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Thronfolgeordnung, die Pragmatische Sanktion, welche bestimmte, daß sämtliche österreichische Länder nach seinem Tod »untrennbar und unauflöslich« sein und sämtlich an seine älteste Tochter, Maria Theresia, und deren Nachkommen fallen sollten. Nachdem er die Zustimmung der Stände der verschiedenen Erbländer seines Reiches zu derselben erlangt hatte, suchte er auch die europäischen Mächte zur Anerkennung derselben zu bewegen, statt, wie Prinz Eugen riet, seine Nachfolgerin durch ein tüchtiges Heer und einen wohlgefüllten Schatz in stand zu setzen, ihren Thron [* 2] mit eigner Kraft [* 3] zu verteidigen, und brachte hierfür große Opfer.
Nachdem Kurfürst Friedrich August III. von Sachsen, [* 4] der Gemahl von Josephs I. ältester Tochter, die Pragmatische Sanktion anerkannt hatte, unterstützte Karl VI. dessen Bewerbung um die polnische Krone im polnischen Erbfolgekrieg (s. d.) und trat im Wiener Frieden 1738 Neapel [* 5] und Sizilien [* 6] als eine Sekundogenitur an die spanischen Bourbonen sowie Lothringen an Frankreich ab, wofür er Parma [* 7] und Piacenza sowie für seinen Schwiegersohn Franz von Lothringen Toscana als Entschädigung erhielt. Hatten schon im polnischen Erbfolgekrieg die kaiserlichen Truppen keine Lorbeeren erworben, so trat der Verfall des Kriegswesens in dem Türkenkrieg, den Karl VI. 1737-39 im Bund mit Rußland führte, noch greller zu Tage: die Kaiserlichen wurden 1737 bei Banjaluka, bei Krotzka geschlagen und mußten im Frieden von Belgrad [* 8] diese Festung, [* 9] Serbien [* 10] und die Walachei abtreten.
Österreich unter Maria Theresia.
Mit Karls VI. Tod erlosch der habsburgische Mannesstamm, und mit Maria Theresia (1740-80), der ältesten Tochter Karls VI., die mit Franz von Lothringen, Großherzog von Toscana, vermählt war, begann die Herrschaft des Hauses Habsburg-Lothringen. Die junge Fürstin übernahm das Reich in einem kläglichen Zustand. Die Länder desselben bildeten eine lockere Föderation, die nur durch die Person des Herrschers, aber nicht durch eine Verfassung oder einen festen Verwaltungsorganismus vereinigt war.
Jedes Land hatte seine eigne ständische Verfassung, die dem Adel und der Geistlichkeit bedeutende Privilegien einräumte, und welche die habsburgischen Herrscher zwar nicht immer streng beachteten, doch auch nicht aufhoben. Die Zentralbehörden waren der Hofkriegsrat, die Hofkammer (Finanzen) und die Staatskanzlei (äußere Angelegenheiten), welche aber keine ausreichenden niedern Organe zu ihrer Verfügung hatten, sondern sich auf die ständischen und Lokalbehörden stützen mußten. Der Schatz war leer, das Heer in Zerrüttung, die Minister und Generale alt und unzuverlässig. In geistiger Beziehung herrschte völliger Stillstand, der Zusammenhang mit Deutschland [* 11] schien gänzlich gelöst.
Karl VI. hatte die Wahl seines Schwiegersohns zum deutschen Kaiser bei seinen Lebzeiten nicht erreicht. Der Glaube, daß Maria Theresias Thronfolge durch die Verträge mit den Mächten gesichert sei, erwies sich als trügerisch. Der Kurfürst Karl Albert von Bayern [* 12] machte Ansprüche auf das habsburgische Erbe. Friedrich II. von Preußen [* 13] forderte Entschädigung für seine schlesischen Ansprüche und fiel, als diese sowie sein Anerbieten, zum Lohn für dieselbe die Pragmatische Sanktion verteidigen zu helfen, schroff zurückgewiesen wurden, in Schlesien [* 14] ein (erster Schlesischer Krieg).
Mit Ausnahme weniger Festungen, die auch bald erobert wurden, fiel das ganze Land ohne erheblichen Widerstand in seine Hände, und der Versuch Neippergs, es wiederzuerobern, wurde durch die Schlacht bei Mollwitz zurückgewiesen. Jetzt fochten auch Sachsen, Sardinien, [* 15] Spanien [* 16] und Frankreich die Pragmatische Sanktion an und vereinigten sich mit Bayern und Preußen. Der österreichische Erbfolgekrieg (s. d., 1741-48), der aus diesem Bündnis hervorging, verlief anfangs für die junge Königin sehr ungünstig.
Durch ein französisches Heer verstärkt, eroberte der Kurfürst von Bayern Oberösterreich und empfing in Linz [* 17] die Huldigung der Stände. Er drang bis vor Wien [* 18] vor, wandte sich aber dann nach Böhmen [* 19] und ließ sich in Prag [* 20] krönen (Dezember 1741). Auch hier schlossen sich die Stände teils Bayern an, teils verhielten sie sich unthätig. Nur der ungarische Reichstag leistete Maria Theresia Beistand. Infolge der Fehler der französisch-bayrischen Kriegführung wandte sich die Sache 1742 zu gunsten Österreichs.
Ein österreichisches Heer unter Karl von Lothringen fiel in Böhmen, ein zweites unter dem General Khevenhüller in Bayern ein und besetzte München, [* 21] während Maria Theresia nach der Niederlage bei Chotusitz mit Friedrich II. zu Berlin [* 22] einen Frieden schloß, in welchem sie Schlesien (außer Troppau, [* 23] Teschen und Jägerndorf) nebst der Grafschaft Glatz [* 24] an Preußen abtrat. Um so energischer und erfolgreicher wurde nun der Krieg gegen die Franzosen und Bayern fortgesetzt.
Aus Besorgnis, daß nach dem völligen Sieg Österreichs ihm Schlesien wieder entrissen werden könne, begann Friedrich II. 1744 den zweiten Schlesischen Krieg, fiel in Böhmen ein und eroberte 16. Sept. Prag. Dies nötigte Karl von Lothringen, Bayern zu räumen und sich nach Böhmen zu wenden. Den geschickten Operationen des Grafen Traun war es zu danken, daß Friedrich sich unter großen Verlusten aus Böhmen nach Schlesien zurückziehen mußte. Schon hoffte Maria Theresia, Schlesien wiedergewinnen zu können, für das sie sich durch Bayern zu entschädigen gedacht hatte. Als daher nach dem Tod Karls VII. dessen Nachfolger Max Joseph III. um Frieden bat, ließ ihm Maria Theresia im Vertrag von Füssen Bayern, während er auf alle Ansprüche an Österreich [* 25] verzichtete.
Österreichische Truppen rückten darauf in Ober- und Mittelschlesien ein; Friedrich rettete sich aber durch die Siege von Hohenfriedeberg [* 26] (4. Juni), Soor (30. Sept.) und Kesselsdorf (15. Dez.) aus der Bedrängnis und behauptete Schlesien im Frieden von Dresden [* 27] Der Krieg zwischen Österreich nebst seinen Verbündeten und Frankreich wurde noch drei Jahre in den Niederlanden und in Italien [* 28] fortgesetzt und erst durch den Frieden von Aachen [* 29] beendigt. Maria Theresia verlor einen Teil Mailands an Sardinien, Parma und Piacenza als Sekundogenitur an die sizilischen Bourbonen. Im übrigen wurde ihr Thronfolgerecht und ihr Besitzstand bestätigt und ihr Gemahl Franz von Lothringen als deutscher Kaiser anerkannt.
Die erheblichen Gebrechen, welche sich im österreichischen Staatswesen während dieser Kriege gezeigt hatten, den Mangel an Einheit und Staatsbewußtsein im Volk, die Geringfügigkeit und Unsicherheit der Einkünfte, die Schwäche der Zentralbehörden, die schwerfällig provinzielle Verwaltung und die ungenügende Heeresorganisation, zu beseitigen, war nun Maria Theresias Streben. Sie rottete das Feudalsystem nicht völlig aus, aber suchte es unschädlich zu machen. Mit Güte oder mit Gewalt wurden die ¶
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Stände zur Erfüllung der landesherrlichen Befehle bewogen. Als Zentralbehörde ward ein Staatsrat eingesetzt, die österreichische und die böhmische Hofkanzlei vereinigt., die bisher ständischen Beamten in staatliche verwandelt. Die Justiz wurde wenigstens in den obern Instanzen von der Verwaltung getrennt und ein neues Strafgesetz erlassen, welches viele Härten milderte und die Tortur abschaffte (1776). Die von der Hofkammer verwalteten Finanzen wurden durch Vereinfachung der Verwaltung gebessert, die Einnahmen durch neue Zölle, Steuern und Monopole von 20 Mill. (1745) auf 40 (1754), ja auf 54 Mill. (1773) vermehrt.
Dennoch verschlangen die Kriege so ungeheure Summen, daß die öffentliche Schuld immer noch 250 Mill. betrug. Auch die Freigebigkeit Maria Theresias überschritt oft die verfügbaren Mittel, und das jährliche Defizit betrug 8-10 Mill. Das Heerwesen, dessen oberste Leitung der Hofkriegsrat behielt, wurde nach preußischem Muster reorganisiert und der Friedensstand der Armee auf 108,000 Mann mit einem jährlichen Erfordernis von 14 Mill. festgesetzt. Die drückende Lage der bäuerlichen Bevölkerung [* 31] wurde erleichtert, die Robotpflicht 1775 erheblich herabgesetzt, dagegen die Steuerfreiheit der Grundherren aufgehoben. In kirchlicher Beziehung wurde die Herrschaft der römisch-katholischen Kirche als Staatsreligion aufrecht erhalten und den Nichtkatholiken kaum Duldung gewährt.
Den Jesuitenorden hob Maria Theresia 1773 auf, nachdem der Papst ihn aufgelöst hatte. Die Universitäten wurden in Staatsinstitute umgewandelt und reorganisiert, der Gymnasialunterricht reformiert und die Volksschule als wichtigste Erziehungs- und Bildungsanstalt geschaffen (1774). Doch bezogen sich diese Reformen nur auf die österreichisch-böhmischen Lande. Ungarn, [* 32] Belgien [* 33] und die Lombardei nahmen in allen diesen Dingen eine Sonderstellung ein.
Unterbrochen wurde diese Reformthätigkeit durch den Siebenjährigen Krieg (s. d., 1756-63). Maria Theresia glaubte stark genug zu sein, ihren unversöhnlich gehaßten Feind Friedrich II. zu demütigen und Schlesien wiederzugewinnen; sie rechnete hierbei auf die Hilfe Rußlands, Schwedens, Sachsens und Englands. Als letzteres sich mit Preußen verbündete, that sie einen entscheidenden Schritt: sie schloß ein Bündnis mit Frankreich, welches dem mehr als zweihundertjährigen Antagonismus zwischen dem Haus Österreich und Frankreich ein Ende machte.
Österreich wollte den Krieg gegen Preußen erst 1757 beginnen, doch kam dieses mit dem Einfall in Sachsen und Böhmen 1756 zuvor. Die Schlacht bei Kolin [* 34] setzte dem Siegeslauf des Preußenkönigs ein Ziel, und auch im weitern Verlauf des Kriegs bewährte das österreichische Heer seine erhöhte Kriegstüchtigkeit und errang unter hervorragenden Feldherren noch mehrere Siege. Aber Friedrich II. zeigte sich schließlich seinen zahlreichen Feinden und allen Wechselfällen des Schicksals gewachsen. Auch Österreichs Hilfsquellen, besonders die Finanzen, waren endlich erschöpft, und Maria Theresia mußte im Hubertusburger Frieden auf Schlesien endgültig verzichten.
Die ungeheuern Opfer an Geld und Menschen waren vergeblich gebracht. Nicht zu unterschätzen war die moralische Einbuße, welche Österreich durch den Siebenjährigen Krieg erlitt. Es hatte sich mit fremden Mächten, namentlich dem Erbfeind Frankreich, zur Zertrümmerung eines deutschen Staats, zur Auslieferung deutschen Gebiets (Pommerns und Ostpreußens) an das Ausland (Schweden [* 35] und Rußland) verbunden, aus eroberungssüchtigem Ehrgeiz Deutschland der Verheerung durch fremde Truppen preisgegeben und dadurch die Sympathien verscherzt, welche es sich als Verteidiger der deutschen Grenzen [* 36] früher im Volk erworben. Besonders die protestantische Bevölkerung Deutschlands [* 37] sah jetzt in Friedrich II. ihren Nationalhelden.
Nicht lange nach dem Frieden, starb Maria Theresias Gemahl, Kaiser Franz I. (1745-65), der erste aus dem habsburg-lothringischen Haus. Ihm folgte als Kaiser der älteste Sohn, Joseph II. (1765-90), den Maria Theresia auch zum Mitregenten für Österreich ernannte; sie überließ ihm die Leitung des Militärs und der Finanzen, räumte ihm aber auch auf die auswärtige Politik einen erheblichen Einfluß ein. So geschah es, daß die Kaiserin, obwohl jedem neuen Ländererwerb und namentlich jeder kriegerischen Verwickelung persönlich abgeneigt, es geschehen ließ, daß sich Österreich 1772 an der ersten Teilung Polens beteiligte und bei derselben Galizien und Lodomerien (100,000 qkm) erwarb, wozu 1775 noch die von der Türkei [* 38] abgetretene Bukowina kam. Joseph II. nahm auch den Plan der Erwerbung Bayerns wieder auf (s. Bayrischer Erbfolgekrieg), indem er nach dem Erlöschen der bayrischen Wittelsbacher mit dem Tode des Kurfürsten Maximilian III. Joseph sofort mit dessen Erben, Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz, einen Vertrag schloß, der Österreichs Ansprüche auf den größten Teil von Niederbayern, Mindelheim und die böhmischen Lehen anerkannte.
Österreich wäre damit die einzig gebietende Macht in Süddeutschland geworden, zumal Joseph auch die übrigen Länder Bayerns durch Verträge zu erwerben hoffte. Friedrich II. war aber entschlossen, eine solche Vergrößerung Österreichs in Deutschland um keinen Preis zu dulden, veranlaßte den nächsten Erbberechtigten, den Herzog Karl von Zweibrücken, [* 39] gegen den Vertrag vom 3. Jan. zu protestieren, und als dessenungeachtet Joseph die abgetretenen Gebietsteile besetzte und die Räumung verweigerte, rückte er 1778 in Böhmen ein.
Der Krieg, in welchem weniger gekämpft als demonstriert wurde, endete mit dem Frieden von Teschen in welchem Joseph II. sich mit der Erwerbung des Innviertels begnügen mußte. Ein Jahr darauf, starb Maria Theresia. Sie hinterließ einen Staat von 600,000 qkm mit 24 Mill. Einwohner in bedeutend besserm Zustand, als sie ihn 1740 übernommen hatte. Nicht bloß die Einheit und Kraft des Staatswesens waren gewachsen, auch in wirtschaftlicher Beziehung waren Fortschritte gemacht worden: Industrie und Handel nahmen einen bedeutenden Aufschwung. Die deutsche Aufklärung brach sich in Österreich Bahn und befreite es von dem geistigen Druck, der seit der Gegenreformation ertötend auf ihm gelastet hatte. In Wissenschaft, Litteratur und Kunst gewann man wieder Fühlung mit dem Reich, mit Deutschland.
Österreich unter Joseph II.
Kaiser Joseph hatte mit wachsender Ungeduld zusehen müssen, wie seine Mutter an hochkirchlichen und aristokratischen konservativen Grundsätzen festhielt und weitergehende Reformen ablehnte. Als alleiniger Regent (1780-90) wollte er, »von Fanatismus für das Wohl des Staats erfüllt«, die Umgestaltung des Staats nach seinen philosophischen Anschauungen möglichst rasch und möglichst gründlich durchführen. »Die Monarchie muß eine einzige, in allen Einrichtungen und Lasten gleiche Provinz bilden«, schrieb er; in den verschiedenen Völkern sah er ¶