Staatskonferenz trat 21. März ein verantwortliches Ministerium, erst unter dem Vorsitz des Grafen Kolowrat, seit dem 3. April unter dem des Grafen Ficquelmont, den am 4. Mai Freiherr v. Pillersdorf, ein wohlbekannter Gegner des alten Systems, ablöste. Dasselbe vermochte aber der herrschenden Anarchie um so weniger zu steuern, als die verfügbaren Truppen alle nach Italien [* 8] geschickt worden waren. Die von radikalen Demagogen geführte Nationalgarde und die Aula, die konstruierte Studentenschaft, hatten das Heft in Händen und bildeten ein politisches Zentralkomitee zur Beschirmung der Volksrechte, welches sich ohne weiteres der Regierung bemächtigte. Das Staatsgrundgesetz, das Pillersdorf 25. April verkündigte, erntete nichts als Tadel und Spott, obwohl es der belgischen Verfassung nachgebildet war; die wichtigste Frage freilich, ob Österreich ein Föderativ- oder ein Einheitsstaat sein solle, ließ es ungelöst. Als die Minister 13. Mai sich erkühnten, der Nationalgarde die Teilnahme am Zentralkomitee zu verbieten, erzwang die entrüstete Aula mit Hilfe des Pöbels 15. Mai nicht bloß die Zurücknahme jenes Verbots, sondern auch die Suspension der Verfassung vom 25. April, ein Wahlgesetz ohne Zensus, die Einberufung einer konstituierenden Reichsversammlung und die gemeinschaftliche Besetzung der Stadtthore und der Burgwache durch Nationalgarde und Militär.
Gleichzeitig mit dem Zusammenbruch der Regierungsautorität in der Hauptstadt war auch die Einheit des Staats in höchster Gefahr. Ungarn riß sich fast ganz von Österreich los; die österreichischen Farben, die kaiserlichen Adler [* 9] verschwanden. Die Erfolge der Ungarn veranlaßten die Kroaten und Serben, ihre Lostrennung von Ungarn zu verlangen. In Prag [* 10] bildete sich ein Nationalausschuß, der vom Kaiser ein eignes böhmisches Ministerium, die Vereinigung sämtlicher Länder der Wenzelskrone zu Einem Staat und eine neue böhmische Verfassung forderte. In Krakau [* 11] kam es zu einem Aufstand, der aber vom Gouverneur Grafen Stadion 26. April unterdrückt wurde. Dagegen mußten die Österreicher vor der Erhebung der Bevölkerung [* 12] Mailand [* 13] und Venedig [* 14] räumen und Radetzky mit den Truppen sich in das Festungsviereck zurückziehen. Die Deutschösterreicher sahen aber in dieser Auflösung des alten Österreich in autonome Länder keine Gefährdung ihrer eignen politischen Stellung, sondern nur die Niederlage der verhaßten Regierung.
Überraschend und anfangs niederschmetternd wirkte 17. Mai die Kunde, daß Kaiser Ferdinand Schönbrunn verlassen und sich nach Innsbruck [* 15] inmitten seiner treuen Tiroler begeben habe. Abgesandte aller Körperschaften gingen nach Innsbruck ab, um den Kaiser zur Rückkehr in seine Hauptstadt zu bewegen. Das Zentralkomitee löste sich auf, und 26. Mai verfügte das Ministerium auch die Auflösung der Studentenlegion. Aber schon war die Stimmung wieder umgeschlagen; von neuem erhoben sich die Barrikaden und kamen die Arbeiter ihren »Brüdern«, den Studenten, zu Hilfe, und ohne daß es zum Kampf kam, gab das Ministerium nach.
Pillersdorf, aller Machtmittel beraubt, erkannte den neuen Sicherheitsausschuß unter Fischhofs Vorsitz als unabhängig von jeder andern Behörde an, stellte sämtliches Staatseigentum unter seinen Schutz und ließ ihn mit diktatorischer Unabhängigkeit schalten. Von Erzherzog Johann, der am 15. Mai vom Kaiser für dessen Abwesenheit mit der Regierungsvollmacht bekleidet und 26. Juni nach Wien gekommen war, forderte der Ausschuß dennoch die Entlassung Pillersdorfs und erhielt sie zugestanden; Dobblhoff bildete ein neues Ministerium, in welches die Demokraten Hornbostl, Schwarzer und A. Bach berufen wurden, »um eine volkstümliche Monarchie auf Grundlage des gesetzlich ausgesprochenen Volkswillens zu gründen«.
Diese Aufgabe sollten die neuen Minister in Gemeinschaft mit dem ersten konstituierenden österreichischen Reichstag lösen, welcher 22. Juli vom Erzherzog Johann eröffnet wurde. In demselben waren die deutschslawischen Länder durch 383 Deputierte vertreten; dieselben entbehrten fast alle der parlamentarischen Schulung, viele waren des Deutschen unkundig; eine feste Parteibildung nach politischen Grundsätzen war nicht vorhanden, der Reichstag ¶
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zerfiel in lauter nationale Gruppen. Von Bedeutung war, daß nicht weniger als 94 Bauern, darunter viele Ruthenen, in den Reichstag gewählt worden waren. Handelte es sich doch für den Bauernstand um die Aufhebung des drückenden Unterthänigkeitsverhältnisses und die Abschüttelung der Feudallasten (Robote), welche zwar meist thatsächlich erfolgt, aber nicht gesetzlich sanktioniert waren. Der dahin gehende Kudlichsche Antrag vom 26. Juli wurde vom Reichstag sofort beraten und 7. Sept. die Freiheit des Grund und Bodens beschlossen, ein bemerkenswerter Fortschritt, der auch nie zurückgenommen worden ist.
Inzwischen hatte die Regierung in den Provinzen wieder etwas an Ansehen und Kraft [* 17] gewonnen. Ein Aufstand, der im Anschluß an den Slawenkongreß 12. Juni Prag ausbrach, wurde von Windischgrätz niedergeschlagen und damit den tschechischen Bestrebungen nach Selbständigkeit Böhmens ein Ende gemacht. Radetzky, der sich im Festungsviereck behauptet hatte, brach im Juli aus demselben hervor, besiegte 23. Juli bei Sommacampagna und 25. Juli bei Custozza [* 18] die sardinische Armee und rückte wieder in Mailand ein.
Infolge des Waffenstillstandes von Vigevano (9. Aug.) räumten die Sardinier das Lombardisch-Venezianische Königreich, und nur Venedig blieb unbezwungen. Unter diesen Umständen kehrte der kaiserliche Hof von Innsbruck nach Wien zurück, wo er 12. Aug. unter lebhaftem Jubel des Volkes seinen Einzug hielt. Doch war die Stimmung des niedern Volkes in Wien infolge der Stockung aller Geschäfte und alles Verkehrs und der Abwesenheit der reichen Familien und Fremden eine verzweifelte geworden, die sie demagogischen Aufreizungen zugänglich machte. Als der Minister Schwarzer 21. Aug. den Tagelohn für die auf Staatskosten beschäftigten Arbeiter herabsetzte, brach ein Arbeiterkrawall aus, der zwar mit Waffengewalt unterdrückt wurde, dem aber wenige Wochen später (13. Sept.) ein zweiter folgte. Die Aufregung stieg infolge der Ereignisse in Ungarn. Im September begann der Banus von Kroatien, Jellachich, insgeheim vom Wiener Hof aufgemuntert, den Krieg gegen die Magyaren. Der ungarische Reichstag schickte, um hierüber Beschwerde zu führen, eine Deputation an den Reichstag und das Volk von Wien, welche zwar von der slawischen Mehrheit des Reichstags nicht vorgelassen, von der Wiener Demokratie aber mit offenen Armen aufgenommen wurde, da dieselbe erkannte, daß die Unterwerfung der Ungarn ihren eignen Untergang nach sich ziehen müsse. Als die Ermordung des Grafen Lamberg in Pest (28. Sept.) den Bruch zwischen Österreich und Ungarn unvermeidlich gemacht hatte und die Truppen an der ungarischen Grenze zusammengezogen wurden, suchten die Demagogen die Truppen zur Widersetzlichkeit aufzureizen. Wirklich weigerte sich 6. Okt. ein Grenadierbataillon, nach Ungarn abzumarschieren, und als sein Widerstand durch andre Truppen gebrochen werden sollte, entspann sich an der Taborbrücke zu Wien zwischen den Truppen, der Nationalgarde und dem Volk ein Kampf, in welchem letztere den Sieg behaupteten. Bei der Unthätigkeit und Kopflosigkeit der Behörden verbreitete sich der Aufruhr in das Innere der Stadt, der Kriegsminister Graf Latour wurde im Hofkriegsratsgebäude aufgespürt, aus seinem Versteck hervorgezogen, grausam ermordet und an einem Laternenpfahl aufgehängt. Ein Angriff auf das Zeughaus versorgte die aufrührerischen Massen mit Waffen, [* 19] und als die Nacht hereinbrach, waren sie Herren der Stadt. Der Reichstag nahm die Vermittelung zwischen dem Hof und dem Aufstand in die Hand [* 20] und verlangte vom Kaiser Einstellung des Kampfes, Amnestie und ein volkstümliches Ministerium. Fast wider Erwarten kam aus Schönbrunn die Nachricht, daß diese Forderungen gewährt seien, am Morgen des 7. Okt. aber die weitere, daß der Kaiser unter militärischer Bedeckung nach Olmütz [* 21] gereist sei. Ein zurückgelassenes Manifest verurteilte das Vorgefallene aufs schärfste und rief die Völker Österreichs zum Kreuzzug gegen die Revolution auf. Das Ministerium löste sich auf, viele Abgeordnete verließen den Reichstag.
Auf die Kunde von den Wiener Ereignissen rückte Jellachich sofort gegen Wien, und der Befehlshaber der kaiserlichen Truppen daselbst zog ihm entgegen. Gleichzeitig schickte Fürst Windischgrätz, der schon im Sommer vom Kaiser zum Oberbefehlshaber des ganzen kaiserlichen Heers außer dem Radetzkyschen in Italien ernannt worden war, von Prag aus Streitkräfte gegen Wien und verhängte 20. Okt. Belagerungszustand und Standrecht über die Stadt. In Wien, wo es außer dem neugebildeten Gemeinderat an jeder Behörde fehlte, war die Bevölkerung, von der 100,000 Menschen geflohen waren, zu einer entschlossenen Gegenwehr wenig geneigt.
Aber alle Versuche der Vermittelung und Versöhnung wurden vom Hof in Olmütz und von Windischgrätz zurückgewiesen. So fiel die Leitung der Dinge dem Zentralausschuß der demokratischen Vereine zu, der den ehemaligen Leutnant Messenhauser zum Oberkommandanten der Stadt ernannte. Ihm schlossen sich internationale Revolutionäre an, von denen der fanatische Pole Bem den Oberbefehl über die mobilen Truppen übernahm. Die Frankfurter Parlamentsmitglieder R. Blum und Fröbel, welche eine Zustimmungsadresse der Frankfurter Linken überbrachten, ermunterten die Wiener zum Widerstand.
Auch rechnete man auf den Beistand der Ungarn, welche schon die Leitha überschritten hatten. Als Windischgrätz' Forderungen, Entwaffnung und Auslieferung Bems, Pulszkys, der Mörder Latours u. a., nicht erfüllt wurden, schritt derselbe 26. Okt. zum Angriff zunächst auf die Vorstädte, 28. Okt. auf die Stadt selbst, die sich 30. Okt. auf Gnade und Ungnade ergeben mußte. Schon war man mit der Ausführung der Kapitulation beschäftigt, als der Kanonendonner die Ankunft der so lange vergeblich erwarteten Ungarn ankündigte und der Kampf von Messenhausers Adjutanten Fenner v. Fenneberg erneuert wurde.
Doch die Ungarn wurden bei Schwechat von Jellachich geschlagen und das planlos verteidigte Wien 31. Okt. abends von Windischgrätz erobert. Messenhauser, die Litteraten Becher [* 22] und Jellinek sowie R. Blum wurden erschossen, viele andre von den Kriegsgerichten zu Kerkerstrafen verurteilt. Die Bevölkerung, welche sich die Herrschaft der Aula und des Pöbels ruhig hatte gefallen lassen, unterwarf sich kriechend der siegreichen Soldateska und unterstützte deren Rachewerk durch Denunziationen.
Die Reaktion.
Nach der Niederwerfung des Aufstandes in der westlichen Reichshälfte wurde Fürst Felix Schwarzenberg an die Spitze eines neuen Ministeriums gestellt, welches die Monarchie wieder aufrichten sollte, und der Reichstag unter Bestätigung seiner vor dem 6. Okt. gefaßten Beschlüsse zum 22. Nov. nach Kremsier berufen. Kaiser Ferdinand legte die Krone nieder, und Franz Joseph I. übernahm im Alter von 18 Jahren die Herrschaft, in der Hoffnung, wie seine Proklamation sagte, »daß es ihm gelingen werde, alle Länder und Stämme der Monarchie zu ¶