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werden sollte, und Rudolf II. gab den Böhmen [* 2] den Majestätsbrief. Nachdem er infolge eines Versuchs, mit Gewalt die frühere Herrschaft wiederzugewinnen, 1611 auch zum Verzicht auf die böhmische Krone gezwungen worden war, starb Rudolf Ihm folgte Matthias, der am auch zum deutschen Kaiser gewählt wurde.
Matthias lenkte in Deutschland [* 3] und in Österreich [* 4] mehr und mehr in eine kirchliche Restaurationspolitik ein, für welche der spanische Hof [* 5] und die Erzherzöge, namentlich Ferdinand von Steiermark, [* 6] der zum Nachfolger des Kaisers bestimmt wurde, entschieden eintraten. Aber in den vorangegangenen Wirren und dem Streit zwischen den Brüdern hatten die Stände ihre Macht und ihre Ansprüche gesteigert, und als Matthias den Majestätsbrief nach katholischer Deutung handhabte, veranlaßte er den Aufstand der Böhmen und damit den Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs. Er starb, als die aufständischen Böhmen schon die österreichische Grenze überschritten hatten, ihm folgte Ferdinand von Steiermark, der als Ferdinand II. (1619-37) 28. Aug. auch zum Kaiser gewählt wurde.
Seine Lage war aber anfangs sehr gefährdet. Denn nicht nur die österreichischen Stände erhoben gegen seine Thronfolge Einspruch, die Böhmen erklärten ihn sogar für abgesetzt und wählten an seiner Stelle den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz. Zweimal drangen die Böhmen unter Thurn in Österreich ein und lagerten sich unter den Mauern von Wien; [* 7] im Osten war Bethlen Gabor, seit 1613 Fürst von Siebenbürgen, im Bund mit den Türken ein gefährliche Feind: da rettete der Sieg am Weißen Berg den Kaiser aus allen Bedrängnissen.
Böhmen wurde völlig unterworfen, die österreichischen Stände zur Huldigung gezwungen, und nach dem Muster des böhmischen Religionspatents vom welches alle Andersgläubigen rücksichtslos aus dem Königreich verbannte, wurde in den übrigen habsburgischen Ländern verfahren, um die neue Lehre [* 8] auszurotten. Zwar kam es den gewaltsamen Bekehrungsmaßregeln gegenüber zu Aufständen, so besonders in dem an Maximilian von Bayern [* 9] für die böhmischen Kriegskosten verpfändeten Oberösterreich, wo sich die Bauern im Mai 1625 unter Anführung von Stephan Fladinger erhoben; indessen die Empörung wurde durch überlegene Truppenmassen blutig niedergeschlagen. Im Osten wurde die Gefahr für Österreich vermindert durch einen Vertrag mit den Türken (1627) auf Grund des Friedens von Zsitwa-Torok und durch den Tod Bethlen Gabors Ja, in Deutschland schienen die Siege Tillys und Wallensteins über die evangelischen Reichsstände im weitern Verlauf des Dreißigjährigen Kriegs dem Haus Habsburg die Möglichkeit zu eröffnen, die Kaiserwürde in eine wirkliche monarchische Gewalt zu verwandeln und Deutschland unter habsburgischem Zepter zu einigen. 1629 hielten kaiserliche Truppen fast ganz Deutschland besetzt, Reichsfürsten waren geächtet und flüchtig, und niemand wagte mehr, sich offen gegen den Kaiser aufzulehnen.
Aber bei Ferdinand überwog der kirchliche Eifer den dynastischen Ehrgeiz. Das Restitutionsedikt, die Entlassung Wallensteins und die Landung Gustav Adolfs entrissen dem Habsburger mit einemmal alle Erfolge, und um die Sachsen [* 10] aus Böhmen zu vertreiben und seine Erblande vor dem siegreichen Schwedenkönig zu schützen, mußte Ferdinand II. 1632 alle militärische Gewalt Wallenstein überlassen. In dem weitern wechselvollen Verlauf des Kriegs wurden auch die habsburgischen Lande wiederholt Schauplatz der verheerenden Kämpfe, und 1645 drangen schwedische Truppen unter Torstensson bis unter die Mauern von Wien vor.
Das Eingreifen Frankreichs in den deutschen Krieg wurde Österreich besonders nachteilig, und nachdem schon Ferdinand II. im Prager Frieden 1635 auf das Restitutionsedikt hatte verzichten und die Lausitz an Sachsen hatte abtreten müssen, verlor sein Nachfolger Ferdinand III. (1637-57) im Westfälischen Frieden 1648 die alten habsburgischen Besitzungen im Ober- und Unterelsaß nebst der Festung [* 11] Breisach an Frankreich. Die kaiserliche Gewalt ging nicht gekräftigt, sondern geschwächt aus dem Krieg hervor, und der Zusammenhang Österreichs mit dem übrigen Deutschland wurde immer lockerer. Die Bestimmungen des Westfälischen Friedens über die kirchlichen Verhältnisse wurden auf Österreich nicht ausgedehnt, wo die Reformation unterdrückt blieb, und die Reichsgesetze fanden auf Österreich keine Anwendung. So schied es sich geistig und politisch von Deutschland.
Die letzten Habsburger.
Auf Ferdinand III. folgte, da der älteste Sohn, Ferdinand, der 1653 zum römischen König gewählt worden, bereits gestorben war, sein zweiter Sohn, Leopold I. (1657-1705), der 1658 auch zum deutschen Kaiser gewählt wurde. Die lange Regierung dieses Habsburgers war für Österreich eine bedeutungsvolle und schließlich erfolgreiche, obwohl er geringe Herrschergaben entwickelte, die Verwaltung in ihrem alten Geleise beließ, Verschwendung am Hof und Bestechlichkeit der Beamten duldete, so daß die Finanzen sich in kläglichem Zustand befanden, durch seinen fanatischen Bekehrungseifer die protestantischen Ungarn [* 12] zu Empörungen zwang und sich in seiner auswärtigen Politik vom spanischen Einfluß leiten ließ. Nur das Heerwesen war in genügendem Stande, da hier noch die glänzenden Traditionen des großen Kriegs wirksam waren. Aber die echt habsburgische Zähigkeit, mit der Leopold, durch kein Mißgeschick abgeschreckt, an seinen Zielen festhielt, bewirkte, daß er endlich die österreichische Machtstellung in Europa [* 13] bedeutend erhöhte; der innere Organismus war aber nicht gesund und lebenskräftig.
Österreich hatte unter Leopold I. nach zwei Seiten hin zu kämpfen. Zunächst fielen die Türken von neuem in Ungarn ein. Ein österreichisches Heer, welches sie bei Gran [* 14] am Überschreiten der Donau hindern wollte, wurde zurückgeschlagen (Aug. 1663), und die türkischen und tatarischen Scharen drangen plündernd und brandschatzend bis Brünn [* 15] und Olmütz [* 16] vor. Durch den Sieg Montecuccolis bei St. Gotthardt a. d. Raab [* 17] wurden die Türken zu dem Frieden von Vasvár bewogen, der Österreich zwar keine Gebietsvergrößerung, aber Ruhe und die Möglichkeit gewährte, die Herrschaft in Ungarn zu befestigen und die ständischen Rechte und die Religionsfreiheit der Ungarn zu beschränken.
Eine Verschwörung der Magnaten hiergegen wurde unterdrückt und blutig bestraft (1665-71). Als Emmerich [* 18] Tököly, das Haupt der Ungarn, die für ihre alte Verfassung und für den in grausamer Weise verfolgten Protestantismus kämpften, die Türken endlich um Hilfe bat, rückten diese 1683 unter dem Großwesir Kara Mustafa, 200,000 Mann stark, sengend und brennend bis vor Wien, das zwei Monate lang belagert, aber durch die tapfere Besatzung und die Bürgerschaft erfolgreich verteidigt wurde, während der kaiserliche Hof nach Passau [* 19] geflüchtet war. Ein kaiserliches und Reichsheer unter Karl von Lothringen und die Polen unter ¶
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Johann Sobieski entsetzten endlich durch den Sieg am Kahlenberg die Hauptstadt. Durch deutsche Reichstruppen verstärkt, rückten nun die Kaiserlichen in Ungarn ein, nahmen 1683 Gran, 1686 Ofen ein und eroberten durch den Sieg bei Mohács Kroatien und Slawonien. Durch diese Erfolge seiner Waffen [* 21] erreichte es Leopold, daß die ungarischen Stände 1687 in die Aufhebung des Wahlkönigtums willigten und das Land in ein Erbreich unter habsburgischer Herrschaft verwandelten, und vereinigte mit demselben Siebenbürgen, dessen Fürst und Landtag der türkischen Oberherrschaft entsagten. Durch die Siege des Markgrafen Ludwig von Baden [* 22] bei Szalankemen und Eugens von Savoyen bei Zenta wurde der Sultan zum Frieden von Karlowitz gezwungen, in welchem ganz Siebenbürgen und alles Land zwischen Donau und Theiß, mit Ausnahme des Banats von Temesvár, an Österreich abgetreten wurde. Inzwischen war auch Tirol, [* 23] welches seit 1564 von Seitenlinien beherrscht worden, nach dem Erlöschen der letzten 1665 an Österreich zurückgefallen.
Den Krieg im Westen gegen Frankreich führte Leopold zur Sicherung der Reichsgrenzen und der Wahrung der Stellung seines Hauses im Reich; hatte Ludwig XIV. doch schon 1658 sich ernstlich um die Kaiserkrone beworben. Die ersten französischen Kriege (1672-79 und 1688-97) waren freilich nicht so erfolgreich wie die türkischen. Die Friedensschlüsse von Nimwegen [* 24] und Ryswyk ließen Ludwig XIV. seine meisten Eroberungen, namentlich die Reunionen. Von nun an bestimmte vornehmlich die Rücksicht auf Spanien [* 25] die Haltung Leopolds gegen Frankreich.
Hier stand das Erlöschen der habsburgischen Dynastie bevor, da König Karl II. kränklich und kinderlos war, und der Kaiser war eifrig bemüht, die spanische Krone seinem Haus zu erhalten und auf seinen zweiten Sohn, Karl, zu übertragen. Als nun Karl II. 1700 starb und der von ihm testamentarisch zum Erben ernannte Enkel Ludwigs XIV., Philipp von Anjou, mit französischer Hilfe von Spanien Besitz ergriff, entschloß sich Leopold 1701 im Bund mit den meisten deutschen Fürsten und den Seemächte, die habsburgischen Ansprüche auf Spanien mit Waffengewalt geltend zu machen. In diesem Krieg (s. Spanischer Erbfolgekrieg), welcher nur für dynastische Zwecke, für die Vergrößerung der habsburgischen Hausmacht, geführt wurde, und in welchem Österreich zum erstenmal seine Hand [* 26] nach dem Erwerb Bayerns ausstreckte, errangen die Kaiserlichen, hauptsächlich durch das Feldherrngenie des Prinzen Eugen, nach anfänglichem Mißgeschick endlich auch glänzende Erfolge.
Leopold I. erlebte noch den Sieg bei Höchstädt [* 27] der dem Krieg die entscheidende Wendung zu gunsten Österreichs gab. Auf Leopold (gest. folgte sein älterer Sohn, Joseph I. (1705-11), der den spanischen Erbfolgekrieg mit Aufbietung aller Kräfte fortsetzte, obwohl in Ungarn eine Empörung unter Franz Rákóczy II. ausbrach; dieselbe wurde durch den Sieg der Kaiserlichen bei Trentschin (1708) unterdrückt und die völlige Pacifikation Ungarns durch den Száthmarer oder Károlyischen Frieden (1711) erreicht.
Inzwischen war Bayern besetzt, durch den Sieg von Turin [* 28] (1706) Italien [* 29] von den Franzosen befreit und durch die Schlachten [* 30] von Oudenaarde (1708) und Malplaquet (1709) die französische Kriegsmacht fast vernichtet worden. Jetzt hätte der Friede unter den günstigsten Bedingungen abgeschlossen werden können, indem Ludwig XIV. zum Verzicht auf die spanische Erbschaft und zur Rückgabe seiner Eroberungen an der deutschen Westgrenze bereit war. Deutschland wäre künftig gegen französische Eroberungsgier gesichert gewesen, das Haus Habsburg hätte sich als den mächtigen Hort des Reichs erwiesen und Österreich sich unter der Regierung Josephs I., der sich auch im Innern als tüchtiger Regent bewährte, sich tolerant und aufgeklärt zeigte und in den Finanzen und der Justiz wirksame Reformen einführte, einer glücklichen Entwickelung erfreuen können.
Aber aus dynastischem Interesse brachte Joseph die Friedensverhandlungen zum Scheitern, indem er die ganze spanische Monarchie für seinen Bruder Karl verlangte und sogar von Ludwig XIV. forderte, daß er seinen Enkel aus Spanien vertreiben helfe. Inzwischen nahm der Krieg in Spanien für Karl eine so ungünstige Wendung, daß an eine Eroberung des Landes weniger als je zu denken war, und Frankreichs Streitkräfte erholten sich. Joseph I. starb aber ohne Söhne zu hinterlassen: der einzige Sproß des habsburgischen Hauses war sein Bruder, bisher Karl III. von Spanien, noch 1711 als Karl VI. (1711-40) auf den deutschen Kaiserthron erhoben. Die Fortsetzung der bisherigen Politik der Verbündeten hätte also die Vereinigung der österreichischen und der spanischen Monarchie in Eine Hand zur Folge gehabt, und da dies das europäische Gleichgewicht [* 31] gefährden mußte, so trennten sich die Seemächte von Österreich und schlossen mit Frankreich 1713 den Frieden von Utrecht, [* 32] den der Kaiser nach erfolgloser Fortsetzung des Kriegs 1714 im Friedensschluß von Rastatt [* 33] anerkennen mußte.
Österreich erwarb aus der spanischen Erbschaft ansehnliche Gebietsteile, die spanischen Niederlande, [* 34] Mailand, [* 35] Mantua, [* 36] Neapel [* 37] und Sardinien, [* 38] das 1720 gegen Sizilien [* 39] ausgetauscht wurde. Eine weitere beträchtliche Gebietsvergrößerung erlangte es durch einen neuen Türkenkrieg (1716-18), in welchem Prinz Eugen die weit stärkern Türkenheere bei Peterwardein und bei Belgrad [* 40] völlig besiegte und die Pforte im Frieden von Passarowitz zur Abtretung des Banats, von fünf Distrikten der Kleinen Walachei und Serbiens zwischen der Morawa und Drina zwang.
Doch gereichten diese Erwerbungen. Österreich nicht zum Heil und wurden auch nicht lange behauptet. In den Niederlanden und in den italienischen Besitzungen verschlang die Verwaltung alle Einnahmen; dagegen nahmen diese Lande einen Teil des Heers in Anspruch und verursachten wiederholt diplomatische Verwickelungen, da die Bourbonen immer wieder ihre begehrlichen Blicke nach ihnen richteten. Karl VI. wurde hierdurch ganz von der innern. Verwaltung abgezogen, die in den zerrütteten Zustand der Zeit Leopolds I. zurücksank.
Die höchsten Beamtenstellen wurden nach der Gunst des Hofs vergeben, die niedern Beamten waren träge, nachlässig und bestechlich. Die Einnahmen des Staats, ungeschickt verwaltet und am unrechten Ort verschwendet, reichten nie zur Deckung der Ausgaben, geschweige denn zur Schuldentilgung aus. So wurde selbst das Heer vernachlässigt: es war nie vollzählig, über die ganze Monarchie in Garnisonen verstreut, mangelhaft ausgerüstet und geschult, die Festungen vernachlässigt und meist nicht verteidigungsfähig.
Seit 1716 beschäftigte den Kaiser fast ausschließlich die Regelung der Thronfolge in seinen Landen. Karl VI. (s. Karl 7) hatte nämlich ebenfalls keine Söhne. Er erließ daher eine neue ¶