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Viele Mitglieder des österreichischen Adels, auch des Kaiserhauses selbst, wie die Erzherzöge Karl und Johann, namentlich aber die zahlreichen »Reichsländer«, die in österreichischen Diensten standen, hielten den Kampf gegen den corsischen Eroberer für eine zugleich sittliche wie patriotische Pflicht und drängten zu Reformen in dem Heerwesen und zu Rüstungen, [* 2] damit Österreich [* 3] in den Stand gesetzt werde, an der Spitze Deutschlands [* 4] die verhaßte Fremdherrschaft abzuschütteln und das Deutsche Reich [* 5] in seiner frühern Macht wieder aufzurichten.
Wirklich trat
Franz II. 1805 der dritten
Koalition gegen
Frankreich bei, aber von schwungvollen
Gedanken und kräftigen Entschließungen
war bei der Vorbereitung des
Kriegs ebensowenig zu spüren wie von energischem, planvollem
Handeln bei
der Kriegführung selbst. Das größte
Heer erhielt
Erzherzog
Karl in
Italien,
[* 6] bekam aber nicht die Erlaubnis zu kräftiger
Offensive.
Den Hauptschlag wollte
Mack als Oberbefehlshaber in
Deutschland
[* 7] führen, hatte aber nicht die dazu erforderlichen Streitkräfte
und wartete die russischen
Truppen nicht ab. Statt
Bayern
[* 8] zu besetzen,
Württemberg
[* 9] und
Baden
[* 10] in seine Botmäßigkeit
zu bringen
und den
Franzosen am
Rhein die
Stirn zu bieten, war
Mack in
Ulm
[* 11] von dem Feind schon umstellt, als er denselben noch
fern wähnte, und mußte mit dem Rest seines
Heers, 23,000 Mann, kapitulieren.
Die bereits bis zum Inn vorgerückten Russen wichen nun nach Mähren [* 12] zurück, und Napoleon konnte im November in Wien [* 13] einziehen. Dennoch war seine Lage gefährdet, da Preußen [* 14] die Räumung Deutschlands von ihm forderte, widrigenfalls es der Koalition beitreten werde, und die Erzherzöge Karl und Johann mit 90,000 Mann von Süden her heranzogen. Aber statt unter diesen Umständen eine Schlacht zu vermeiden, ließen sich die Russen unter Kutusow zur Schlacht bei Austerlitz [* 15] verlocken, in welcher die Verbündeten vollständig geschlagen wurden. Da die Reste der russischen Armee nach Rußland zurückgingen, blieb Österreich nur die unbedingte Unterwerfung unter den Willen des Siegers als Ausweg übrig. Der Friede von Preßburg [* 16] legte Österreich schwere Opfer auf: es mußte Venetien an Italien, Tirol [* 17] und Vorarlberg an Bayern, im ganzen 66,000 qkm mit fast 3 Mill. Einw. abtreten und erhielt nur Salzburg. [* 18] Noch erheblicher war die Einbuße an politischer Macht, indem Österreich von Italien und Deutschland abgeschnitten wurde, und diese Länder, die es als seinen Machtbereich anzusehen gewohnt gewesen, der Herrschaft Napoleons überlassen mußte. Daher verzichtete Franz II. nach der Stiftung des Rheinbundes auf den Titel eines römisch-deutschen Kaisers (6. Aug.) und führte fortan nur als Franz I. den eines Erbkaisers von Österreich.
Die Bedingungen des Preßburger Friedens waren viel zu hart und demütigend, als daß sie auf die Dauer hätten ertragen werden können. Auch der Kaiser war zur baldigen Wiederaufnahme des Kampfes und zu einer Änderung der bisherigen Politik entschlossen. Cobenzl wurde entlassen und Graf Philipp Stadion an die Spitze der Regierung gestellt. Derselbe, von Gesinnung und Bildung ein aufgeklärter, patriotischer Deutscher, beschloß in der Erkenntnis, daß nur durch Mitwirkung des gesamten Volkes ein glücklicher Krieg zu führen sei, durch Reformen die geistigen und sittlichen Kräfte des Volkes zu entfesseln, den Unterricht zu heben, die Presse [* 19] zu befreien, dem Bürger- und Bauernstand freiere Bewegung und Erleichterung zu gewähren und hierdurch auf die Vaterlandsliebe einzuwirken.
Die Reform des Heers wurde dem Erzherzog Karl übertragen und durch ein kaiserliche Patent die Errichtung der Landwehr, die Einreihung aller waffenfähigen Mannschaften in die Armee befohlen. Die Reformen konnten nun freilich nicht in dem gewünschten Umfang durchgeführt werden, da Ungarn [* 20] seine Sonderstellung hartnäckig festhielt, die Verwaltungsmaschine zu schwerfällig und ungenügend war und entgegengesetzte Einflüsse beim Kaiser vorübergehend den Sieg davontrugen. So unterwarf sich Österreich 1808 der Kontinentalsperre, wodurch der Hafen von Triest [* 21] verödete und eine Handelskrisis ausbrach, die den schon ohnehin tief gesunkenen Kredit heftig erschütterte.
Man verzögerte die Kriegserklärung bis zum Frühjahr 1809, obwohl die Erhebung der Spanier im Sommer 1808 und die Aufforderung Napoleons an den Wiener Hof [* 22] die Rüstungen einzustellen, Österreich zu größerer Eile hätten antreiben sollen. Dennoch versprach der Krieg diesmal siegreich zu enden. Eine herrliche Begeisterung erfüllte Wien und die deutschen Provinzen. Freiwillige aller Stände strömten zu den Fahnen, und mit Vertrauen blickte man auf die Männer, die an der Spitze standen, die Erzherzöge Karl und Johann und die Mitglieder der höchsten Aristokratie. Auch die patriotischen Kreise [* 23] Deutschlands richteten auf Österreich hoffnungsvoll ihre Blicke, von dem allein noch Rettung vom fremden Joch kommen konnte. Die Freiheit Europas, die Erlösung der deutschen Brüder war nach dem Kriegsmanifest vom das Ziel des Kampfes.
Wiederum wurde die Langsamkeit der österreichischen Kriegführung verhängnisvoll. Erzherzog Karl hatte mit der Hauptarmee erst Niederbayern erreicht und seine Armeekorps zwischen Regensburg [* 24] und München [* 25] verteilt, als der mit ungeahnter Schnelligkeit herbeieilende Kaiser Napoleon ihn angriff, und in fünftägigen Gefechten (19.-23. April) die Österreicher zersprengte. Durch Böhmen zog sich Erzherzog Karl nach Niederösterreich zurück, während die Franzosen 13. Mai Wien zum zweitenmal besetzten.
Noch war nichts verloren. Erzherzog Johann hatte in Italien über den Vizekönig Eugen 16. April bei Sacile gesiegt, Tirol hatte sich erhoben, und in der Schlacht bei Aspern [* 26] (21. und 22. Mai) wurde nach blutigem Ringen Napoleons Angriff unter furchtbaren Verlusten zurückgeschlagen. Aber die unbegreifliche Unthätigkeit des Erzherzogs, der, statt seinen Sieg zu benutzen, dem Gegner 6 Wochen Zeit ließ, sein Heer zu verstärken und sich auf einen neuen Kampf vorzubereiten, entschied den Ausgang des Kriegs. In der Schlacht bei Wagram [* 27] wurden die Österreicher besiegt und schlossen 12. Juli den Waffenstillstand von Znaim, dem am 14. Okt. der Friede von Wien folgte. Österreich verlor über 100,000 qkm mit mehr als 3 Mill. Einw.; es trat Salzburg, Krain, [* 28] den Villacher Kreis, [* 29] Görz, [* 30] Triest, einen Teil von Kroatien und das ungarische Dalmatien, endlich Westgalizien und einen Teil von Ostgalizien ab und mußte außerdem eine Kriegskontribution von 85 Mill. Gulden zahlen; seine jährlichen Einkünfte wurden um 11 Mill. gekürzt, sein Handel teils durch die von neuem übernommene Kontinentalsperre, teils dadurch gelähmt, daß es nun ganz vom Meer abgeschnitten war; die Industrie erlitt harte Verluste durch die Überlassung der Hälfte der Salzbergwerke von Wieliczka an Rußland, der Quecksilberbergwerke von Idria und der großen Eisen- und Stahlhämmer im Villacher Kreis an Frankreich. Eine Schmach für Österreich war es auch, ¶
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daß es trotz der feierlichen Versprechungen die Tiroler wieder der Fremdherrschaft preisgab.
Der Wiener Friede hatte einen völligen Umschwung in der österreichischen Politik zur Folge, der durch den Wechsel in der Staatskanzlei
bezeichnet wurde: an Stadions Stelle trat Metternich. Derselbe gab zunächst jeden Gedanken an einen neuen
Krieg auf und stellte ein möglichst freundschaftliches Verhältnis zu Frankreich her, indem er den Kaiser bewog, 1810 seine Tochter
Marie Luise Napoleon zur Gemahlin zu geben. Österreich bedurfte dringend
des Friedens, vor allem der zerrütteten Finanzen wegen.
Die Schulden hatten sich unter Joseph nicht vermindert und beliefen sich bei seinem Tod auf 399, 1802 aber schon auf 680 Mill. Da die gewöhnlichen und Zwangsanleihen erschöpft waren, hatte man zu Lotterieanleihen gegriffen und hierdurch wie durch die englischen Subsidien und Anleihen sich die ersten zehn Kriegsjahre hindurchgeholfen; da erließ der neue Finanzminister, Graf Zichy, 1802 das Verbot der Geldausfuhr, fing die Prägung von geringhaltiger Silber- und Kupferscheidemünze an und sah sich endlich gedrängt, durch eine Verfügung vom Kupfermünzen im Wert von 1600 Guld. vom Zentner prägen zu lassen.
Daneben waren in immer kleiner werdenden Zwischenräumen neue Bankozettel emittiert, die Emission aber wenigstens noch angekündigt worden. Selbst davon ging man 1788 ab, wiederholte den Versuch 1794 und 1796 und führte, da sich das Volk gegen die Annahme zu sträuben anfing, den Zwangskurs ein. So waren die ursprünglich angegebenen 12 Mill. 1806 bis auf 250 Mill. aufgelaufen; jetzt fing man an, an die Tilgung derselben zu denken. Eine Zwangsanleihe von 75 Mill., mit welcher die Tilgung angefangen werden sollte, wurde von den Kosten der Rüstung [* 32] verschlungen, welche die Aufstellung einer Neutralitätsarmee 1806 erforderte. 1807 wurden die Bankozettel bis fast auf eine halbe Milliarde vermehrt bei einer Staatsschuld von über 700 Mill. und einem Defizit von 66 Mill. Eine Erhöhung der Bankozettel auf 729 Mill. hatte der Krieg von 1809 zur Folge, nach dessen Beendigung das bekannte Silberpatent des Finanzministers O'Donnell erschien, durch welches alles für entbehrlich geltende Silber gegen Anteilscheine oder Bankozettel vom Staat eingezogen wurde.
Nachdem die hierdurch gewonnenen Summen von der an Napoleon zu zahlenden Kriegsentschädigung verschlungen worden waren, sollten mit Hinweisung auf die liegenden Güter des Klerus und das unbewegliche Stammvermögen des Staats Einlösungsscheine angefertigt und im Kurs von 100 zu 300 gegen Bankozettel eingewechselt werden. Der Erfolg aber wurde vereitelt durch das allgemeine Mißtrauen, welches besonders dadurch hervorgerufen wurde, daß die Regierung die Summe der Einlösungsscheine nicht fixiert hatte.
Die Anarchie in Handel und Wandel, die durch das fortwährende Sinken des Werts der Bankozettel entstand, bewog den Finanzminister Grafen Joseph Wallis (seit einen Hauptschlag zu führen mit dem Erlaß des Patents vom welches 15. März in allen Provinzen zu derselben Stunde bekannt gemacht wurde; in Ungarn wurde es trotz des Widerspruchs des Reichstags als Provisorium eingeführt. Das Volk erfuhr durch dies Patent, daß 1060 Mill. Bankozettel umliefen, daß dieselben auf den fünften Teil des Nennwerts (212 Mill.) herabgesetzt und, da es unmöglich sei, auch diese verminderte Summe in Metallgeld auszuzahlen, gegen neue Einlösungsscheine umgetauscht werden sollten, die fortan allein als Papiergeld gelten sollten.
Zugleich gelobte die Regierung, nicht mehr als 212 Mill. Einlösungsscheine auszugeben. Da diese Summe aber für das Bedürfnis nicht ausreichte und neue Rüstungen neue Kosten verursachten, mußte man sich doch zur Ausgabe von neuem Papiergeld entschließen, das man Antizipationsscheine nannte, welche den künftigen Ertrag der Steuern vorwegnahmen, und die durch das Finanzpatent vom im Betrag von 45 Mill. ausgegeben wurden, welche Summe im Verlauf von drei Jahren heimlich um fast das Zehnfache vermehrt wurde.
1812 war Österreich Napoleons Bundesgenosse, und ein österreichisches Hilfskorps von 30,000 Mann unter Schwarzenberg bildete den rechten Flügel der Großen Armee im russischen Feldzug. Die Katastrophe von 1812 gab dem Wiener Kabinett seine Unabhängigkeit zurück, ja der Ausbruch des Kriegs in Deutschland (s. Deutscher Befreiungskrieg) 1813 und der für die Verbündeten, Rußland und Preußen, anfangs ungünstige Verlauf desselben verschaffen Österreich eine ausschlaggebend Stellung, die Metternich mit großem Geschick zu verwerten wußte.
Nachdem Napoleon Metternichs Anerbietungen abgelehnt, schloß sich Österreich den Verbündeten an und erklärte 12. Aug. an Frankreich den Krieg. Es spielte fortan sowohl bei der Führung des Kriegs, dessen oberste Leitung dem Fürsten Schwarzenberg übertragen wurde, als bei den Unterhandlungen eine bedeutende Rolle, obwohl die Leistungen weder der österreichischen Generale noch der Truppen bedeutend waren und sich mit denen der Preußen nicht vergleichen ließen.
Der patriotische Aufschwung, der 1809 zu bemerken gewesen, war 1813 völlig erloschen. Für Österreich war der Krieg von 1813 bis 1814 kein Volkskrieg, sondern nur ein Kabinettskrieg. Aber Metternich wußte die Lage der Dinge zum Vorteil des Hauses Österreich vortrefflich auszubeuten. Der Kongreß, der die europäischen Verhältnisse neu regeln sollte, fand 1814-1815 in Wien statt (s. Wiener Kongreß), und durch ein geschicktes Ränkespiel erreichte Metternich alles, was er erstrebt hatte.
Österreich wurde nicht nur in seinen alten Grenzen [* 33] hergestellt, sondern erhielt auch noch einen Gebietszuwachs, so daß es 670,000 qkm zählte. Belgien [* 34] und der Breisgau wurden abgetreten, dagegen in Italien das Lombardisch-Venezianische Königreich erworben, Galizien zum größern Teil behauptet. In Italien hatte es durch seinen Besitz und durch die Verträge mit den Dynastien der übrigen italienischen Staaten, von denen die von Toscana und Modena dem Haus Habsburg-Lothringen angehörten, die herrschende Stellung. In Deutschland beanspruchte es eine solche scheinbar nicht, hatte den Rheinbundstaaten sofort Integrität ihres Gebiets und ihrer Souveränität garantiert und zeigte keine Lust, die Kaiserkrone wieder anzunehmen. Es begnügte sich mit dem Präsidium des deutschen Bundestags, welches ihm durch die Bundesakte vom zugesprochen wurde. Dasselbe genügte, um jede andre Macht, besonders Preußen, an der Erringung einer herrschenden Stellung in Deutschland zu hindern und indirekt die deutschen Mittel- und Kleinstaaten sich dienstbar zu machen.
Die Herrschaft des Metternichschen Systems.
Die europäische Machtstellung, die Österreich auf dem Wiener Kongreß erlangt hatte, nicht nur unvermindert zu behaupten, sondern noch zu erhöhen, war das Ziel der Politik Metternichs, der als Staatskanzler bis 1848 an der Spitze der österreichischen ¶